Entscheidungsdatum: 19.09.2012
1. An der privatrechtlichen Natur eines Grundstückskaufvertrags ändert sich nicht dadurch etwas, dass auf beiden Seiten Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt sind und der Verkäufer mit der Gewährung eines Preisnachlasses einen öffentlichen Zweck verfolgt.
2. Für Streitigkeiten aus einem solchen Vertrag ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 20. April 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 647.223 €.
I.
Mit notariellem Vertrag vom 12. Dezember 1994 verkaufte die Klägerin - die Bundesrepublik Deutschland - dem beklagten Land ein Grundstück. Von dem vereinbarten Kaufpreis, der sich am Verkehrswert des Grundstücks orientierte, gewährte die Klägerin einen Abschlag von 75%. Dieser beruhte auf einem Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 26. März 1993 (VI A 1 - VV 2400 - 1/93); dessen Intention ist es, sicherzustellen, dass die Länder und Gemeinden in den neuen Bundesländern eine angemessene Erstausstattung an Grundstücken für unmittelbare Verwaltungszwecke erhalten. Nach dem Erlass ist die zweckentsprechende Mittelverwendung durch vertragliche Abreden zu gewährleisten. Dem entsprechend verpflichtete sich das beklagte Land in dem notariellen Vertrag, binnen eines Zeitraumes von drei Jahren mit der Errichtung eines Verwaltungszentrums bzw. einer Justizvollzugsanstalt auf dem erworbenen Grundstück zu beginnen und es nach Erstellung 15 Jahre lang für diesen Zweck zu nutzen. Für den Fall, dass das Land der Verpflichtung nicht nachkommen oder das Grundstück veräußern sollte, ist die Klägerin berechtigt, die Nachzahlung des Verbilligungsabschlages zu verlangen. Das beklagte Land zahlte den reduzierten Kaufpreis.
Die Klägerin, die der Meinung ist, die Zweckbindung des Kaufvertrages sei nicht eingehalten worden, begehrt mit der Klage die Nachzahlung des Verbilligungsabschlages. Auf die Rüge des beklagten Landes hat das Landgericht vorab festgestellt, dass der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt das Land weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, weil es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handele. Die Parteien hätten einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen mit der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und der dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang. Zwar stelle der vereinbarte Verbilligungsabschlag eine Subvention dar, die ihrer Natur nach dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Die Gewährung eines Preisnachlasses und die bedingte Möglichkeit der Nachforderung bildeten in dem Gefüge von kaufvertraglichen Rechten und Pflichten aber lediglich einen Bestandteil zur Bestimmung des Umfanges der Leistungspflicht des beklagten Landes und stellten nicht den Hauptzweck des Vertrages dar. Da die Subvention und die Möglichkeit ihrer Rückforderung Bestandteile eines privatrechtlichen Grundstückskaufvertrags seien, leite sich der Zahlungsanspruch auf den Restkaufpreis aus dem Grundstückskaufvertrag als bürgerlichem Rechtsverhältnis ab.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass es sich um eine bürgerliche Streitigkeit gemäß § 13 GVG handelt.
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (GmS-OBG, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OBG 1/85, BGHZ 97, 312, 314 mwN). Für die Zuordnung ist maßgeblich, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich- oder privatrechtlich ausgestaltet sind und welcher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2005 – III ZB 47/04, BGHZ 162, 78, 80 f; Senat, Beschluss vom 6. Juli 2000 – V ZB 50/99, WM 2000, 2118, 2119; BGH, Urteil vom 12. November 1991 – KZR 22/90, BGHZ 116, 339, 342; BVerwGE 92, 56, 59; BVerwGE 22, 138, 140).
2. Der Schwerpunkt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ist dem Zivilrecht zuzuordnen (zu ähnlichen Verträgen vgl. Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531 Rn. 9; Urteil vom 21. Juli 2006 – V ZR 158/05, WM 2006, 2101 Rn. 22; für einen Verbilligungsabschlag im Rahmen sog. „Einheimischenmodelle“: Urteil vom 29. November 2002 – V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 96 f. mwN; BVerwGE 92, 56, 58 f.).
a) Der Vertrag ist seinem wesentlichen Inhalt nach auf die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück der Klägerin gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises gerichtet und damit ein Grundstückskaufvertrag, der dem Zivilrecht (§ 433, § 311b Abs. 1 BGB) zuzurechnen ist. An der privatrechtlichen Natur ändert sich auch dann nichts, wenn auf einer oder beiden Seiten Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt sind (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl., § 14 Rn. 10; Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S. 132; vgl. auch Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2003 – V ZB 8/03, NJW-RR 2004, 142, 143). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erhält der Grundstückskaufvertrag dadurch, dass der erwerbende Verwaltungsträger – was regelmäßig der Fall sein wird – das Grundstück für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nutzen will, nicht einen öffentlich-rechtlichen Charakter. Denn die fiskalische Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Aufgabenerfüllung vollzieht sich grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts (GmS-OBG, Beschluss vom 10. April 1986 – GmS-OBG 1/85, BGHZ 97, 312, 315 f. mwN; Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl., § 13 Rn. 62 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 40 Rn. 25b; Schlette, aaO S. 149).
b) Der Umstand, dass zu dem Grundstückskauf ein weiterer Regelungsgegenstand in Form des Verbilligungsabschlags hinzutritt, mit dessen Gewährung die Klägerin den öffentlichen Zweck verfolgte, dem beklagten Land zu einer angemessenen Ausstattung an Grundstücken für unmittelbare Verwaltungszwecke zu verhelfen, führt nicht dazu, dass der Grundstückskaufvertrag als öffentlich-rechtlich anzusehen wäre. Die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in der Gestaltungsform des Privatrechts hat zwar zur Folge, dass die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert werden können (Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531, 532; BGH, Urteil vom 7. Februar 1985 - III ZR 179/83, BGHZ 93, 372, 381). Solche, auch von den ordentlichen Gerichten zu berücksichtigende (Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505, 3506 mwN), öffentlich-rechtlichen Bindungen ändern aber nichts an der Rechtsnatur des von den Parteien geschlossenen Grundstückskaufvertrages als privatrechtlichem Vertrag.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert der Rechtswegentscheidung hat der Senat gemäß § 3 ZPO auf ein Fünftel des Hauptsachewertes festgesetzt (vgl. Senat, Beschluss vom 18. September 2008 – V ZB 40/08, NJW 2008, 3572, 3574 mwN).
Stresemann Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland