Entscheidungsdatum: 17.01.2012
Nach § 28 Fall 2 TFG gelten die Bestimmungen des Transfusionsgesetzes jedenfalls nicht für Injektionen eines homöopathischen Eigenblutprodukts.
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 23. November 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt die beklagte Heilpraktikerin wegen einer angeblich im Rahmen der Heilbehandlung erworbenen Hepatitis-C-Infektion auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens sowie Feststellung in Anspruch.
Im Zeitraum vom 18. Mai 2005 bis 12. Juli 2005 befand sich die Klägerin mit der Diagnose Wechseljahresbeschwerden, Keim- und Pilzbelastungen in der Behandlung der Beklagten. Bei der Erstbehandlung am 18. Mai 2005 wurde ihr Blut zur Durchführung einer sogenannten Eigenbluttherapie entnommen. In der Folgezeit erhielt sie ausweislich der Rechnung der Beklagten an elf Behandlungstagen - u.a. am 9. Juni 2005 - jeweils eine intramuskuläre Injektion sowie eine Neuraltherapie; auf der Karteikarte der Beklagten befand sich für sämtliche Behandlungstage mit Ausnahme des 12. Juli 2005 jeweils der Eintrag "Neuraltherapie + Nosoden".
Die Beklagte hat das der Klägerin entnommene Blut sofort zentrifugiert, das so gewonnene Serum mit Kochsalz und Nosoden aufbereitet, in 20 gleich große Spritzen gefüllt und diese in einer mit dem Namen der Klägerin beschrifteten Dose eingefroren.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe ihr am 9. Juni 2005 zwei Spritzen verabreicht, von denen eine nicht mit dem Eigenblut der Klägerin, sondern mit infiziertem Fremdblut gefüllt gewesen sei. Hierdurch habe sie sich eine Infektion mit Hepatitis-C-Viren zugezogen, an deren Folgen sie noch heute leide.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil höchstrichterlich noch nicht entschieden worden sei, aber der Klärung bedürfe, ob die Dokumentationspflichten des Transfusionsgesetzes auf Eigenbluttherapien von Heilpraktikern Anwendung finden und ob bei Anwendung des Transfusionsgesetzes unter den gegebenen Umständen der Klägerin Beweiserleichterungen zugutekommen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
I.
Das Berufungsgericht meint, die Klägerin müsse beweisen, dass die Beklagte sie im Rahmen der Eigenbluttherapie durch eine versehentliche Fremdblutinjektion mit dem Hepatitis-C-Erreger infiziert und sie hierdurch die behaupteten Gesundheitsschäden erlitten habe. Hierfür sei die Klägerin nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme beweisfällig geblieben.
Nach den Feststellungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. J. habe die Beklagte eine Dokumentation über die einzelnen Schritte der Eigenblutzubereitung und die im Einzelnen durchgeführten Injektionen unterlassen. Beweiserleichterungen aus Dokumentationsversäumnissen kämen der Klägerin gleichwohl nicht zugute. Solche Beweiserleichterungen beträfen in erster Linie den Nachweis von Behandlungsfehlern durch Unterbleiben gebotener und aufzeichnungspflichtiger, aber nicht dokumentierter diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen. Hierum gehe es jedoch vorliegend nicht; die behauptete Verwechslung der Spritzen mit Eigenblut der Klägerin mit einer Spritze mit Fremdblut eines anderen Patienten durch die Beklagte werde von einer Dokumentationspflicht nicht erfasst.
Die Regelung in § 14 des Transfusionsgesetzes in der Fassung vom 10. Februar 2005 (TFG) finde auf das streitgegenständliche Handeln der Beklagten als Heilpraktikerin keine Anwendung, weil diese Vorschrift sowie die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) vom 19. September 2005 nur für Ärzte, nicht aber für Heilpraktiker gälten.
Darüber hinaus handele es sich auch nicht um Blutprodukte im Sinne des Transfusionsgesetzes zur Behandlung von Gerinnungsstörungen oder zum Zwecke der Blutspende, bei denen durch eine lückenlose Dokumentation eine Rückverfolgung der Herkunft der Blutprodukte vom Spender über den behandelnden Arzt bis zum Empfänger ermöglicht werden solle.
Die Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über das sogenannte voll beherrschbare Risiko im Hygienebereich ärztlichen Handelns griffen vorliegend nicht ein, da die Quelle für die Infektion der Klägerin mit dem Hepatitis-C-Erreger gerade nicht feststehe.
Auch ein Anscheinsbeweis komme nicht in Betracht, denn es stehe weder fest, ob der Klägerin von der Beklagten im Rahmen der Eigenbluttherapie Fremdblut injiziert worden sei, noch dass das Fremdblut mit Hepatitis-C-Erregern infiziert gewesen sei.
II.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin für eine Infektion mit Hepatitis-C-Viren aufgrund einer am 9. Juni 2005 erfolgten Fremdblutinjektion beweisfällig geblieben ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Beweiserleichterungen kommen der Klägerin entgegen der Auffassung der Revision nicht zugute.
