Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.10.2016


BGH 05.10.2016 - VIII ZR 228/15

Mittelbare Vermarktung von KWK-Strom: Erforderlichkeit einer eigenen Bilanzkreiszuordnung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
05.10.2016
Aktenzeichen:
VIII ZR 228/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:051016UVIIIZR228.15.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Braunschweig, 24. September 2015, Az: 7 U 22/14vorgehend LG Braunschweig, 2. April 2014, Az: 9 O 1237/13 (085)
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die mittelbare Vermarktung von KWK-Strom nach § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG setzt nicht voraus, dass der Anlagenbetreiber und der kaufbereite Dritte über eine Zuordnung zu einem eigenen Bilanzkreis mit Installation einer viertelstündlichen Lastgangmessung verfügen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24. September 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. November 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 15,2 kW in H.    , die Beklagte ist Netzbetreiberin. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Einspeisevertrag vom 3. Februar 2012 wird die Einspeisevergütung nach dem Preis der Strombörse bemessen und betrug für das Jahr 2012 rund 4,5 Cent je Kilowattstunde.

2

Mit Schreiben vom 8. April 2013 verlangte die Klägerin unter Berufung auf § 4 Abs. 3 Satz 4 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (im Folgenden: KWKG) von der Beklagten, den von ihr erzeugten Strom in Höhe von 15 Cent je Kilowattstunde zu vergüten. Zu diesem Zweck legte sie Schreiben der A.   GmbH und der H.          GbR aus B.           vor, worin diese sich jeweils bereit erklärten, den von der Klägerin erzeugten Strom in Höhe ihres jeweils angegebenen Jahresbedarfs zu besagtem Preis abzunehmen. Die Beklagte verweigerte den Abschluss einer entsprechenden Vergütungsvereinbarung, weil weder die Klägerin noch die kaufbereiten Dritten über eine Zuordnung zu einem eigenen Bilanzkreis mit Installation der entsprechenden viertelstündlichen Lastgangmessung verfügten, was die gewählte Vermarktungsform jedoch voraussetzte.

3

Die Klage auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den erzeugten Strom mit 15 Cent je Kilowattstunde zuzüglich Mehrwertsteuer in dem Umfang, in welchem der eingespeiste Strom seitens der A.   GmbH und der H.           GbR abgenommen werde, zu vergüten, hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Das nach § 256 ZPO erforderliche und auch vom Berufungsgericht stets von Amts wegen zu prüfende Feststellunginteresse der Klägerin ergebe sich aus ihrer Absicht, von der in § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG vorgesehenen Möglichkeit der mittelbaren Stromvermarktung Gebrauch zu machen, was die Beklagte trotz der vorgelegten Bereiterklärungen vom 8. April 2013 unter Verweis auf ihrer Ansicht nach von der Klägerin und den Dritten noch zu schaffende weitere Voraussetzungen zurückgewiesen habe. Eine auf Verurteilung zur Zahlung gerichtete Leistungsklage sei der Klägerin demgegenüber nicht möglich, weil erst nach Rechtskraft des Feststellungsurteils Vereinbarungen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG zwischen der Klägerin und der Beklagten einerseits sowie der Beklagten und den Dritten andererseits zu treffen wären, aus denen eine mittels Leistungsklage zu realisierende Leistungspflicht der Beklagten resultieren könnte.

7

Auch sei das Feststellungsbegehren begründet, denn § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG enthalte eine Vergütungsregelung für den Fall der mittelbaren Vermarktung elektrischer Energie, die den Netzbetreiber zum Abschluss einer von § 4 Abs. 3 Satz 2 KWKG abweichenden Vergütungsvereinbarung verpflichte, sofern der Anlagenbetreiber nachweise, dass ein Dritter bereit sei, den Strom zu einem entsprechenden Preis abzunehmen. Die Klägerin habe zwei derartige Bereiterklärungen von Dritten vorgelegt, deren Ernsthaftigkeit auch die Beklagte nicht in Abrede stelle.

