Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.11.2012


BGH 20.11.2012 - VI ZB 64/11

Kostenfestsetzungsverfahren: Rückfestsetzung an einen gegnerischen Prozesskostenhilfeanwalt gezahlter Kosten nach Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.11.2012
Aktenzeichen:
VI ZB 64/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 31. August 2011, Az: 8 W 26/11, Beschlussvorgehend LG Hamburg, 24. Mai 2011, Az: 324 O 587/08
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Zahlt die obsiegende Partei im Verlaufe des Rechtsstreits auf einen vom gegnerischen Rechtsanwalt gemäß § 126 Abs. 1 ZPO auf dessen eigenen Namen erwirkten Kostenfestsetzungsbeschluss und erlischt dessen Beitreibungsrecht durch die Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung, so kann die obsiegende Partei die gezahlten Kosten gegen den Anwalt rückfestsetzen lassen.

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 31. August 2011 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 31. August 2011 wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Rechtsbeschwerdeführer zu tragen.

Beschwerdewert: 1.032,85 €

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner ist dem Kläger auf dessen Prozesskostenhilfeantrag hin vom Landgericht als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Nachdem der Kläger in erster Instanz obsiegt hatte, beantragte der Antragsgegner gemäß § 126 Abs. 1 ZPO im eigenen Namen die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Beklagte. Mit Beschluss vom 12. Juni 2009 setzte das Landgericht die von der Beklagten an den Antragsgegner zu zahlenden Kosten auf 1.024,30 € nebst Zinsen fest. Die Beklagte zahlte den festgesetzten Betrag nebst Zinsen in Höhe von 8,55 €, d.h. insgesamt 1.032,85 €, an den Antragsgegner. Mit Urteil vom 1. Februar 2011 änderte der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts ab, wies die Klage ab und erlegte dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auf.

2

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. Mai 2011 hat das Landgericht auf Antrag der Beklagten den von dieser auf den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2009 gezahlten Betrag gegen den Antragsgegner rückfestgesetzt. Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner geltend gemacht, die zurückzuzahlenden Kosten könnten nicht gegen den Prozessbevollmächtigten persönlich festgesetzt werden. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die festgesetzten Kosten nebst Zinsen vom Antragsgegner zu erstatten seien. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Begehren weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, das Landgericht habe die Rückfestsetzung der von der Beklagten an den Antragsgegner als beigeordneten Prozessbevollmächtigten des Klägers gezahlten Kosten zu Recht vorgenommen. Zwar erfasse § 91 Abs. 4 ZPO nach seinem Wortlaut nicht den Fall, dass die obsiegende Partei an den Prozessbevollmächtigten der unterlegenen Partei, der sein Beitreibungsrecht nach § 126 Abs. 1 ZPO ausgeübt habe, gezahlt habe. Die Anwendbarkeit der Bestimmung müsse aber auf die vorliegende Fallkonstellation ausgedehnt werden. Denn der Sache nach sei es dem Gesetzgeber bei Einführung der Bestimmung darum gegangen, die Rückfestsetzung solcher Zahlungen im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren abzusichern, die die im Rechtsstreit zunächst unterlegene Partei vor ihrem späteren Obsiegen geleistet habe, weil diese Kosten zunächst entsprechend festgesetzt worden seien. So liege die Sache hier, da die Zahlung an den Antragsgegner auf die entsprechende Kostenfestsetzung gemäß § 126 ZPO erfolgt sei. Die im Endeffekt obsiegende Partei dürfe nicht schlechter gestellt werden, als sie stände, wenn ihr Gegner und nicht dessen Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen die Kostenfestsetzung beantragt hätte.

III.

4

1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie ist nicht statthaft, da ihre Statthaftigkeit weder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist noch das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde in Bezug auf den Kläger zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es fehlt darüber hinaus an der erforderlichen Beschwer des Klägers und einer Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 2, § 577 Abs. 1 ZPO).

