Entscheidungsdatum: 02.10.2012
Eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren.
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 9. November 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin wurde bei einem Waldspaziergang von einem herabfallenden Ast getroffen und dabei schwer verletzt. Sie ging am 18. Juli 2006 mit ihrem Hund in einem etwa 300 ha großen, planmäßig bewirtschafteten Wald der Beklagten zu 1 spazieren, der am Stadtrand von D. gelegen ist und als Naherholungsgebiet dient. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig. In einer Abteilung des Waldgebiets steht ein seinerzeit 106-jähriger Eichenwald, der teilweise mit anderen Laub- und Nadelhölzern gemischt ist und durch den ein etwa 3,5 m breiter Forstwirtschaftsweg führt. Von einer Eiche, die etwa fünf bis sechs Meter neben diesem von der Klägerin begangenen Weg stand, löste sich ein so genannter Starkast, der die Klägerin am Hinterkopf traf. Der Ast war etwa 17 m lang, mehrfach gekrümmt und in etwa 4,5 m Entfernung vom Stamm gegabelt. Sein Durchmesser betrug an der Basis 26 cm und im Ausgangsbereich des Bruchs - in etwa 1,8 bis 2,0 m Entfernung vom Stamm - etwa 23 cm. Zum Unfallzeitpunkt herrschte leichter Wind, und es war sehr warm.
Die Klägerin erlitt eine schwere Hirnschädigung. Sie befindet sich - nach stationären Aufenthalten unter anderem in einer Klinik für Wachkomapatienten - heute in häuslicher Pflege bei ihrer Schwester. Sie wird durch ihre Mutter als Betreuerin vertreten.
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage durch Grund- und Teilurteil stattgegeben. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil bei juris veröffentlicht ist (OLG Saarbrücken, Urteil vom 9. November 2011 - 1 U 177/10 - 46), ist der Auffassung, die Beklagten hätten die ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt. Soweit in § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG geregelt sei, dass das Betreten des Waldes "auf eigene Gefahr" erfolge, schließe dies nicht die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für Waldbesitzer aus, sondern lediglich die Entstehung besonderer zusätzlicher Verkehrssicherungspflichten. Der Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für typische, sondern lediglich für atypische Waldgefahren hafte, gelte nicht uneingeschränkt. Unter Berücksichtigung der im Streitfall gegebenen besonderen Umstände habe die Beklagte zu 1 eine - allerdings herabgestufte und eingeschränkte - Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der am Rand des Erholungswegs stehenden Bäume getroffen, die sie unabhängig von der Typizität der Gefahr jedenfalls dann zum Einschreiten verpflichtet habe, wenn sich ihr konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung geboten hätten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, weil der Wald von der Bevölkerung als Naherholungsgebiet stark frequentiert werde, der Baum etwa fünf bis sechs Meter neben dem Weg gestanden habe und der betreffende Ast aufgrund seines Ausmaßes geeignet gewesen sei, auf den Weg zu stürzen und dort befindliche Waldbesucher zu schädigen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Forstwirt F. seien Auslöser des Bruchs zum einen der generelle Sommerbruch und zum anderen die den oberen Astquerschnitt durch Durchtrennung seines Zugmuskels schwächende Starkastfäule gewesen, welche vermutlich auf Geschosssplitter aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgehe. Zwar hätte die Bruchstelle, die sich in einer Höhe von acht bis zehn Metern auf der Oberseite des Astes befunden habe, bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus nicht erkannt werden können, doch habe das Spezifische der Gefahr in der fünf bis zehn Jahre zuvor weggebrochenen Hauptkrone und dem lediglich noch verbliebenen Nebenbereich des später abgebrochenen schweren, schräg stehenden Astes bestanden, bei dem es sich um einen "Löwenschwanzast" mit nur noch geringer aktiver Ernährung durch die Laubquaste gehandelt habe. Hauptursache für die Beeinträchtigung der Stabilität sei die ungünstige Statik des Baums gewesen, die durch den Abbruch der Hauptkrone und das erhebliche Gewicht sowie den Schrägstand des Astes eingetreten sei. Aufgrund dieser Besonderheiten sei von dem Baum eine unmittelbare Gefahr ausgegangen, die sich jederzeit habe realisieren können und auf die der Beklagte zu 2 hätte reagieren müssen. Dessen pflichtwidriges Verhalten müsse sich die Beklagte zu 1, da seine Stellung als diejenige eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters zu qualifizieren sei, gemäß § 31 BGB als eigenes zurechnen lassen. Darüber hinaus bestehe eine Eigenhaftung des Beklagten zu 2 gemäß §§ 823, 249 ff., 253 BGB.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt Ausmaß und Umfang der für einen Waldbesitzer geltenden Verkehrssicherungspflichten.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, VersR 1990, 796, 797; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, VersR 2006, 233 Rn. 9; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, VersR 2007, 659 Rn. 14; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, VersR 2008, 1083 Rn. 9; vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, VersR 2008, 1551 Rn. 10; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, VersR 2010, 544 Rn. 5 und vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, VersR 2011, 546 Rn. 8, jeweils mwN). Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, Urteile vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803 Rn. 12 und vom 16. Februar 2006 - III ZR 68/05, VersR 2006, 665 Rn. 13).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, aaO Rn. 10; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, aaO Rn. 15; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, aaO; vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, aaO; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, aaO Rn. 6; vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, aaO Rn. 9, jeweils mwN).
