Entscheidungsdatum: 19.07.2011
§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) ist erstmals auf die Berichtigung von Bilanzen anzuwenden, auf denen die Einkommensteuerfestsetzungen in den Veranlagungszeiträumen ab 2007 beruhen. Auf den Zeitpunkt der Vornahme der Bilanzberichtigung kommt es nicht an.
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wird, ist Landwirt. Er ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Wirtschaftsjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni.
Zu der Landwirtschaft des Klägers gehört auch eine Pensionspferdehaltung. In den von ihm vorgelegten Bilanzen der Wirtschaftsjahre 2002/03 bis 2004/05 nahm er für die zum Anlagevermögen zählenden Pferde eine Gruppenbewertung nach Durchschnittssätzen vor.
Im Rahmen einer im Jahr 2008 durchgeführten Außenprüfung, die die Jahre 2004 bis 2006 umfasste, versagte der Prüfer die Gruppenbewertung nach Durchschnittssätzen und setzte stattdessen --erstmalig in der Bilanz auf den 30. Juni 2004-- die deutlich höheren Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Pferde an.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ die hier streitigen geänderten Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 vom 22. September 2008, in denen es die Einkommensteuer entsprechend erhöhte.
Die Einsprüche, mit denen der Kläger geltend machte, die --dem Grunde und der Höhe nach unstreitige-- Bewertung der Pferde mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten sei bereits in der Bilanz auf den 30. Juni 2003 durchzuführen, wurden mit Einspruchsentscheidung vom 17. April 2009 zurückgewiesen.
Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) weitaus überwiegend statt. Nach der Rechtslage vor der Einfügung des Halbsatzes 2 in § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) sei ein fehlerhafter Bilanzansatz selbst dann in der ersten noch offenen Bilanz richtigzustellen, wenn dadurch die auf den vorausgegangenen, aber bestandskräftig abgeschlossenen Veranlagungszeitraum entfallende Gewinnerhöhung nicht mehr berücksichtigt werden könne (Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. August 2000 IV B 150/99, BFH/NV 2001, 308). Die Bilanzberichtigung sei daher bereits auf den 30. Juni 2003 vorzunehmen, da --im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung-- erstmalig die Einkommensteuerfestsetzung 2003 noch änderbar war. Es sei hinzunehmen, dass der auf das Jahr 2002 entfallende höhere Gewinnanteil wegen Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung 2002 nicht besteuert werde. Die Neuregelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG hielt das FG im Streitfall für nicht anwendbar. Sie gelte nach der Anwendungsregel des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG nur für Bilanzberichtigungen, die die Veranlagungszeiträume ab 2007 betreffen. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 397 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Bilanzberichtigung sei unter Berücksichtigung der Neuregelung im Halbsatz 2 auf den 30. Juni 2004 vorzunehmen. Danach sei eine Bilanzberichtigung nur noch zulässig, wenn beide Veranlagungen, auf die sich die Bilanz auswirkt, geändert werden können. Im Streitfall könnten erstmals die Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 noch geändert werden, so dass die diesen beiden Steuerfestsetzungen zugrunde liegende Bilanz auf den 30. Juni 2004 zu berichtigen sei. Die Neuregelung sei im Streitfall anzuwenden. Das JStG 2007 sei gemäß Art. 20 Abs. 6 am 1. Januar 2007 in Kraft getreten und damit auf alle ab diesem Tag vorgenommenen Bilanzberichtigungen anzuwenden, ohne dass es auf den betroffenen Veranlagungszeitraum ankomme. Die Bilanzberichtigung in § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG sei ihrem Wesen nach eine Korrekturvorschrift, für die die veranlagungszeitraumbezogene Anwendungsregel des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht passe.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Bilanzberichtigung nicht auf den 30. Juni 2004, sondern auf den 30. Juni 2003 vorzunehmen war. Die Neuregelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG war im Streitfall nicht anzuwenden.
1. Nach der Rechtslage bis zur Neuregelung durch das JStG 2007 waren die Bilanzen auf den 30. Juni 2003 und nicht erst auf den 30. Juni 2004 zu berichtigen.
a) Der Steuerpflichtige darf gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 (Halbsatz 1) EStG die Vermögensübersicht (Bilanz) auch nach ihrer Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht.
Bilanzierungsfehler sind grundsätzlich und vorrangig in der Bilanz des Wirtschaftsjahres zu berichtigen, in der es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist. Liegt für das Jahr, in dem es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist, bereits ein Steuerbescheid vor, der aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden kann, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044, unter 2.b der Gründe) der unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich in der ersten Schlussbilanz richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich ist (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381, unter II.a der Gründe).
Bei Land- und Forstwirten, die --wie im Streitfall-- ihren Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG abweichend vom Kalenderjahr ermitteln, ist nach der Rechtslage vor dem JStG 2007 ein fehlerhafter Bilanzansatz selbst dann in der ersten noch offenen Bilanz richtigzustellen, wenn dadurch die auf den vorausgegangenen, aber bestandskräftig abgeschlossenen Veranlagungszeitraum entfallende Gewinnerhöhung nicht mehr berücksichtigt werden kann. Auch der Grundsatz der richtigen Erfassung des Totalgewinns führt nicht dazu, dass die Berichtigung erst in der Bilanz vorgenommen werden darf, für die die Veranlagungen der beiden in Betracht kommenden Veranlagungszeiträume noch offen sind (BFH-Urteil vom 12. November 1992 IV R 59/91, BFHE 170, 217, BStBl II 1993, 392, unter 3.b der Gründe; BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 308).