1. Beweiserleichterungen zugunsten der Klägerin lassen sich nicht aus einem etwaigen Verstoß der Beklagten gegen die in § 14 TFG in der zum Behandlungszeitpunkt geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 10 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Transfusionsgesetzes und arzneimittelrechtlicher Vorschriften vom 10. Februar 2005 (BGBl. I S. 234) geregelten Dokumentationspflichten herleiten. Für den Streitfall kommt es nicht darauf an, ob das Transfusionsgesetz im Regelfall auf Heilpraktiker Anwendung findet, obwohl nach dem Wortlaut des § 4 TFG aF Normadressat die "behandelnde ärztliche Person" ist. Die Bestimmungen des Transfusionsgesetzes finden jedenfalls nach § 28 Fall 2 TFG aF keine Anwendung, weil die Beklagte der Klägerin ein homöopathisches Eigenblutprodukt injiziert hat. Darauf weist die Revisionserwiderung zutreffend hin.
a) Eine Definition des "homöopathischen Eigenblutprodukts" findet sich im Transfusionsgesetz nicht. Doch kann zum Verständnis hierfür auf das Arzneimittelgesetz (AMG) zurückgegriffen werden. Homöopathische Eigenblutprodukte gelten als Arzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 2 AMG (Lippert in Lippert/Flegel, aaO, § 28 Rn. 2; vgl. auch § 2 Nr. 3 TFG aF). In der Rechtsprechung sind Nosodenpräparate - wie sie hier in Frage stehen - stets einhellig als homöopathische Arzneimittel angesehen worden (vgl. BSGE 63, 102; OLG Zweibrücken, OLG-Report 1999, 374, 375, 376; LSG Saarland, Urteil vom 26. Januar 1999 - L 2/3 K 36/95, juris Rn. 1; SG Hamburg, Urteil vom 15. Dezember 2000 - S 21 KR 1287/98, juris Rn. 2; VG Saarland, Urteil vom 29. Januar 2008 - 3 K 284/06, juris Rn. 40, 47; Urteile vom 20. April 2010 - 3 K 2/09, juris Rn. 34, 42; 3 K 3/09, juris Rn. 25, 33 und 3 K 40/10, juris Rn. 29, 37). Inzwischen ist mit Wirkung vom 6. September 2005 die Definition des Begriffs "homöopathisches Arzneimittel" in § 4 Abs. 26 AMG eingefügt worden. Für den Zeitraum der streitgegenständlichen Heilbehandlung war diese Regelung noch nicht in Kraft. Eine sehr ähnliche Definition findet sich aber bereits in Art. 1 Nr. 5 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. EG L 311 S. 67). Dort wird übereinstimmend mit § 4 Abs. 26 Satz 1 AMG der Begriff "homöopathisches Arzneimittel" definiert als "jedes Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den derzeitig offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren aus Produkten, Substanzen oder Verbindungen, die homöopathische Ursubstanzen genannt werden, hergestellt worden ist." Danach ist eine Substanz ausschließlich aufgrund der Herstellung nach einem homöopathischen Zubereitungsverfahren den homöopathischen Arzneimitteln zuzuordnen. Die Darreichungsform ist ebenso wenig von Bedeutung wie die Anwendung in der homöopathischen Therapierichtung (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 4 AMG Anm. 78 (Stand Januar 2011); Koyuncu in Deutsch/Lippert, AMG, 3. Aufl. § 4 Rn. 97).
b) Die Beklagte hat aus dem Serum der Klägerin ein homöopathisches Eigenblutprodukt hergestellt. Sie hat eine Eigenbluttherapie mit Nosoden durchgeführt. Hierzu hat sie nach ihrem - von der Klägerin nicht in Frage gestellten - Vorbringen das aus dem Blut der Klägerin gewonnene Serum mit Kochsalz und als Fertigprodukte bezogenen Nosoden aufbereitet; die Verwendung von Nosoden ergibt sich auch aus ihrer Dokumentation. Bei einer Nosode handelt es sich aus naturheilkundlicher Sicht um ein Arzneimittel, das aus pathologischem Material hergestellt und in Verdünnungen zur homöopathischen Therapie angewendet wird (vgl. Pschyrembel Naturheilkunde und alternative Heilverfahren, 3. Aufl., S. 264 "Nosode"). Die Anwendung von Eigenblut mit Zusatz von Homöopathika stellt eine gebräuchliche Form der Eigenbluttherapie dar (vgl. Pschyrembel, aaO S. 98 "Eigenbluttherapie"). Da die Beklagte Fertigprodukte verwendet hat (vgl. § 55 Abs. 8 AMG), ist davon auszugehen, dass die vorgeschriebenen Zubereitungsschritte und Potenzierungen eingehalten worden sind. Demnach handelte es sich bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung bei den von der Beklagten verwendeten Nosoden um homöopathische Arzneimittel im Sinne von Art. 1 Nr. 5 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG und bei dem von ihr mit Nosoden versetzten Serum der Klägerin entgegen der Auffassung der Revision um ein homöopathisches Eigenblutprodukt. Die in den Vorschriften des Transfusionsgesetzes normierten Dokumentationspflichten finden gemäß § 28 Fall 2 TFG aF keine Anwendung. Dieses Ergebnis entspricht der vom Gesetzgeber mit § 28 TFG verfolgten Intention, wegen wesentlicher Unterschiede im Entnahmevorgang, in der entnommenen Menge, Herstellung und Anwendung von homöopathischen Eigenblutprodukten im Vergleich zu herkömmlichen Eigenblutspenden eine Ausnahmeregelung von den im Transfusionsgesetz normierten Pflichten zuzulassen (vgl. BT-Drucks. 13/9594, S. 27; von Auer/Seitz, aaO, Einl. Rn. 31 (Stand: Oktober 2010)).
