Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.04.2013


BGH 24.04.2013 - VIII ZR 88/12

Anspruch des Übertragungsnetzbetreibers auf Zahlung eines restlichen Belastungsausgleichs gegen den Verteilnetzbetreiber: Straßenbeleuchtungsanlage als einheitliche Abnahmestelle


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
24.04.2013
Aktenzeichen:
VIII ZR 88/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 8. Februar 2012, Az: VI-2 U (Kart) 4/11, Urteilvorgehend LG Düsseldorf, 14. April 2011, Az: 14c O 287/10, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 16 Abs 2 S 4 EEG 2004
§ 41 Abs 4 EEG 2012

Leitsätze

Eine aus ungefähr 10.000 Verbrauchsstellen bestehende und über rund 480 Verknüpfungspunkte mit dem Verteilnetz verbundene städtische Straßenbeleuchtungsanlage stellt im Sinne des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG eine einzige Abnahmestelle dar.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die als Übertragungsnetzbetreiberin in ihrer in Westdeutschland gelegenen Regelzone das Elektrizitätsnetz in der Höchst- und Hochspannungsebene betreibt, verlangt von der Beklagten als nachgelagerter Netzbetreiberin die Zahlung eines restlichen Belastungsausgleichs nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (im Folgenden: KWKG) für die Kalenderjahre 2006 und 2007. Die Beklagte versorgt als Verteilnetzbetreiberin aus dem von ihr gepachteten Mittel- und Niederspannungsnetz in S.     die Straßenbeleuchtungsanlage der Stadt S.      mit Strom. Diese Anlage verfügt über ungefähr 10.000 Verbrauchsstellen, welche über rund 480 Netzverknüpfungspunkte an das Verteilnetz der Beklagten angeschlossen sind. Im Jahre 2006 belief sich der Verbrauch für den Betrieb der Straßenbeleuchtungsanlage auf 8.444.912 Kilowattstunden und im Jahre 2007 auf 7.945.115 Kilowattstunden (kWh).

2

Die Parteien streiten nur noch um die Höhe der Ausgleichszahlungen, die von der Beklagten aufgrund der durch die Straßenbeleuchtung verbrauchten Strommengen gemäß § 9 Abs. 4 KWKG an die Klägerin zu entrichten sind. Sie sind unterschiedlicher Auffassung, ob auf die Straßenbeleuchtungsanlage der Stadt S.      § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG Anwendung findet, wonach bei Letztverbrauchern, deren Jahresverbrauch an einer Abnahmestelle mehr als 100.000 kWh beträgt, der Zuschlag nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz für die über 100.000 kWh jährlich hinausgehende Strommenge auf 0,05 Cent/kWh begrenzt ist.

3

Die auf Zahlung von noch 21.061,16 € gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Differenz zwischen dem vollen Ausgleichsbetrag und dem Betrag geltend macht, der sich bei einem Ansatz der genannten, nach ihrer Auffassung aber nicht zum Tragen kommenden Zuschlagsbegrenzung ergibt, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, CuR 2012, 24) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 9 Abs. 4 KWKG auf Zahlung weiterer 21.061,16 €. Bei der Straßenbeleuchtungsanlage der Stadt S.     handele es sich um eine Abnahmestelle im Sinne von § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG. Diese Vorschrift privilegiere nach ihrem Wortlaut alle Letztverbraucher, die an einer Abnahmestelle einen besonders hohen Strombezug aufwiesen, indem sie die Erhöhung des Netznutzungsentgelts begrenze. Zu diesen Letztverbrauchern gehöre gemäß § 3 Nr. 25 EnWG auch die Stadt S.     bei dem Bezug des für ihre Straßenbeleuchtungsanlage benötigten Stroms. Die Straßenbeleuchtungsanlage sei dabei als eine Abnahmestelle und nicht als mehrere Abnahmestellen anzusehen. Der Begriff der Abnahmestelle werde allerdings im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz nicht definiert, so dass seine Bedeutung unter Berücksichtigung des energiewirtschaftlichen Kontextes durch Auslegung zu ermitteln sei. Denn er finde sich auch in anderen energierechtlichen Vorschriften wie §§ 3, 40 bis 43, 66 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012, § 19 der Stromnetzentgeltverordnung, § 2 der Konzessionsabgabenverordnung und § 11 der Ausführungsanordnung zur Konzessionsabgabenanordnung. Gesetzlich definiert werde die Abnahmestelle aber nur im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Unter Übernahme der in § 16 Abs. 2 Satz 4 EEG 2004 aufgenommenen und mit Abwandlungen mittlerweile in § 41 Abs. 4 EEG 2012 fortgeführten Definition werde in der energiewirtschaftsrechtlichen Literatur zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und zum Erneuerbare-Energien-Gesetz die Abnahmestelle als eine Zusammenfassung aller Entnahmepunkte verstanden, die ein Unternehmen mit dem Netz desselben Netzbetreibers verbänden und in einem gewissen räumlichen Zusammenhang stünden.

