Entscheidungsdatum: 13.07.2010
Dass der Sonnabend kein Werktag im Sinne des § 556b Abs. 1 BGB und entsprechender mietvertraglicher Vereinbarungen ist, gilt auch für Vereinbarungen, die vor dem Inkrafttreten des § 556b Abs. 1 BGB am 1. September 2001 getroffen worden sind (im Anschluss an das Senatsurteil vom 13. Juli 2010, VIII ZR 129/09) .
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 11. September 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Der Beklagte mietete im Jahr 1978 eine in Berlin gelegene Wohnung. Die Klägerin war zur Zeit der Klageerhebung Vermieterin; sie hat die Wohnung danach veräußert. In § 4 des Formularmietvertrags ist unter anderem bestimmt:
"Der Mietzins und die Nebenabgaben sind monatlich ohne besondere Aufforderung im voraus - spätestens am dritten Werktag eines jeden Monats - kostenfrei im Wege des Einzugsverfahrens, soweit ein Postscheck- oder Bankkonto vorhanden ist -, auf eines der Konten der Bezirkskasse ... zum Kassenzeichen ... und unter Angabe der Wohnungsnummer (vgl. Seite 1 oben rechts) zu überweisen."
In den Allgemeinen Vertragsbestimmungen, die als Anlage 1 dem Mietvertrag beigefügt waren, findet sich folgende Regelung:
"2.3. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern die Ankunft des Geldes an. ...."
Die Klägerin mahnte den Beklagten am 15. Januar 2008 wegen vorangegangener unpünktlicher Mietzahlungen ab. Die Miete für den darauf folgenden Monat Februar 2008 ging am 5. Februar 2008, einem Dienstag, bei der Klägerin ein. Die Klägerin kündigte daraufhin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 20. Februar 2008 fristlos, hilfsweise fristgemäß. Sie ist der Ansicht, die Februarmiete sei wiederum verspätet gezahlt worden und darin liege eine derart schwerwiegende Vertragsverletzung, dass ihr eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zuzumuten sei.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre Räumungsklage auch auf weitere Kündigungen vom 9. September 2008 und 13. März 2009 gestützt hat, ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision - beschränkt auf seine Entscheidung über die Kündigung vom 20. Februar 2008 - zugelassen.
Mit ihrer - im Umfang der Zulassung - eingelegten Revision verfolgt die Klägerin ihr Räumungsbegehren weiter. Hinsichtlich der Entscheidung des Berufungsgerichts über die weiteren Kündigungen vom 9. September 2008 und 13. März 2009 hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 8. Juni 2008 zurückgewiesen.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht (LG Berlin, auszugsweise veröffentlicht in MM 2008, 334) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung vom 20. Februar 2008 sei nicht gemäß § 543 Abs. 1 BGB begründet. Der Beklagte habe die Pflicht zur pünktlichen Mietzahlung nicht verletzt, denn die am 5. Februar 2008 eingegangene Zahlung sei nicht verspätet. Zwar sei der Sonnabend grundsätzlich ein Werktag. Dies gelte aber nicht für die Zahlungsfrist. Die Parteien hätten in § 4 des Mietvertrags eine unbare Zahlung der Miete vereinbart. An einem Sonnabend würden jedoch Bankgeschäfte regelmäßig nicht vorgenommen. Werktage im Sinne der Zahlungsfrist in § 4 des Mietvertrages seien danach nur solche Tage, an denen Banken tätig würden, denn die Karenzzeit diene zum Bewirken der Zahlung. Diese Auslegung finde auch Niederschlag in Art. 72 Abs. 1 Satz 2 WG, Art. 55 Abs. 1 ScheckG und insbesondere in der Fristenregelung für die Ausführung eines Banküberweisungsauftrages in § 676a Abs. 2 Satz 2 BGB. Ließe man außer Acht, dass der Sonnabend kein Bankgeschäftstag sei, stünden in dem vorliegenden Fall dem Mieter lediglich zwei Bankgeschäftstage zur Verfügung, was im Ergebnis zu einer Verkürzung der auf drei Werktage bemessenen Frist zur Bewirkung der Mietzahlung führe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
Mit Recht hat das Berufungsgericht die Kündigung vom 20. Februar 2008 als unwirksam angesehen. Der Klägerin stand weder ein Recht zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags gemäß § 543 Abs. 1 BGB noch zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Denn entgegen der Auffassung der Revision hat der Beklagte seine Pflichten aus dem Mietvertrag nicht dadurch verletzt, dass er die Miete für Februar 2008 erst am 5. Februar 2008 zahlte.
