Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.07.2014


BGH 22.07.2014 - VIII ZR 313/13

Abschluss eines Gaslieferungsvertrages mit den Mietern eines Einfamilienhauses: Konkludente Annahme der Realofferte auf Belieferung durch Energieentnahme


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
22.07.2014
Aktenzeichen:
VIII ZR 313/13
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 10. Oktober 2013, Az: 22 U 233/12vorgehend LG Berlin, 1. August 2012, Az: 13 O 201/11
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Das typischerweise an alle Mieter eines Grundstücks (hier: eines Einfamilienhauses) gerichtete Leistungsangebot des Energieversorgungsunternehmens (sogenannte "Realofferte") wird in der Regel von demjenigen, der die Energie entnimmt, konkludent sowohl für sich selbst als auch im Wege der - jedenfalls nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht gegebenen - Stellvertretung für die Mitmieter angenommen (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Juli 2014, VIII ZR 316/13).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Oktober 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt in Berlin die Grundversorgung mit Gas wahr. Sie begehrt von der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 6.964,75 € für Gaslieferungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 23. Juli 2008.

2

Die Beklagte und der Zeuge B.     mieteten ab dem 1. Oktober 2005 ein Einfamilienhaus in Berlin. Die Beklagte hatte den Mietvertrag aus "Bonitätsgründen" als zweite Mieterin unterschrieben. Bei der Übergabe des Hauses durch den Hausverwalter waren beide Mieter anwesend. Die Beklagte zog jedoch nicht in das Haus ein und erhielt auch keinen Schlüssel, sondern wohnte weiter in ihrer bisherigen Wohnung und hielt sich lediglich zu kurzen Besuchen im Haus auf. Der Zeuge B.        verbrauchte seit seinem Einzug Gas, schloss allerdings keinen schriftlichen Vertrag mit einem Gasversorger ab. Eine Zahlung der in den Jahren 2007 und 2008 an beide Mieter unter der Adresse des Einfamilienhauses erteilten Rechnungen der Klägerin erfolgte nicht. Deshalb sperrte die Klägerin am 23. Juli 2008 die Versorgung und nahm die Beklagte, die sie - als Mitmieterin - neben dem Zeugen B.       als Vertragspartnerin ansieht, auf Zahlung des Rückstands in Anspruch.

3

Das Landgericht hat der auf Zahlung der oben genannten Vergütung sowie Zinsen und Nebenkosten gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Beklagte sei nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden. Der Umstand, dass sie Mitmieterin sei, genüge nicht. Die Klägerin habe weder konkret vorgetragen noch bewiesen, dass die Beklagte Verfügungsgewalt über das Haus erlangt habe. Bei Fehlen eines bereits bestehenden Gasversorgungsvertrags werde durch denjenigen, der (erstmals) Gas entnehme, die Realofferte des Gasversorgungsunternehmens konkludent angenommen. Typischerweise sei das der Grundstückseigentümer beziehungsweise derjenige, der die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübe, wobei eine persönliche Inanspruchnahme der Versorgung allerdings nicht erforderlich sei. Auf die Eigentümerstellung als solche komme es nicht an, weil die tatsächliche Entnahme demjenigen als Willenserklärung zuzurechnen sei, der die Verfügungsgewalt über den Anschluss innehabe. Dementsprechend genügten rein rechtliche Beziehungen nicht. Der bloße Anspruch auf Einräumung des Besitzes an den Räumen, in denen sich die Versorgungseinrichtungen befänden, reiche nicht aus, um eine gegenwärtige Verfügungsgewalt zu begründen. Verfügungsgewalt oder Verfügungsmacht würden als Synonym für die tatsächliche Zugriffsmacht verstanden.

7

Aus dem Umstand, dass die Beklagte bei der Übergabe des Hauses anwesend gewesen sei und das Haus aus Sicht des Verwalters beiden Mietern übergeben worden sei, ergebe sich nichts anderes. Die Beklagte habe weder einen Schlüssel erhalten noch sei sie in das Haus eingezogen. Ihre Behauptung, der Mitmieter habe nicht beabsichtigt, sie einziehen zu lassen, sei nicht widerlegt, so dass der Zeuge B.       auch nicht als Besitzmittler - was ohnehin nicht genügt hätte - in Betracht komme. Der Zeuge habe den Mietvertrag für das Haus ursprünglich allein abschließen wollen, aber seine Unterlagen hätten nach seinen Angaben vermutlich nicht gereicht, weshalb die gut verdienende Beklagte vorgeschlagen habe, mit in den Mietvertrag aufgenommen zu werden. Ein Namensschild der Beklagten sei am Haus nicht angebracht gewesen. Die Partnerschaft sei zu mindestens 80 % in der Wohnung der Beklagten gelebt worden.