7

Allerdings könnten diese Begriffsbestimmungen nicht uneingeschränkt dem Verständnis der Abnahmestelle im Rahmen des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG zugrunde gelegt werden. Dagegen spreche bereits, dass die Legaldefinitionen der Abnahmestelle in Vorschriften enthalten seien, die ausdrücklich nur Unternehmen des produzierenden Gewerbes beträfen. § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG gelte dagegen grundsätzlich für alle Letztverbraucher, so dass die konkret unternehmensbezogenen Definitionsteile der Legaldefinitionen im Erneuerbare-Energien-Gesetz allenfalls in angepasster Weise der Subsumtion des Begriffs der Abnahmestelle im Sinne von § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG zugrunde gelegt werden dürften. Dies gelte insbesondere für das in § 41 Abs. 4 EEG 2012 aufgestellte Erfordernis eines in sich abgeschlossenen Betriebsgeländes, weil eine Stadt nicht über ein Betriebsgelände im eigentlichen Sinne verfüge. Das „Betriebsgelände“ einer Stadt sei das Stadtgebiet, welches durch die festgelegten Stadtgrenzen eindeutig nach außen abgegrenzt und mithin sogar „abgeschlossen“ sei, da eine Abgeschlossenheit ersichtlich nicht voraussetze, dass das Gelände eingefriedet sei. Vielmehr werde, wie sich aus der gesetzlichen Begründung zu § 41 Abs. 4 EEG 2012 ergebe, lediglich ein im Hinblick auf die elektrischen Einrichtungen zusammenhängendes Betriebsgelände gefordert. Bei der Straßenbeleuchtungsanlage handle es sich um eine im Sinne dieser so verstandenen Definition räumlich (und auch physikalisch) zusammenhängende elektrische Einrichtung der Stadt S.     , die über einen oder mehrere Entnahmepunkte mit dem Netz der Beklagten verbunden sei. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, erstrecke sich die elektrische Straßenbeleuchtungsanlage zusammenhängend gitternetzförmig über alle öffentlichen Straßen und Wege des gesamten Stadtgebiets und sei an rund 480 Netzverknüpfungspunkten mit dem Netz der Beklagten verbunden.

8

Dass eine Straßenbeleuchtungsanlage als eine Abnahmestelle im Sinne von § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG anzusehen sei, werde im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Bundesnetzagentur und die Landesregulierungsbehörden eine Straßenbeleuchtungsanlage als einen (einzigen) Kunden ansähen und bei der Erlösobergrenzenfestsetzung im Rahmen der Anreizregulierung als einen (einzigen) Anschlusspunkt behandelten. Auch der „Leitfaden der Bundesnetzagentur zur Genehmigung individueller Netzentgeltvereinbarung nach § 19 Abs. 2 S. 1 und 2 StromNEV 2009“ fordere entgegen der Ansicht der Klägerin nicht als zusätzliche Voraussetzung, dass die einzelnen Entnahmestellen elektrisch durch Schalthandlung miteinander verbunden werden könnten. Gefordert werde lediglich eine elektrische Verbindung innerhalb der Abnahmestelle, die aufgrund der räumlich und physikalisch zusammenhängenden Straßenbeleuchtungsanlage vorliegend gegeben sei. Schließlich seien auch die Parteien über Jahre hinweg davon ausgegangen, dass es sich bei der Straßenbeleuchtungsanlage um eine Abnahmestelle im Sinne des immerhin bereits seit dem 1. April 2002 geltenden § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG handle, und hätten entsprechend abgerechnet.

