Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 25.03.2014


BGH 25.03.2014 - VI ZR 271/13

Revisionsverfahren: Geltendmachung der Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen des Berufungsurteils; Anforderungen an das Bestreiten der nicht darlegungsbelasteten Partei; Berücksichtigung neuen tatsächlichen Vorbringens zur Frage der internationalen Zuständigkeit


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
25.03.2014
Aktenzeichen:
VI ZR 271/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 6. Juni 2013, Az: I-14 U 26/12, Urteilvorgehend LG Düsseldorf, 16. Dezember 2011, Az: 8 O 741/10
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 112.024,05 €

Gründe

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1. Der Kläger macht gegen die Beklagte, bei der es sich um eine Aktiengesellschaft türkischen Rechts mit Sitz in Konya in der Türkei handelt, Schadensersatz wegen des angeblichen Erwerbs nicht börsennotierter Aktien der Beklagten im Jahre 1999 in Deutschland geltend.

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In der Klageerwiderung vom 17. Juni 2011 hat die Beklagte die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt und die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Das Landgericht hat seine Zuständigkeit für deliktische Ansprüche bejaht und die Klage abgewiesen. In der Erwiderung auf die Berufung des Klägers hat die Beklagte bestritten, dass der Kläger - wie von ihm vorgetragen - die Aktien selbst von dem Zeugen K. erworben habe. Daraufhin hat die Berichterstatterin am 22. April 2013 gegenüber dem Kläger verfügt, zum Termin am 2. Mai 2013 Unterlagen, die den Erwerb der Aktien belegen (Aktien, Quittungen pp.), im Original mitzubringen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 2. Mai 2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erneut die internationale Zuständigkeit gerügt und die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Der Vorlage von Anlagescheinen durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers begegnete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit dem Hinweis, dass die Aktien durch Dritte erworben sein können, nämlich durch den Vater des Klägers. Die Parteien haben daraufhin einen widerruflichen Vergleich geschlossen, den der Kläger am 15. Mai 2013 widerrufen hat. Ohne die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, hat das Berufungsgericht durch Urteil vom 6. Juni 2013 der Klage stattgegeben. Den Antrag des damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 20. Juni 2013 auf Berichtigung des Tatbestands, hat es unter Bezugnahme auf das Berufungsurteil zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie möchte ihren Antrag auf Klageabweisung in der Revision weiterverfolgen.

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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht das Bestreiten der Beklagten des Erwerbs der Aktien durch den Kläger im Inland für nicht erheblich gehalten und keine ausreichenden Feststellungen zum Erwerbsvorgang getroffen hat. Dadurch wird die Beklagte in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG).

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a) Die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung nicht schon deshalb unbeachtlich, weil im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt ist, dass der Kläger im Jahre 1999 die Aktien erworben hat, und der dagegen gerichtete Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom 20. Juni 2013 erfolglos geblieben ist. Die tatbestandliche Feststellung im Berufungsurteil liefert zwar Beweis für das mündliche Parteivorbringen (§ 314 ZPO); auch kann die Unrichtigkeit der Feststellung grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren (§ 320 ZPO) geltend gemacht und gegebenenfalls behoben werden (vgl. BGH, Urteile vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 16 und vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 314 Rn. 3). Ist allerdings eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO beantragt worden, kann zur Wahrung des Anspruchs der betroffenen Partei auf rechtliches Gehör eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil, auch in der Revisionsinstanz mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO geltend gemacht werden, soweit sich aus der den Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass seine tatbestandlichen Feststellungen widersprüchlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, NJW 2011, 1513 Rn. 12). Ein Widerspruch zwischen den tatbestandlichen Feststellungen und dem Parteivorbringen kann aus der Begründung der Entscheidung des Berufungsgerichts folgen, mit der es den Berichtigungsantrag einer Partei zurückweist. So verhält es sich hier.

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Die Beklagte hat mit ihrem Tatbestandsberichtigungsantrag geltend gemacht, die in Rede stehende Formulierung ("der Kläger erwarb im Jahr 1999 nicht börsennotierte Aktien der Beklagten") sei unrichtig und der Passus deshalb zu streichen. Das Berufungsgericht hat den Tatbestandsberichtigungsantrag mit folgender Begründung zurückgewiesen:

"Der Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen, weil sich aus den Gründen des Urteils des Senats vom 06.06.2013 ergibt, dass der Senat das Bestreiten der Aktivlegitimation der Beklagten als unerheblich angesehen hat."... "Demnach war der im Jahr 1999 erfolgte Aktienerwerb durch den Kläger als unstreitig zu behandeln."

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Demzufolge hat die Beklagte die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Die Frage, ob Vortrag einer Partei prozessrechtlich wirksam bestritten worden ist, bleibt ohne Einfluss auf die Wiedergabe des Parteienvortrags in den tatbestandlichen Feststellungen. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Frage, die im Rahmen der Tatsachenwürdigung zu klären ist.