8

Abgesehen von dem Umstand, dass die (schon nicht konkret vorgetragene) erste Inanspruchnahme der Versorgungsleistung - Aufdrehen des Gashahns oder Einschalten der Heizung - maßgeblich wäre und nicht ersichtlich sei, wann erstmals Gas entnommen worden sei, würden spätere gelegentliche oder regelmäßige Besuche bei dem Mitmieter im Rahmen einer Liebesbeziehung keineswegs die Verfügungsgewalt an der Versorgungseinrichtung begründen.

II.

9

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

10

Der Klägerin steht gegen die Beklagte als Gesamtschuldnerin der geltend gemachte Anspruch auf Vergütung für das im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis zum 23. Juli 2008 gelieferte Gas zu. Denn die Beklagte ist neben dem weiteren Mieter B.      Vertragspartei des mit der Klägerin für das gemietete Einfamilienhaus konkludent geschlossenen Gaslieferungsvertrags geworden.

11

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts richtete sich das konkludente Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Versorgungsvertrags bei der gebotenen Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des Empfängers (§§ 133, 157 BGB) an beide Mieter als Gesamtschuldner. Es wurde von beiden Mietern konkludent angenommen, indem der Zeuge B.      in dem gemieteten Einfamilienhaus Gas verbrauchte. Dabei handelte er sowohl im eigenen Namen als auch als Stellvertreter für die Beklagte.

12

1. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in Form einer sogenannten Realofferte zu sehen. Diese wird von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Dieser Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) lediglich wiederholt wird, trägt der Tatsache Rechnung, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden (Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, unter II 1, zur Veröffentlichung bestimmt; vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, CuR 2014, 27 Rn. 13; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 217/10, NJW 2011, 3509 Rn. 16; vom 25. November 2009 - VIII ZR 235/08, WuM 2010, 89 Rn. 13; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, NJW 2009, 913 Rn. 6; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, NJW 2006, 1667 Rn. 15; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089 unter II 1 b aa, und VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63 unter II 1 a; jeweils mwN), und berücksichtigt die normierende Kraft der Verkehrssitte, die dem sozialtypischen Verhalten der Annahme der Versorgungsleistungen den Gehalt einer echten Willenserklärung zumisst. Aus Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich typischerweise die Vorhaltung der Energie und die Möglichkeit der Energieentnahme an den ordnungsgemäßen Entnahmevorrichtungen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Leistungsangebot und damit als Vertragsangebot dar. Die Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen beinhaltet - auch bei entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen - die schlüssig erklärte Annahme dieses Angebots, weil der Abnehmer weiß, dass die Lieferung nur gegen eine Gegenleistung erbracht zu werden pflegt (Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO, und VIII ZR 1/04, aaO; jeweils mwN).

13

a) Kommen mehrere Adressaten des schlüssig erklärten Vertragsangebots des Versorgungsunternehmens in Betracht, ist durch Auslegung aus Sicht eines verständigen Dritten in der Position des möglichen Erklärungsempfängers zu ermitteln, an wen sich die Realofferte richtet. Weichen der vom Erklärenden beabsichtigte Inhalt der Erklärung und das Verständnis des objektiven Empfängers voneinander ab, hat die - dem Erklärenden zurechenbare - objektive Bedeutung des Verhaltens aus der Sicht des Erklärungsgegners Vorrang vor dem subjektiven Willen des Erklärenden (Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO unter II 1 a; vom 27. April 2005 - VIII ZR 140/04, WM 2005, 1717 unter II 1 a; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO unter II 1 b bb (1), und VIII ZR 1/04, aaO unter II 1 b aa; jeweils mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 - III ZR 3/05, NJW 2005, 3636 unter II 1 b; Staudinger/Singer, BGB, Neubearb. 2012, § 133 Rn. 6, 11, 18, 26). Es kommt mithin nicht auf die subjektive Sicht des Erklärenden an, sondern darauf, an wen sich nach dem objektiven Empfängerhorizont das in der Bereitstellung von Gas liegende Vertragsangebot richtet.

14

aa) Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist hiernach typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt (vgl. Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO unter II 1 a aa; vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, aaO; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, aaO; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 20; vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 30/03, NJW 2003, 2902 unter [II] 1; Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, WuM 2006, 207 Rn. 2).