c) Ist mithin eine unzureichende Dokumentation durch die Beklagte mangels einer Pflicht zu einer umfangreicheren Dokumentation im Streitfall nicht gegeben, können schon deshalb nicht die vom erkennenden Senat entwickelten Beweisgrundsätze bei Verletzung der ärztlichen Dokumentationspflicht entsprechend herangezogen werden (vgl. Senatsurteile vom 14. Februar 1995 - VI ZR 272/93, BGHZ 129, 6, 9 f.; vom 7. Juni 1983 - VI ZR 284/81, VersR 1983, 983 f.; vom 18. März 1986 - VI ZR 215/84, VersR 1986, 788, 789; vom 2. Juni 1987 - VI ZR 174/86, VersR 1987, 1238, 1239; Senatsbeschluss vom 9. Juni 2009 - VI ZR 261/08, VersR 2009, 1406 Rn. 4).
2. Auch im Übrigen kommen der Klägerin Beweiserleichterungen nicht zugute.
a) Zwar hat der erkennende Senat einen Anscheinsbeweis für die Infektion durch eine kontaminierte Blutkonserve angenommen, wenn bei dem Empfänger von Blutprodukten nach der Transfusion eine HIV-Infektion auftrat, ohne dass er einer HIV-gefährdeten Risikogruppe angehörte, und die Kontaminierung der verwendeten Blutkonserve mit dem HIV-Erreger feststand (Senatsurteile vom 30. April 1991 - VI ZR 178/90, BGHZ 114, 284, 289 ff. und vom 14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 212 ff.; siehe auch im Zusammenhang mit einer Hepatitis-Infektion OLG Brandenburg, NJW 2000, 1500; OLG Celle, NJW-RR 1997, 1456 = VersR 1998, 1023; vgl. Deutsch, NJW 1991, 1937; VersR 1997, 905, 906; Fahrenhorst, MedR 1992, 74, 76; Giesen/Poll, RIW 1993, 265, 270; Hecker/Weimann, VersR 1997, 532, 534; Laufs, NJW 1992, 1529, 1536; Spickhoff, JZ 1991, 756, 758 f.). Allein der enge zeitliche Zusammenhang einer Infektion mit einer Injektion stellt jedoch keinen typischen Geschehensablauf dar, der einen Anscheinsbeweis für die Infektion durch die Injektion rechtfertigen könnte (vgl. Senat, Urteil vom 8. Januar 1991 - VI ZR 102/90, VersR 1991, 467, 468; OLG München, NJW 1985, 1403; OLG Koblenz NJW 1991, 1553; kritisch Jaeger, VersR 1989, 994).
Im Streitfall ist bei der Klägerin zwar im Juli 2005, mithin wenige Wochen nach der Behandlung durch die Beklagte, eine Hepatitis-C-Infektion diagnostiziert worden. Es ist jedoch nicht festgestellt, dass der Klägerin eine zweite Spritze verabreicht worden ist und die gegebenenfalls verabreichte zweite Spritze mit dem Hepatitis-C-Erreger infiziertes Fremdblut enthielt. Nach allgemeinen Beweisgrundsätzen war die Klägerin aber hierfür beweispflichtig. Unzureichende Feststellungen infolge verfahrensfehlerhaft übergangener Beweisangebote der Klägerin, rügt die Revision nicht. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Möglichkeit einer anderweitigen Ansteckung bestand, musste das Berufungsgericht danach nicht aufklären.
b) Soweit das Berufungsgericht bei ungeklärter Infektionsquelle eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko im Hygienebereich ärztlichen Handelns (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06, BGHZ 171, 358 Rn. 9; OLG München VersR 2011, 885, 887) verneint hat, wird dies von der Revision nicht angegriffen und lässt das Berufungsurteil Rechtsfehler nicht erkennen.
Galke Zoll Diederichsen
Stöhr von Pentz