Entscheidungsdatum: 16.10.2014
Geht auf einen Fristverlängerungsantrag keine gerichtliche Mitteilung ein, muss sich der Prozessbevollmächtigte rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - Gewissheit verschaffen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 24. November 2009, VI ZB 69/08, MDR 2010, 401).
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 6. März 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 106.841,36 €
I.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer restlichen Vergütung für Stahlbauarbeiten, die der Kläger im Auftrag der Beklagten im Zusammenhang mit der Erweiterung einer Schule ausgeführt hat.
Mit Urteil des Landgerichts K. vom 16. Oktober 2013 ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 80.412,57 € zuzüglich Zinsen sowie weitere 26.428,79 € Zug um Zug gegen Aushändigung einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft der Kreissparkasse K. in gleicher Höhe zu zahlen. Gegen das ihr am 21. Oktober 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. November 2013 Berufung eingelegt und zugleich beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 23. Januar 2014 zu verlängern. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21. November 2013, die am 26. November 2013 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten formlos abgesandt worden ist, ist die Berufungsbegründungsfrist lediglich bis zum 21. Januar 2014 verlängert worden. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. November 2013 bat die Beklagte, über den in der Berufungsschrift gestellten Fristverlängerungsantrag zu entscheiden. Auf diesen Schriftsatz reagierte das Gericht nicht.
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2014 beantragte die Beklagte unter Hinweis auf das Einverständnis des Klägers eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. Januar 2014. Dieser Antrag ist mit Verfügung vom 22. Januar 2014 unter Hinweis darauf abgelehnt worden, dass der Antrag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellt worden sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 21. Oktober 2013 zugestellte Urteil des Landgerichts am 20. November 2013 ebenfalls Berufung eingelegt. Nachdem auf seinen Antrag hin die Frist zur Begründung seiner Berufung bis zum 21. Januar 2014 verlängert worden war, hat er mit am 6. Januar 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seine Berufung begründet. Mit Verfügung vom 8. Januar 2014 ist der Beklagten zur Erwiderung auf die Berufung des Klägers eine Frist bis zum 10. Februar 2014 gesetzt worden. Mit am 27. Januar 2014 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte ihre Berufung begründet.
Am 11. Februar 2014 hat die Beklagte wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und zur Begründung ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten habe eine Mitteilung und Verfügung des Senats, dass die Berufungsbegründungsfrist lediglich bis zum 21. Januar 2014 verlängert worden sei, bis zum Ablauf der beantragten Fristverlängerung am 23. Januar 2014 nicht vorgelegen. Von der Verfügung des Vorsitzenden, mit der die Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. Januar 2014 verlängert worden sei, habe die Beklagte erst durch die Ablehnung ihres weiteren Fristverlängerungsantrags vom 22. Januar 2014 Kenntnis erhalten. Nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils sei gemäß der Organisationsanweisung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Berufungseinlegungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im EDV-unterstützten Terminkalender eingetragen und eine Vorfrist zum 9. Januar 2014 vorgesehen worden. Im Hinblick auf die am 23. Januar 2014 ablaufende Berufungsbegründungsfrist hätten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsatz vom 22. Januar 2014 eine nochmalige Fristverlängerung bis zum 27. Januar 2014 beantragt, zu der die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihre Zustimmung erteilt hätten. Entsprechend der notierten Berufungsbegründungsfrist zum 27. Januar 2014 sei die Berufungsbegründungsschrift an diesem Tage beim Berufungsgericht eingereicht worden.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen und den Antrag der Beklagten, ihr wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde. Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde hat der Kläger am 21. August 2014 seine Berufung zurückgenommen.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten im Ergebnis zu Recht wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen und den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
1. Die Beklagte hat ihre Berufung nicht innerhalb der bis zum 21. Januar 2014 verlängerten Frist begründet. Die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
a) Zu Recht weist die Beschwerde allerdings darauf hin, dass das Berufungsgericht die Frist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Begründung der Berufung bis zum 23. Januar 2014 hätte verlängern dürfen, weil erhebliche Gründe vom Beklagten dargelegt worden sind. Die gesetzliche Frist lief am 23. Dezember 2013 ab, weil der 21. Dezember 2013 ein Samstag war (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2007 - XII ZB 82/07, NJW-RR 2008, 76 Rn. 7). Dahinstehen kann, ob eine Fristsetzung bis zum 23. Januar 2014 auch deshalb möglich gewesen wäre, weil der Kläger ihr nach der Verfügung des Vorsitzenden vom 21. November 2013 zugestimmt hat.
b) Das Gericht hat von der Möglichkeit, die Frist zur Berufungsbegründung auf den 23. Januar 2014 festzusetzen, keinen Gebrauch gemacht, sondern eine Frist bis zum 21. Januar 2014 bestimmt. Der Wortlaut der gerichtlichen Verfügung vom 21. November 2013 enthält keine Unklarheiten über das Ende der gewährten Fristverlängerung. Die Berufungsbegründungsfrist ist verbindlich bis zum 21. Januar 2014 verlängert worden. Vergeblich beruft sich die Beklagte darauf, mit der gerichtlichen Verfügung vom 21. November 2013 sei wegen der vom Vorsitzenden vorbehaltenen Überprüfung des Zustellungsdatums kein bindender Endtermin der Berufungsbegründungsfrist festgelegt worden. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass es auf den objektiven Inhalt der gerichtlichen Verfügung ankommt und die Bindung des Rechtsmittelführers an das bisherige Fristende aufgehoben sein kann, wenn bei der Ausfertigung einer Verfügung, durch die der Vorsitzende die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels verlängert hat, versehentlich das in der Urschrift angegebene neue Fristende ausgelassen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13, NJW 2013, 2821 Rn. 7; Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZB 61/08, NJW-RR 2009, 643 Rn. 13; Beschluss vom 25. Februar 1987 - IVa ZB 20/86, NJW-RR 1987, 1277 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Die Beklagte macht insbesondere nicht geltend, sie habe lediglich eine unvollständige Ausfertigung der gerichtlichen Verfügung vom 21. November 2013 erhalten, aus der das Fristende nicht zu entnehmen gewesen sei. Vielmehr hat sie erklärt, die richterliche Verfügung überhaupt nicht erhalten zu haben.