Maßgebender Zeitpunkt für die Entscheidung, ob eine Berichtigung an der Fehlerquelle oder in einem späteren Jahr durchgeführt werden muss, ist die Einspruchsentscheidung, weil das FA darin abschließend über die Frage der Bilanzberichtigung befindet (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407, unter 4. der Gründe; Leingärtner/ Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 29, Rz 79). Soweit das FG dagegen den Zeitpunkt der --im gleichen Jahr durchgeführten-- mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt hat, trifft dies nicht zu, bleibt aber ohne Auswirkung auf das Ergebnis.
b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA mit der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2009 eine Bilanzberichtigung nicht erst auf den 30. Juni 2004 zulassen.
Die Bilanzen waren fehlerhaft, soweit der Kläger die Pferde nach der Gruppenbewertung mit (niedrigeren) Durchschnittssätzen ansetzte und nicht mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Bei Erlass der Einspruchsentscheidung am 17. April 2009 bestand die früheste Berichtigungsmöglichkeit auf den 30. Juni 2003, da zu diesem Zeitpunkt der Einkommensteuerbescheid 2002 bestandskräftig war, für den Einkommensteuerbescheid 2003 die Festsetzungsfrist dagegen noch nicht abgelaufen war: Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2002 begann, da die Steuererklärung am 17. Juni 2004 abgegeben worden ist, mit Ablauf des Jahres 2004 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO--). Sie endete nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Jahres 2008 und war somit bei Erlass der Einspruchsentscheidung am 17. April 2009 bereits abgelaufen. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2003 begann bei Abgabe der Steuererklärung am 24. Mai 2005 mit Ablauf des Jahres 2005 und endete damit erst mit Ablauf des Jahres 2009.
2. Die Zulässigkeit der Bilanzberichtigung auf den 30. Juni 2004 ergibt sich nicht aus der durch das JStG 2007 geschaffenen Rechtslage.
a) Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a JStG 2007 ist § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG um einen Halbsatz ergänzt worden, nach dem eine Änderung nicht zulässig ist, wenn die Vermögensübersicht (Bilanz) einer Steuerfestsetzung zugrunde liegt, die nicht mehr aufgehoben oder geändert werden kann. Die Bilanzberichtigung ist --positiv ausgedrückt-- nunmehr davon abhängig, dass alle Steuerfestsetzungen, auf die sich die Bilanzberichtigung auswirken würde, verfahrensrechtlich noch änderbar sind.
Die Ergänzung betrifft auch Land- und Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr, bei denen der Gewinn auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt wird (vgl. § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG). Bei ihnen führte die Rechtsprechung, dass lediglich eine auf der Bilanz beruhende Steuerfestsetzung änderbar sein muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE 170, 217, BStBl II 1993, 392; BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 308), zu Besteuerungslücken, da ein durch die Bilanzberichtigung entstandener höherer Gewinnanteil wegen der fehlenden Änderungsmöglichkeit zur Hälfte nicht mehr besteuert werden konnte (BTDrucks 16/3368, S. 16).
b) Zu Unrecht meint das FA jedoch, dass die Neuregelung im Streitfall anwendbar sei.
§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 ist nach Art. 20 Abs. 6 JStG 2007 am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Das EStG enthält jedoch ergänzend in § 52 und § 52a Anwendungsvorschriften, die abweichend vom Zeitpunkt des Inkrafttretens bestimmen, für welche Veranlagungszeiträume eine Gesetzesänderung zugrunde zu legen ist (vgl. Schneider, Gesetzgebung, 3. Aufl., Rz 525, 547). Nach der Grundregel in § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Jahr 2007 geltenden Fassung (also einschließlich der Änderungen durch das JStG 2007) war diese Fassung des Gesetzes, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden, wobei die Jahreszahl "2007" bereits durch Art. 1 Nr. 20 Buchst. a des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19. Juli 2006 (BGBl I 2006, 1652) geändert worden war.
Wie der Wortlaut "für den Veranlagungszeitraum" zeigt, liegt § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG eine veranlagungszeitraumbezogene Betrachtungsweise zugrunde. Da Bilanzen der Gewinnermittlung und damit der Einkommensteuerfestsetzung in einem bestimmten Veranlagungszeitraum zugrunde liegen, ist die Anwendung des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG auf Bilanzberichtigungen ohne Weiteres möglich. Die Neuregelung ist daher nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Jahr 2007 geltenden Fassung auf die Berichtigung von Bilanzen anzuwenden, auf denen die Einkommensteuerfestsetzungen in den Veranlagungszeiträumen ab 2007 beruhen. Auf den Zeitpunkt der Vornahme der Bilanzberichtigung kommt es dagegen nicht an (entgegen dem vom FA vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. Mai 2007 IV B 2-S 2141/0, nicht veröffentlicht; Verfügung der Oberfinanzdirektion --OFD-- Hannover vom 4. Juni 2007 S 2141-17-StO221/StO222, Deutsches Steuerrecht 2007, 1208; Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 15/2007 der OFD Münster vom 6. Juni 2007, Betriebs-Berater 2007, 1615). Der Gesetzgeber hat --im Gegensatz zum ebenfalls veranlagungszeitraumbezogenen § 52 Abs. 9 EStG für die Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG-- keine Sonderregel in den nachfolgenden Absätzen des § 52 EStG oder in § 52a EStG getroffen, nach der der Zeitpunkt der Durchführung der Bilanzberichtigung maßgebend sein soll (etwa: "§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG in der Fassung des JStG 2007 ist erstmals auf Bilanzänderungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2006 vorgenommen werden.").
Vorliegend ist die Anwendung der Neuregelung auf die Änderungen von Bilanzen streitig, die den Einkommensteuerveranlagungen vor 2007 zugrunde liegen. Wie das FG zutreffend entschieden hat, ist sie daher im Streitfall nicht anwendbar.