II.

9

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.

10

Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines weiteren Belastungsausgleichs nach § 9 Abs. 4 KWKG verneint. Denn der von der Beklagten für den Betrieb der Straßenbeleuchtungsanlage in S.      gelieferte Strom wird von der in § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG vorgesehenen - und von den Übertragungsnetzbetreibern bereits vorab im Rahmen des horizontalen Belastungsausgleichs nach § 9 Abs. 2, 3 KWKG bei Bemessung des variablen KWK-Zuschlags gesondert zu berücksichtigenden - Belastungsbegrenzung erfasst. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG, nach dem sich für Letztverbraucher, deren Jahresverbrauch an einer Abnahmestelle mehr als 100.000 kWh beträgt, das Netznutzungsentgelt für über 100.000 kWh hinausgehende Strombezüge aus dem Netz für die allgemeine Versorgung an dieser Abnahmestelle höchstens um 0,05 Cent je Kilowattstunde erhöhen darf, sind entgegen der Auffassung der Revision hier gegeben.

11

Bei der Bemessung des vertikalen Ausgleichsanspruchs nach § 9 Abs. 4 KWKG kann deshalb für die bei dem Betrieb der Straßenbeleuchtungsanlage angefallene und 100.000 kWh übersteigende Strommenge nicht – wie von der Klägerin mit ihrem Zahlungsbegehren geltend gemacht - der volle (variable) KWK-Zuschlag, sondern nur der in seiner Höhe begrenzte feste Zuschlag von 0,05 Cent je Kilowattstunde angesetzt werden (vgl. dazu Büdenbender/Rosin, KWK-AusbauG, 2003, § 9 Rn. 209; Weißenborn in Nill-Theobald/Weißenborn, Neuere Entwicklungen zur KWK-Förderung, 2. Aufl., S. 287; zur Berechnung des Ausgleichsanteils Salje, KWKG 2002, 2. Aufl., § 9 Rn. 90 ff.).

12

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass der Begriff des Letztverbrauchers in Anlehnung an § 3 Nr. 25 EnWG 2005 zu bestimmen ist, der auf den Endkundenbegriff in Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. Nr. L 176 vom 15. Juli 2003, S. 37) zurückgreift, letztlich aber nur ein im Energieversorgungsrecht seit langem bestehendes Begriffsverständnis wiedergibt. Danach sind – in Abgrenzung zu Beziehern von Strom zu dem Zweck, diesen an Dritte weiterzuleiten – Letztverbraucher alle natürlichen oder juristischen Personen, die Energie für den Eigenverbrauch kaufen (näher dazu Salje, aaO Rn. 41, 122 mwN), so dass auch die Stadt S.     als juristische Person des öffentlichen Rechts bei dem hier für den Eigenverbrauch bezogenen Strom als Letztverbraucher im Sinne des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG anzusehen ist.

13

Weitere Anforderungen an diese Letztverbrauchereigenschaft stellt § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG nicht. Anders als etwa § 9 Abs. 7 Satz 3 KWKG, der die darin beschriebene Privilegierung auf diejenigen Letztverbraucher beschränkt, die Unternehmen des produzierenden Gewerbes sind, hat der Gesetzgeber, wie auch im Gesetzgebungsverfahren deutlich geworden ist (vgl. BT-Drucks. 14/8059, S. 15), bei Zubilligung der in § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG aufgestellten Belastungsgrenze nur auf die Eigenschaft des Strombeziehers als Letztverbraucher und dessen näher beschriebenen Großverbrauch abgestellt, ohne daran weitere qualitative Anforderungen wie die Zuordnung zu einer durch einen bestimmten Verbrauchszweck geprägten Kundengruppe oder die Effizienz des Stromeinsatzes zu knüpfen (Büdenbender/Rosin, aaO Rn. 192; Brodowski, Der Belastungsausgleich im Erneuerbare-Energien-Gesetz und im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz im Rechtsvergleich, 2007, S. 213).

