Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.07.2012


BGH 20.07.2012 - V ZR 135/11

Auslegung eines über eine in Deutschland belegene Sache geschlossenen Vertrages nach ausländischem Recht: Eigentumsübertragung an in einem deutschen Lager für Kernbrennstoffe gelagertem Uran


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.07.2012
Aktenzeichen:
V ZR 135/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 4. Mai 2011, Az: 3 U 29/10vorgehend BGH, 22. Februar 2010, Az: II ZR 287/07, Urteilvorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 13. Juni 2007, Az: 4 U 64/00, Urteilvorgehend LG Osnabrück, 17. März 2000, Az: 3 HO 127/96
Zitierte Gesetze
Art 43 Abs 1 BGBEG

Leitsätze

Wird über eine in Deutschland belegene Sache ein Vertrag nach ausländischem Recht abgeschlossen und ist fraglich, ob das Eigentum übergehen soll, muss der Vertrag zunächst nach den von dem Vertragsstatut vorgegebenen Regeln ausgelegt werden; deutsches Recht als lex rei sitae entscheidet darüber, ob eine danach vereinbarte Eigentumsübertragung auch den Anforderungen an eine dingliche Einigung gemäß § 929 Satz 1 BGB entspricht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 4. Mai 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsverfahren, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen einer Hauptintervention der Klägerin um die Rechte an angereichertem Uran 235, an dem die Klägerin, eine Schweizer Bank, ein vertragliches Pfandrecht für sich in Anspruch nimmt. In dem im Hinblick auf die Interventionsklage ausgesetzten Hauptprozess verlangt die Beklagte zu 1, ein Unternehmen brasilianischen Rechts, ihrerseits die Herausgabe des Urans von der Beklagten zu 2, einem deutschen Unternehmen.

2

Die Anreicherung des Urans erfolgte in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Auftrag der Beklagten zu 1 durch die U.     Ltd. in Großbritannien. Anschließend lagerte die Beklagte zu 1 unter anderem das in vierzehn Zylindern befindliche Uran in einem von der Beklagten zu 2 in Deutschland betriebenen Lager für Kernbrennstoffe ein.

3

Die Klägerin gewährte der NEAG, einer Aktiengesellschaft Schweizer Rechts, ein Darlehen über 18,5 Mio. US-Dollar. In einem im Jahr 1989 geschlossenen Vertrag einigten sich die Klägerin und die NEAG über die Bestellung eines Pfandrechts an allen künftig in gesonderter Korrespondenz bezeichneten Waren.

4

Am 7. März 1994 schloss die Beklagte zu 1 mit der NEAG unter anderem über das in den vierzehn Zylindern gelagerte Uran einen Sachdarlehensvertrag (loan agreement) nach brasilianischem Recht. Nach dessen Bestimmungen war das Uran von dem Darlehensgeber, der Beklagten zu 1, in dem Lager der Beklagten zu 2 an den Darlehensnehmer, die NEAG, zu liefern; das Eigentum sollte bei der Lieferung übergehen. Im April 1994 wies ein als Vertreterin der NEAG auftretendes und mit dieser konzernmäßig verbundenes Unternehmen, die NTC mit Sitz in Colorado/USA, die Beklagte zu 1 an, das Uran zum 25. April 1994 auf das Materialkonto der SPC, eines Tochterunternehmens der Beklagten zu 2, zu übertragen. Aufgrund dessen erteilte das Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1, Direktor S.   , der Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 18. April 1994 folgende, auf die Zylinder nebst Inhalt bezogene Anweisung:

„bitte übertragen Sie das oben genannte Material zum 25.4.1994 auf Materialkonto der SPC bei der [Beklagten zu 2]. …

Wir bitten Sie, der SPC zu bestätigen, dass die … Zylinder mit angereichertem UF 6 für die SPC gehalten werden und jederzeit an einen anderen Ort verlagert werden können. Die SPC ist darüber informiert, dass die … Zylinder Eigentum der [Beklagten zu 1] sind.“

5

Hintergrund dessen war, dass sich die NTC ihrerseits mit einem dem Recht des US-Bundesstaates Colorado unterstellten Vertrag vom 8. April 1993 verpflichtet hatte, der SPC Uran zu überlassen. Einer Absichtserklärung der NTC vom 18. April 1994 zufolge sollte der SPC unter anderem das in Rede stehende Uran zur Verfügung gestellt werden.