5

2. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Juni 2009 gemäß § 126 Abs. 1 ZPO zugunsten des Antragsgegners festgesetzten und von der Beklagten an diesen gezahlten Kosten nach der Abänderung des dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegenden Urteils des Landgerichts vom 15. Mai 2009 gegen den Antragsgegner rückfestgesetzt werden konnten. Dies ergibt sich aus einer Rechtsanalogie zu den Bestimmungen in § 91 Abs. 4, § 103 Abs. 1, § 126 Abs. 1 ZPO. Diesen Bestimmungen ist das übergeordnete Prinzip zu entnehmen, dass aufgrund einer vorläufigen Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzte und von der obsiegenden Partei im Verlauf des Rechtsstreits gezahlte Kosten nach Änderung der Kostengrundentscheidung im selben Verfahren gegen den Titelgläubiger rückfestgesetzt werden können.

6

a) Gemäß § 91 Abs. 4 ZPO gehören zu den Kosten des Rechtsstreits auch die Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlauf des Rechtsstreits gezahlt hat. § 91 Abs. 4 ZPO ist durch Art. 1 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I 2198) eingefügt worden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1508, S. 16) sollte die herrschende Praxis, die eine Rückfestsetzung von im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzten Kosten unter bestimmten Voraussetzungen zuließ, gesetzlich abgesichert werden (vgl. BT-Drucks. 15/1508, S. 16 f.). Es gebe keinen sachlichen Grund, weshalb der Gläubiger seinen Kostenerstattungsanspruch aufgrund eines vorläufigen Titels im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen könne, der zahlungsbereite Schuldner nach Aufhebung oder Änderung der Kostengrundentscheidung hingegen nicht. In beiden Fällen handele es sich um prozessuale Ansprüche, die materiell-rechtliche Entsprechungen hätten. Beide würden für sich genommen keine Schwierigkeiten aufwerfen, die eine Prüfung durch den Richter erforderlich machten (BT-Drucks. 15/1508, S. 16). Mit der Bestimmung des § 91 Abs. 4 ZPO sollte die von der herrschenden Praxis bereits bewirkte Waffengleichheit der Parteien abgesichert werden. Die Partei, die auf der Grundlage einer vorläufigen Kostengrundentscheidung die Festsetzung ihrer Kosten im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren erreicht hatte, soll nach Änderung der Kostengrundentscheidung hinnehmen müssen, dass der Titel zu gleichen Bedingungen wieder rückgängig gemacht wird (vgl. Schmidt-Räntsch, MDR 2004, 1329, 1331).

7

b) Bei der Schaffung des § 91 Abs. 4 ZPO hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht den Fall bedacht, dass die obsiegende Partei - wie im vorliegenden Fall - im Verlaufe des Rechtsstreits Kosten an den Prozessbevollmächtigten der unterlegenen Partei gezahlt hat, die dieser gemäß § 126 Abs. 1 ZPO in seinem eigenen Namen hat festsetzen lassen. In dieser Fallkonstellation ist die Interessenlage vergleichbar mit derjenigen, die der Regelung der § 91 Abs. 4, § 103 Abs. 1 ZPO zugrunde liegt.