8

Der beantragten Feststellung stehe nicht entgegen, dass die Klägerin und die beiden potentiellen Abnehmer über keine eigene Bilanzkreiszuordnung einschließlich einer Installation von Messeinrichtungen mit viertelstündlicher Erfassung verfügten. Für die mittelbare Vermarktung ergebe sich ein derartiges Erfordernis insbesondere nicht aus den von der Bundesnetzagentur herausgegebenen "Marktregeln für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom". Hierbei handele es sich lediglich um einen Beschluss ohne Gesetzesqualität, dessen Anwendung eine entsprechende gesetzliche Anordnung voraussetze, die § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG nicht enthielten. Auch eine direkte oder entsprechende Anwendung der Vorschriften zur Bilanzkreiszuordnung in § 4 Abs. 2a und 2b KWKG scheide aus, da diese im Unterschied zur mittelbaren Vermarktung den Fall der direkten Vermarktung durch den Anlagenbetreiber regelten. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der Stromnetzzugangsverordnung (im Folgenden: StromNZV) in Verbindung mit § 20 Abs. 1a Satz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes (im Folgenden: EnWG) wiederum sei es lediglich erforderlich, dass jede Einspeise- oder Entnahmestelle einem Bilanzkreis zugeordnet werde. Vorliegend seien aber sowohl die Klägerin als auch die von ihr benannten Dritten unstreitig dem Bilanzkreis der Beklagten zuzuordnen. Letztlich könne dem Zweck der mittelbaren Vermarktung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG nur Rechnung getragen werden, wenn jedenfalls im Hinblick auf Letztverbraucher als Dritte vom Erfordernis einer eigenen Bilanzkreiszuordnung abgesehen werde. Ob diese Erwägungen auch Anwendung fänden, wenn es sich bei dem Dritten um einen Stromhändler handele, brauche nicht entschieden zu werden, da es sich schon aufgrund des prognostizierten Jahresverbrauchs bei den von der Klägerin benannten Dritten offensichtlich um Letztverbraucher handele. Schließlich sei eine mittelbare Vergütung auch ohne eigenen Bilanzkreis für die Beklagte technisch umsetzbar, da die Klägerin unstreitig über eine in § 8 KWKG vorgesehene Nachweiseinrichtung für den eingespeisten Strom verfüge und bei den Dritten die abgenommene Menge über den normalen Stromzähler ablesbar sei.

9

Die Abnahme des vom Anlagenbetreiber einzuspeisenden Stroms sei entgegen dem Wortlaut von § 4 Abs. 3 Satz 4 KWKG keineswegs auf "einen" Dritten beschränkt. Vielmehr werde dem Gesetzeszweck, die Ausnutzung der Monopolstellung des Netzbetreibers zu verhindern, umso mehr Rechnung getragen, wenn zusätzlich noch weitere zur Abnahme bereite Dritte benannt würden. Allerdings trete die Vergütungspflicht des Netzbetreibers gegenüber dem Anlagenbetreiber nur ein, wenn der Dritte dem Netzbetreiber den entsprechenden Betrag und zusätzlich Steuern und andere Zusatzkosten erstatte. Auch sei der Feststellungsanspruch auf die von den potentiellen Abnehmern tatsächlich abgenommene Energiemenge begrenzt.

II.

10

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

11

Die Beklagte ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG verpflichtet, den von der Klägerin in ihrem Blockheizkraftwerk erzeugten und in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom in dem vom Berufungsgericht angenommenen Umfang abzunehmen. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Strom einem gesonderten Bilanzkreis der Klägerin oder der kaufbereiten Dritten zugeordnet wird.

12

1. Mit zutreffender Begründung - insoweit auch von der Revision unbeanstandet - hat das Berufungsgericht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung bejaht.