15

bb) Inhaber dieser Verfügungsgewalt ist grundsätzlich der Eigentümer. Wie das Berufungsgericht insoweit zu Recht angenommen hat, kommt es dabei jedoch nicht auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt an (Senatsurteil vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO unter II 1 a bb; Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO mwN).

16

Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt kann deshalb auch eine andere Person sein, etwa der Mieter oder Pächter eines Grundstücks, da diesem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassenen Miet- oder Pachtsache eingeräumt wird (Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO). Ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende Grundstück sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübt, ist unerheblich. Denn bei einer am objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der Verkehrsauffassung und des Gebots von Treu und Glauben ausgerichteten Auslegung der Realofferte eines Energieversorgers geht dessen Wille - ähnlich wie bei unternehmensbezogenen Geschäften (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 - X ZR 154/11, NJW 2012, 3368 Rn. 10 mwN; MünchKommBGB/Schramm, 6. Aufl., § 164 Rn. 23; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 164 Rn. 2; BeckOK-BGB/Valenthin, Stand: November 2013, § 164 Rn. 25; jeweils mwN) - im Zweifel dahin, den - möglicherweise erst noch zu identifizierenden - Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss zu berechtigen und zu verpflichten. Jede andere Sichtweise würde dem in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie (StromGVV, GasGVV, AVBFernwärmeV) zum Ausdruck gekommenen, an den beiderseitigen Interessen orientierten Verkehrsverständnis zuwiderlaufen, zur Vermeidung eines vertragslosen Zustands einen Vertrag mit demjenigen zustande zu bringen, der die angelieferte Energie oder das angelieferte Wasser entnimmt (Senatsurteil vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO).

17

Ob für die Anlieferung und Entnahme für Wasser die Realofferte des Versorgers im Hinblick darauf, dass die Gemeinden in ihren Satzungen häufig den Grundstückseigentümer als Anschlussberechtigten und -verpflichteten ausweisen, regelmäßig dahin auszulegen ist, dass sie sich an den Eigentümer richtet (so wohl Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 278/02, WuM 2003, 458 unter II 1 b), kann offen bleiben (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2005 - VIII ZR 7/04, aaO; Senatsurteil vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, aaO). Denn im Streitfall stehen die Lieferung und der Verbrauch von Gas in Frage.

18

b) Diese auf den Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss weisenden Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn gegenläufige Anhaltspunkte vorhanden sind, die im Einzelfall unübersehbar in eine andere Richtung weisen (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, aaO Rn. 11; vom 25. November 2009 - VIII ZR 235/08, aaO Rn. 12 f.), oder wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die - nur einmal fließende - Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (Senatsurteile vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, aaO Rn. 14; vom 10. Dezember 2008 - VIII ZR 293/07, aaO Rn. 8 f.; vom 27. April 2005 - VIII ZR 140/04, aaO; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, aaO unter II 1 b bb und VIII ZR 1/04, aaO unter II 1 b; vom 17. März 2004, VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450 unter II 2).

19

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Beklagte neben dem Zeugen B.      - und nicht, wie das Berufungsgericht meint, dieser allein - als Empfänger der im Leistungsangebot der Klägerin liegenden Realofferte zum Abschluss eines Gaslieferungsvertrags anzusehen.

20

a) Aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers der Realofferte der Klägerin richtete sich diese an denjenigen, dem aus dem Eigentum oder aus einer vom Eigentümer vertraglich eingeräumten Nutzungsbefugnis die tatsächliche Verfügungsgewalt über den auf dem Grundstück befindlichen Versorgungsanschluss am Übergabepunkt zusteht. Letzteres ist hier sowohl hinsichtlich des Zeugen B.      als auch hinsichtlich der Beklagten als Mitmieterin des Hauses der Fall.

21

Wer - wie hier die Beklagte - einen Mietvertrag abschließt, hat mit der Einräumung der Nutzungsbefugnis typischerweise auch die tatsächliche Sachherrschaft über die gemieteten Räume und die darin vorhandenen Versorgungsanschlüsse. Dies gilt auch, wenn - wie hier - mehrere Mieter gemeinschaftlich den Mietvertrag abschließen. Die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens richtet sich in diesem Fall regelmäßig an sämtliche Mitmieter.

22

Dass die Beklagte die ihr mietvertraglich eingeräumte Verfügungsgewalt über die (auch) ihr überlassenen Mieträume in der Folgezeit nur eingeschränkt ausübte und nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Hausschlüssel bei der Übergabe des Hauses einvernehmlich allein dem Zeugen B.    ausgehändigt wurden, ändert daran nichts. Da sich den Feststellungen des Berufungsgerichts auch sonst keine auf einen Ausnahmetatbestand (siehe oben unter II 1 b) hindeutenden Umstände entnehmen lassen, richtete sich die Realofferte der Klägerin hier an beide Mieter.

