Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 29.01.2016


BGH 29.01.2016 - V ZR 97/15

Wohnungseigentum: Aufrechnung eines Wohnungseigentümers gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft; Kündigung einer mit einem Wohnungseigentümer vereinbarten Lastschriftabrede durch den Hausverwalter


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
29.01.2016
Aktenzeichen:
V ZR 97/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:290116UVZR97.15.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Lüneburg, 25. März 2015, Az: 9 S 91/14, Urteilvorgehend AG Hannover, 29. April 2014, Az: 483 C 635/14
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Wohnungseigentümer grundsätzlich nur mit Forderungen aufrechnen, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind (Fortführung des Urteils des Senats vom 1. Juni 2012, V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 15).

2. Ein Hausverwalter kann eine mit einem Wohnungseigentümer vereinbarte Lastschriftabrede kündigen, wenn dieser an seiner Ansicht festhält, mit einer streitigen Forderung gegen eine Beitragsforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft aufrechnen zu können, und daraus weitere Konflikte drohen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 25. März 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie erteilten der Hausverwaltung eine Einzugsermächtigung zu Lasten ihres Kontos. Eine Verpflichtung der Hausverwaltung, die Hausgelder im Wege des Lastschriftverfahrens einzuziehen, ergibt sich weder aus der Teilungserklärung noch aufgrund eines Beschlusses.

2

Für 2013 hatten die Beklagten ein monatliches Hausgeld einschließlich Instandhaltungsrücklage von 258,63 € zu zahlen. Nachdem die Hausverwaltung einen Nachzahlungsbetrag aus der Jahresabrechnung 2012 abgebucht hatte, machten diese geltend, es sei eine Vorauszahlung von 13 € nicht berücksichtigt worden. Außerdem hätten sie für die Monate Januar bis April 2013 insgesamt 20 € zu viel an Hausgeld bezahlt. Sie teilten der Hausverwaltung mit, im Juli 2013 sei nur die Abbuchung des um 33 € reduzierten Betrags von 225,63 € gestattet; nach erfolgter Korrektur dürfe in den Folgemonaten wieder der volle Betrag eingezogen werden. Im Juli 2013 buchte die Hausverwaltung von dem Konto der Beklagten 238,63 € ab. Die Beklagten erklärten mit Schreiben vom 25. Juli 2013, dass der Abbuchungsvorgang nicht genehmigt sei. In dem Schreiben heißt es weiter: „Der rechtswidrige Zugriff auf unser Konto in nicht genehmigter Höhe trägt demnach den Charakter eines Diebstahls. Bedenken Sie bitte, dass Diebstahl ein Straftatbestand ist.“ Daraufhin teilte die Hausverwaltung mit, dass sie ab September 2013 von der Einzugsermächtigung keinen Gebrauch mehr machen wolle, weil der genehmigte Betrag in Höhe von 225,63 € die Forderung der Wohnungseigentümergemeinschaft unterschreite. Die Beklagten antworteten, die Begrenzung habe ausschließlich für den Monat Juli 2013 gegolten und ab August 2013 dürfe der volle Betrag von 258,63 € eingezogen werden.

3

In der Folgezeit zog die Hausverwaltung keine Hausgelder ein, die Beklagten nahmen keine Überweisungen vor.

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Mit der Klage macht die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Betrag von 1.293,15 € für die Monate September 2013 bis Januar 2014 nebst Rechtshängigkeitszinsen geltend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Nach Zustellung des Berufungsurteils und vor Einlegung der Revision haben die Beklagten die Klageforderung nebst Zinsen an die Klägerin überwiesen. Diese hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, hilfsweise beantragt sie die Verwerfung der Revision als unzulässig oder deren Zurückweisung als unbegründet. Die Beklagten wollen die Abweisung der Klage erreichen, hilfsweise stimmen sie der Erledigungserklärung zu.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZMR 2015, 626 veröffentlicht ist, meint, die Klägerin habe die vereinbarte Lastschriftabrede wirksam gekündigt, so dass sie ab September 2013 das Hausgeld nicht mehr von dem Konto der Beklagten habe einziehen müssen. Ein Widerruf des Einverständnisses mit dem Lastschrifteinzug sei möglich, wenn der Gläubiger ein berechtigtes Interesse habe und berechtigte Interessen des Schuldners dem nicht entgegenstünden. Das sei hier der Fall. Zwischen den Parteien habe über die Höhe des im September 2013 zu zahlenden Hausgeldes Streit bestanden. Die Beklagen hätten zudem das von ihnen zuvor erklärte Einverständnis zum Lastschrifteinzug einseitig eingeschränkt, indem sie die Weisung erteilt hätten, lediglich einen Betrag von 225,63 € abzubuchen. Unter diesen Umständen sei es der Hausverwaltung nicht zumutbar gewesen, sich in weitere Konflikte zu verwickeln. Dies hätte einen erheblichen Mehraufwand bedeutet und den Zweck des Lastschriftverfahrens vereitelt. Die Hausverwaltung verstoße nicht gegen Treu und Glauben, wenn sie sich nur bei den Beklagten weigere, die Hausgelder per Lastschrift einzuziehen.