14

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Straßenbeleuchtungsanlage der Stadt S.     auch als eine einzige Abnahmestelle im Sinne des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG angesehen.

15

a) Anders als die Revision meint, kann für die Auslegung des Begriffs der Abnahmestelle nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, auf die im Erneuerbare-Energien-Gesetz enthaltenen Legaldefinitionen zurückgegriffen werden. Danach sind unter einer Abnahmestelle „alle räumlich zusammenhängenden elektrischen Einrichtungen des Unternehmens auf einem Betriebsgelände, das über einen oder mehrere Entnahmepunkte mit dem Netz des Netzbetreibers verbunden ist“ (§ 16 Abs. 2 Satz 4 EEG 2004, § 41 Abs. 4 EEG 2009) beziehungsweise die „Summe aller räumlich und physikalisch zusammenhängenden elektrischen Einrichtungen eines Unternehmens, die sich auf einem in sich abgeschlossenen Betriebsgelände befinden und über einen oder mehrere Entnahmepunkte mit dem Netz des Netzbetreibers verbunden sind“ (§ 41 Abs. 4 EEG 2012), zu verstehen.

16

Schon das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass die in das Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgenommenen Definitionen Unternehmen des produzierenden Gewerbes betreffen und deshalb mit ihren konkret unternehmensbezogenen Definitionsteilen für den allgemein auf Stromlieferungen an Letztverbraucher bezogenen Begriff der Abnahmestelle des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG nicht uneingeschränkt tauglich sind. Noch deutlicher gegen die von der Revision befürwortete unmittelbare Heranziehung der im Erneuerbare-Energien-Gesetz aufgestellten Legaldefinitionen, namentlich derjenigen des § 41 Abs. 4 EEG 2012, spricht aber, dass diese schon nach ihrer zeitlichen Entstehung dem zuvor bereits geschaffenen § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG nicht als Vorbild dienen konnten und auch sonst nicht auf ein gemeinsames Vorbild zurückgreifen, welches den Rückschluss auf ein in allen Punkten übereinstimmendes Begriffsverständnis des jeweiligen Gesetzgebers gestatten könnte.

17

aa) Der Begriff der Abnahmestelle hat erstmals über Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1459) in einem neu geschaffenen § 11a EEG Eingang in dieses Gesetz gefunden. Dadurch ist die Möglichkeit einer Begrenzung der ausgleichspflichtigen Strommenge für Unternehmen des produzierenden Gewerbes eingeführt worden, bei denen der Stromverbrauch an einer Abnahmestelle 100 Gigawattstunden überstiegen hat. Legaldefiniert worden ist der Begriff der Abnahmestelle in der vorstehend wiedergegebenen Weise allerdings erst in der nachfolgenden Legislaturperiode durch § 16 Abs. 2 Satz 4 EEG 2004, ohne dass der Gesetzgeber dabei auf ein außerhalb dieses Gesetzes bereits in bestimmter Weise bestehendes Begriffsverständnis verwiesen hat (vgl. BT-Drucks. 15/2327, S. 40; 15/2864, S. 51).

18

bb) Mit der unabhängig hiervon durch das zeitlich vorausgehende Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung vom 19. März 2002 (BGBl. I S. 1092) geschaffenen Regelung des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG sollte sichergestellt werden, dass keine unbillige Belastung stromintensiver Abnehmer mit KWK-Umlagen erfolgt (BT-Drucks. 14/7024, S. 9; 14/8059, S. 15). Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise für Letztverbraucher mit einer jährlichen Stromverbrauchsmenge von mehr als 100.000 kWh je Abnahmestelle - zunächst waren 30.000 kWh vorgesehen - eine mögliche Erhöhung der Stromkosten durch Beaufschlagung mit Netznutzungsentgelten begrenzen. In den Gesetzesmaterialien ist ausgeführt, dass diese Schwelle an die Regelung in § 2 Abs. 7 der Konzessionsabgabenverordnung angelehnt sei und der Typisierung der betroffenen Unternehmen diene (BT-Drucks. 14/7024, S. 14). Der in Bezug genommene § 2 Abs. 7 der Konzessionsabgabenverordnung in der maßgeblichen Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Konzessionsabgabenverordnung vom 22. Juli 1999 (BGBl. I S. 1669; im Folgenden KAV) wiederum knüpft für die von ihm verfolgte konzessionsabgabenrechtliche Abgrenzung von Lieferungen an Tarifkunden und preislich begünstigten Stromlieferungen aufgrund von Sonderkundenverträgen unter anderem an einen Jahresverbrauch von mehr als 30.000 kWh an und bestimmt zugleich, dass dabei auf die Belieferung der einzelnen Betriebsstätte oder Abnahmestelle abzustellen ist, ohne diese Begriffe selbst zu definieren.

