Entscheidungsdatum: 13.09.2011
Gibt das Beschwerdegericht dem - in erster Instanz zurückgewiesenen - Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens in einer Arzthaftungssache statt, ist eine dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde unstatthaft .
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners zu 1 gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. November 2010 wird auf Kosten des Antragsgegners zu 1 als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 17.800,00 €
I.
Die Antragstellerin hat ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet, um durch sachverständige Begutachtung feststellen zu lassen, dass die Behandlung der im Juli 2008 erlittenen Fraktur ihrer rechten Kniescheibe durch den Antragsgegner zu 1, einen niedergelassenen Orthopäden, und die in der Klinik der Antragsgegnerin zu 2 tätigen Ärzte in einem Maß fehlerhaft war, welches die Annahme eines groben Behandlungsfehlers rechtfertigt. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die isolierte und auf umstrittener Tatsachengrundlage vorzunehmende Feststellung eines Behandlungsfehlers und die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die dem Richter vorbehaltene Bewertung dieses Fehlers als grob seien in einem selbstständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht zulässig.
Das Beschwerdegericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin den Beschluss des Landgerichts im Kostenausspruch aufgehoben und im Übrigen - insoweit den Hauptanträgen der Antragstellerin folgend - wie folgt geändert:
Es soll ein schriftliches Sachverständigengutachten über folgende Behauptungen der Antragstellerin eingeholt werden:
1. Die vom Antragsgegner Ziff. 1 in der Zeit vom 15. bis 23.07.2008 durchgeführte Behandlung habe eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und sei mit Fehlern verbunden gewesen, die aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erschienen, weil sie einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürften. Insbesondere habe der Antragsgegner zu 1) die Antragstellerin am 23.07.2008 nicht dahingehend beraten dürfen, sich bis zum Oktober 2008 zu gedulden.
2. Die Ärzte der D. hätten das rechte Bein der Antragstellerin ab dem 27.08.2008 für 17 Tage nicht mobilisieren dürfen. Dies habe gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen bzw. einen Fehler bedeutet, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheine, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen dürfe.
Die Bestimmung und Instruktion des Sachverständigen sowie die Entscheidung über die Gegenanträge der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht dem Landgericht übertragen. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Antragsgegner zu 1 sein Ziel der Zurückweisung des Antrags weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
Die Rechtsbeschwerde ist nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die erstgenannte Alternative liegt nicht vor. Die Statthaftigkeit ergibt sich auch nicht auf der Grundlage der zweiten Alternative. Zwar hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist aber für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung bereits nicht statthaft ist. Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung kann nicht durch Zulassung einer Anfechtung unterworfen werden. Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn das Beschwerdegericht sie eigens zur Klärung der Zulässigkeitsfrage zugelassen hat (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VI ZB 59/09, VersR 2010, 1241 Rn. 3 mwN; BGH, Beschluss vom 20. April 2011 - VII ZB 42/09, MDR 2011, 746).
So liegt der Fall hier. Gemäß § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist ein Beschluss, durch den dem Antrag im selbstständigen Beweisverfahren stattgegeben wird, nicht anfechtbar. Dies begegnet - entgegen der Stellungnahme des Antragsgegners - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der ungleichmäßigen Gestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Verfahrensbeteiligten (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Wie der Antragsgegner nicht verkennt, garantiert das Grundgesetz im Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG und in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs lediglich die eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung, während ein Instanzenzug von Verfassungs wegen nicht garantiert ist (BVerfGE 107, 395, 401 ff.).
Unbedenklich ist auch, dass das Gesetz nur dem Antragsgegner die Anfechtung versagt, während der Antragsteller gegen eine ablehnende Entscheidung Beschwerde einlegen kann. Antragsteller und Antragsgegner sind im selbstständigen Beweisverfahren von der die Verfahrenseinleitung betreffenden Gerichtsentscheidung in unterschiedlicher Weise betroffen. Wird der Antrag auf Anordnung des selbstständigen Beweisverfahrens abgelehnt, wird dem Antragsteller in diesem Verfahren der Zugang zu Gericht verwehrt. Wird das Verfahren angeordnet, muss der Antragsgegner lediglich hinnehmen, dass der Beweis erhoben wird. Ein stattgebender Beschluss begründet keine titulierten Verpflichtungen des Beweisgegners und versagt diesem auch keine ihm von der Zivilprozessordnung eingeräumten eigenen prozessualen Ansprüche (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2001 - 11 W 12/01, NJW-RR 2001, 1727).
Der Gesetzgeber war deshalb nicht gehindert, einen Rechtsbehelf gegen eine das selbstständige Beweisverfahren anordnende Entscheidung zu versagen. Die Versagung der Anfechtung liegt bei Anwendung zivilprozessualer Maßstäbe auch deshalb nahe, weil die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten im selbstständigen Beweisverfahren nicht weiter gehen als im Hauptsacheverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2010 - VI ZB 59/09, aaO Rn. 7). Dort findet indes die Anfechtung des Beschlusses, durch den die eine oder die andere Art der Beweisaufnahme angeordnet wird, nicht statt (§ 355 Abs. 2 ZPO).
Die Ausführungen des Antragsgegners in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. Juli 2011 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Pauge