6

Die Beklagte zu 2 schrieb daraufhin der SPC - nachrichtlich der Beklagten zu 1 - am 20. April 1994, dass sie das Uran gemäß Anweisung der Beklagten zu 1 zum 29. April 1994 auf das Materialkonto der SPC übertragen werde. Am 29. April 1994 wandte sich das Vorstandsmitglied S.     der Beklagten zu 1 an die SPC mit der Bitte, das Uran nunmehr dem von der SPC für die NTC geführten Materialkonto gutzuschreiben. Dies bestätigte die SPC der NTC am 3. Mai 1994. Die Lager- und Versicherungskosten für das Uran stellte die Beklagte zu 2 der Beklagten zu 1 im September 1994 zunächst nur für die Zeit bis zum 28. April 1994 in Rechnung.

7

Im Februar 1995 fiel die NTC in Konkurs. Die Beklagte zu 1 erklärte daraufhin gegenüber der NEAG die Anfechtung sämtlicher Erklärungen ihres Vorstandmitglieds S.     . Im März 1995 nahm die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2 ein Pfandrecht an dem für die NEAG gelagerten Uran in Anspruch; im April 1995 kündigte sie das der NEAG gewährte Darlehen. Im September 1995 übersandte die NTC der Klägerin auf deren an die NEAG gerichtete Aufforderung, die Zylinder zu bezeichnen, an denen ihr ein Pfandrecht zukomme, eine Liste über die vierzehn Zylinder mit dem Vermerk „Held for UBS“. Ebenfalls im September 1995 stellte die Beklagte zu 2 der Beklagten zu 1 Lager- und Versicherungskosten auch für die Zeit vom 29. April bis zum 31. Dezember 1994 in Rechnung. Im April 1996 fiel die NEAG in Konkurs.

8

Die Klägerin hat mit ihrer Hauptintervention die Feststellung, dass der Beklagten zu 1 kein Herausgabeanspruch gegen die Beklagte zu 2 zusteht, sowie die Verurteilung der Beklagten zu 2 zur Herausgabe des näher bezeichneten Urans an sie beantragt, hilfsweise die Feststellung, dass der Klägerin eine Forderung der NEAG gegen die Beklagte zu 2 auf Verschaffung einer näher bezeichneten Menge Urans zur Sicherheit abgetreten worden ist. Das Landgericht hat den Hauptanträgen stattgegeben. Die - zugleich als Streithelferin der Beklagten zu 2 eingelegte - Berufung der Beklagten zu 1 ist nach einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 22. Februar 2010 (II ZR 287/07, juris) hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das die Klage nunmehr abgewiesen hat. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte zu 1 - zugleich als Streithelferin der Beklagten zu 2 - beantragt, will die Klägerin die Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

9

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 auf Herausgabe des Urans nach deutschem Sachrecht. Die Klägerin habe kein vertragliches Pfandrecht an dem Uran erlangt. Weil es zu keinem Zeitpunkt im Eigenbesitz der Verpfänderin, der NEAG, gestanden habe, habe die NEAG den Besitz nicht gemäß § 1205 Abs. 2 BGB auf die Klägerin übertragen können. Eigenbesitzerin sei die SPC gewesen, die das Uran im April 1994 auf Geheiß der NEAG von der Beklagten zu 1 erworben habe; der Besitz sei ihr auf Grund der durch die Beklagte zu 1 erteilten Anweisung vom 18. April 1994 durch die Beklagte zu 2 vermittelt worden. Die SPC habe indes den Besitz nicht der NTC weitervermittelt, weshalb diese auch nicht der NEAG den Besitz habe vermitteln können; die zwischen der SPC und der NTC getroffene vertragliche Vereinbarung habe kein Besitzmittlungsverhältnis begründet, weil die SPC zu der Verarbeitung des ihr zur Verfügung gestellten Urans berechtigt gewesen sei und sie der NTC lediglich Sicherungseigentum eingeräumt habe.

