Entscheidungsdatum: 25.04.2018
NV: Begehrt der Kläger im Streitjahr eine höhere Steuerfestsetzung, weil ein Bilanzposten zu niedrig angesetzt sei, so ist die Klage nur zulässig, wenn sich der ggf. unrichtige Wertansatz beim Kläger selbst in den Folgejahren nachteilig auswirken kann .
Die Revisionen der Kläger und des Beigeladenen gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24. April 2015 3 K 114/11 werden als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger und der Beigeladene zu tragen.
I.
Die Beteiligten streiten um die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken im Hinblick auf das sog. Wertaufholungsgebot nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und § 52 Abs. 16 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (EStG) und die sich daraus ergebenden Folgen für die Höhe des land- und forstwirtschaftlichen Gewinns des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) im Streitjahr (1999).
Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war Eigentümerin eines ca. ... ha großen Hofes, welcher vom Kläger bewirtschaftet wurde. Die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 1 EStG wiesen den Kläger als Betriebsinhaber aus. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden diesem auch zugerechnet. Wirtschaftsjahr war der Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG). Mit Wirkung vom 1. Juli 2002 wurde der landwirtschaftliche Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu Buchwerten auf den gemeinsamen Sohn der Kläger übertragen.
In den Jahren ab 1979 waren landwirtschaftliche Grundstücke gekauft worden.
Im Jahr 1991 machte der Kläger für diese Flächen Teilwertabschreibungen zum 30. Juni 1990 und zum 30. Juni 1991 geltend, die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) anerkannt wurden.
Im Wirtschaftsjahr 1995/1996 wurde eine weitere Teilwertabschreibung vorgenommen.
Im Jahr 2006 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt, die die Wirtschaftsjahre 1998/1999 bis 2001/2002 sowie die Kalenderjahre 1999 bis 2002 umfasste. Im Betriebsprüfungsbericht stellte der Prüfer u.a. fest, dass im Hinblick auf die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG weggefallene Möglichkeit der Beibehaltung eines niedrigeren Teilwerts eine Wertaufholung vorzunehmen sei und ermittelte für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 eine Gewinnerhöhung von ... DM. Da die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 1998 bereits zum 31. Dezember 2005 abgelaufen war, wurde nur die auf das Kalenderjahr 1999 entfallende hälftige Gewinnerhöhung steuerlich erfasst.
Mit Bescheid vom 24. Mai 2006 setzte das FA die Feststellungen des Betriebsprüfers um und änderte den gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid für 1999 entsprechend; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde --wie auch bei den die Jahre 2000 bis 2002 betreffenden, nach der Prüfung ergangenen Änderungsbescheiden-- aufgehoben. Dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr legte das FA Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von ... DM zugrunde und setzte die Steuer auf ... DM (... €) fest. Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch.
Eine im Jahr 2008 beim Sohn der Kläger durchgeführte Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2002 bis 2006 kam zu dem Ergebnis, dass in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibungen zum 30. Juni 2003 in Höhe von ... € (... DM) aufzuholen seien.
Gegen die aufgrund dieser Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide legte der Sohn der Kläger Einspruch ein; die Rechtsbehelfe sind noch anhängig. Aufgrund der Erhöhung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003 durch die Teilwertaufholung im Wirtschaftsjahr 2002/2003 wurde die Einkunftsgrenze des § 5 des Eigenheimzulagegesetzes (EigZulG) überschritten, so dass das FA die Festsetzung der Eigenheimzulage für eine im Jahr 2003 fertig gestellte Wohnung gemäß § 11 Abs. 4 EigZulG aufhob.
Vor diesem Hintergrund begehrten die Kläger eine Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr zu ihrem Nachteil, indem zum 30. Juni 1999 eine Teilwertaufholung auf den ursprünglichen Wert der Anschaffungskosten vorgenommen werden solle.
Das FA wies den Einspruch der Kläger zurück.
Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Mit Beschluss vom 16. April 2015 lud das Finanzgericht (FG) den Sohn der Kläger zum Verfahren bei. Die Klage wies das FG als unzulässig ab.
Mit den Revisionen machen die Kläger und der Beigeladene und Revisionskläger (Beigeladener) geltend, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.
Die Kläger und der Beigeladene beantragen,
1. das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 24. April 2015 3 K 114/11 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 24. Mai 2006 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 24. Juni 2011 dahingehend zu ändern, dass im Wirtschaftsjahr 1998/1999 eine weitere Teilwertaufholung in Höhe von ... DM berücksichtigt wird, die zur Hälfte auf 1999 entfällt;
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revisionen der Kläger und des Beigeladenen für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Kläger haben nicht dargetan, durch den angefochtenen Bescheid i.S. des § 40 Abs. 2 FGO in ihren Rechten verletzt zu sein.
a) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Kläger die Festsetzung einer höheren als der im angefochtenen Verwaltungsakt festgesetzten Steuer begehrt (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Januar 2007 I R 75/05, BFH/NV 2007, 1506, und vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421).
Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall vor, da die Klage auf eine Erhöhung der streitigen Wertansätze für die Grundstücke in der Schlussbilanz des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers zum 30. Juni 1999 und mithin auf die Festsetzung einer höheren Steuer für das Streitjahr abzielt.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des BFH eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ausnahmsweise auch dann vorliegen, wenn in dem angefochtenen Steuerbescheid eine Steuer nicht oder zu niedrig festgesetzt worden ist und die Festsetzung einer höheren Steuer begehrt wird. So können die Dinge z.B. liegen, wenn ein auf einen Betrag von Null lautender Bescheid sich für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil darin angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern (BFH-Urteile vom 20. Dezember 1994 IX R 80/92, BFHE 177, 44, BStBl II 1995, 537, und vom 20. Dezember 1994 IX R 124/92, BFHE 176, 409, BStBl II 1995, 628). Ebenso kann eine Klage gegen die Festsetzung einer zu niedrigen Steuer zulässig sein, wenn jene Festsetzung dazu führen kann, dass der Kläger bei späteren Steuerfestsetzungen Nachteile erleidet (z.B. BFH-Urteil vom 7. August 1974 I R 108/73, BFHE 113, 405, BStBl II 1975, 304; BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286). Dabei sind auch nachteilige Auswirkungen in Betracht zu ziehen, die sich aus der Anwendung allgemein anerkannter Bilanzierungsgrundsätze bei der Gewinnermittlung nach §§ 4, 5 EStG ergeben, insbesondere auch aus dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs (z.B. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1972 VIII R 39/67, BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323).
b) Im Streitfall ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanz und dem Vorbringen der Kläger indes kein mit diesen Fällen vergleichbarer Sachverhalt.
Wäre der Bilanzansatz zum 30. Juni 1999 unrichtig und daher in den Folgejahren zu berichtigen, wäre die Korrektur in der ersten noch "offenen" Schlussbilanz vorzunehmen, d.h. in der Schlussbilanz, die demjenigen Veranlagungszeitraum zugrunde zu legen ist, dessen Steuerfestsetzung noch geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381; vom 19. Juli 2011 IV R 53/09, BFHE 234, 221, BStBl II 2011, 1017; vgl. auch Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 997, 1000). Nach den die Revisionsinstanz bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die nach Abschluss der Außenprüfung geänderten Bescheide für die Jahre 2000 bis 2002 in Anbetracht der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und der Regelungen über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) zu Lasten der Kläger geändert werden könnten.
Die Betriebsübergabe war für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage zu berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen einer Klage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (z.B. Dumke in Schwarz/Pahlke, FGO § 40 Rz 36). Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG im Jahr 2015 war bereits bekannt, dass die Kläger den Betrieb 2002 auf den Beigeladenen übertragen hatten. Mithin konnte sie die mögliche Berichtigung eines ggf. fehlerhaften Bilanzansatzes zum 30. Juni 1999 in den noch offenen Jahren ab 2003 nicht mehr betreffen und sich eine Rechtsverletzung der Kläger durch eine ggf. zu niedrige Steuerfestsetzung für 1999 nicht mehr ergeben.
2. Die Revision des Beigeladenen ist jedenfalls unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
a) Ein Beigeladener kann ein Urteil nur mit Erfolg angreifen, wenn er durch die Entscheidung in seinen eigenen Rechten verletzt wird. Andernfalls könnte er im Unterschied zum Kläger (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO) ein Urteil bereits zu Fall bringen, wenn es nur gegen Vorschriften des objektiven Rechts verstößt (BFH-Urteil vom 9. November 1983 I R 216/82, BFHE 140, 136, BStBl II 1984, 348). Erforderlich ist daher ein Verstoß gegen eine Norm, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern --zumindest auch-- dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligter Dritter dient (sog. drittschützende Norm). Es genügt hingegen weder eine Verletzung lediglich wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Normen, durch die der Dritte nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63; vom 25. November 2015 I R 85/13, BFHE 252, 217, BStBl II 2016, 479; in BFHE 140, 136, BStBl II 1984, 348).
b) Im Streitfall wird der Beigeladene durch den an die Kläger gerichteten Steuerbescheid für das Streitjahr 1999 nicht in seinen Rechten verletzt.
Gegenüber dem Beigeladenen wird weder eine Steuer festgesetzt noch entfaltet die gegenüber den Klägern vorgenommene Steuerfestsetzung eine Bindungswirkung in Bezug auf zukünftige dem Beigeladenen gegenüber vorzunehmende Steuerfestsetzungen.
Insbesondere kann der Beigeladene durch die angefochtene Steuerfestsetzung nicht aufgrund des Grundsatzes des Bilanzenzusammenhangs als Drittbetroffener in seinen Rechten verletzt sein. Denn die der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1999 zugrunde liegende Schlussbilanz des Klägers zum 30. Juni 1999 stellt lediglich die Grundlage für die Anfangsbilanz des darauf unmittelbar folgenden Wirtschaftsjahrs dar, nicht hingegen für die der Besteuerung des Beigeladenen zugrunde zu legenden Wirtschaftsjahre ab dem Betriebsübergang im Jahre 2002. Die insoweit allein maßgebliche Schlussbilanz des Klägers zum 30. Juni 2002 ist ebenso wie die Steuerfestsetzung für 2002 nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Frage, ob zu niedrige Wertansätze in der letzten Schlussbilanz vor der unentgeltlichen Betriebsübergabe (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG) beim Betriebsübernehmer überhaupt eine Rechtsverletzung begründen können, bedarf daher keiner Entscheidung.
Soweit der Beigeladene aufgrund der Ablehnung eines höheren Teilwertansatzes zum 30. Juni 1999 nicht von der Verjährung des Jahrs 1998 profitiert, mögen zwar seine wirtschaftlichen Interessen berührt sein. Dies genügt indes nicht für das Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung im angeführten Sinne.
3. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Revisionsverfahren unzulässig (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391).