8

aa) § 126 Abs. 1 ZPO gibt dem der bedürftigen Partei beigeordneten Rechtsanwalt als Ergänzung zu den §§ 91 ff., §§ 103 ff. ZPO ein eigenes Einziehungsrecht. Er kann von dem unterlegenen Gegner insbesondere auch seine Wahlanwaltsgebühren beitreiben, die er von seiner bedürftigen Partei gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht verlangen kann, solange ihr Prozesskostenhilfe gewährt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Februar 2007 - XII ZB 112/06, NJW-RR 2007, 1147 Rn. 11; vom 9. Juli 2009 - VII ZB 56/08, NJW 2009, 2962 Rn. 7; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 126 Rn. 1; Musielak/Fischer, ZPO, 9. Aufl., § 126 Rn. 1). Der Rechtsanwalt erwirbt eine Stellung, die in derjenigen des Überweisungsgläubigers nach § 835 ZPO eine gewisse Parallele findet. Das Beitreibungsrecht des Anwalts nach § 126 ZPO und der Kostenerstattungsanspruch der bedürftigen Partei stehen zwar selbständig nebeneinander. Die Partei kann aber nicht mit Wirkung gegenüber dem Anwalt über den Kostenerstattungsanspruch verfügen; eine Zahlung des Gegners an die Partei wirkt nicht gegenüber dem Anwalt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2007 - XII ZB 112/06, aaO; Bork in Stein/Jonas, aaO; Musielak/Fischer, aaO Rn. 9; Pukall in Hk-ZPO, 4. Aufl., § 126 Rn. 5; vgl. zu § 124 ZPO aF: BGH, Urteil vom 6. März 1952 - IV ZR 171/51, BGHZ 5, 251, 253).

9

Ein endgültiges Beitreibungsrecht erwirbt der Rechtsanwalt erst dann, wenn die Verurteilung der gegnerischen Partei in die Kosten Rechtskraft erlangt oder sie durch Vergleich endgültig kostenpflichtig wird. Wird die vorläufig vollstreckbare Kostengrundentscheidung, auf deren Grundlage der Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen gemäß § 126 Abs. 1 ZPO beigetrieben hat, dagegen aufgehoben oder abgeändert, so erlischt das Beitreibungsrecht des Anwalts; der gegnerischen Partei erwächst ein Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO unmittelbar gegen den Rechtsanwalt (vgl. OLG Hamburg, JW 1932, 672 f.; MünchKommZPO/Motzer, 3. Aufl., § 126 Rn. 7; Bork in Stein/Jonas, aaO Rn. 4; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 126 Rn. 2; Pukall in Hk-ZPO, aaO Rn. 3; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 33. Aufl., § 126 Rn. 2). Liegen die Voraussetzungen des § 717 Abs. 2 ZPO nicht vor, so steht der gegnerischen Partei, die nach Festsetzung der Kosten auf den Namen des Anwalts an diesen gezahlt hat, bei Aufhebung oder Abänderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu. Denn durch die Zahlung an den Titelgläubiger hat sie diesem gegenüber eine Leistung erbracht. Sie hat dessen Vermögen bewusst gemehrt und ihm gegenüber einen eigenen Leistungszweck verfolgt (vgl. zur Leistung an den Pfandgläubiger: OLG Bamberg, WM 2007, 389, 391; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 812 Rn. 66 aE).

10

bb) Der der bedürftigen Partei im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnete Rechtsanwalt kann seine Anwaltsvergütung gegen die gegnerische Partei aufgrund der vorläufigen Kostengrundentscheidung im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb die gegnerische Partei, die aufgrund des auf den Namen des Anwalts ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses an diesen gezahlt hat, ihren Rückerstattungsanspruch gegen ihn bei Aufhebung oder Abänderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung hingegen in einem anderen Verfahren und zu anderen Bedingungen verfolgen muss. Auch in diesem Fall wirft die Rückerstattung für sich genommen keine Schwierigkeiten auf, die eine Prüfung durch den Richter erforderlich machen. Zahlt die Partei auf einen vom gegnerischen Anwalt gemäß § 126 Abs. 1 ZPO auf dessen eigenen Namen erwirkten Kostenfestsetzungsbeschluss und erlischt dessen Beitreibungsrecht durch die Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Kostengrundentscheidung, so ist die Höhe des dann bestehenden Rückerstattungsanspruchs eindeutig feststellbar. Insoweit ist die Interessenlage vergleichbar mit derjenigen, die der Regelung des § 91 Abs. 4 ZPO zugrunde liegt.

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Galke                                                  Wellner                                                    Diederichsen

                             Pauge                                                 von Pentz