10

Ein Pfandrecht zugunsten der Klägerin sei auch nicht dadurch begründet worden, dass die NEAG bei der auf ihr Geheiß erfolgten Eigentumsübertragung von der Beklagten zu 1 auf die SPC für eine „logische Sekunde“ Eigentümerin des Urans gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die Pfandsache noch nicht - wie in der zwischen der Klägerin und der NEAG getroffenen Vereinbarung über die Pfandrechtsbestellung gefordert - hinreichend konkretisiert gewesen; die Konkretisierung sei frühestens im März 1995 erfolgt, als die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2 ein Pfandrecht an dem von dieser gelagerten Uran in Anspruch genommen habe.

11

Der Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Der NEAG habe weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht der Beklagten zu 1 ein Anspruch auf Herausgabe des Urans gegen die Beklagte zu 2 zugestanden, den sie an die Klägerin hätte abtreten können.

12

Da die Klägerin an dem Uran keine Rechte erworben habe, fehle es für ihren Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte zu 1 ihrerseits nicht die Herausgabe des Urans von der Beklagten zu 2 verlangen könne, an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

II.

13

Die Revision hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lassen sich weder ein Pfandrechtserwerb der Klägerin noch das Rechtsschutzinteresse für den auf negative Feststellung gerichteten Antrag verneinen.

14

1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass sich die Bestellung des Pfandrechts ebenso wie die weiteren sachenrechtlichen Tatbestände nach deutschem Recht als der zur Zeit der fraglichen Rechtsänderungen maßgeblichen lex rei sitae beurteilen; die nachträgliche Verbringung des Urans in das Ausland durch die Beklagte zu 2 ändert daran nichts (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - VIII ZR 153/64, BGHZ 45, 95, 99 f.; MünchKomm-BGB/Wendehorst, 5. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 128). Die wirksame Bestellung eines Pfandrechts zugunsten der Klägerin setzt gemäß § 1205 BGB unter anderem voraus, dass die NEAG ihren mittelbaren Besitz auf die Klägerin übertragen hat. Den mittelbaren Besitz hätte die NEAG erlangt, wenn die Beklagte zu 2 als unmittelbare Besitzerin der SPC, diese der NTC und diese der NEAG den Besitz vermittelt hätten. Im Hinblick auf die jeweiligen Besitzkonstitute im Sinne von § 868 BGB ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass diese gesondert anzuknüpfen sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2010 - II ZR 287/07, juris Rn. 29; MünchKomm-BGB/Wendehorst, aaO Rn. 83 mwN). Nach deutschem Recht als lex rei sitae beurteilt sich nur, ob die dem ausländischen Recht unterstellte Vertragsbeziehung den in § 868 BGB geregelten Vertragsverhältnissen gleichzusetzen ist. Auf die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen der SPC und der NTC ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die in der Revisionsbegründung nicht angegriffen werden, das Recht des US-Bundesstaates Colorado anwendbar.

15

2. Das Berufungsgericht ist im Wege der Auslegung der zwischen der NTC und der SPC bestehenden Absprachen zu dem Ergebnis gelangt, die SPC habe das Uran nicht für die NTC besitzen, sondern selbst Eigentum erlangen sollen. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

16

a) Allerdings ist die Auslegung eines einer ausländischen Rechtsordnung unterstehenden Vertrags jedenfalls gemäß § 545 Abs. 1 ZPO in der maßgeblichen bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung (Art. 111 Abs. 1 und 2, Art. 112 Abs. 1 FGG-RG) nicht revisibel, weil die Bestimmungen über die Vertragsauslegung als Bestandteil des ausländischen Rechts nicht nachprüfbar sind. Grundsätzlich zulässig ist jedoch die auf § 293 ZPO gestützte Verfahrensrüge, mit der eine unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts geltend gemacht wird. Aus dieser Norm leitet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Pflicht des Tatrichters ab, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln. Wie sich der Tatrichter die erforderliche Kenntnis des ausländischen Rechts verschafft, steht zwar in seinem Ermessen. Die Entscheidungsgründe müssen aber erkennen lassen, dass er dieses Ermessen tatsächlich ausgeübt hat (vgl. nur Senat, Urteile vom 6. November 1998 - V ZR 224/97, ZfIR 1999, 264, 265 f.; vom 8. Mai 1992 - V ZR 95/91, NJW 1992, 3106 f.; vom 24. November 1989 - V ZR 240/88, NJW-RR 1990, 248, 249; BGH, Urteil vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01, NJW-RR 2002, 1359 ff.).

