Entscheidungsdatum: 12.07.2013
1. Das Gericht darf die in einem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der benannten Zeugen im Wege des Urkundenbeweises verwerten. Es muss die Zeugen aber selbst vernehmen, wenn eine Partei das beantragt.
2a. Die Begrünung einer Teilfläche eines privaten Hinterhofs kann eine Inanspruchnahme für eine Verwaltungsaufgabe sein, wenn die zuständigen staatlichen Stellen vor dem 3. Oktober 1990 die Sachherrschaft über den begrünten Teil eines solchen Hinterhofs ausgeübt und diesen für einen Außenstehenden erkennbar dem öffentlichen Verkehr geöffnet haben, dieser tatsächlich als solcher wahrgenommen worden ist und dieser Zustand heute noch besteht.
2b. Ein Ankaufsanspruch des öffentlichen Nutzers besteht bei einer öffentlichen Nutzung in einem privaten Hinterhof in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG nur, wenn die öffentliche Nutzung die private am 3. Oktober 1990 überwog und nach wie vor überwiegt.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 16. März 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das klagende Land (Kläger) verlangt die Feststellung, zum Ankauf einer etwa 350 m² großen Fläche im Hinterhof des Grundstücks der Beklagten im Bezirk Pankow von Berlin nach Maßgabe des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes (VerkFlBerG) zu dem danach für Verkehrsflächen vorgesehenen Ankaufspreis berechtigt zu sein. Diese Fläche gehört zu einer begrünten Anlage. Darin befinden sich neben Gartenanlagen und Wegen ein Kinderspielplatz, eine Tischtennisplatte und eine Hirschskulptur, nach der die Anlage Hirschhof genannt wird. Der Innenhof ist von 1982 an unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen in Abstimmung mit den Bewohnern, Eigentümern und der Stadtbezirksverwaltung gestaltet und begrünt worden. Er war zumindest über einen langen Zeitraum öffentlich zugänglich. Verhandlungen über den Abschluss eines Nutzungsvertrags scheiterten, weil sich der Kläger nicht zum Abschluss der von ihm selbst vorgeschlagenen Vereinbarung entschließen konnte. Am 22. März 2007 beantragte der Kläger die Einleitung eines notariellen Vermittlungsverfahrens, das wegen des Widerstands der Beklagten keinen Erfolg hatte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
I.
Das Berufungsgericht hält den Kläger für berechtigt, die Fläche nach Maßgabe des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes zu dem für Verkehrsflächen vorgesehenen Preis anzukaufen. Der Hirschhof werde öffentlich genutzt. Er sei auf Initiative und mit Mitteln der früheren Stadtbezirksverwaltung errichtet worden. Davon sei es auf Grund der urkundenbeweislich verwerteten Aussagen von Zeugen in einem Parallelverfahren gegen die Eigentümer des benachbarten Hinterhofs und auf Grund des Urteils des OVG Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 (OVG 11 B 31.10, juris) in einem Rechtstreit über die Frage, ob es sich bei dem Hinterhof um eine Grünanlage im Sinn des Berliner Grünanlagengesetzes handelt, überzeugt. Die Begrünung des Hinterhofs sei auch nicht nur den Bewohnern der anliegenden Häuser zugutegekommen, sondern der Öffentlichkeit. Es handele sich um eine öffentliche Grünanlage, die als Verkehrsanlage gelte, und nicht um eine anders öffentlich genutzte Fläche. Die öffentliche Nutzung des Hinterhofs sei schließlich nicht anderweitig rechtlich abgesichert.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der Kläger kann von den Beklagten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 2 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 VerkFlBerG den Verkauf der begrünten Teilfläche auf dem Grundstück der Beklagten zu dem ermäßigten Preis für Verkehrsflächen nur verlangen, wenn diese Teilfläche vor dem 3. Oktober 1990 für eine Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen worden ist und dieser Verwaltungsaufgabe immer noch dient. Das hat das Berufungsgericht festgestellt.