II.

6

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

7

1. Die Revision der Beklagten ist zulässig. Die vorbehaltlose Überweisung der Klageforderung nebst Zinsen nach Zustellung des Berufungsurteils und vor Einlegung der Revision hat weder zu einem Wegfall der durch die Verurteilung eingetretenen Beschwer der Beklagten geführt noch ist hierin ein Rechtsmittelverzicht zu sehen; es liegt daher auch kein Fall der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache vor.

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Anders wäre nur dann zu entscheiden, wenn der Schuldner nicht nur zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbaren Urteil bezahlt, sondern den Klageanspruch (endgültig) erfüllen will. Ob das eine oder andere anzunehmen ist, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 16. November 1993 - X ZR 7/92, NJW 1994, 942, 943). Vorliegend haben die Beklagten nach Verkündung des Berufungsurteils gezahlt, ohne dass die Klägerin eine Zwangsvollstreckung angekündigt hatte. Der Inhalt des von der Klägerin vorgelegten Kontoauszugs enthält keine Angaben, die eine Aussage darüber zulassen, ob (lediglich) zur Abwendung einer aufgrund des vorläufig vollstreckbaren Urteils möglichen Zwangsvollstreckung gezahlt worden ist, oder ob es mit dem Unterliegen in der Berufungsinstanz für die Beklagten sein Bewenden haben soll. Bei dieser Sachlage ist wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzes der prozessualen Meistbegünstigung (BVerfGE 49, 220, 226; 77, 275, 284; 84, 366, 369 f.) nicht anzunehmen, dass der Zahlung eine streitbeendende und die Beschwer ausschließende Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1993 - X ZR 7/92, NJW 1994, 942, 943; Senat, Urteil vom 14. März 2014 - V ZR 115/13, NJW 2014, 1180 Rn. 8).

9

2. Die Revision ist unbegründet.

10

Die Beklagten sind verpflichtet, das rückständige Hausgeld und die Instandhaltungsrücklage für September 2013 bis Januar 2014 zu zahlen. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass sie die Klägerin nicht darauf verweisen können, von der Einzugsermächtigung Gebrauch zu machen und den geschuldeten Betrag von ihrem Konto einzuziehen.

11

a) Allerdings haben die Beklagten der Hausverwaltung ursprünglich eine Einzugsermächtigung erteilt und diese damit ermächtigt, die zu leistenden Zahlungen mittels Lastschrift von ihrem Konto einzuziehen. Durch die Lastschriftabrede wird die Zahlungsverpflichtung des Schuldners zu einer Holschuld (§ 269 BGB). Der Schuldner hat das aus seiner Sicht zur Erfüllung Erforderliche somit getan, wenn er den Leistungsgegenstand zur Abholung durch den Gläubiger bereithält, d.h. im Lastschriftverfahren dafür sorgt, dass ausreichend Deckung auf seinem Konto vorhanden ist (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 26 mwN; Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 Rn. 24). Die Einziehung ist Sache des Gläubigers.

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b) Die Klägerin hat die Lastschriftabrede jedoch wirksam gekündigt.