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen.
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der gesetzlichen Risikozuweisung hinsichtlich waldtypischer Gefahren ist eine Haftung der Beklagten zu 1 wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegend nicht gegeben.
a) Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 des Waldgesetzes für das Saarland vom 26. Oktober 1977 (Landeswaldgesetz, Amtsbl. S. 1009, im Folgenden: LWaldG SL) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Landeswaldgesetzes vom 9. Juli 2003 (Amtsbl. S. 2130) erfolgt die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr. Hieraus ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, dass der Waldbesitzer grundsätzlich nur für atypische Gefahren, nicht aber für waldtypische Gefahren haftet.
aa) Dem Waldbesucher ist das Betreten des Waldes gestattet. Eine solche Gestattung ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037, im Folgenden: BWaldG) geregelt. § 14 BWaldG enthält allerdings keine für den Bürger unmittelbar verbindlichen Rechtssätze; Normadressaten sind vielmehr allein die Länder, die zum Erlass entsprechender Außenrechtssätze verpflichtet werden. Der Vorschrift kommt insgesamt lediglich ein rahmenrechtlicher Charakter zu (BVerfGE 80, 137, 156 f., vgl. §§ 5, 14 Abs. 2 BWaldG). Die Betretungsbefugnis ergibt sich aber aus den auf dieser Grundlage erlassenen landesgesetzlichen Vorschriften, im Streitfall aus § 25 Abs. 1 Satz 1 LWaldG SL. Mit der Betretungsbefugnis ist nach § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL die Regelung verbunden, dass die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr geschieht (siehe auch § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG).
bb) Da der Waldbesucher den Wald auf eigene Gefahr nutzt, ist eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ausgeschlossen. Dies entspricht der in der Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1987, 988; OLG Koblenz, NZV 1990, 391, 392; NJW-RR 2003, 1253, 1254; OLG Celle, VersR 2006, 1423 unter Bezugnahme auf LG Hannover, NuR 2006, 597; OLG Hamm, NuR 2007, 845; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; LG Braunschweig, NuR 2007, 778; LG Tübingen, NuR 2007, 780 f.; siehe auch OLG Nürnberg, MDR 1976, 222; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 1166; OLG Naumburg, OLGR 2007, 224, 226; vgl. Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 Rn. 6 ff.; Gebhard, NuR 2008, 754, 763; Staudinger/Hager, BGB, Neubearb. 2009, § 823 Rn. E 171; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 823 Rn. 288; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 190; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 14 Rn. 95; vgl. MünchKommBGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 437).
Der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr ist erfüllt, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, BGHZ 34, 355, 363 ff.; vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, VersR 2009, 693 Rn. 9 mwN; Gebhard, aaO S. 759 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 254 Rn. 32). Der Waldbesucher setzt sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen Gefahren aus. Nach der Wertung des Gesetzgebers fallen diese Gefahren grundsätzlich in seinen Verantwortungsbereich (vgl. Bittner, VersR 2009, 896, 899). In einem Schadensfall ist dieses Handeln auf eigene Gefahr gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL deshalb ausnahmsweise nicht erst im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (zu § 254 BGB vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, aaO und vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, aaO Rn. 7 ff.). Soweit der Waldbenutzer auf eigene Gefahr handelt, fehlt es vielmehr bereits an einer Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers, denn diesem sollen nach der Begründung zu dem Gesetzentwurf, der § 14 Abs. 1 BWaldG zugrunde liegt, neben der "normalen" Verkehrssicherungspflicht keine weiteren Sicherungspflichten auferlegt werden (vgl. BT-Drucks. 7/889, S. 29).
