Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.12.2012


BGH 14.12.2012 - V ZR 102/12

Wohnungseigentumsverfahren: Auslegung einer ohne Nennung der beklagten Partei erhobenen Beschlussanfechtungsklage


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
14.12.2012
Aktenzeichen:
V ZR 102/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Itzehoe, 30. März 2012, Az: 11 S 36/11vorgehend AG Eckernförde, 11. Februar 2011, Az: 61 C 5/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Erhebt ein Wohnungseigentümer eine Beschlussanfechtungsklage, ohne die beklagte Partei zu nennen, ist durch Auslegung zu ermitteln, gegen wen sich die Klage richten soll. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er die übrigen Wohnungseigentümer verklagen will.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 30. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 21. April 2010 wurden verschiedene Beschlüsse gefasst. Am 21. Mai 2010 ist bei dem Amtsgericht ein Schreiben der Klägerin eingegangen, das die Überschrift trägt "Anfechtung von Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung am 21.04.2010 ETG K.       Straße 167/169, F.     berg 7 - 11, A.      , Grundbücher von A.     Blatt 3906 - 3994". Darin hat sie unter Beifügung des Einladungsschreibens des Verwalters erklärt, dass sie die Beschlüsse der Eigentümerversammlung zu TOP 4, 5, 7, 8, 9 und 10 zunächst zur Fristwahrung anfechte. Nachdem die Klage dem Verwalter zugestellt worden war, hat der anwaltliche Vertreter der Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010 eine Eigentümerliste eingereicht. Das Amtsgericht hat die Beschlüsse zu TOP 4, 5, 7 und 8 für unwirksam erklärt, hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 10 aufgrund der übereinstimmenden Erklärung der Parteien die Erledigung festgestellt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten zu 1 bis 26 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

2

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin mit sämtlichen Anfechtungsgründen materiell-rechtlich ausgeschlossen, weil sie innerhalb der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 WEG keine wirksame Klage erhoben habe. Ihr Schreiben vom 21. Mai 2010 genüge nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO, da es nicht erkennen lasse, wer Gegner der Anfechtungsklage sei.

II.

3

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

4

1. Die Klägerin hat eine zulässige Klage erhoben. Die Klageschrift genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 1 WEG.

5

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die Parteien ordnungsgemäß bezeichnen. Als Teil einer Prozesshandlung ist eine Parteibezeichnung grundsätzlich auslegungsfähig. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, Urteil vom 27. November 2007 - X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582, 583 mwN). Erhebt ein Wohnungseigentümer eine Beschlussanfechtungsklage, ohne die beklagte Partei zu nennen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass er die übrigen Wohnungseigentümer verklagen will.

6

Hiernach sind vorliegend die übrigen Wohnungseigentümer als Beklagte des Rechtsstreits anzusehen. Zwar ist in der Klageschrift nicht ausdrücklich erwähnt, gegen wen sich die Klage richtet. Das Schreiben der Klägerin lässt jedoch unmissverständlich erkennen, dass sie verschiedene Beschlüsse, die in der Versammlung der Wohnungseigentümer gefasst wurden, anficht. Da als Gegner der Beschlussanfechtungsklage ernsthaft nur die übrigen Wohnungseigentümer in Betracht kommen, besteht bei verständiger Würdigung der in der Klageschrift enthaltenen Angaben kein vernünftiger Zweifel, dass die Klägerin die Wohnungseigentümer der bezeichneten Wohnungseigentumsanlage verklagen wollte.

7

b) Werden die übrigen Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtungsklage verklagt, genügt für ihre nähere Bezeichnung zunächst die bestimmte Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG). Die Bezeichnung der beklagten Wohnungseigentümer ist dagegen nicht erforderlich, wenn sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt wird (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG); geschieht dies nicht oder nicht vollständig, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. zur Möglichkeit der Heilung in der Berufungsinstanz Senat, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rn. 9 und Urteil vom 8. Juli 2011 - V ZR 34/11, ZMR 2011, 976 Rn. 7 sowie zur entsprechenden Anwendung von § 142 ZPO Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 162/11, zur Veröffentlichung bestimmt). Diesen Anforderungen ist genügt. In der Klageschrift wird das gemeinschaftliche Grundstück sowohl nach Postanschrift als auch nach dem Grundbucheintrag bezeichnet. Zudem hat die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung eine Liste der beklagten Eigentümer eingereicht.

8

2. Die Klage ist innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erhoben worden; der Umstand, dass die Namen und ladungsfähigen Anschriften der Beklagten erst danach beigebracht wurden, spielt für die Wahrung der Frist keine Rolle (vgl. Senat, Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 99/10, NJW 2011, 3237 Rn. 12). Daher kommt es darauf an, ob die geltend gemachten Beschlussmängel durchgreifen. Diese Frage hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - nicht geprüft. Die Sache ist daher zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung erforderlichen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Stresemann                             Schmidt-Räntsch                                Roth

                       Brückner                                        Weinland