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aa) Dabei kommt es nicht darauf an, - weswegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat - ob der Gläubiger jederzeit und ohne besonderen Grund die Lastschriftabrede kündigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 1977 - IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361, 367; Urteil vom 7. Dezember 1983 - VIII ZR 257/82, NJW 1984, 871, 872; zum Meinungsstand vgl. Ellenberger in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 58 Rn. 190; Grundmann in Großkomm. HGB, 5. Aufl., Bankvertragsrecht Dritter Teil Rn. 109; Haertlein/Thümmler, WM 2008, 2137, 2143; Häuser, WM 1991, 1, 3; Schwarz, ZIP 1989, 1442, 1446). Denn ein Recht des Gläubigers zur Kündigung der Lastschriftabrede steht jedenfalls dann außer Frage, wenn ein sachlicher Grund besteht und die berechtigten Interessen des Schuldners an dem Fortbestand der Lastschriftabrede dem Interesse des Gläubigers, sich von der Lastschriftabrede zu lösen, nicht entgegenstehen. Ein Hausverwalter kann deshalb eine mit einem Wohnungseigentümer vereinbarte Lastschriftabrede kündigen, wenn dieser an seiner Ansicht festhält, mit einer streitigen Forderung gegen eine Beitragsforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft aufrechnen zu können, und daraus weitere Konflikte drohen.

14

bb) So verhält es sich hier. Die Hausverwaltung war aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit der Abbuchung des Hausgeldes für den Monat Juli 2013 zur Kündigung der Lastschriftabrede berechtigt.

15

Zwischen den Parteien entstanden Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des im Juli 2013 zu zahlenden Hausgeldes, weil die Beklagten meinten, mit einer streitigen Forderung aufrechnen zu können (§ 387 BGB). Die darauf gestützte Weisung der Beklagten, nicht das im Wirtschaftsplan ausgewiesene, sondern ein reduziertes Hausgeld einzuziehen, musste die Hausverwaltung nicht beachten. Sie war vielmehr berechtigt und verpflichtet, das fällige Hausgeld sowie die Instandhaltungsrücklage einzuziehen (§ 28 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Gegen Beitragsforderungen der Wohnungseigentümergemeinschaft kann ein Wohnungseigentümer grundsätzlich nur mit Forderungen aufrechnen, die anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind. Das ergibt sich aus der Natur der Schuld und dem Zweck der geschuldeten Leistung. Die im Wirtschaftsplan ausgewiesenen Vorschüsse sollen zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums in dem betreffenden Wirtschaftsjahr tatsächlich zur Verfügung stehen (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 2012 - V ZR 171/11, NJW 2012, 2797 Rn. 15 zum Zurückbehaltungsrecht; vgl. auch Bärmann/Becker, WEG, 13. Aufl., § 28 Rn. 93; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 208; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG, Rn. 228 ff.; Weitnauer/Gottschalg, WEG, 9. Aufl., § 16 Rn. 28). Ob von dem Aufrechnungsverbot Hauptforderungen auszunehmen sind, die auf einer Notgeschäftsführung (so etwa BayObLGZ 1977, 67, 71; vgl. auch BayOblG, ZMR 2005, 214, 215; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 208; Weitnauer/Gottschalg, WEG, 9. Aufl., § 16 Rn. 28) oder auf der Inanspruchnahme des Wohnungseigentümers durch einen Gläubiger der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 10 Abs. 8 WEG beruhen (vgl. KG, ZWE 2002, 363, 364; Bärmann/Becker, WEG, 13. Aufl., § 28 Rn. 93), bedarf hier keiner Entscheidung.

16

Da die Beklagen auf ihrem irrigen Standpunkt, aufrechnen zu können, beharrten, musste die Hausverwaltung mit Rücklastschriften rechnen. Außerdem musste sie befürchten, dass es auch künftig zu Meinungsverschiedenheiten über Abbuchungen kommen werde. Dies bedeutete für sie einen erheblichen Mehraufwand, der dem Zweck der Lastschriftabrede - die Beschleunigung und Vereinfachung des Zahlungsverkehrs - zuwiderläuft. Zudem hatten die Beklagten eine Strafanzeige angedroht. Die Hausverwaltung war daher berechtigt, ihr Einverständnis mit dem Lastschrifteinzug zu widerrufen.

17

Berechtigte Interessen der Beklagten stehen der Kündigung nicht entgegen. Die Hausverwaltung hat ihnen unmissverständlich mitgeteilt, von der Einziehungsermächtigung keinen Gebrauch mehr zu machen. Sie haben damit Gelegenheit erhalten, sich darauf einzustellen, die künftig fällig werdenden Beträge zu überweisen oder einen Dauerauftrag einzurichten.

IV.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                   Brückner                           Weinland

                    Kazele                       Haberkamp