Entscheidungsdatum: 19.01.2017
Die bloße Bitte um Verlegung eines Beurkundungstermins stellt sich auch aus dem objektivierten Empfängerhorizont des Notars regelmäßig nicht als eigenständiges Ersuchen um amtliches Tätigwerden dar, sondern lediglich als notwendige Mitwirkung an der Vorbereitung der Beurkundung.
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 2. Mai 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.608,88 €.
I.
Die Antragstellerin stand mit der P. GmbH (nachfolgend P. GmbH) in Vertragsverhandlungen über den Erwerb eines Grundstücks. Die P. GmbH wandte sich am 26. September 2014 per Email an den Notar (Antragsgegner) mit der Bitte um Fertigung eines Kaufvertragsentwurfs und um einen Beurkundungstermin am 10. Oktober 2014. Der Notar übersandte der Antragstellerin per Email am 30. September 2014 den Vertragsentwurf und teilte mit, dass er für den 10. Oktober 2014 einen Beurkundungstermin reserviert habe. Die Antragstellerin dankte am selben Tage per Email und erklärte, dass die Beurkundung nach soeben erfolgter Absprache mit der P. GmbH am 30. oder 31. Oktober 2014 stattfinden solle. Am Folgetag wurde zwischen dem Büro des Notars und der Antragstellerin als Beurkundungstermin der 30. Oktober 2014 vereinbart. Zur Beurkundung kam es nicht. Der Notar übersandte der Antragstellerin unter dem 29. Juni 2015 eine Kostenberechnung auf der Grundlage der Gebühren für die vorzeitige Beendigung des Beurkundungsverfahrens.
Das Landgericht hat die Kostenberechnung auf Antrag der Antragstellerin aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Notars hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser möchte der Notar die Zurückweisung der Kostenbeschwerde der Antragstellerin erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Antragstellerin sei nicht Kostenschuldnerin, da sie dem Notar keinen Beurkundungsauftrag erteilt habe. Die Übersendung des Vertragsentwurfs durch den Notar und die Entgegennahme dieses Entwurfs durch den potentiellen Vertragspartner allein reiche regelmäßig nicht aus, um den Empfänger zum Kostenschuldner werden zu lassen. Die Antragstellerin habe gegenüber dem Notar keine Änderungswünsche bezüglich des Entwurfs geäußert. Sie habe lediglich um einen anderen als den vorgeschlagenen Beurkundungstermin gebeten und den neuen Termin mit dem Notar vereinbart. Hieraus habe der Notar nicht schließen dürfen, dass die Antragstellerin neben der P. GmbH einen eigenen Beurkundungsauftrag mit entsprechender Kostenfolge habe erteilen wollen. Gegen die Erteilung eines eigenen Auftrags spreche schon, dass es sich bei der Bestätigung eines Beurkundungstermins um eine notwendige Mitwirkungshandlung eines an der Beurkundung Beteiligten handele. Es könne, wenn ein Beteiligter bereits Beurkundungsauftrag erteilt habe, auch nicht darauf ankommen, ob der andere Beteiligte den vorgeschlagenen Termin akzeptiere oder um einen anderen Termin bitte. Die Antragstellerin habe sich bei ihrer Bitte um Terminsverlegung zudem ausdrücklich auf eine Absprache mit der P. GmbH bezogen, die dem Notar bereits Beurkundungsauftrag erteilt gehabt habe. Hierdurch habe sie deutlich gemacht, keinen eigenen Auftrag erteilen zu wollen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 129 Abs. 2, § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 71 Abs. 1 FamFG), insbesondere ist der Notar für die Rechtsbeschwerde in Notarkostensachen selbst postulationsfähig (§ 130 Abs. 3 Satz 2 GNotKG). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, denn die Antragstellerin ist nicht Schuldnerin der nach der Berechnung des Notars angefallenen Kosten.