17

b) Daran gemessen rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht das von ihm für anwendbar erachtete Recht des US-Bundesstaates Colorado bei der Auslegung der vertraglichen Absprachen zwischen der SPC und der NTC nicht ermittelt hat. Es hat festgehalten, es gebe keine Zweifelsfragen, die die Heranziehung des Rechts des US-Bundesstaates Colorado erforderlich machten. Gleichwohl hat es den Vertrag ausgelegt, ohne zu erkennen zu geben, welchen Auslegungsregeln es dabei gefolgt ist, und hat mit seiner Annahme, die SPC habe das Eigentum erlangen und das Uran deshalb nicht für die NTC besitzen sollen, den klaren Wortlaut der vertraglichen Vereinbarungen in sein Gegenteil verkehrt. Gemäß Nr. 5 des Vertrags über die Lagerung von angereichertem Uran vom 8. April 1993 sollte das Eigentumsrecht an dem von der NTC zur Lagerung an die SPC gelieferten Kernmaterial zu jeder Zeit bei der NTC verbleiben. Eine nahezu wortgleiche Regelung findet sich in der - von der SPC gegengezeichneten - Absichtserklärung der NTC vom 18. April 1994, die sich (unter anderem) auf die Lieferung des von der Klägerin mit der Hauptintervention beanspruchten Urans bezog. In dieser Erklärung ist ferner ausgeführt, dass die SPC jedem von der NTC benannten Dritten bestätigen wird, dass sie das Kernmaterial für die NTC verwahrt. Nichts anderes folgt aus der der SPC erteilten Erlaubnis zu der Verarbeitung des Urans. Dafür sprechen - wie die Revision mit Recht hervorhebt - ebenfalls sowohl der eindeutige Wortlaut als auch der systematische Zusammenhang der in Nr. 5 des Vertrags vom 8. April 1993 getroffenen Absprachen. Denn im Anschluss an die Regelung des Eigentums der NTC folgt unmittelbar und „dessen ungeachtet“ die Erlaubnis der SPC zu der Verarbeitung des „eingelagerten [Kernmaterials]“.

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c) Die Ermittlung der maßgeblichen nach dem Recht des US-Bundesstaates Colorado zu bestimmenden Auslegungsregeln war schon deshalb unverzichtbar, weil dem Wortlaut bei der Auslegung schriftlicher Verträge jedenfalls in der herkömmlichen US-amerikanischen Rechtstradition noch weitaus größere Bedeutung beigemessen wird als nach kontinentaleuropäischem Recht. Auch wird die Heranziehung von außerhalb der Urkunde liegenden Umständen bei einem klaren Wortlaut regelmäßig als unzulässig angesehen (vgl. nur Harrer/Wiegmann in Assmann/Bungert, Handbuch des US-amerikanischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, Band 1, S. 78; Merkt, ZHR 171 (2007), 490, 496 f.). Dagegen bedurfte es nicht zwingend - wie die Revision meint - einer weiteren Ermittlung des ausländischen Rechts im Hinblick auf die Regelung der Eigentumsverhältnisse nach einer erfolgten Verarbeitung. Denn entscheidend ist, wie die Parteien die Eigentums- und Besitzverhältnisse vor einer solchen Verarbeitung gestalten wollten.

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3. Begründet ist die Revision auch insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Feststellungsantrags richtet. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin fehle es in Ermangelung eines eigenen Rechts an dem Uran an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte zu 1 nicht die Herausgabe der Zylinder von der Beklagten zu 2 verlangen könne, erweist sich nach den obigen Ausführungen als rechtsfehlerhaft.

III.

20

Die Sache ist danach nicht zur Entscheidung reif. Für das weitere Verfahren erteilt der Senat die folgenden Hinweise:

21

1. Die Entstehung eines Pfandrechts der Klägerin setzt gemäß § 1205 BGB voraus, dass sich die NEAG als Eigentümerin mit der Klägerin über die Bestellung eines Pfandrechts geeinigt und ihr das Uran übergeben hat.