Die Parteien haben in § 4 des Mietvertrags vereinbart, dass der Beklagte die Miete spätestens am dritten Werktag eines jeden Monats auf eines der Konten der Klägerin zu überweisen hat, die Miete mithin an diesem Tag fällig ist. Entgegen der Auffassung der Revision war die am 5. Februar 2008, einem Dienstag, erfolgte Zahlung der Miete für Februar 2008 rechtzeitig. Der vorangegangene Sonnabend, der 2. Februar 2008, zählt bei der Berechnung der in § 4 des Mietvertrags vereinbarten Zahlungsfrist nicht mit, weil er, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, kein Werktag im Sinne dieser Vertragsbestimmung ist. Damit fiel der dritte Werktag des Monats Februar 2008 auf Dienstag, den 5. Februar 2008, so dass die Klägerin die Miete an diesem Tag vertragsgemäß erhielt.
1. Der Mietvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob der Sonnabend hinsichtlich der in § 4 des Mietvertrags geregelten Zahlungsfrist als Werktag anzusehen ist. Der Regelungshalt der Vertragsbestimmung ist daher im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Formularklausel unterliegt nach § 545 Abs. 1 ZPO der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, unter II 2 a). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt, ausgehend von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2009 - XI ZR 86/08, WM 2009, 1180, Tz. 21; vom 29. Mai 2008 - III ZR 330/07, WM 2008, 1391, Tz. 19 m.w.N).
2. Die Vertragsbestimmung in § 4 des Mietvertrags ist so auszulegen, dass der Sonnabend kein Werktag im Sinne dieser Klausel ist.
a) Der Regelungsgehalt der Klausel in § 4 des Mietvertrags stimmt im Wesentlichen mit der am 1. September 2001 in Kraft getretenen Bestimmung des § 556b Abs. 1 BGB überein. Nach dieser Vorschrift ist die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. § 556b Abs. 1 BGB findet zwar auf den vorliegenden, bereits im Jahr 1978 geschlossenen Mietvertrag gemäß Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB keine Anwendung. Aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift geht aber hervor, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung lediglich die entsprechende, damals bereits ganz überwiegende Vertragspraxis übernehmen wollte (BT-Drs. 14/4553, S. 52). Deshalb sind die für die Auslegung des § 556b Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkte die gleichen wie für die Auslegung von Vertragsklauseln mit entsprechendem Regelungsgehalt aus der Zeit vor Einführung des § 556b Abs. 1 BGB.
b) Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tag für eine mit § 556b Abs. 1 BGB übereinstimmende Fälligkeitsvereinbarung, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift getroffen wurde, entschieden, dass der Sonnabend kein Werktag im Sinne des § 556b Abs. 1 BGB und entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ist (Senatsurteil vom 13. Juli 2010 - VIII ZR 129/09, unter II 3 c cc). Dies gilt auch für entsprechende Vereinbarungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 556b Abs. 1 BGB, weil die für die Auslegung maßgebliche Interessenlage die gleiche ist.
aa) Mit der Klausel in § 4 des Mietvertrags aus dem Jahr 1978 wird ebenso wie mit der Regelung des § 556b Abs. 1 BGB die Fälligkeit der Miete - abweichend von der bis zum 30. August 2001 geltenden Bestimmung des § 551 Abs. 1 BGB aF - auf den Beginn des Monats vorverlegt (BT-Drs. 14/4553, S. 52) und damit eine Vorleistungspflicht des Mieters begründet. In den meisten Mietverträgen war aber bereits damals - wie auch in § 4 des vorliegenden Mietvertrags - vorgesehen, dass es ausreicht, wenn der Mieter die Miete bis zum dritten Werktag des jeweiligen Zeitabschnitts entrichtet (BT-Drs. 14/4553, aaO). Schon in damaligen Mietverträgen war damit das Bedürfnis des vorleistungspflichtigen Mieters als schutzwürdig anerkannt, eine ausreichende Zeitspanne für die Zahlung der Miete zu erhalten. Diese Vertragspraxis hat den Gesetzgeber bewogen, die schon damals übliche Frist von drei Werktagen in die gesetzliche Regelung des § 556b Abs. 1 BGB zu übernehmen (BT-Drs. 14/4553, aaO; Senatsurteil vom 13. Juli 2010, aaO, unter II 3 c cc (2)).