Die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers ist mithin nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern auf die Sicherung gegen solche Gefahren beschränkt, die nicht waldtypisch, sondern im Wald atypisch sind (zum jeweiligen Landesrecht vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1983, 542 f.; OLG Köln, aaO; OLG Karlsruhe, aaO; OLG Celle, aaO; OLG Hamm, aaO; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Karlsruhe, aaO; LG Braunschweig, aaO; LG Tübingen, aaO S. 780; Staudinger/Hager, BGB, aaO; Endres, in Kolodziejcok/Endres/Krohn/Bendomir-Kahlo, Naturschutz, Landschaftspflege und einschlägige Regelungen des Jagd- und Forstrechts, § 14 BWaldG Rn. 20 [Stand: Dezember 2011]; Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl., § 14 BWaldG Rn. 45 f.; anders noch OLG Hamm, VersR 1985, 597: keine Verkehrssicherungspflicht). Dementsprechend stellt § 25 Abs. 5 Satz 2 LWaldG SL klar, dass durch die Benutzung des Waldes keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten begründet werden.
cc) Die Haftungsbeschränkung auf atypische Gefahren gilt auch für Waldwege. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LWaldG SL gelten auch Waldwege als Wald (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG). Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher stets, also auch auf Wegen rechnen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; Geigel/Wellner, aaO; Orf, RdL 2008, 281, 284). Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich (vgl. OLG Naumburg, aaO; MünchKommBGB/Wagner, aaO Rn. 470). Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 94/88, VersR 1989, 155, 156; Braun, AUR 2012, 207, 208).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Verkehrssicherung von Straßenbäumen. Der Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks ist mit Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet, schädliche Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Er ist verpflichtet, den Baumbestand so anzulegen, dass er im Rahmen des nach forstwirtschaftlicher Erkenntnis Möglichen gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89 mwN; siehe auch BGH, Urteile vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63, VersR 1965, 475, 476; vom 27. Oktober 1988 - III ZR 23/88, NVwZ 1990, 297, 298 und vom 4. März 2004 - III ZR 225/03, VersR 2004, 877, 878). Entsprechendes gilt, wenn Bäume ein Nachbargrundstück gefährden (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 275/87, VersR 1988, 957 f.; BGH, Urteile vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733; vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 22 f. und vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, AUR 2005, 410). Diese Grundsätze sind auf Waldwege nicht übertragbar.
Waldwege sind mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht (vgl. Agena, NuR 2007, 707, 713; Kodal/Herber, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 5 Rn. 5 und 17 sowie Kap. 8 Rn. 1; Orf, RdL 2008, 311, 313; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., Rn. 206). Nach § 25 Abs. 1 Satz 3 LWaldG SL sind Wege im Sinne des Landeswaldgesetzes nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete, dauerhaft angelegte oder naturfeste forstliche Wirtschaftswege. Die Befugnis, Waldwege zu betreten, ergibt sich erst aus den landesgesetzlichen Regelungen, die auf der Grundlage von § 14 BWaldG ergangen sind (vgl. auch OLG Hamm, VersR 1985, 597), im Streitfall aus § 25 Abs. 1 Satz 1 LWaldG SL. Für das Betreten der Waldwege gilt mithin dasselbe wie für das Betreten des Waldes. Beides erfolgt - anders als etwa bei öffentlichen Straßen - grundsätzlich auf eigene Gefahr (vgl. § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL; Orf, RdL 2008, 281, 282).
dd) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren an Waldwegen verantwortlich ist, kommt entgegen der vom Berufungsgericht und Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht nicht bereits dann in Betracht, wenn diese stark frequentiert werden (vgl. zu dieser Ansicht LG Tübingen, aaO S. 781; Agena, aaO S. 715; Breloer, Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, 6. Aufl., S. 77 f.; dies., AFZ-Der Wald 2000, 710, 711; dies., AUR 2004, 174, 176; Endres, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 45 ff., 63; Hötzel, VersR 2004, 1234, 1238; Schaefer/Vanvolxem, LWaldG Rheinland-Pfalz, § 22 Nr. 2.5 [Stand: Februar 2011]; Schneider, VersR 2007, 743, 753; ders. in FLL-Verkehrssicherheitstage 2011, S. 9, 32; Schulz, AUR 2012, 121, 126 f.).
Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten von der Verkehrserwartung und der Zweckbestimmung der jeweiligen Verkehrsfläche abhängen kann. Dies gilt angesichts der in § 25 LWaldG SL normierten Risikoverteilung jedoch nicht hinsichtlich waldtypischer Gefahren. Die Befugnis der Waldbesucher, den Wald zu betreten, stellt als Konkretisierung der Sozialgebundenheit (Art. 14 Abs. 2 GG) eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar (vgl. Bryde in von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rn. 65 "Wald"; BT-Drucks. 7/889, S. 29). Indem § 25 LWaldG SL dem Waldbesucher auf der Grundlage von § 14 BWaldG eine Betretungsbefugnis einräumt, ihm aber zugleich das Risiko waldtypischer Gefahren auferlegt, schafft die Vorschrift den nach § 1 Nr. 3 BWaldG und § 1 Abs. 2 Nr. 3 LWaldG SL bezweckten Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldeigentümer bzw. Waldbesitzer.
Nach der gesetzlichen Risikoverteilung (§ 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL) ist auch eine auf stark frequentierte Waldwege beschränkte Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers hinsichtlich waldtypischer Gefahren grundsätzlich nicht gegeben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Waldnutzung im Verlauf der Jahre zugenommen hat (vgl. Orf, RdL 2008, 281, 284 f.; ders., RdL 2008, 311 f.). Auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsrisiken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen soll. Gegen eine vom Grad der Frequentierung abhängige Verkehrssicherungspflicht sprechen auch praktische Erwägungen. Eine solche Verkehrssicherungspflicht würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen (vgl. Agena, aaO S. 714). Unter welchen Voraussetzungen eine starke Frequentierung anzunehmen ist, kann abstrakt nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beschrieben werden. Hinzu kommt, dass die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen gegebenenfalls erforderlich sein sollen, nicht allgemein, sondern nur für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden kann.
Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen sind dem Waldbesitzer auch an stark frequentierten Waldwegen nicht zuzumuten. Sie sind nicht mit einer allgemeinen Überprüfung häufig genutzter Waldwege, die ein Waldbesitzer etwa nach einem Sturm zur Schadensfeststellung durchführen mag, zu vergleichen. Auch als Kehrseite der Bewirtschaftung ist es dem Waldbesitzer nicht zumutbar, ihm neben seiner mit der Betretungsbefugnis des Waldbesuchers verbundenen Duldungspflicht noch entsprechende Verkehrssicherungspflichten aufzuerlegen (vgl. Gebhard, aaO S. 763; Orf, RdL 2008, 281, 285; zur Gefahrenabwehr als Kehrseite der Bewirtschaftung Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 275/87, aaO S. 958). Dass der Waldbesucher die waldtypischen Gefahren selbst tragen muss, ist gleichsam der Preis für die eingeräumte Betretungsbefugnis (vgl. Gebhard, aaO).
ee) Dass den Waldbesitzer grundsätzlich keine Pflicht trifft, den Verkehr auf Waldwegen gegen waldtypische Gefahren zu sichern, entspricht auch der nunmehr in § 14 BWaldG für das Betreten des Waldes getroffenen Regelung. In Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift heißt es, dass die Benutzung auf eigene Gefahr geschieht. Nach Abs. 1 Satz 4 in der heute geltenden Fassung gilt dies insbesondere für waldtypische Gefahren. Diese Vorschrift wurde - zeitlich nach dem Unfall der Klägerin - mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I 2010, S. 1050) eingeführt und ist am 6. August 2010 in Kraft getreten (zur Gesetzgebung des Bundes und der Länder in den Jahren zuvor vgl. Orf, RdL 2008, 311, 314 ff.). Mit der in § 14 Abs. 1 BWaldG als Satz 4 eingefügten Vorschrift wollte der Gesetzgeber die "derzeit gültige Rechtsprechung" durch eine klarstellende Ergänzung gesetzlich verankern (BT-Drucks. 17/1220, S. 1, 7; vgl. auch OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; Endres, aaO). Zur Begründung wurde angeführt, dass die Waldbesitzer aufgrund Landes- oder Kommunalrechts oft das Ausschildern von Wanderwegen durch Kommunen und/oder anerkannte Wandervereine dulden müssten und außerdem eine möglichst naturnahe Waldbewirtschaftung mit ausreichendem Totholzanteil gefordert werde. Die Waldbesitzer würden folglich durch Vorschriften im Sinne des Gemeinwohls mehr und mehr gezwungen, gefährliche Situationen zu dulden oder gar zu schaffen. Im Gegensatz zu jedem anderen Grundstückseigentümer sei es dem Waldbesitzer aber verwehrt, seinen Verkehrssicherungspflichten dadurch nachzukommen, dass er Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehre (BT-Drucks. 17/1220, S. 6; vgl. dazu Gebhard, AFZ-Der Wald 17/2010, 44 f.).