22

a) Grundlage der Pfandrechtsbestellung war der Vertrag aus dem Jahr 1989. Die erforderliche Konkretisierung der verpfändeten Gegenstände dürfte jedenfalls im September 1995 eingetreten sein, als die Klägerin die NEAG um Klarstellung bat, an welchen Zylindern sie ein Pfandrecht habe, und die NTC der Klägerin daraufhin die Liste der streitgegenständlichen Zylinder mit dem Vermerk „Held for UBS“ übersandte.

23

b) Das Eigentum der NEAG ist zu prüfen.

24

aa) Die für einen Eigentumserwerb von der Beklagten zu 1 gemäß § 929 Satz 1 BGB erforderliche Einigung kann durch den zwischen der Beklagten zu 1 und der NEAG nach brasilianischem Recht geschlossenen Sachdarlehensvertrag vom 7. März 1994 zustande gekommen sein. Seine dahingehende Auffassung müsste das Berufungsgericht allerdings begründen und darlegen, aus welcher konkreten vertraglichen Abrede es dies herleitet.

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bb) Das Uran muss der NEAG übergeben worden sein. Eine Abtretung des schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs, die Voraussetzung für eine Übergabe gemäß § 929 Satz 1, § 870 BGB oder ein Übergabesurrogat gemäß § 931 BGB wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. In Betracht kommt aber eine Übergabe gemäß § 929 Satz 1 BGB. Sie kann auch erfolgen, indem der Besitzer entweder mit dem Erwerber selbst oder mit einem von diesem bestimmten Dritten ein neues Besitzmittlungsverhältnis begründet (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 244/83, BGHZ 92, 280, 288; MünchKomm-BGB/Oechsler, 5. Aufl., § 929 Rn. 66 jeweils mwN). Danach reichte es für die Übergabe an die NEAG aus, wenn der Veräußerer (Beklagte zu 1) seinen mittelbaren Besitz aufgegeben und der unmittelbare Besitzer (Beklagte zu 2) auf Weisung des Erwerbers (NEAG) ein Besitzmittlungsverhältnis mit einem von dem Erwerber bestimmten Dritten (SPC, NTC) begründet hätte.

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(1) Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht teilweise bereits geprüft. Soweit es die tatsächlichen Umstände dahingehend gewürdigt hat, die Beklagte zu 1 habe ihren mittelbaren Besitz aufgegeben und die Beklagte zu 2 habe infolge ihrer Anweisungen der SPC den Besitz vermittelt, sind seine Ausführungen rechtsfehlerfrei. Der Korrespondenz zwischen den Beklagten im April 1994 hat das Berufungsgericht entnommen, dass nach dem 29. April 1994 nicht die Beklagte zu 1, sondern die SPC mittelbare Besitzerin sein sollte. Dass eine interne Umbuchung bei der Beklagten zu 2 unterblieben ist, hat es dabei unterstellt. Es hat das Schreiben des Direktors S.    der Beklagten zu 1 vom 18. April 1994 an die Beklagte zu 2, das darauf folgende Schreiben der Beklagten zu 2 vom 20. April 1994 an die SPC und die Anweisung des Direktors S.    vom 29. April 1994 an die SPC dahingehend gewürdigt, dass der mittelbare Besitz der Beklagten zu 1 beendet werden sollte. In diesem Zusammenhang hat es erläutert, dass die Erwähnung der im Eigentum der Beklagten zu 1 stehenden Zylinder allein auf die Behälter bezogen war. Einbezogen hat es auch, dass die Beklagte zu 2 die Verwahrungskosten der Beklagten zu 1 zunächst nur bis zum 28. April 1994 in Rechnung stellte. Mit dem Schreiben der Beklagten zu 2 vom 16. Mai 1994 hat es sich befasst und ist nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass diese den dort eingenommenen Rechtsstandpunkt anschließend korrigiert hat.

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Das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 12. September 1994 ist mit dem Ergebnis des Berufungsgerichts ohne weiteres in Einklang zu bringen, weil darin von einer erfolgten Übertragung des Materials auf das Konto der SPC und einem Eigentumserwerb der NEAG ausgegangen wird. Auch der von der Revisionserwiderung herangezogene Schriftsatz der Beklagten zu 2 vom 19. November 2010 steht dazu nicht im Widerspruch. Die Beklagte zu 2 hat darin gerade nicht die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 1 habe auch nach April 1994 an ihrem Anspruch festgehalten; sie hat vielmehr vorgetragen, ein Gläubigerwechsel sei aus ihrer Sicht eindeutig erfolgt, zwar nicht durch die Umbuchung auf die - zu ihrem Konzern gehörige - SPC, aber jedenfalls durch die Übertragung des Urans auf das Materialkonto der NTC von Seiten der SPC. Ohnehin ist entscheidend, wie die Vertragspartner der Beklagten zu 2 deren Schreiben verstehen mussten.

