Entscheidungsdatum: 12.10.2011
Bezahlt der Steuerpflichtige mit Mitteln aus einem durch eine Lebensversicherung gesicherten Policendarlehen eine Zinsbegrenzungsprämie (Zinscap-Gebühr), dient das Darlehen nicht unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungskosten eines dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmten Wirtschaftsgutes i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG (Anschluss an BFH-Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 19/04, BFH/NV 2006, 288) .
I. Mit Bescheid vom 29. Juni 2005 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen gemäß § 29 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (EStG) gesondert fest, nachdem die Bank des Klägers im August 2004 angezeigt hatte, dieser habe die Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung in Höhe von 120.000 € zur langfristigen Sicherung eines Darlehens von 180.000 € für die Finanzierung einer Praxisübernahme eingesetzt.
Das Darlehen hatte der Kläger nur in Höhe von 155.200 € in Anspruch genommen, und zwar für die Kaufpreiszahlung aus dem Praxiskauf in Höhe von 148.000 € und für die Zinscap-Gebühr aufgrund einer Zinsbegrenzungsvereinbarung in Höhe von 7.200 €.
Die gegen den Bescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 409 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des Verfahrensrechts sowie des materiellen Rechts.
Das FG habe unter Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten nicht berücksichtigt, dass der Versicherungsanspruch aus der Lebensversicherung nur zu einem Teil für die Besicherung des streitigen Darlehens eingesetzt worden sei und die Abtretung der Ansprüche nur der Sicherung der Bank im Zusammenhang mit dem Darlehen X unter ausdrücklicher Ausnahme der Zins-, Disagio- oder sonstigen Nebenleistungsansprüche gedient und nicht das Vorfinanzierungskonto Y betroffen habe. Außerdem sei den Darlehensvereinbarungen zu entnehmen, dass nicht der gesamte Darlehensbetrag dem Vorfinanzierungskonto hätte gutgeschrieben werden sollen, sondern nur der jeweilige Betrag in Höhe der im Einzelnen nachgewiesenen Investitionen. Des Weiteren sei den Kontoauszügen zu entnehmen, dass auf dem Vorfinanzierungskonto nur ein vereinbarter Kreditrahmen, nicht aber ein Guthaben von 24.800 € verblieben sei.
Auf diesen Fehlern beruhe die angefochtene Entscheidung, weil das FG damit übersehen habe, dass nur ein Teil der Lebensversicherungsansprüche --unterhalb der Anschaffungskosten der Praxis-- zur Sicherung des streitigen Darlehens eingesetzt worden sei. Zu Unrecht habe das FG deshalb die Verwendung des Darlehens zur Finanzierung des Gesamtwirtschaftsguts "Praxis" über den eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG hinaus insgesamt als schädlich angesehen.
Schließlich habe das FG ausschließlich das Begehren auf Aufhebung des angefochtenen Feststellungsbescheids beschieden, aber keine Entscheidung über den daneben gestellten Antrag auf Feststellung der Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen der Lebensversicherung getroffen. Insoweit habe es das FG zu Unrecht unterlassen, den Kläger auf das Fehlen eines darauf bezogenen Vorverfahrens hinzuweisen. Da das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden habe, sei es ihm, dem Kläger, unmöglich gewesen, hierzu noch vorzutragen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Steuerfreiheit der Zinserträge aus seiner Kapitallebensversicherung bei der A-Versicherung (Vertragsnummer ...) gesondert festzustellen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
1. Zu Recht hat das FG den Klageantrag als Anfechtungsbegehren gegen den angefochtenen Feststellungsbescheid ausgelegt und den daneben gestellten Antrag auf negative Feststellung der Steuerbarkeit der Zinsen aus den streitigen Sparanteilen nicht gesondert beschieden. Denn bei Erfolg des Begehrens auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids über die Feststellung der Steuerbarkeit der streitigen Zinsen ist zugleich mit Rechtskraft gegenüber dem Kläger festgestellt, dass eine Steuerbarkeit der Zinsen nicht gegeben ist.
