Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.01.2015


BGH 20.01.2015 - VI ZR 209/14

Folgen unterbliebener Sachentscheidung über einen auch nicht im Tatbestand dokumentierten Feststellungsantrag: Wegfall der Rechtshängigkeit nach Fristablauf für einen Antrag auf Urteilsergänzung; Wiedereinführung des Antrags in der Berufungsinstanz und Sachentscheidung des Berufungsgerichts


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.01.2015
Aktenzeichen:
VI ZR 209/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 15. November 2012, Az: 7 U 58/12vorgehend LG Kiel, 4. April 2012, Az: 2 O 2/12
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Hat das Erstgericht über einen vom Kläger gestellten Feststellungsantrag nicht entschieden und diesen Antrag auch nicht in den Tatbestand seines (unvollständigen) Urteils aufgenommen und hat der Kläger weder Tatbestandsberichtigung noch Urteilsergänzung beantragt, ist die Rechtshängigkeit der Klage, soweit sie Gegenstand des übergangenen Antrags gewesen ist, mit dem Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen. Hat der Kläger den vom Erstgericht übergangenen Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz erneut gestellt und damit sein Feststellungsbegehren durch zulässige Klageerweiterung wieder in den Prozess eingeführt, kann über diesen Antrag in der Sache nur das Berufungsgericht selbst entscheiden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 15. November 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 7. August 2006 auf der Bundesautobahn 7 in Höhe der Ortschaft W. ereignete. Der Kläger befuhr mit einem VW-Transporter den linken Fahrstreifen, um einen auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden dänischen Lkw zu überholen, dessen Fahrer der Beklagte zu 1 war. Der Beklagte zu 2 ist das Deutsche Büro Grüne Karte. Als sich der Transporter in Höhe des LKW befand, bewegte sich dieser nach links. Der Kläger lenkte den Transporter nach links und geriet dabei im Bereich der Mittelleitplanke auf den Grünstreifen. Er verlor die Kontrolle über das Fahrzeug, welches nach rechts auf eine Wiese schleuderte und dort gegen einen Baum prallte. Bei dem Unfall wurden zwei Insassen des Transporters getötet. Der Kläger selbst erlitt leichtere körperliche Verletzungen und ist seit dem Unfall psychisch angegriffen. Er macht geltend, er sei nach links ausgewichen, weil der LKW plötzlich teilweise auf den linken Fahrstreifen geraten sei. Der Beklagte zu 1 sei abgelenkt gewesen, weil er mit Kaffee hantiert habe.

2

Der Kläger hat die Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 30.000 € und die Feststellung begehrt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, sofern die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen seien. Das Landgericht hat Beweis erhoben und dem Kläger unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 20 % ein Schmerzensgeld von 3.600 € zuerkannt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, ohne über den Feststellungsantrag zu entscheiden. In der Berufungsbegründung hat der Kläger den - nunmehr auf Ersatz weiterer materieller und immaterieller Schäden beschränkten - Feststellungsantrag wiederholt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

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1. Das Berufungsgericht hält die Berufung des Klägers in der Sache für unbegründet und meint, es habe über den Feststellungsantrag nicht selbst zu entscheiden. Der Umstand, dass das Landgericht lediglich über den Schmerzensgeldantrag, nicht aber über den Feststellungsantrag entschieden habe, führe nicht dazu, dass das angefochtene Urteil ein unzulässiges Teilurteil sei. Das Landgericht werde die Entscheidung über den Feststellungsantrag nachzuholen haben.

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2. Die Revision hat Erfolg. Sie macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht die Entscheidung über den in zweiter Instanz erneut gestellten Feststellungsantrag des Klägers nicht dem Landgericht überlassen konnte.

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a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht, indem es über den in erster Instanz ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2008 gestellten Feststellungsantrag des Klägers nicht entschieden hat, kein Teilurteil erlassen; denn dieser Antrag wird im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils nicht wiedergegeben. Hat ein Gericht- wie vorliegend - über einen gestellten Antrag nicht entschieden und ihn auch nicht in den Tatbestand seines (unvollständigen) Urteils aufgenommen, muss einer etwaigen Urteilsergänzung nach § 321 ZPO eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO vorangehen (BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, NJW-RR 2005, 790, 791). Zur Begründung des Antrags auf Tatbestandsberichtigung hätte der Kläger vorliegend das Sitzungsprotokoll heranziehen können (§ 314 Satz 2 ZPO). Unter Berücksichtigung des berichtigten Tatbestands hätte er dann innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO Urteilsergänzung beantragen müssen. Da der Kläger dies versäumt hat, ist die Rechtshängigkeit der Klage, soweit sie Gegenstand des übergangenen Antrags gewesen ist, mit dem Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, aaO und Beschluss vom 9. November 2006 - VII ZR 176/05, BauR 2007, 431, 432).

6

b) Wie die Revision mit Recht geltend macht, hat der Kläger den vom Landgericht übergangenen Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz ausweislich des angefochtenen Beschlusses (eingeschränkt) erneut gestellt und damit sein Feststellungsbegehren durch zulässige Klageerweiterung (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, aaO mwN) wieder in den Prozess eingeführt. Über diesen Antrag konnte in der Sache nur das Berufungsgericht selbst entscheiden.

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3. Nach alledem kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Eine eigene Entscheidung in der Sache (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist dem erkennenden Senat verwehrt, da das Berufungsgericht bezüglich der Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags keine eigenen Feststellungen getroffen hat. Danach ist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei erneuter Befassung Gelegenheit haben, auch das weitere Vorbringen in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen.

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