19

cc) Bereits dieser zeitliche Ablauf und der Hinweis auf die in der Konzessionsabgabenverordnung enthaltene Regelung zeigen, dass zur Klärung des Abnahmestellenbegriffs des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, auf die erst mit erheblichem zeitlichen Abstand nachgefolgten und auf eine spezielle Fallgestaltung zugeschnittenen Legaldefinitionen der Erneuerbaren-Energien-Gesetze zurückgegriffen werden kann (vgl. BVerwG, VIZ 2000, 162). Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG diesen Begriff schon genau im Sinne der späteren Legaldefinitionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verstanden hätte. Dies gilt insbesondere für die erst viele Jahre später geschaffene Legaldefinition des von der Revision als maßgeblich angesehenen § 41 Abs. 4 EEG 2012, durch den die bisherigen Legaldefinitionen der Abnahmestelle ohne nähere Erläuterung in den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 17/6071, S. 84 f.) jedenfalls auf den ersten Blick einschränkend auf das Erfordernis eines physikalischen Zusammenhangs zwischen den die Abnahmestelle ausmachenden elektrischen Einrichtungen hin „konkretisiert“ worden sind.

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b) Fehlt es danach an zureichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Gesetzgeber des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes für die Bestimmung des Begriffs der Abnahmestelle an gesetzliche Definitionen in anderen Gesetzen - hier die zeitlich nachfolgenden Legaldefinitionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes - angeknüpft hat, ist dessen Bedeutung offen und nach allgemeinen Regeln durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BSG, NJW 2010, 2539, 2540). Diese Auslegung ergibt, dass die im Streit stehende Straßenbeleuchtungseinrichtung als eine einzige Abnahmestelle anzusehen ist.

21

aa) Nach seinem Wortsinn lässt der Begriff der Abnahmestelle allerdings mehrere Deutungen zu. Technisch ist eine Abnahmestelle durch die Verbindung der Leitung des Netzbetreibers zum Verbraucher und die Übernahme des gelieferten Stroms durch die Kundenanlage im Sinne einer Kuppelstelle gekennzeichnet, über die der fließende Strom durch einen Zähler gemessen wird (Büdenbender/Rosin, aaO Rn. 188). Wirtschaftlich gesehen kann eine Abnahmestelle aber auch die Stromentnahmepunkte aus dem Netz zusammenfassen, die in einem räumlich zusammenhängenden, vom Letztverbraucher für dieselbe wirtschaftliche Betätigung oder denselben Verbrauchszweck genutzten Areal liegen (Weißenborn, aaO S. 292 f.; Säcker/Topp, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2. Aufl., § 9 KWKModG Rn. 41; Salje, aaO Rn. 161 f.; ähnlich Büdenbender/Rosin, aaO Rn. 190; Heitling, Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zwischen Umweltpolitik und Bestandsschutzinteressen, 2004, S. 208). In einem solchen standortbezogenen weiten Sinn hat der Gesetzgeber den Begriff der Abnahmestelle bei Schaffung des § 16 Abs. 4 EEG 2004 verstanden. Er wollte dabei nicht auf die einzelne Kuppelstelle zwischen Netz und Betrieb abstellen, sondern eine wertende Zusammenfassung aller an einem Betriebsgrundstück vorhandenen Verbindungsstellen als maßgeblich ansehen, um technischen Zwängen Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 15/2327, S. 40; ähnlich die VDN-Verfahrensbeschreibung zur Umsetzung des KWKG, VersorgW 2002, 133, 137).