2. Des Weiteren hat das FG zu Recht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bejaht.
a) Nach § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind.
Nicht steuerpflichtig sind diese Zinsen allerdings nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG, wenn sie aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG herrühren, die mit (als Sonderausgaben abziehbaren) Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Für diesen Fall sieht § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) --nachfolgend bis zum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG-- die Steuerbefreiung vor, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen werden können.
b) Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen der streitigen Versicherung liegen im Streitfall nicht vor.
aa) Die im Streitfall abgeschlossene Lebensversicherung des Klägers ist zwar unstreitig eine Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Das auf sie aufgenommene Policendarlehen steht dem Abzug der Versicherungsprämien als Sonderausgaben aber entgegen, wenn die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen nicht --wie von § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG vorausgesetzt-- der Sicherung von Darlehen dienen, die selbst "unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines (zur Einkünfteerzielung bestimmten) Wirtschaftsgutes dienen" (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 23. November 2004 IX R 2/04, BFH/NV 2005, 694; vom 1. März 2005 IX R 58/03, BFHE 209, 299, BStBl II 2005, 597; vom 7. Juli 2005 IX R 20/04, BFH/NV 2006, 264).
bb) Diese Voraussetzung ist im Streitfall schon deshalb nicht erfüllt, weil mit dem Policendarlehen Aufwendungen finanziert wurden, die nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gehören und ihrem Umfang nach über die Bagatellgrenze von 2.556 € nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG hinausgehen.
(1) Auch wenn die Dauer des Verbleibs der Darlehensvaluta auf einem verzinslichen Girokonto des Steuerpflichtigen über die von der Verwaltung früher geforderte 30-Tage-Frist hinaus nicht grundsätzlich gegen die Annahme einer unmittelbaren und ausschließlichen Verwendung zur Finanzierung von Anschaffungskosten spricht (Senatsurteil vom 9. Februar 2010 VIII R 21/07, BFHE 229, 108, BStBl II 2011, 257), steht im Streitfall fest, dass mit dem Darlehen auch Finanzierungskosten in Form der Zinscap-Gebühr finanziert worden sind.
(2) Wie der Senat bereits mit Urteil vom 12. Oktober 2005 VIII R 19/04 (BFH/NV 2006, 288) entschieden hat, gehören Zinsbegrenzungsprämien wie die hier in Höhe von 7.200 € vereinbarte Zinscap-Gebühr nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S. des § 255 des Handelsgesetzbuchs (vgl. Schmidt/Glanegger, EStG, 23. Aufl., § 6 Rz 140, Stichwort "Finanzierungskosten"; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10 Rz 190; Kleindiek in GroßkommHGB, 4. Aufl. 2002, § 255 Rz 10; Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., § 255 Rz 3) und damit nicht zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG (zum Sonderfall der Anschlussfinanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten durch Neudarlehen mit Disagiovereinbarung s. Senatsurteil vom 19. Januar 2010 VIII R 40/06, BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254).
(3) Der Einwand des Klägers, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag seien nur im Umfang von 120.000 € und damit nur teilweise zur Sicherung des betrieblichen Darlehens abgetreten worden und hätten in diesem Umfang ohne jede Einschränkung der Finanzierung der Anschaffungskosten gedient, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG die uneingeschränkte unmittelbare und ausschließliche Verwendung des (Gesamt-)Darlehens zur Finanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten voraussetzt.
c) Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich eine Aufteilung in einen steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil des Darlehens ausgeschlossen (Senatsurteile vom 7. November 2006 VIII R 1/06, BFHE 215, 486, BStBl II 2010, 18; vom 24. November 2009 VIII R 29/07, BFHE 228, 36, BStBl II 2011, 251; Senatsbeschluss vom 23. April 2010 VIII B 48/08, BFH/NV 2010, 1439; vgl. dazu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, BStBl I 2000, 1118).