2. Diese Feststellung vermag das Urteil aber nicht zu tragen, weil sie verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.
a) Das Berufungsgericht hat gegen den in § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen, indem es nur die in einem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der von dem Kläger benannten Zeugen urkundenbeweislich verwertet, die Zeugen aber nicht selbst vernommen hat.
aa) Die Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises ist zwar grundsätzlich zulässig (BGH, Urteile vom 14. Juli 1952 - IV ZR 25/52, BGHZ 7, 116, 121 f. und vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1215; Senat, Beschluss vom 17. November 2005 - V ZR 68/05, juris). Sie setzt die Zustimmung der Parteien nicht voraus (BGH, Urteil vom 19. April 1983 - VI ZR 253/81, VersR 1983, 667, 668). Auch der Widerspruch einer Partei gegen die Verwertung einer protokollierten Aussage steht deren Auswertung im Wege des Urkundenbeweises nicht entgegen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1969 - VI ZR 128/68, VersR 1970, 322, 323).
bb) Unzulässig wird die Verwertung der früheren Aussagen der benannten Zeugen im Wege des Urkundenbeweises anstelle von deren Vernehmung im anhängigen Verfahren aber dann, wenn eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung dieses Zeugen beantragt (BGH, Urteile vom 14. Juli 1952 - IV ZR 25/52, BGHZ 7, 116, 122, vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1215, vom 13. Juni 1995 - VI ZR 233/94, VersR 1995, 1370, 1371 und vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98, NJW 2000, 1420, 1421 f.; Senat, Beschluss vom 17. November 2005 - V ZR 68/05, juris). Einen solchen Antrag haben die Beklagten gestellt. Diesen Antrag durfte das Berufungsgericht nicht als verspätet zurückweisen. Er betraf kein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel der Beklagten, sondern die Verwertung der Aussagen der von dem beweispflichtigen Kläger rechtzeitig benannten Zeugen. Deren Vernehmung durch das Berufungsgericht hatten die Beklagten auch nicht erst in der mündlichen Verhandlung beantragt, sondern schon in der Berufungserwiderung. Darin hatten sie sich gegen die Verwertung der in dem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der Zeugen mit der Begründung gewandt, sie widerspreche dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme; außerdem könne das Berufungsgericht ohne „Ansehung der Zeugen“ deren Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht bewerten. Das ist in der Sache ein Antrag auf Vernehmung der Zeugen durch das Berufungsgericht, der als solcher auch klar zu erkennen war. Wollte das Berufungsgericht das anders sehen, musste es die Beklagten darauf hinweisen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2005 - V ZR 68/05, juris), was vor der mündlichen Verhandlung nicht geschehen ist. Anders als das Berufungsgericht meint, mussten die Beklagten nicht darlegen, dass und weshalb den protokollierten Aussagen der Zeugen nicht gefolgt werden kann. Die Parteien haben nach §§ 355, 373 ZPO einen gesetzlichen Anspruch auf eine mit den Garantien des Zeugenbeweises ausgestattete Vernehmung (BGH, Urteil vom 14. Juli 1952 - IV ZR 25/52, BGHZ 7, 116, 122). Diesen Anspruch macht das Gesetz wegen der offenkundigen Schwächen der urkundenbeweislichen Verwertung von Zeugenaussagen - fehlender persönlicher Eindruck von den Zeugen, fehlende Möglichkeit, Fragen zu stellen und Vorhalte zu machen, fehlende Möglichkeit der Gegenüberstellung (BGH, Urteil vom 30. November 1999 - IV ZR 207/98, NJW 2000, 1420, 1421) - nicht von der näheren Darlegung von Gründen abhängig.
b) Von der Vernehmung der Zeugen durfte das Berufungsgericht auch nicht im Hinblick auf die Beweiskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2011 (OVG 11 B 31.10, juris) absehen.