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(2) Nicht geprüft hat das Berufungsgericht bislang, ob die Beklagte zu 1 bei ihren Anweisungen in dem Verhältnis zu den jeweiligen Vertragspartnern wirksam durch ihren Direktor S.    vertreten worden ist. Maßgeblich ist sowohl für die Stellvertretung als auch für die Rechtsscheinhaftung das brasilianische Recht; auf die Ausführungen des Senats in dem Urteil vom heutigen Tage in der Sache V ZR 142/11 wird Bezug genommen. Insoweit fehlt es noch an einer tatrichterlichen Würdigung. Das gilt ebenso für die von der Beklagten zu 1 erklärte Anfechtung der Erklärungen des Direktors S.   .

29

cc) Die NEAG muss auch im Zeitpunkt der Konkretisierung der Pfandsache, spätestens also im September 1995, noch Eigentümerin gewesen sein; dagegen hat das Berufungsgericht gemeint - was eher fernliegt -, die NEAG habe nur „für eine logische Sekunde“ Eigentum erlangt, weil die NTC das Uran an die SPC übereignet habe.

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(1) Im Hinblick darauf bedarf es - wie ausgeführt - einer rechtsfehlerfreien Auslegung der vertraglichen Absprachen zwischen der NTC und der SPC nach dem Recht des US-Bundesstaates Colorado im Hinblick darauf, ob die Parteien nur einen Verwahrungs- bzw. Lagervertrag abschließen wollten oder ob tatsächlich eine Eigentumsübertragung beabsichtigt war. Das gilt zunächst für die dingliche Einigung zwischen der NTC und der SPC, die das Berufungsgericht diesen Absprachen entnommen hat. Zwar bestimmen sich die sachenrechtlichen Anforderungen an die Eigentumsübertragung nach dem deutschen Recht als lex rei sitae. Wird jedoch über eine in Deutschland belegene Sache ein Vertrag nach ausländischem Recht abgeschlossen und ist fraglich, ob das Eigentum übergehen soll, muss der Vertrag zunächst nach den von dem Vertragsstatut vorgegebenen Regeln ausgelegt werden (vgl. Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht [1996] Rn. 296; MünchKomm-BGB/Wendehorst, 5. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 82; Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 43 EGBGB Rn. 4); deutsches Recht als lex rei sitae entscheidet darüber, ob eine danach vereinbarte Eigentumsübertragung auch den Anforderungen an eine dingliche Einigung gemäß § 929 Satz 1 BGB entspricht.

31

(2) Soweit das Berufungsgericht eine dingliche Einigung in dem Verhältnis zwischen der NTC und der SPC nach deutschem Recht angenommen hat, sind seine Ausführungen zudem in sich widersprüchlich. Es meint nämlich, dass der SPC - aufgrund der ihr in Nr. 2.2 des Lagervertrags gestatteten Verarbeitung - das Eigentum an dem Uran zugestanden habe; zugleich sei der NTC das Sicherungseigentum hieran eingeräumt worden. Dabei hat sich das Berufungsgericht möglicherweise von der Vorstellung leiten lassen, eine geplante Verarbeitung lasse darauf schließen, dass nur eine Übertragung des Eigentums auf den Verarbeitenden dem Parteiwillen entspreche. Das trifft jedenfalls nach deutschem Recht nicht zu, weil die Verarbeitungsbefugnis als solche nichts über die beabsichtigte Gestaltung der Eigentumsverhältnisse besagt. Auf jeden Fall schließt nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Sachenrecht das Eigentum der SPC ein gleichzeitig bestehendes Sicherungseigentum der NTC an dem Material aus. Zudem setzt ein (wirksames) Sicherungseigentum der NTC gemäß § 930 BGB ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen der NTC und der SPC voraus, das das Berufungsgericht aber gerade verneint hat.

