Entscheidungsdatum: 26.09.2018
Der Antrag der Beklagten vom 11. September 2018, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 27. August 2018 in Verbindung mit dem Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 22. Mai 2018 (Az. 31a C 101/17) einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.
Die Anträge der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Notanwalts für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) werden zurückgewiesen.
I.
Die Beklagte ist von dem Amtsgericht mit dem im Tenor genannten für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil zur Räumung und Herausgabe des von ihr bewohnten Hauses der Klägerin in S. verurteilt worden. Das Amtsgericht hat insoweit einen Herausgabeanspruch der Klägerin aus § 985 BGB bejaht, da es der Beklagten nicht gelungen sei, ihre - schon nicht substantiiert vorgetragene - Behauptung zu beweisen, sie sei deshalb zum Besitz der Wohnräume berechtigt (§ 986 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil sie im Jahre 2010 mit ihrer Mutter, der früheren Eigentümerin des Hauses, einen Mietvertrag über 50 Jahre geschlossen und die Miete in Höhe von 80.000 € für die gesamte Mietzeit im Voraus bar bezahlt habe. Die Berufung der Beklagten hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. August 2018 nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Beklagte mit Schriftsatz ihres zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 11. September 2018 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt sowie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts beantragt. Zudem hat die Beklagte mit einem weiteren Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten die Beiordnung eines Notanwalts beantragt (§ 78b ZPO).
II.
1. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2, § 719 Abs. 2 ZPO ist unzulässig, weil er entgegen § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt worden ist. Der Antrag unterliegt (auch) im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2004 - V ZA 4/04, WM 2004, 2370 unter II 1; vom 9. Juni 2004 - VIII ZR 145/04, WuM 2004, 416 unter II 1; vom 17. September 2008 - III ZA 7/08, juris; vom 12. August 2009- XII ZA 30/09, JurBüro 2010, 53 Rn. 3; vom 30. März 2011 - IV ZA 23/10, juris; vom 22. Februar 2012 - XI ZA 12/11, MDR 2012, 1432 Rn. 2; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 1994 - VIII ZR 85/94, juris Rn. 1; vom 24. März 2015 - VIII ZB 91/14, juris Rn. 4).
Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Partei für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2004 - VIII ZR 145/04, aaO; vom 17. September 2008 - III ZA 7/08, aaO; vom 22. Februar 2012 - XI ZA 12/11, aaO; vom 12. August 2009 - XII ZA 30/09, aaO; vom 30. März 2011 - IV ZA 23/10, aaO; vgl. auch Senatsbeschluss vom 14. Dezember 1994 - VIII ZR 85/94, aaO). Aus § 78 Abs. 3 ZPO ergibt sich keine Ausnahme von dem vorbezeichneten Anwaltszwang, da diese Vorschrift über das Prozesskostenhilfeverfahren hinaus nicht auch den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung umfasst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 1994 - VIII ZR 85/94, aaO; vom 6. Mai 2004 - V ZA 4/04, aaO; vom 12. August 2009 - XII ZA 30/09, aaO [zu der damaligen inhaltsgleichen Vorschrift des § 78 Abs. 5 ZPO]; vom 22. Februar 2012 - XI ZA 12/11, aaO; aA Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 78 Rn. 28; Vollkommer, MDR 2012, 1432, 1433).
Ob die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung über den Wortlaut von § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO und § 719 Abs. 2 ZPO hinaus zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bereits während der Dauer des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde zulässig sein kann (ablehnend BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 - I ZA 1/01, juris Rn. 19 f. [für den Prozesskostenhilfeantrag vor Einlegung der Revision]; offengelassen in BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2004 - V ZA 4/04, aaO unter II 2 a; vom 9. Juni 2004 - VIII ZR 145/04, aaO; vom 22. Februar 2012 - XI ZA 12/11, aaO Rn. 3), bedarf keiner Entscheidung.
2. Denn der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist jedenfalls unbegründet. Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO in dem hier gegebenen Fall der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechende Anwendung findet, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Diese Voraussetzungen liegen aus mehreren Gründen nicht vor.
a) Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Deswegen kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 1. April 2014 - VIII ZR 1/14, juris Rn. 5; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 39/18, WuM 2018, 221 Rn. 5; jeweils mwN).
Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz einen Antrag nach § 712 ZPO nicht gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihr die Stellung eines solchen Antrags nicht möglich oder nicht zumutbar war.
b) Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt zudem dann nicht in Betracht, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2017 - VIII ZR 262/16, WuM 2017, 293 Rn. 2 mwN; vom 4. Juli 2017 - VIII ZR 127/17, WuM 2017, 542 Rn. 14). So verhält es sich hier. Der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten fehlt es an der für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung erforderlichen Erfolgsaussicht.
aa) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer sich - entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde - lediglich auf 5.600 € beläuft und damit die in § 26 Nr. 8 EGZPO vorgegebene Wertgrenze von mehr als 20.000 € nicht erreicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Wert der Beschwer bei einem Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses, dessen Dauer unbestimmt ist, nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Nettomiete (§§ 8, 9 ZPO) zu bemessen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. März 2017- VIII ZR 262/16, aaO Rn. 3; vom 6. Februar 2018 - VIII ZR 273/17, WuM 2018, 221 Rn. 2; jeweils mwN).
Das von der Beklagten behauptete Mietverhältnis ist ungeachtet der von ihr vorgetragenen Vereinbarung einer Dauer von 50 Jahren als ein Mietverhältnis anzusehen, dessen Dauer im Sinne der vorbezeichneten Rechtsprechung des Senats unbestimmt ist.
(1) Dies folgt hier bereits aus § 575 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vorbringen der Beklagten lässt sich ein für den wirksamen Abschluss eines zeitlich befristeten Mietverhältnisses (Zeitmietvertrag) erforderlicher Befristungsgrund nach § 575 Abs. 1 Satz 1 BGB entnehmen. Ohne einen solchen Befristungsgrund gilt das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 575 Abs. 1 Satz 2 BGB).
(2) Zudem folgt auch aus § 550 Satz 1 BGB, dass es sich bei dem von der Beklagten behaupteten Mietverhältnis um ein solches von unbestimmter Dauer handelt. Nach dieser Vorschrift gilt der Mietvertrag für unbestimmte Zeit, wenn er für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen wird. Das Berufungsgericht hat - wie bereits das Amtsgericht - rechtsfehlerfrei angenommen, dass die von der Beklagten vorgelegte handschriftliche Quittung vom 10. Oktober 2010 über den angeblichen Erhalt von 80.000 € als Mietvorauszahlung nicht den Anforderungen eines schriftlichen Mietvertrages genügt.
(3) Unter Zugrundelegung des Sachvortrags der Beklagten beträgt - ausgehend von einer Gesamtmiete in Höhe von 80.000 € für einen Zeitraum von 50 Jahren - die der Wertberechnung zugrunde zu legende jährliche (Netto-) Miete 1.600 €, der dreieinhalbfache Betrag dieser Miete mithin 5.600 €.
bb) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen auch unbegründet, da ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) weder von der Beklagten aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich ist und der angegriffene Beschluss des Berufungsgerichts der Rechtslage entspricht.
3. Da die von der Beklagten beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), sondern vielmehr aussichtslos ist (§ 78b Abs. 1 ZPO), sind auch deren Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde sowie auf Beiordnung eines Notanwalts zurückzuweisen.
Dr. Milger |
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Dr. Schneider |
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Dr. Fetzer |
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Dr Bünger |
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Dr. Schmidt |
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