22

bb) Der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG verfolgte Zweck, durch eine Beschränkung der KWK-Abgabenlast bei jährlich über 100.000 kWh hinausgehenden Mengen an abgenommenem Strom sicherzustellen, dass keine unbillige Belastung stromintensiver Abnehmer erfolgt (BT-Drucks. 14/7024, S. 9; 14/8059, S. 15), spricht für letztgenannte, von technischen Gesichtspunkten losgelöste wertende wirtschaftliche Sichtweise.

23

(1) Die an die Überschreitung einer bestimmten Jahresverbrauchsmenge anknüpfende Regelung zielt darauf ab, für den durch diesen Jahresverbrauch gekennzeichneten Großabnehmer eine Obergrenze einzuführen, ab der die Belastung des Strombezugs mit Ausgleichszahlungen wegen Unbilligkeit gedeckelt wird. Dieser in erster Linie personelle Bezug, der durch die Überschreitung einer bestimmten Jahresverbrauchsmenge und durch eine ab dieser Grenze vom Gesetzgeber für unbillig erachtete Belastung mit dem vollen KWK-Zuschlag gekennzeichnet ist, ist zwar dahin eingeschränkt worden, dass für die Überschreitung der Belastungsgrenze nicht der gesamte Jahresverbrauch des Abnehmers maßgeblich sein sollte, sondern dass die Großverbrauchsgrenze auf die jeweilige Abnahmestelle bezogen worden ist und damit einen räumlichen Bezug aufweisen muss. Das hat jedoch keinen technischen, sondern einen gesamtwirtschaftlichen Hintergrund.

24

Zweck dieses vom Gesetzgeber hergestellten räumlichen Bezuges bei der Bestimmung der Großverbrauchereigenschaft ist es, eine ungeachtet versorgungstechnischer Zweckmäßigkeitserwägungen unabsehbare und Manipulationen zugängliche Ausweitung des Kreises der Begünstigten zu Lasten der nicht begünstigten Letztverbraucher zu unterbinden. Das erschließt sich aus dem Verweis der Gesetzesbegründung auf § 2 Abs. 7 KAV, der eine vergleichbare Lokalisierung der Verbrauchsmenge voraussetzt, ab der ein Großabnehmer zum Kreis der konzessionsabgabenrechtlich begünstigten Sonderabnehmer gerechnet werden kann. Der Sinn dieser auf die jeweilige Betriebsstätte oder Abnahmestelle bezogenen Lokalisierung wird nämlich in den Materialien dahin erläutert, dass „bei Bündelung von Nachfrage für mehrere Betriebsstätten oder Abnahmestellen (z.B. Filialketten) […] der Verbrauch an der einzelnen Betriebsstätte oder Abnahmestelle und nicht der Lieferumfang des gebündelten Vertrages maßgeblich“ sein soll (BR-Drucks. 358/99, S. 6). Damit soll verhindert werden, dass etwa durch die Bündelung des Bedarfs für mehrere unselbstständige Betriebsstätten eines Unternehmens auf diese Lieferungen nur noch die niedrigeren Konzessionsabgaben für Sonderkunden hätten gezahlt werden müssen, obwohl die Belieferung jeder Betriebsstätte für sich die Zahlung der höheren Konzessionsabgaben für Tarifkunden ausgelöst hätte (Säcker/Kermel, aaO, Anh. § 48 EnWG/§ 2 KAV Rn. 65; vgl. ferner Salje, aaO Rn. 162 f.).