13

2. Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die materielle Verpflichtung der Beklagten, den von der Klägerin eingespeisten Strom zu den von ihr begehrten Bedingungen abzunehmen, aus § 4 Abs. 3 Satz 4 KWKG ergibt.

14

a) Nach dieser Vorschrift ist der Netzbetreiber verpflichtet, den eingespeisten KWK-Strom zu dem Preis abzunehmen, den ein Dritter, der ihm vom Anlagenbetreiber nachgewiesen wird, zu zahlen bereit ist. Der Dritte wiederum hat besagten KWK-Strom zu dem Preis seines Angebotes vom Netzbetreiber abzunehmen (§ 4 Abs. 3 Satz 5 KWKG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht aufgrund der schriftlichen Bereiterklärungen der A.    GmbH und der H.          GbR vom 8. April 2013, die jeweils eine Angabe des ungefähren Jahresbedarfs und des zu zahlenden Nettopreises enthielten, bejaht; dies greift die Revision nicht an.

15

b) Entgegen der Auffassung der Revision scheitert die begehrte Vergütung aber auch nicht daran, dass die Klägerin und die von ihr benannten kaufbereiten Kunden nicht über eine eigene Bilanzkreiszuordnung einschließlich einer Installation von Messeinrichtungen mit viertelstündlicher Erfassung verfügen. Ein solches Erfordernis lässt sich schon dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG nicht entnehmen und widerspräche zudem dem vom Gesetzgeber mit dieser Regelung verfolgten Zweck.

16

Eine andere Beurteilung ist weder aus dem von der Revision herangezogenen "allgemeinen wirtschaftlichen Rahmen des Stromnetzzugangsmodells" nach § 20 Abs. 1 a Satz 5 EnWG und § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV herzuleiten noch aus der "Schutzfunktion des § 4 KWKG" oder einer Anwendbarkeit der in einem Beschluss der Bundesnetzagentur für die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung Strom aufgestellten Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom (Beschluss der Bundesnetzagentur vom 10. Juni 2009 - BK6-07-002).

17

aa) Nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung der in § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG enthaltenen Bestimmungen handelt es sich um eine weitere Variante zur Bestimmung der Vergütung des in KWK-Anlagen erzeugten und vom Netzbetreiber abzunehmenden Stroms, die der Anlagenbetreiber anstelle einer freien Vereinbarung mit dem Netzbetreiber (§ 4 Abs. 3 Satz 1 KWKG) oder der quartalsweisen Festlegung anhand des durchschnittlichen Preises für Grundlaststrom an der Strombörse EEX in Leipzig (§ 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 KWKG) wählen kann (Hempel/Franke/Salje, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Stand August 2013, § 4 KWKG Rn. 80; Büdenbender/Rosin/Rosin, KWK-AusbauG, 2003, § 4 Rn. 84; Rosin/Elspas, RdE 2002, 174, 180).

18

Mit der dadurch geschaffenen Möglichkeit einer mittelbaren Vermarktung sollte etwaigen Schwierigkeiten bei der Vereinbarung des variablen Preiselements zwischen Anlagen- und Netzbetreiber begegnet und ausgeschlossen werden, dass der Netzbetreiber seine Monopolstellung ausnutzen könne, indem er dem Anlagenbetreiber einen unangemessen niedrigen Preis biete (BT-Drucks. 14/7024, S. 11). Eigene Bilanzkreise des Anlagenbetreibers oder des Dritten sieht § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG hingegen nicht vor.