32

c) Um das Uran verpfänden zu können, muss die NEAG im September 1995 auch mittelbaren Besitz gehabt haben. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die SPC das Uran für die NTC besaß, müsste es Feststellungen zu dem Innenverhältnis zwischen NTC und NEAG treffen. Dafür, dass in diesem Verhältnis die NEAG Eigentümerin war und die NTC ihr den Besitz (weiter)vermittelte, könnte der in dem Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebene Vertrag vom 1. Januar 1989 sprechen.

33

d) Bestand eine Besitzmittlungskette von der Beklagten zu 2 über die SPC und die NTC zu der NEAG, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die für die Pfandrechtsbestellung erforderliche Übergabe gemäß § 929 Satz 1, § 1205 Satz 1 BGB oder gemäß § 1205 Abs. 2 BGB erfolgt ist (siehe dazu MünchKomm-BGB/Damrau, 5. Aufl., § 1205 Rn. 18). Denn jedenfalls dürfte die gemäß § 1205 Abs. 2 BGB erforderliche Anzeige an den Besitzer vorliegen, die nur gegenüber dem nächsten mittelbaren Besitzer - hier der NTC - erfolgen muss (Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 1205 Rn. 9). Deren Schreiben mit dem Vermerk „Held for UBS“ lässt sich so verstehen, dass sie von der NEAG angewiesen worden war, fortan der Klägerin als Pfandgläubigerin den Besitz zu mitteln.

34

2. Sollte sachenrechtlich von dem Erwerb eines Pfandrechts auszugehen sein, könnte die Klägerin grundsätzlich die Herausgabe von der Beklagten zu 2 gemäß § 1227, § 985 BGB verlangen; der Eintritt der Pfandreife wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen. Dann wäre allerdings die Wirksamkeit der sachenrechtlichen Vorgänge im Hinblick auf den Vertrag über die Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vom 25. März 1957 (EAGV) zu überprüfen. Dieser wäre nicht anwendbar, wenn die Voraussetzungen des Art. 75 Nr. 1 Buchstabe c EAGV vorlägen. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof auf die Vorlage in dieser Sache bereits entschieden, dass auch eine Anreicherung unter diese Bestimmung fallen kann (EuGH, Urteil vom 12. September 2006 - C 123/04, C 124/04, Slg. 2006, I-7861 Rn. 34 ff.). Zu klären bleibt, ob auch die von dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Anforderungen an die Neutralität der Anreicherung für die Versorgung der Gemeinschaft gemäß Art. 75 Nr. 1 Buchstabe c EAGV vorliegen (EuGH, aaO, Rn. 52 ff.).

35

Sollte das Berufungsgericht die Neutralität für die Versorgung der Gemeinschaft verneinen, wäre der EAGV anwendbar. Dies könnte eine wirksame Pfandrechtsbestellung ausschließen. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Eigentums der Europäischen Atomgemeinschaft gemäß Art. 86 EAGV im Verhältnis zu dem zivilrechtlichen Eigentum hat nämlich der Generalanwalt in seinem Schlussantrag darauf hingewiesen, dass das Gemeinschaftseigentum jedenfalls einem Rechtserwerb durch Sicherungsrechte entgegenstehen müsse, weil derartige Übertragungsmöglichkeiten die Kontrollbefugnisse der Gemeinschaft verhindern würden (Schlussantrag des Generalanwalts Poiares Maduro zu C 123/04 und C 124/04, Rn. 83). Dies könnte nur der Europäische Gerichtshof klären, der sich dazu noch nicht geäußert hat, weil er nach dem damaligen Sachstand von der Neutralität der Anreicherung für die Versorgung der Gemeinschaft auszugehen hatte.

36

3. Im Hinblick auf den negativen Feststellungsantrag ist bislang nicht klar, worauf die Beklagte zu 1 den Anspruch stützt, dessen sie sich berühmt. Wenn das Eigentum - wie sie meint - infolge der Anreicherung durch die URENCO auf die Europäische Atomgemeinschaft übergegangen ist, und auch der Lagervertrag zwischen den Beklagten nach dem EAGV unwirksam war, fehlt es an der erforderlichen Darlegung eines Rechtsgrundes für ihr Herausgabeverlangen.

Krüger                                              Stresemann                                                  Czub

                         Brückner                                                     Weinland