1. Das Beschwerdegericht geht rechtsfehlerfrei davon aus, dass die Antragstellerin dem Notar die Notarkosten nicht aus § 29 Nr. 1 GNotKG schuldet.
a) Kostenschuldner ist nach dieser Vorschrift, wer dem Notar den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat. Unter dem - hier interessierenden - Begriff des Auftrags ist jedes an den Notar gerichtete Ansuchen zu verstehen, das auf die Vornahme einer notariellen Amtstätigkeit gerichtet ist (BeckOK-KostR/Becker, 15. Ed., GNotKG, § 4 Rn. 2; Neie in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 2. Aufl., § 4 Rn. 2). Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es nicht. Der Beurkundungsauftrag kann auch durch schlüssiges Verhalten erteilt werden (vgl. OLG Celle, NdsRpfl 2015, 374 f.; OLG Köln, JurBüro 1997, 604 f. jeweils noch zu § 2 Nr. 1 KostO; BeckOK-KostR/Toussaint, 15. Ed., GNotKG, § 29 Rn. 7; Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 29 Rn. 19; LK-GNotKG/Heit/Genske, 2. Aufl., § 29 Rn. 10). Maßgeblich ist, ob das Verhalten für den Notar nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) den Schluss zulässt, es werde ihm ein Auftrag mit der gesetzlichen Kostenfolge erteilt; dies kann nur unter Heranziehung und Wertung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. OLG Celle, NdsRpfl 2015, 374; OLG Köln, JurBüro 1997, 604 f.; OLG Stuttgart, DNotZ 1986, 761, 763; BayObLGZ 1979, 93, 95; LK-GNotKG/Heit/Genske, 2. Aufl., § 29 Rn. 10; Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 29 Rn. 19).
Einen Auftrag erteilt regelmäßig jedenfalls derjenige, der durch sein Ansuchen unmittelbar die notarielle Amtstätigkeit veranlasst, etwa indem er den Notar um die Fertigung eines Entwurfs oder erstmals um einen Beurkundungstermin bittet. Ein solcher Auftrag kann auch anzunehmen sein, wenn bereits durch einen anderen Kostenschuldner Beurkundungsauftrag erteilt wurde. So kann die Amtstätigkeit des Notars etwa dadurch veranlasst werden, dass ein weiterer Beteiligter den Notar um Änderungen an dem Entwurf des zu beurkundenden Vertrages bittet (vgl. OLG Celle, NdsRpfl 2015, 374, 375; LG Chemnitz, NotBZ 2016, 272; Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 29 Rn. 21).
Ob im Einzelfall eine Auftragserteilung vorliegt, ist Ergebnis tatrichterlicher Würdigung und unterliegt daher nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der maßgebliche Rechtsbegriff verkannt, Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände nicht beachtet worden sind (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 14. Februar 2014 - V ZR 102/13, NVwZ 2014, 967 Rn. 9; Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - II ZB 5/12, WM 2014, 618 Rn. 30 mwN).
b) Ein solcher Rechtsfehler liegt hier nicht vor.
aa) Das Beschwerdegericht legt seiner Würdigung zugrunde, dass der Umstand, dass die P. GmbH bereits einen Beurkundungsauftrag erteilt hatte, der Annahme eines weiteren Auftrags durch die Antragstellerin nicht entgegensteht. Mehrere Auftraggeber desselben Geschäfts sind jeweils Kostenschuldner und haften dem Notar nach § 32 Abs. 1 GNotKG als Gesamtschuldner. Zutreffend geht es weiter davon aus, dass die bloße Entgegennahme des von anderer Seite beauftragten und von dem Notar gefertigten Vertragsentwurfs für sich genommen ebenso wenig als Auftrag im Sinne von § 29 Nr. 1 GNotKG angesehen werden kann (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. Mai 2013 - 8 W 1982/12, juris Rn. 19; OLG Bremen, NotBZ 2012, 36, 37; BayObLGZ 1979, 93, 96; Leiß in Fackelmann/Heinemann, GNotKG, § 29 Rn. 19; Notarkasse, Streifzug durch das GNotKG, 11. Aufl., Rn. 569; a.A. LG Köln, RNotZ 2008, 562) wie die schlichte Bestätigung des von der Gegenseite vorgeschlagenen und durch den Notar mitgeteilten Beurkundungstermins.