19

bb) Aus der für die Direktvermarktung in § 4 Abs. 2a Satz 1 KWKG vorgesehenen Spezialregelung lässt sich ebenfalls nichts dafür entnehmen, dass eine mittelbare Vermarktung nur erfolgen darf, wenn der eingespeiste Strom direkt dem Bilanzkreis des Anlagenbetreibers oder des Dritten zugeordnet werden kann. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese Vorschrift auf die mittelbare Vermarktung weder direkt noch - mangels Vergleichbarkeit - analog anwendbar ist. Davon abgesehen gab die bis zum 31. Dezember 2015 geltende Regelung des § 4 Abs. 2a Satz 1 KWKG lediglich dem Anlagenbetreiber im Falle der Direktvermarktung das Recht, selbst vom Netzbetreiber eine Zuordnung des eingespeisten Stroms zu einem eigenen Bilanzkreis des Dritten oder des Anlagenbetreibers zu verlangen. Ohne ein solches Begehren - das die Klägerin hier gerade nicht gestellt hat - war der Netzbetreiber hingegen auch bei Direktvermarktung verpflichtet, den eingespeisten Strom in einen eigenen Bilanzkreis aufzunehmen (§ 4 Abs. 2a Satz 3 KWKG). Ob zusätzlich - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auch die Entstehungsgeschichte des KWKG gegen das Erfordernis eines eigenen Bilanzkreises im Falle der mittelbaren Vermarktung spricht, kann dahinstehen.

20

cc) Ohne Erfolg macht die Revision (unter Berufung auf Jacobshagen/Kachel in Danner/Theobald, Energierecht, Stand Mai 2010, § 4 KWKG Rn. 50) ferner geltend, dass eine besondere Bilanzkreisverpflichtung der Klägerin oder der kaufbereiten Dritten aus dem allgemeinen wirtschaftlichen Rahmen des Stromnetzzugangsmodells nach § 20 Abs. 1a Satz 5 EnWG und § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV abzuleiten sei.

21

Zwar setzt die Gewährung des Netzzugangs nach § 20 Abs. 1a Satz 5 EnWG allgemein voraus, dass über einen Bilanzkreis, der in ein vertraglich begründetes Bilanzkreissystem einbezogen ist, stets ein Ausgleich zwischen Stromeinspeisung und -entnahme sichergestellt sein muss. In näherer Ausgestaltung eines solchen Bilanzkreissystems für die Elektrizitätsversorgungsnetze sieht § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV vor, dass jede Einspeise- oder Entnahmestelle einem Bilanzkreis zuzuordnen ist.

22

Diese allgemeinen Vorgaben des Stromnetzzugangsmodells sind vorliegend aber bereits - auch ohne eine gesonderte Bilanzkreiszuordnung - erfüllt. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, sind sowohl die Klägerin als auch die von ihr zu beliefernden Dritten dem Bilanzkreis der Beklagten zugeordnet. Somit ist der von § 20 Abs. 1a Satz 5 EnWG bezweckte Ausgleich zwischen Stromeinspeisung und -entnahme hinreichend gewährleistet. Dass der von der Klägerin eingespeiste Strom für den Fall einer Vermarktung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG einem gesonderten Bilanzkreis zuzuordnen wäre, lässt sich aus den allgemeinen Vorschriften zum Stromnetzzugangsmodell demgegenüber nicht entnehmen.

23

dd) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich die Notwendigkeit einer gesonderten Bilanzkreiszuordnung auch nicht aus einer "Schutzfunktion des § 4 KWKG" dahingehend, dass der Anlagenbetreiber zu jeder Zeit in der Lage sein solle, den erzeugten KWK-Strom einzuspeisen - was wegen des Erfordernisses der gleichzeitigen Abnahme durch den kaufbereiten Dritten nur mit einem Bilanzkreis möglich sei (ebenfalls unter Berufung auf Jacobshagen/Kachel in Danner/Theobald, aaO).