23

b) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang mit ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Gegenrüge geltend, dass durch die Entnahme von Gas in der Zeit seit dem Auszug der Vormieter ein Energieversorgungsvertrag mit dem Eigentümer zustande gekommen sei, der der Annahme einer an die späteren Mieter gerichteten Realofferte der Klägerin entgegenstehe. Hierbei handelt es sich um neuen - in der Revisionsinstanz unbeachtlichen - Tatsachenvortrag. Die dabei in Bezug genommene Anlage K 4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 20. September 2011 ist zudem auch inhaltlich unergiebig.

24

3. Das an beide Mieter gerichtete Vertragsangebot der Klägerin wurde nach dem objektiven Empfängerhorizont von beiden Mietern konkludent angenommen, indem der Zeuge B.      in dem gemieteten Einfamilienhaus Gas verbrauchte. Dabei handelte er sowohl im eigenen Namen als auch als Stellvertreter für die Beklagte.

25

Die erforderliche Vertretungsmacht ergibt sich hier jedenfalls nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht.

26

a) Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01, NJW 2002, 2325 unter II 3 a bb (1); vom 10. März 2004 - IV ZR 143/03, NJW-RR 2004, 1275 unter II 3 c bb (1); vom 10. Januar 2007 - VIII ZR 380/04, NJW 2007, 987 Rn. 19; vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 14; jeweils mwN).

27

b) Das ist hier der Fall. Indem die Beklagte den Mietvertrag unterzeichnete und den Mitmieter im Anschluss daran ohne weitere Vereinbarungen in das Haus einziehen ließ, duldete sie es willentlich, dass er die - zur Nutzung zwingend erforderliche - Heizung in Betrieb nahm, hierdurch Gas verbrauchte und damit die Realofferte annahm.

28

4. Mit ihrer weiteren Gegenrüge, der Annahme des Abschlusses eines Gaslieferungsvertrags durch konkludente Annahme der Realofferte der Klägerin durch Entnahme von Gas stehe hier der Inhalt der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG (ABl. Nr. L 211, S. 94; im Folgenden: Richtlinie) entgegen, da sich aus Erwägungsgrund 48 und Art. 3 Abs. 3 sowie Anhang 1 der Richtlinie Transparenzanforderungen ergäben, wonach der Kunde vor dem Abschluss des Energielieferungsvertrags in jedem Fall über die Vertragsbedingungen informiert werden müsse, kann die Revisionserwiderung schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie keinen hierauf bezogenen Sachvortrag in den Tatsacheninstanzen aufzeigt.

29

Zudem verkennt die Revisionserwiderung, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder die Beklagte noch der Zeuge B.       der Klägerin als Grundversorgerin die Entnahme von Gas mitgeteilt haben. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der auf den hier vorliegenden Gasversorgungsvertrag anzuwenden GasGVV (§ 1 Abs. 1 Satz 4 GasGVV) ist der Kunde, wenn der Grundversorgungsvertrag dadurch zustande kommt, dass Gas aus dem Versorgungsnetz der allgemeinen Versorgung entnommen wird, über das der Grundversorger die Grundversorgung durchführt, verpflichtet, dem Grundversorger die Entnahme von Gas unverzüglich in Textform mitzuteilen. Da die Beklagte und der Zeuge B.       dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, bestand für die Klägerin keine Möglichkeit, sie bereits im Zusammenhang mit dem konkludenten Abschluss des Gaslieferungsvertrags über die Vertragsbedingungen zu informieren. Der Beklagten ist es deshalb jedenfalls gemäß § 242 BGB versagt, ihre Zahlungspflicht aus diesem Grund in Abrede zu stellen.

30

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung steht im Übrigen auch der von ihr nicht näher ausgeführte Gesichtspunkt einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen schon deshalb der Annahme eines konkludenten Abschlusses eines Gaslieferungsvertrags zwischen der Klägerin sowie der Beklagten und dem Zeugen B.      nicht entgegen, weil die Richtlinie zwar die oben dargestellten Informationspflichten vorsieht, nicht jedoch das Zustandekommen eines Vertrags als solchen regelt.

III.

31

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Höhe der Klageforderung sowie zu der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung getroffen hat. Die Sache ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dr. Milger                        Dr. Hessel                      Dr. Schneider

                  Dr. Bünger                        Kosziol