Der Hinweis der Beschwerde auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28. November 2013, mit dem die Bitte zum Ausdruck gebracht wird, über den mit der Berufungsschrift gestellten Verlängerungsantrag zu entscheiden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dieser Schriftsatz ist keine Gegenvorstellung und auch kein neuer Antrag, über die das Gericht hätte erneut entscheiden müssen, sondern vielmehr eine Erinnerung an den aus Sicht der Beklagten noch unerledigten Antrag.
c) Die Fristversäumnis beruht auf einer mangelhaften Organisation der Fristenkontrolle durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen ist es erforderlich, dass das mutmaßliche Ende einer Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Einreichung einer Berufungsschrift im Fristenkalender eingetragen wird. Spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung muss diese Eintragung überprüft werden, damit sichergestellt ist, dass keine hypothetische, sondern die wirkliche Frist eingetragen wird (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13, NJW 2013, 2821 Rn. 9; Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, MDR 2010, 401; Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris Rn. 7; Beschluss vom 13. Dezember 2001 - VII ZB 19/01, BGH-Report 2002, 246, 247; Beschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99, NJW-RR 1999, 1663, jeweils m.w.N.). Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten Handakte entsprechen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 709/13, MDR 2014, 1042 Rn. 13). Geht keine gerichtliche Mitteilung ein, muss sich der Prozessbevollmächtigte, der eine Fristverlängerung beantragt hat, rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - Gewissheit verschaffen (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris Rn. 8; Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, MDR 2010, 401). Auch die Nachfrage bei Gericht ist organisatorisch sicherzustellen.
Eine solche Organisation seines Büros hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die die Rechtsbeschwerde keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben hat, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten keine Vorkehrungen getroffen, durch die sichergestellt wäre, dass der Eintrag des hypothetischen Endes der von ihm beantragten Fristverlängerung vor Fristende daraufhin überprüft wird, dass er mit der wirklichen Frist übereinstimmt. Dass und welche Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigte der Beklagten getroffen hat, um eine Fristversäumnis zu vermeiden, hat die Beklagte nicht dargelegt. Es fehlt insbesondere an einer organisatorischen Anweisung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten dahin, dass vor Ablauf der beantragten Fristverlängerung durch entsprechende Nachfrage bei Gericht das wirkliche Fristende in Erfahrung gebracht und in der Handakte vermerkt wird. Infolge dieses Organisationsverschuldens hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bei Vorlage der Akten am 9. Januar 2014 übersehen, dass es sich bei der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist um eine vom Gericht nicht bestätigte Fristverlängerung und damit eine hypothetische Frist gehandelt hat. Da bei entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen die Fristversäumnis durch eine Nachfrage bei Gericht vermieden worden wäre, beruht die Fristversäumung auf diesem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten.
2. Ohne Erfolg bleibt im Ergebnis ferner der von der Beklagten erhobene Einwand, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass über das Berufungsbegehren einer Partei grundsätzlich nur einheitlich entschieden werden dürfe.
Ein nicht fristgerecht eingelegtes oder begründetes Rechtsmittel darf in der Berufungsinstanz allerdings nicht als unzulässig verworfen werden, solange es mit Blick auf ein vom Gegner eingereichtes Rechtsmittel in eine Anschlussberufung umgedeutet werden kann (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 1999 - X ZB 15/99, VersR 2001, 730; Beschluss vom 2. Juli 1996 - IX ZB 53/96, NJW 1996, 2659, 2660; Urteil vom 27. April 1995 - VII ZR 218/94, NJW 1995, 2362, 2363; Beschluss vom 1. Oktober 1986 - IVb ZB 83/86, FamRZ 1987, 154 m.w.N.). Die am 27. Januar 2014 beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung der Beklagten hätte zunächst als Anschlussberufung aufrechterhalten werden können, weil sie noch innerhalb der der Beklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung, die erst am 10. Februar 2014 ablief, bei Gericht eingegangen ist. Eine Umdeutung der Berufung in eine Anschlussberufung kommt auch ohne ausdrückliche Erklärung der Partei in Betracht, wenn dies ihrem objektiven Interesse entspricht. Die Möglichkeit zur Umdeutung der Berufung der Beklagten in eine Anschlussberufung ist jedoch nach der vom Kläger am 21. August 2014 wirksam erklärten Zurücknahme seiner Berufung entfallen. Damit hat die Anschlussberufung der Beklagten gemäß § 524 Abs. 4 ZPO ebenfalls ihre Wirkung verloren. Da eine Umdeutung nunmehr nicht mehr in Betracht kommt, kann das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka Eick Kartzke
Jurgeleit Graßnack