25

(2) Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei Festlegung der in § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG beschriebenen Belastungsgrenze nicht nur die genannten und zu Lasten der übrigen Letztverbraucher gehenden Bündelungsmöglichkeiten (dazu näher Salje, aaO Rn. 164 ff.) zur Erlangung der gewährten Vergünstigung verschließen, sondern - trotz Lokalisierung des (Groß-)Verbrauchsgeschehens auf einen einheitlichen örtlichen Verbrauchszweck an einem bestimmten Standort - den räumlichen Bezug der Jahresverbrauchsmenge noch durch zusätzliche Anforderungen an die Abnahmestelle hätte einengen wollen, bestehen nicht. Das gilt umso mehr, als allgemein bekannt ist, dass gerade Großverbraucher schon aus Gründen der Versorgungssicherheit an ihren Betriebsstätten regelmäßig über mehrere Kuppelstellen zum Netz oder sogar über mehrere selbständige Versorgungskreise verfügen (vgl. BT-Drucks. 15/2327, S. 40).

26

Es liegt deshalb fern, dass der Gesetzgeber jede einzelne Kuppelstelle oder jeden sonst isoliert vom Netz zu versorgenden Stromkreis ungeachtet eines mit denselben in räumlichem Zusammenhang verfolgten einheitlichen Versorgungszwecks jeweils als gesonderte Abnahmestelle hätte behandeln und die erstrebte, dann aber vielfach leerlaufende Entlastung erst ab einem Jahresverbrauch von mehr als 100.000 kWh je Kuppelstelle hätte eingreifen lassen wollen (vgl. Büdenbender/Rosin, aaO; Säcker/Topp, aaO; Heitling, aaO S. 207). Vielmehr ist - im Ergebnis übereinstimmend mit den späteren Erwägungen des Gesetzgebers bei Schaffung des in ähnliche Richtung zielenden § 16 EEG 2004 (vgl. BT-Drucks. 15/2327, S. 40) - für die Bestimmung des Begriffs der Abnahmestelle in § 9 Abs. 7 KWKG eine wertende Zusammenfassung aller an einer Kundenanlage vorhandenen Verbindungsstellen geboten, die technische Zwänge und Zweckmäßigkeitserwägungen berücksichtigt und sich insbesondere maßgeblich an den genannten wirtschaftlichen Erwägungen orientiert. Bei Zugrundelegung dieser Sichtweise sind mithin alle diejenigen Stromentnahmepunkte aus dem Netz zu einer einzigen Abnahmestelle zusammengefasst, die in einem räumlich zusammenhängenden, vom Letztverbraucher für dieselbe wirtschaftliche Betätigung oder den denselben Verbrauchszweck genutzten Areal liegen (Weißenborn, aaO; Säcker/Topp, aaO; Salje, aaO; ähnlich Büdenbender/Rosin, aaO; Heitling, aaO S. 208).

27

cc) Hieran gemessen ist die von der Beklagten versorgte Straßenbeleuchtungsanlage als eine einzige Abnahmestelle anzusehen (aA, aber ohne nähere Begründung Weißenborn, aaO S. 293). Die Straßenbeleuchtungsanlage, die sich nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gitternetzförmig über alle öffentlichen Straßen und Wege des Stadtgebiets erstreckt, um über 480 Netzverknüpfungspunkte die in deren räumlicher Nähe angeschlossenen Leuchten mit Strom zu versorgen, befindet sich innerhalb des räumlich zusammenhängenden Wegenetzes der Stadt S.    , das auf diese Weise ein funktional einheitliches Verbraucherareal bildet. Denn mit dem jeweils über die Entnahmepunkte entnommenen Strom verfolgt die Stadt allein den Zweck, die Straßenbeleuchtung in ihrem Stadtgebiet als einem in sich geschlossenen Verbrauchsgebiet mit Strom zu versorgen. Dass dies technisch auch auf anderem Wege, namentlich durch eine Einspeisung über eine einzige Netzverbindung etwa mittels einer in sich geschlossenen Ringleitung möglich gewesen wäre, nimmt der gewählten technischen Ausgestaltung der im Streit stehenden Stromentnahme deshalb bei der gebotenen wertenden Sichtweise nicht den für die Annahme einer Großverbrauchereigenschaft der Stadt S.     im Sinne des § 9 Abs. 7 Satz 2 KWKG maßgebenden räumlichen und wirtschaftlichen Funktionszusammenhang (vgl. Büdenbender/Rosin, aaO; Heitling, aaO).

Ball                            Dr. Frellesen                               Dr. Hessel

          Dr. Achilles                              Dr. Schneider