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b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war das Bestreiten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2013 nicht unerheblich. Insoweit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierungspflicht der Beklagten als der nicht beweispflichtigen Partei überspannt. Die Erklärungslast des Gegners ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404; Zöller/Greger ZPO 30. Aufl. § 138 Rn. 8a). In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiierten muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (vgl. BGH, Urteile vom 1. April 1993 - VII ZR 22/92, DtZ 1993, 278 unter II. 2. b) cc) und vom 30. September 1993 - VII ZR 178/91, NJW 1993, 3196 unter III. 1. jeweils mwN; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ergänzende Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteil vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89, WM 1990, 1844 unter III. 2.; vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 293/95, WM 1996, 2253 unter II. 2. b) jeweils mwN). Behauptet der Kläger - wie im Streitfall - den Abschluss eines bestimmten Vertrags, braucht der Beklagte nicht im Ergebnis darzulegen, weshalb er davon ausgeht, dass kein Vertrag zustande kam. Er kann vielmehr den Vertragsabschluss bestreiten, mit der Folge, dass der Kläger nunmehr die konkreten Umstände darzulegen hat, die seines Erachtens zu einem Vertrag führten. Zu diesen muss der Beklagte sich dann ebenso konkret äußern.

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Bei Anlegung dieser Maßstäbe war das Bestreiten der Beklagten, dass der Kläger selbst die Aktien erworben habe, ausreichend und wirksam. Es fehlten die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Substantiierungslast der an sich nicht darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten gegeben gewesen wäre. Es kann ihr nicht angelastet werden, dass sie auf die erstmalige Vorlage der Aktienkonvolute in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2013 nicht konkret erwidern und Beweismittel benennen konnte, die ihre Behauptung, dass ein Dritter oder der Vater des Klägers die Aktien erworben hat, gestützt hätten.

9

c) Die Rechtsverletzung durch das Berufungsgericht ist auch erheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Berücksichtigung des Bestreitens der Beklagten eine ihr günstigere Entscheidung ergangen wäre.

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d) Das Berufungsurteil war danach aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die gebotenen Feststellungen nachgeholt werden können. Dabei wird das Berufungsgericht auch die mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2013 vorgelegten Schriftstücke zu berücksichtigen und erforderlichenfalls der Beklagten die Vorlage von Übersetzungen gemäß § 142 Abs. 3 Satz 1 ZPO aufzuerlegen haben. Auf eine Prüfung kann nicht schon deshalb verzichtet werden, weil die Beklagte den Vortrag erst nach Ablauf der Nichtzulassungsbeschwerdebegründungsfrist gebracht hat. Grundsätzlich ist neues tatsächliches Vorbringen nicht präkludiert und zu berücksichtigen, wenn es eine Sachurteilsvoraussetzung betrifft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1979 - III ZR 25/77, MDR 1980, 210; vom 11. November 1982 - III ZR 77/81, BGHZ 85, 288 juris Rn. 9 f.; vom 19. März 1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 219; vom 21. Februar 2000 - II ZR 231/98, NJW-RR 2000, 1156 juris Rn. 4; Beschluss vom 16. Mai 1991 - IX ZB 81/90, NJW 1992, 627 juris Rn. 3 f.; Musielak, ZPO beck-online § 559 Rn. 8 ff.). Dies ist vorliegend der Fall. Der den Erwerb der Aktien im Inland in Frage stellende Vortrag der Beklagten betrifft sowohl die Frage der Aktivlegitimation des Klägers als auch der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Zwar genügte es im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit entsprechend § 32 ZPO, dass der Kläger die nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Recht deliktischen Ansprüche aus §§ 823, 826, 831 BGB schlüssig behauptet hat (vgl. Senat, Urteile vom 6. November 2007 - VI ZR 34/07, VersR 2008, 1129, 1130 und vom 29. Juni 2010 - VI ZR 122/09, VersR 2011, 137 Rn. 8). Jedoch ist das Gericht gehalten, neuem tatsächlichem Vorbringen, das die internationale Zuständigkeit in Frage stellt, von Amts wegen nachzugehen und es zu berücksichtigen, auch wenn die Prüfung der vorgetragenen Tatsachen erst im Rahmen der Begründetheit der Klage erfolgt. Die neue mündliche Verhandlung gibt dem Berufungsgericht ferner Gelegenheit, gegebenenfalls die für einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung erforderlichen Feststellungen zu treffen. Es kann nicht offenbleiben, ob - entsprechend dem Vortrag des Klägers - von einem Mitarbeiter der Beklagten täuschende Erklärungen abgegeben wurden, durch die der Kläger veranlasst worden ist, die Anlage zu tätigen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Juni 2013 - VI ZR 292/12, juris Rn. 16 ff.).

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