aa) Dieses Urteil - das sich zudem nicht mit den Voraussetzungen eines Ankaufsrechts nach dem Verkehrsflächenbereinigungsgesetz, sondern mit der Anwendbarkeit des Berliner Grünflächengesetzes (vom 24. November 1997, GVBl. Bln 1997 S. 612 - GrünAnlG) befasst - ist zwar eine öffentliche Urkunde, die eine Entscheidung enthält. Sie erbringt nach § 417 ZPO auch vollen Beweis ihres Inhalts. Die Beweiskraft des Urteils beschränkt sich aber auf den Urteilsausspruch und erfasst weder den Tatbestand noch die Entscheidungsgründe. Beide enthalten nicht die Entscheidung, um deren Beweis es in der Vorschrift des § 417 ZPO geht, sondern die Begründung der Entscheidung. Auf diese erstreckt sich die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde über eine Entscheidung weder bei einem Urteil noch bei einer anderen Entscheidung einer öffentlichen Stelle (BGH, Urteil vom 27. August 1963 - 5 StR 260/63, BGHSt 19, 87, 88; OLG Neustadt/Weinstraße, NJW 1964, 2162, 2163; OLG Frankfurt/Main, NStZ 1996, 234, 235; OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Juli 2006 - 7 U 40/06, juris Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Schreiber, 4. Aufl., § 417 Rn. 6).
bb) Die Beweiskraft ergibt sich auch nicht aus § 418 ZPO. Zwar kann der Tatbestand eines Gerichtsurteils nach dieser Vorschrift Beweiskraft entfalten (MünchKomm-ZPO/Schreiber, 4. Aufl., § 418 Rn. 6); beispielsweise wird durch die Aufnahme von Zeugenaussagen in den Tatbestand ein vollgültiges Zeugnis des Gerichts über die vor ihm erstatteten Aussagen hergestellt (RGZ 149, 312, 316). Einer Verwertung der in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts enthaltenen Aussagen stünde im Hinblick auf den Antrag der Beklagten, die maßgeblichen Zeugen vor dem Prozessgericht zu hören, aber wiederum der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) entgegen. Zudem stützt sich das Berufungsgericht nicht auf Tatbestandselemente des Urteils, sondern auf die Entscheidungsgründe, d.h. auf die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht. Dieser kommt jedoch keine Beweiskraft nach § 418 ZPO zu.
c) Das Berufungsurteil beruht auf dem Verfahrensfehler bei der Vernehmung der Zeugen und auf der Verkennung der Beweiskraft des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre, hätte es die fehlende Beweiskraft des Urteils erkannt und die Zeugen selbst vernommen. Das Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
III.
Eine eigene Entscheidung ist dem Senat mangels verwertbarer Feststellungen nicht möglich. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Die Begrünung der Teilfläche eines privaten Hinterhofs kann eine tatsächliche Inanspruchnahme für eine Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG sein.
a) Die Schaffung von Grünflächen zur Erholung und Entspannung gehört als eine mögliche Form der Daseinsvorsorge zu den Verwaltungsaufgaben jedenfalls der Kommunen und der ihnen entsprechenden Verwaltungsgliederungen der Stadtstaaten.
b) Anders als die Beklagten meinen, kommt es weder für die Frage, ob die Innenhoffläche vor dem 3. Oktober 1990 als Verkehrsfläche in der Form einer öffentlichen Grünanlage im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VerkFlBerG tatsächlich in Anspruch genommen worden ist, noch für die Frage, ob die Hoffläche diesem Zweck weiterhin dient, auf eine förmliche Widmung als Grünanlage oder für einen anderen öffentlichen Zweck an.
aa) Auf eine förmliche Widmung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GrünAnlG kann es für die tatsächliche Inanspruchnahme der Hoffläche schon deshalb nicht ankommen, weil diese vor dem 3. Oktober 1990 durch die Dienststellen der DDR erfolgt sein muss, für die dieses Gesetz seinerzeit nicht galt. Eine solche förmliche Widmung ist aber auch für die Frage ohne Bedeutung, ob die Hoffläche einem öffentlichen Zweck, dem sie damals möglicherweise zugeführt worden ist, noch dient. Die Widmung einer Grünfläche als Grünanlage gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GrünAnlG, die das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 29. September 2011 (11 B 31.10, juris) für die Grünfläche im Hirschhof verneint hat, ist nur dafür erheblich, ob die Bezirke von Berlin hierfür Schutz- und Pflegepläne aufzustellen haben (§ 4 GrünAnlG), ob das Land Berlin die Verkehrssicherungspflicht hat (§ 5 GrünAnlG) und ob die Verhaltensvorschriften des § 6 GrünAnlG gelten, deren Nichteinhaltung nach § 7 GrünAnlG einen Ordnungswidrigkeitentatbestand verwirklicht. Die Anwendung des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes hängt davon nicht ab.