24

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Das Erfordernis einer eigenen Bilanzkreiszuordnung würde überhaupt erst dazu führen, dass die Klägerin (wirtschaftlich) daran interessiert sein müsste, dass der von ihr eingespeiste Strom zeitgleich abgenommen würde. Denn für jeden Bilanzkreis ist von den bilanzkreisbildenden Netznutzern gegenüber dem Betreiber des jeweiligen Übertragungsnetzes ein Bilanzkreisverantwortlicher zu benennen, der für eine ausgeglichene Bilanz zwischen Einspeisungen und Entnahmen im Bilanzkreis in jeder Viertelstunde verantwortlich ist (§ 4 Abs. 2 StromNZV). Dieser schließt mit dem Netzbetreiber als Bilanzkreiskoordinator einen Bilanzkreisvertrag, auf dessen Grundlage der Netzbetreiber für jede Viertelstunde Mehr- und Mindereinspeisungen im Bilanzkreis bestimmt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 StromNZV; vgl. auch Danner/Theobald/Lüdtke-Handjery, Energierecht, Stand Juni 2015, § 20 EnWG Rn. 25). Abweichungen gleicht der Bilanzkreiskoordinator aus und rechnet sie mit dem Bilanzkreisverantwortlichen ab (§ 8 Abs. 2 Satz 2 StromNZV). Die Klägerin als Bilanzkreisverantwortliche eines eigenen Bilanzkreis wäre damit wirtschaftlich verantwortlich für Über- und Untereinspeisungen.

25

Nach der auf die übereinstimmenden Angaben der Parteien gestützten Feststellung des Berufungsgerichts sind die Klägerin und die kaufbereiten Dritten demgegenüber derzeit dem Bilanzkreis der Beklagten zugeordnet. Damit vermag die Klägerin den von ihr erzeugten KWK-Strom - ohne eigene Bilanzkreisverantwortung - zu jeder Zeit einzuspeisen, während die Dritten ihn zu jeder Zeit abnehmen können. Entgegen der Argumentation der Revision würde das Erfordernis einer gesonderten Bilanzkreiszuordnung also keineswegs dem Schutz des Anlagenbetreibers dienen, sondern aufgrund der hiermit einhergehenden Bilanzkreisverantwortung die von diesem zu erfüllenden Anforderungen sowie seine wirtschaftliche Belastung deutlich erhöhen. Insbesondere für kleinere Anlagenbetreiber führte dies im Ergebnis dazu, dass die dritte Vergütungsvariante nach § 4 Abs. 3 KWKG faktisch nicht anwendbar wäre. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, können derartige Anlagenbetreiber einen Ausgleich zwischen Einspeisung und Abnahme regelmäßig nicht gewährleisten, weil die Zeitpunkte zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch gerade bei kleinen KWK-Anlagen häufig auseinanderfallen. Dies hätte zur Folge, dass allenfalls Energieversorgungsunternehmen, Stromhändler oder größere Industriebetriebe in der Lage wären, von den Vorteilen der mittelbaren Vermarktung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG zu profitieren. Dies entspricht aber nicht der Intention des Gesetzgebers im Rahmen des KWKG, dem gerade der Ausbau der kleineren Blockheizkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von bis zu zwei Megawatt ein "besonderes Anliegen" war (BT-Drucks. 14/7024, S. 10).

26

ee) Zu Recht hat es das Berufungsgericht schließlich abgelehnt, eine Verpflichtung zu einer gesonderten Bilanzkreiszuordnung unmittelbar aus den Marktregeln für die Bilanzkreisabrechnung Strom (Beschluss der Bundesnetzagentur vom 10. Juni 2009 - BK6-07-002) abzuleiten. Es handelt sich hierbei um einen auf Grundlage von § 29 EnWG und § 27 Abs. 1 Nr. 4, 11, 15 StromNZV erlassenen Beschluss der Bundesnetzagentur, in welchem die Marktregeln festgehalten werden, nach denen die Durchführung der Bilanzkreisabrechnung einschließlich des Austausches und des Clearings aller bilanzierungspflichtigen Daten zu erfolgen haben. Die vorgeschaltete Frage, in welchen Fällen überhaupt gesonderte Bilanzkreise zu führen sind, regeln diese Marktregeln der Bundesnetzagentur - schon mangels entsprechender gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage - hingegen nicht.