bb) Die Erwägungen, die den Senat dazu veranlasst haben, die Bestimmung des § 556 Abs. 1 BGB und ihr entsprechende vertragliche Vereinbarungen dahin auszulegen, dass der Sonnabend bei der Berechnung der Frist für die Zahlung der Miete nicht als Werktag anzusehen ist (Senatsurteil vom 13. Juli 2010, aaO, unter II 3 c cc), sind auch für die Auslegung von Vertragsbestimmungen mit gleichem Regelungsgehalt aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 556b Abs. 1 BGB maßgebend.
Auch für solche früheren Vertragsbestimmungen gilt, dass die Einräumung einer Karenzzeit von drei Werktagen für die Zahlung der Miete im Interesse des Mieters dessen Vorleistungspflicht abmildert. Der Mieter soll nicht verpflichtet sein, die Miete bereits am ersten Werktag des Monats zu entrichten, sondern hierfür drei Werktage Zeit haben. An einer solchen "Schonfrist" besteht schon deswegen ein besonderes Interesse des Mieters, weil unpünktliche Mietzahlungen eine ordentliche oder fristlose Kündigung des Mietverhältnisses nach §§ 573, 543 BGB auslösen können. Um dieser Interessenlage hinreichend Rechnung zu tragen, muss die Karenzzeit von drei Werktagen dem Mieter ungeschmälert zur Verfügung stehen (Senatsurteil vom 13. Juli 2010, aaO). Dies gilt für Vertragsbestimmungen aus der Zeit vor und nach Inkrafttreten des § 556b Abs. 1 BGB gleichermaßen.
Ebenso besteht kein Unterschied insoweit, als der Senat bei der Auslegung darauf abgestellt hat, dass die Karenzzeit von drei Werktagen dem Umstand Rechnung trägt, dass die Zahlung der Miete in der Regel - wie in § 4 des vorliegenden Mietvertrags ausdrücklich vereinbart - nicht bar gezahlt, sondern über Bankinstitute abgewickelt wird. Die Ausführung von Überweisungsaufträgen nimmt nicht nur erfahrungsgemäß mehrere Tage in Anspruch, sondern zieht sich bei einem in diese Zeit fallenden Wochenende auch dadurch in die Länge, dass Überweisungen an einem Sonnabend in der Regel nicht ausgeführt werden, weil der Sonnabend kein Bankgeschäftstag ist (Senatsurteil vom 13. Juli 2010, aaO, unter II 3 c cc (3)). Auch dieser Gesichtspunkt gilt für die Auslegung älterer Mietverträge gleichermaßen. Schon lange Zeit vor Inkrafttreten des § 556b Abs. 1 BGB überwog bereits die bargeldlose Zahlung der Miete durch Überweisung (vgl. LG Hamburg, MDR 1981, 760). Ein Bankgeschäftstag war der Sonnabend auch in früherer Zeit nicht. Bankgeschäftstage waren nach der vom 14. August 1999 bis zum 31. Oktober 2009 geltenden Bestimmung des § 676a Abs. 2 Satz 2 BGB nur die Tage von Montag bis Freitag. Diese Legaldefinition knüpfte nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/745, S. 19) an Artikel 2 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. EG Nr. L 124 S. 1) an, der als "Arbeitstage" alle Tage mit Ausnahme von Feiertagen, Sonntagen und Sonnabenden bestimmte.
Somit gilt auch für ältere Mietverträge wie den vorliegenden, in denen für die Zahlung der Miete eine der späteren gesetzlichen Regelung in § 556b Abs. 1 BGB entsprechende Karenzzeit von drei Werktagen vereinbart worden ist, dass sich die dem Mieter eingeräumte Schonfrist bei einer über das Wochenende auszuführenden Banküberweisung um einen Tag verkürzen würde, wenn der Sonnabend bei der Berechnung der Zahlungsfrist als Werktag mitzählte. Das widerspräche dem Schutzzweck der Karenzzeit. Auch § 556b Abs. 1 BGB entsprechende Vereinbarungen in älteren Mietverträgen sind deshalb dahin auszulegen, dass der Sonnabend bei der Berechnung der Karenzzeit für die Zahlung der Miete nicht als Werktag anzusehen ist.
Dr. Frellesen |
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