bb) Auch auf eine förmliche Widmung zu einem anderen öffentlichen Zweck kommt es nicht an. Den Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz in § 2 Abs. 2 Nr. 1 für Straßen, Wege und Plätze auf die förmliche Widmung abstellt und damit bewusst auch auf die Anforderungen an eine solche Widmung verweist, die die Straßengesetze der Bundesländer dafür bestimmen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks 14/6204 S. 15). Einen ähnlichen Präzisierungsgrad hat die Verweisung auf § 1 Abs. 1 BWaStrG in § 2 Abs. 2 Nr. 2 VerkFlBerG, der die maßgeblichen Bundeswasserstraßen in einer Anlage 1 zu dem Gesetz abschließend aufführt. Für die anderen Verkehrsflächen und insbesondere für Grünanlagen schreibt § 2 Abs. 2 Nr. 5 VerkFlBerG Vergleichbares dagegen nicht vor. Das beruht auf dem Zweck der Vorschrift. Sie soll nicht die Anforderungen an eine tatsächliche Inanspruchnahme für eine Verwaltungsaufgabe vor dem 3. Oktober 1990 im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG festlegen. Sie soll vielmehr bestimmen, welche dieser Flächen einer solchen Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG heute noch dienen. Dafür sollen bei Straßen, Wegen und Plätze sowie den Wasserstraßen und Eisenbahnlinien die allgemein geltenden Regelungen zur Anwendung kommen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6204 S. 15). Wo es dagegen solche allgemeinen Regelungen nicht gibt, verzichtet der Gesetzgeber auf Förmlichkeiten. So liegt es bei Grünanlagen.
c) Für eine tatsächliche Inanspruchnahme der begrünten Fläche im Hinterhof der Beklagten für eine Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG genügt allerdings ein, wie es das Berufungsgericht formuliert, „öffentlicher Zugang, mag er auch nicht leicht auffindbar gewesen sein“, nicht. Eine solche Inanspruchnahme setzt vielmehr voraus, dass die zuständigen staatlichen Stellen vor dem 3. Oktober 1990 die Sachherrschaft über den begrünten Teil eines solchen Hinterhofs ausgeübt und diesen für einen Außenstehenden erkennbar dem öffentlichen Verkehr geöffnet haben, dass dieser tatsächlich als solcher wahrgenommen worden ist und dass dieser Zustand heute noch besteht.
aa) Die Begrünung eines privaten Hinterhofs kommt, auch wenn sie mit öffentlichen Mitteln finanziert worden ist, gewöhnlich weder der Öffentlichkeit insgesamt noch Teilen derselben, sondern allein den Bewohnern der Gebäude zugute, von denen aus der Hinterhof erreicht werden kann. Denn ein solcher Hinterhof ist anderen Interessierten normalerweise nicht zugänglich. Daran änderte es im Grundsatz nichts, wenn die Haustüren oder Hofeinfahrten der angrenzenden Häuser (tagsüber) offen stünden und der Hinterhof deshalb auch von anderen als den Bewohnern dieser Häuser betreten werden könnte. Denn er würde auch dann von jedem Außenstehenden als privates befriedetes Besitztum erkannt, zu dessen Betreten nicht jeder eingeladen ist. Das wäre im Kern nicht anders, wenn die Eigentümer der die Hoffläche umgebenden Häuser den Bewohnern dieser Häuser die Benutzung aller Teile des Innenhofs ohne Rücksicht auf deren Zuordnung zu den Grundstücken gestattet hätten. Denn zur Benutzung eines in diesem Sinne „bewohneröffentlichen“ Innenhofs ist ebenfalls nicht jeder zugelassen, sondern nur, wer zu dem Kreis der Bewohner zählt.
bb) Zu einer im Sinne des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes öffentlichen Fläche würde der Innenhof schließlich auch dann nicht, wenn er auf Veranlassung der privaten Eigentümer nicht nur den Nutzern der umgebenden Häuser, sondern ganz allgemein der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden wäre. Er hätte dann zwar einen Nutzen für die Allgemeinheit gewonnen, wäre aber eine private Fläche geblieben. Die Sachherrschaft der privaten Eigentümer hätte unverändert fortbestanden. Es hätte weiterhin allein in ihrem Belieben gestanden, welchen Teilen der Öffentlichkeit sie zu welchen Bedingungen die Hoffläche seinerzeit öffneten und künftig öffnen wollen. Einer solchen privat-öffentlichen Nutzung fehlt das entscheidende Element, welcher die öffentliche Nutzung eines privaten Grundstücks zu einer Inanspruchnahme des Grundstücks für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VerkFlBerG werden lässt, die wiederum Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes ist: die öffentliche Sachherrschaft.