27

ff) Die auf Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der von der Beklagten vorgelegten Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. "Das KWK-Gesetz 2009" auseinandergesetzt, liegt schon deshalb neben der Sache, weil das Berufungsgericht sich damit ausdrücklich befasst hat und insoweit der Auffassung der Vorinstanz beigetreten ist. Ohnehin handelte es sich dabei nur um eine ohne nähere Begründung vertretene Rechtsansicht eines Interessenverbands von Energieunternehmen, die von diesem bereits in der nachfolgenden Veröffentlichung "Das KWK-Gesetz 2012" nicht mehr vertreten wurde.

28

gg) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht ohne sachverständige Hilfe annehmen dürfen, eine Vergütung nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG sei ohne Führung eines gesonderten Bilanzkreises überhaupt technisch durchführbar. Die Revision legt im Rahmen ihrer Rüge nach § 286 ZPO bereits nicht schlüssig dar, welche entscheidungserheblichen Tatsachen der Begutachtung eines Sachverständigen bedurft hätten. Die in diesem Zusammenhang angeführte Behauptung, eine zeitgleiche Einspeisung und Entnahme sei eine "physikalische Notwendigkeit" und nur durch die viertelstündlichen Messungen in einem gesonderten Bilanzkreis möglich, benennt wiederum nur die allgemeine Zielsetzungen von Stromnetzzugangsmodell und Bilanzkreisführung nach § 20 Abs. 1a Satz 5 EnWG, § 4 Abs. 3 Satz 1 StromNZV, die - wie mehrfach ausgeführt - vorliegend auch ohne eine gesonderte Bilanzkreiszuordnung erfüllt werden. Dass der Strom, den die Klägerin aufgrund des Vertrages vom 3. Februar 2012 in das Netz der Beklagten einspeist, mengenmäßig erfasst wird, liegt im Übrigen ebenso auf der Hand, wie der Nachweis des von Dritten entnommenen Stroms über den jeweiligen Stromzähler. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass einer Abrechnung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 und 5 KWKG keine technischen Hindernisse entgegenstehen.

29

c) Entgegen der Auffassung der Revision erfordert die mittelbare Vermarktung auch nicht, dass der gesamte vom Anlagenbetreiber eingespeiste Strom von einem einzigen Dritten abgenommen wird. Mit ihrer Betrachtungsweise, § 4 Abs. 3 Satz 4 KWKG verlange vom Anlagenbetreiber, "einen" verkaufsbereiten Dritten nachzuweisen, bleibt die Revision dem Wortlaut der Vorschrift zu eng verhaftet und lässt die ausdrückliche Zielsetzung des Gesetzgebers außer Acht, mit dieser Vergütungsbestimmung auszuschließen, dass der Netzbetreiber seine Monopolstellung ausnutzen kann, indem er dem Anlagenbetreiber einen unangemessen niedrigen Preis für den KWK-Strom bietet (BT-Drucks. 14/7024, S. 11). Wie das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, wird diesem Anliegen umso mehr Rechnung getragen, wenn nicht nur ein, sondern sogar mehrere Dritte benannt werden, die zur Abnahme des vom Anlagenbetreiber erzeugten Stroms bereit sind. Die nicht näher begründete Behauptung der Revision, dass eine Aufspaltung auf mehrere Abnehmer nicht möglich sei, da hierdurch eine "Zersplitterung der Preisgestaltung" drohe, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Messtechnisch jedenfalls sind insoweit aus den bereits genannten Erwägungen keine Hinderungsgründe ersichtlich und auch nicht schlüssig vorgetragen. Soweit der Beklagten aus der vom Gesetz eröffneten Möglichkeit der mittelbaren Vermarktung zwangsläufig ein gewisser Verwaltungsaufwand bei der Abrechnung entsteht, ist dies hinzunehmen.

Dr. Milger                         Dr. Hessel                     Dr. Achilles

                   Dr. Bünger                        Kosziol