Die neu eingeführte Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 4 BWaldG entspricht der für die Betretungsbefugnis des § 59 Abs. 1 BNatSchG in § 60 BNatSchG angeordneten Haftungsregelung der neuen Fassung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (Bundesnaturschutzgesetz, BGBl. I 2009, S. 2542, im Folgenden: BNatSchG, in Kraft getreten am 1. März 2010). Das Betreten der freien Landschaft erfolgt gemäß § 60 Satz 1 BNatSchG auf eigene Gefahr. § 60 Satz 2 BNatSchG regelt, dass durch die Betretungsbefugnis des § 59 Abs. 1 BNatSchG keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflichten begründet werden. Nach § 60 Satz 3 BNatSchG besteht insbesondere keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefahren. Damit sollen in der Praxis bestehende Unsicherheiten zur Frage der Verkehrssicherungsmaßnahmen durch eine gesetzgeberische Klarstellung verringert werden (vgl. BT-Drucks. 16/12274, S. 74; näher zur Haftungsregelung siehe Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 Rn. 4 ff.; Maus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, § 60 Rn. 4 ff.). Eine Änderung der zuvor bestehenden Rechtslage ist mit den in § 14 Abs. 1 Satz 4 und § 60 Satz 2 und 3 BNatSchG getroffenen Klarstellungen nicht eingetreten. Sie war ausweislich der jeweiligen Gesetzesbegründung auch nicht beabsichtigt.
b) Im Streitfall hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine waldtypische Gefahr verwirklicht, für welche die Beklagte zu 1 mithin nicht verantwortlich war.
aa) Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern muss, zählen solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben (vgl. Endres, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 48; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; ders., AFZ-Der Wald 17/2010, 44 f.). Sie umfassen die Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen ausgehen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 des Landesforstgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 19. Juni 2007, GV. NW. S. 234; LG Hannover, aaO S. 597 f., bestätigt durch OLG Celle, VersR 2006, 1423). Zu den typischen Gefahren des Waldes können herabhängende Äste (vgl. OLG Köln, aaO; Bittner, aaO; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; Staudinger/Hager, aaO) oder die mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen gehören (vgl. OLG Koblenz, aaO; OLG Hamm, NuR 2007, 845; LG Braunschweig, aaO S. 778 f.; LG Tübingen, aaO; Agena, aaO S. 715; Endres, aaO; Klose/Orf, aaO).
Atypische Gefahren sind alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen muss (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 1166; NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Hamm, NuR 2007, 845; OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; LG Braunschweig, aaO S. 778; LG Tübingen, aaO S. 780; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; Staudinger/Hager, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 50; Geigel/Wellner, aaO Rn. 95). Dazu können etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren, oder nicht gesicherte Holzstapel gehören (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Koblenz, aaO; LG Tübingen, aaO S. 780; Gebhard, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 51).
bb) Nach den getroffenen Feststellungen hat sich mit dem Astabbruch eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet war. Wie der Sachverständige F., auf dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht stützt, dargelegt hat, war ein Auslöser des Astabbruchs der generelle Sommerbruch, ein durch Trockenheit und hohe Temperaturen begünstigter Versagensmechanismus. Weiterer Auslöser war eine Faulstelle an der Oberseite des Astes. Diese Faulstelle sei vermutlich durch Geschosssplitter aus dem Zweiten Weltkrieg verursacht worden. Auch die Gefahr, dass sich durch Verletzungen eines Baumes über mehrere Jahrzehnte Faulstellen bilden, die einen Ast schwächen, ist jedoch in der Natur des Baumes begründet. Gleiches gilt für die Ausbildung eines langen "Löwenschwanzastes" und den Abbruch der Hauptkrone des Baumes. Eine der Beklagten zu 1 zuzurechnende atypische Gefahr, die eine Verkehrssicherungspflicht begründet hätte, hat nach den getroffenen Feststellungen demnach nicht vorgelegen. Die Gefahr eines Astabbruchs wird nicht deshalb, weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.
3. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist auch dem Beklagten zu 2, der als Mitarbeiter der Beklagten zu 1 für Baumkontrollen verantwortlich war, nicht anzulasten, denn ihn treffen keine weitergehenden Pflichten als die Beklagte zu 1.
4. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat gemäß §§ 562, 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist als unbegründet zurückzuweisen.
Galke Wellner Diederichsen
Pauge von Pentz