cc) Es kommt deshalb entscheidend darauf an, ob der Hinterhof vor dem 3. Oktober 1990 nicht notwendig ständig, aber doch in nennenswertem zeitlichem Umfang für die Öffentlichkeit zugänglich war. Ferner musste damals erkennbar sein, dass der Hinterhof kein gewöhnliches befriedetes Besitztum, sondern - etwa im Sinne einer „Stadtoase“ - der Öffentlichkeit allgemein und nicht nur den Bewohnern der umgebenden Häuser zugänglich sein sollte. Er muss weiter seinerzeit tatsächlich in nennenswertem Umfang von der Öffentlichkeit als Erholungs- und Entspannungsort angenommen worden sein. Die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Bedingungen der begrünte Teil des Hinterhofs der Öffentlichkeit zugänglich ist, musste schließlich vor dem 3. Oktober 1990 den privaten Grundstückseigentümern aus der Hand genommen worden und dauerhaft auf die zuständigen staatlichen Stellen übergegangen sein. Dieser Zustand muss heute noch bestehen. Andernfalls wäre der Hinterhof damals ein privates Refugium geblieben oder wieder ein solches Refugium geworden, für das ein Ankaufsrecht öffentlicher Nutzer nicht vorgesehen ist und auch nicht gerechtfertigt wäre. Feststellungen dazu fehlen bislang.
2. In entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG kommt ein Ankaufsrecht des Klägers ferner nur in Betracht, wenn die öffentliche Nutzung der begrünten Teilfläche des Hinterhofs auf dem Grundstück der Beklagten am 3. Oktober 1990 die private Nutzung durch die Bewohner der angrenzenden Gebäude überwog.
a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG findet das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz nur im Fall überwiegender öffentlicher Nutzung Anwendung, wenn das von dem öffentlichen Nutzer in Anspruch genommene Gebäude oder die bauliche Anlage auch anderen als öffentlichen Zwecken dient. Hier geht es weder um die Nutzung eines Gebäudes noch um die Nutzung einer baulichen Anlage, sondern um die gemischte Nutzung einer privaten Hinterhoffläche. Sie wird vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.
b) Auf diese Fallgestaltung ist die Vorschrift aber entsprechend anzuwenden.
aa) Die Vorschrift weist eine planwidrige Lücke auf. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die Inanspruchnahme privater Grundstücke durch öffentliche Nutzer nicht immer zu einer Verdrängung der bestehenden privaten Nutzung auf dem ganzen Grundstück oder auf bestimmten Teilen davon führt. Das Ankaufsrecht soll dann nur bestehen, wenn die öffentliche Nutzung bei wertender Betrachtung überwiegt (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 14/6204 S. 14 zu Satz 3). Nicht erkannt hat der Gesetzgeber indessen, dass es eine solche Mischnutzung nicht nur bei der Inanspruchnahme von Gebäuden und baulichen Anlagen durch den öffentlichen Nutzer geben kann, sondern auch bei der Inanspruchnahme von Flächen. Die Inanspruchnahme einer Fläche durch einen öffentlichen Nutzer wird zwar in der Mehrzahl der Fälle zur Verdrängung der privaten Nutzung führen. Das ist aber gerade dann anders, wenn der öffentliche Nutzer eine Fläche in Anspruch nimmt, die inmitten eines befriedeten privaten Besitztums liegt, und diese der Öffentlichkeit zugänglich macht. Dann besteht die private Nutzung des befriedeten Besitztums unverändert fort; hinzu tritt die - hier allerdings erst noch festzustellende - staatlich veranlasste Nutzung durch die Allgemeinheit.