bb) Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Beschwerdegerichts, ein Auftrag sei nicht dadurch erteilt worden, dass die Antragstellerin um Verlegung des vorgeschlagenen Beurkundungstermins auf einen anderen, mit der P. GmbH abgesprochenen Termin gebeten hat. Die bloße Bitte um Verlegung eines Beurkundungstermins stellt sich auch aus dem objektivierten Empfängerhorizont des Notars regelmäßig nicht als eigenständiges Ersuchen um amtliches Tätigwerden dar, sondern lediglich als notwendige Mitwirkung an der Vorbereitung der Beurkundung. Wollte man in jeder Vereinbarung eines Beurkundungstermins unabhängig von den Umständen des Einzelfalles einen eigenständigen Beurkundungsauftrag erblicken, so wäre derjenige, der zu einem von dem Notar mitgeteilten Beurkundungstermin verhindert ist, angesichts der Kostenfolge gehalten, Kontakt mit dem Notar zu vermeiden und die Terminsverlegung ausschließlich mit demjenigen zu vereinbaren, der den Beurkundungsauftrag erteilt hat. Die Haftung für die Kosten der Beurkundung kann aber nicht davon abhängen, auf welche Art und Weise die Verlegung des Termins für diese Beurkundung vereinbart worden ist.
cc) Der Ansicht des Notars, in der vorbehaltlosen Vereinbarung eines (neuen) Beurkundungstermins müsse ein eigenständiger Beurkundungsauftrag gesehen werden, ist zudem entgegenzuhalten, dass ein entsprechender Vorbehalt rechtlich unwirksam wäre. Der Notar handelt bei der Ausübung der Urkundstätigkeit ausschließlich als Träger eines öffentlichen Amtes, dem die Rechtssuchenden nicht als Vertragspartner, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis als Verfahrensbeteiligte gegenübertreten (BGH, Urteil vom 14. November 2002 - III ZR 87/02, BGHZ 152, 391, 394). Der Auftrag im Sinne von § 29 Nr. 1 GNotKG ist daher eine grundsätzlich bedingungsfeindliche Verfahrenshandlung. Die Erklärung eines Kostenschuldners, die Kosten der von ihm beauftragten Amtstätigkeit des Notars nicht übernehmen zu wollen, wäre unbeachtlich (NK-GK/Leiß, § 29 GNotKG Rn. 7).
dd) Entgegen der Ansicht des Notars ergibt sich durch dieses Verständnis der Auftragserteilung im Kostenrecht auch kein Wertungswiderspruch zu den Regelungen der Bundesnotarordnung über die Amtspflichten des Notars. Diese sind nicht notwendig auf den Auftraggeber im kostenrechtlichen Sinne beschränkt. Auftraggeber im Sinne der Bundesnotarordnung ist vielmehr auch derjenige, dem gegenüber der Notar selbständig und ausdrücklich Amtspflichten übernimmt (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 182/95, BGHZ 134, 100, 112 f.; Urteil vom 15. April 1999 - IX ZR 328/97, NJW 1999, 2183, 2184). Amtspflichten können folglich auch gegenüber Personen bestehen, die nicht Kostenschuldner des Notars sind.
2. Andere Grundlagen für eine Kostenschuld der Antragstellerin kommen nicht in Betracht. Sie haftet nicht nach § 30 GNotKG, da es zu der beabsichtigten Beurkundung nicht gekommen ist. Die Antragstellerin haftet auch nicht gemäß § 29 Nr. 3 GNotKG für die Kostenschuld eines anderen kraft Gesetzes, namentlich nicht für die Kostenschuld der P. GmbH, die diese aufgrund des von ihr erteilten Beurkundungsauftrages trifft. Eine solche gesetzliche Haftung ergibt sich insbesondere nicht aus § 448 Abs. 2 BGB. Diese Regelung begründet keine Kostentragungspflicht des Käufers gegenüber dem Notar, sondern betrifft allein das Innenverhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrags (BayObLG, MDR 1994, 947, 948; Gläser in Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., § 29 Rn. 33; Neie in Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 2. Aufl., § 29 Rn. 31). Die Kostenregelung in § 448 Abs. 2 BGB setzt zudem voraus, dass der Kaufvertrag wirksam wird (Senat, Urteil vom 9. November 2012 - V ZR 182/11, NJW 2013, 928 Rn. 15).
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG i.V.m. § 84 FamFG, der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren aus der Höhe der streitgegenständlichen Kostenberechnung.
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