bb) Hätte der Gesetzgeber diese Fallgruppe erkannt, hätte er sie in die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG aufgenommen oder für sie eine inhaltsgleiche Regelung geschaffen. Das ergibt sich zwingend aus der Begründung, die der Gesetzgeber für diese Regelung gegeben hat. Auf das Überwiegen der öffentlichen Nutzung sollte es wegen der für das Erwerbsrecht der öffentlichen Hand vorgesehenen, „gerade an die öffentliche Nutzung anknüpfenden Preisgestaltung“ ankommen (BT-Drucks. 14/6204 S. 14). Das Besondere dieser Preisgestaltung besteht darin, dass der Ankaufspreis, anders als nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, nicht die Hälfte, sondern - wegen des Vorwegabzugs von einem Drittel des Bodenwerts gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 VerkFlBerG - im Ergebnis nur ein Drittel des Bodenwerts beträgt (§ 6 VerkFlBerG), und vor allem darin, dass der Ankaufspreis für alle Verkehrsflächen nach § 5 Abs. 1 VerkFlBerG nur ein Fünftel des Bodenwerts beträgt und zudem auf einen von der Gemeindegröße abhängigen Betrag von zwischen 5 €/m² und 15 €/m² begrenzt ist. Zu diesen aus seiner Sicht extrem niedrigen Preisen soll der private Eigentümer sein Land dem öffentlichen Nutzer nur verkaufen müssen, wenn dessen Nutzung überwiegt. Diese Preisgestaltung rechtfertigt sich verfassungsrechtlich mit den Belastungen (Unterhaltungskosten, mangelnder Ertrag) der öffentlichen Hand durch solche Flächen (dazu Senat, Urteil vom 20. Juni 2008 - V ZR 149/07, NJW-RR 2008, 1548, 1550 f. Rn. 16 ff.). Eine entsprechende Belastung kann bei einer gemischten privaten und öffentlichen Nutzung nur angenommen werden, wenn die öffentliche Nutzung überwiegt. In dieser Hinsicht ergeben sich zwischen der gemischten Nutzung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage einerseits und einer begrünten Fläche andererseits keine Unterschiede. Der Gesetzgeber hätte deshalb das Regelungsprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG unterschiedslos auch auf diese Fallgruppe angewandt, hätte er diese als Regelungsproblem erkannt.
cc) Für die Beantwortung der Frage nach einem Überwiegen der öffentlichen Nutzung kommt es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ankaufsverlangens, sondern auf die Verhältnisse am 3. Oktober 1990 an (Senat, Urteil vom 6. Oktober 2006 - V ZR 138/05, LKV 2007, 190 Rn. 8). Diese überwiegende öffentliche Nutzung muss auch heute noch gegeben sein. Andernfalls diente das Grundstück nicht mehr im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG der Verwaltungsaufgabe. Zu beidem hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen. Sie werden nachzuholen sein.
3. In der neuen Verhandlung wird auch die rechtliche Einordnung der begrünten Fläche als öffentliche Grünanlage im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 5 VerkFlBerG oder als andere begrünte Fläche zu überprüfen sein. Richtig ist zwar, dass die eine öffentliche Parkfläche oder Grünanlage prägende Funktion, soweit hier relevant, darin besteht, gärtnerisch gestaltete Natur für die Erholung der Bevölkerung zu erschließen, und dass es für die Einordnung darauf ankommt, ob die Anlage ihrem Gesamtcharakter nach eine Gartenanlage oder, was hier auch in Betracht kommt, ein Kinderspielplatz ist (Senat, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 122/05 NJW-RR 2006, 805, 807 Rn. 17, 19). Dabei darf aber die begrünte Fläche des Hinterhofs nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr muss in die Wertung auch der Umstand einbezogen werden, dass die Fläche in einem Innenhof liegt. Sollte dieser der Anlage ihr Gepräge geben, handelte es sich nicht um eine öffentliche Grünanlage in einem Innenhof, für die der begrenzte Ankaufspreis nach § 5 Abs. 1 VerkFlBerG gilt, sondern um einen begrünten Innenhof. Der aber stellte eine sonstige Fläche dar, für die der Ankaufspreis nach § 6 VerkFlBerG maßgeblich ist. Auch insoweit kommt es auf die Verhältnisse am 3. Oktober 1990 und darauf an, ob der damalige Zustand heute noch besteht.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Kazele