Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.07.2017


BGH 20.07.2017 - V ZB 47/16

Grundbuchberichtigung: Vollzug eines Fortführungsnachweises der Vermessungsbehörde zur Berichtigung eines Zeichenfehlers


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.07.2017
Aktenzeichen:
V ZB 47/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:200717BVZB47.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Dresden, 29. Februar 2016, Az: 17 W 132/16vorgehend AG Pirna, 9. Dezember 2015, Az: PO-45-2
Zitierte Gesetze
§ 14 VermGeoInfG SN
§ 9 VermKatGDV SN 2011

Leitsätze

Die Berichtigung eines Zeichenfehlers (also einer graphisch falschen Darstellung des richtigen Vermessungszahlenwerks in der Flurkarte des Liegenschaftskatasters) durch die Vermessungsbehörde hat das Grundbuchamt stets als Berichtigung tatsächlicher Art zu behandeln; es darf den Vollzug eines Fortführungsnachweises der Vermessungsbehörde nicht deshalb ablehnen, weil ein auf den Grenzverlauf bezogener Zeichenfehler berichtigt wird (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 1. März 1973, III ZR 69/70, VersR 1973, 617).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden - 17. Zivilsenat - vom 29. Februar 2016 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 ausgesprochene Weigerung des Amtsgerichts Pirna - Grundbuchamt -, den Fortführungsnachweis Nr. … betreffend die im Grundbuch der Gemarkung P.       eingetragenen Flurstücke (Bl. …) und (Bl. …) zu vollziehen, rechtswidrig war.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Aufgrund einer Flurstückszerlegung führte das Vermessungsamt des beteiligten sächsischen Landkreises das Liegenschaftskataster fort und übergab dem zuständigen Grundbuchamt eine Mehrfertigung des Fortführungsnachweises. Der Fortführungsnachweis enthielt die neuen Flurstücksnummern und Veränderungen der tatsächlichen Nutzung der Grundstücke; ferner berichtigte er einen Zeichenfehler in der Liegenschaftskarte, der die Darstellung des Grenzverlaufs zwischen den im Rubrum genannten Grundstücken betraf.

2

Die Rechtspflegerin des Grundbuchamts hat den Vollzug des Fortführungsnachweises mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Landkreises hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Nach Eingang der Rechtsbeschwerde hat das Grundbuchamt den Fortführungsnachweis vollzogen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Landkreis nunmehr feststellen lassen, dass die Übernahme des Fortführungsnachweises zu Unrecht abgelehnt worden ist.

II.

3

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der Fortführungsnachweis zu Recht nicht vollzogen worden. Das Grundbuchamt sei zwar grundsätzlich an einen Fortführungsnachweis, der einen Verwaltungsakt darstelle, und die darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen der Vermessungsbehörde gebunden. Es müsse aber prüfen, ob der Vollzug des Fortführungsnachweises zu Rechtsänderungen führe und daher weitere Voraussetzungen wie insbesondere eine Auflassung erfüllt werden müssten. Da sich der gute Glaube gemäß §§ 891, 892 BGB auch auf die Grundstücksgrenze beziehe, müsse das Grundbuchamt prüfen, ob ein gutgläubiger Erwerb auf der Grundlage der unrichtigen Liegenschaftskarte erfolgt sein könnte; dann bestehe nämlich die Möglichkeit, dass der zunächst unrichtig dargestellte Grenzverlauf richtig geworden sei. In diesem Fall könne der Fortführungsnachweis nicht vollzogen werden, weil das Grundbuchamt keine Unrichtigkeit des Grundbuchs herbeiführen dürfe. So liege es hier. Zumindest hinsichtlich des auf Blatt … gebuchten Grundstücks habe ein rechtsgeschäftlicher Eigentumswechsel am 30. November 2000 stattgefunden. Zudem seien am 23. Februar 1999 sowie am 11. November 2008 Belastungen eingetragen worden. Infolgedessen lasse sich der gutgläubige Erwerb des Eigentums sowie der Belastungen nicht ausschließen. Der Fortführungsnachweis könne nur vollzogen werden, wenn alle Beteiligten in grundbuchmäßiger Form ihre Zustimmung erteilten.

III.

4

1. Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 GBO) und frist- und formgerecht eingelegt (§ 71 FamFG i.V.m. § 78 Abs. 3 GBO). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Dass der Fortführungsnachweis nach Eingang der Rechtsbeschwerde vollzogen worden ist, ändert daran nichts, weil die Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 62 FamFG als Feststellungsantrag fortgeführt werden kann.

5

a) Gemäß § 62 FamFG spricht das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Diese Norm gilt nach allgemeiner und zutreffender Ansicht auch im Grundbuchverfahren (vgl. OLG Hamm, FGPrax 2011, 209, 210; OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, 330; OLG München, FamRZ 2015, 2186, 2187; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 1 Rn. 83; Böttcher, Notar 2013, 252, 259). Auf das Verfahren der Rechtsbeschwerde findet sie entsprechende Anwendung (vgl. für das Abschiebungshaftverfahren Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - V ZB 172/09, FGPrax 2010, 150 Rn. 9; für das Betreuungsverfahren BGH, Beschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 205/14, FamRZ 2014, 1916 Rn. 5).

6

b) Die Voraussetzungen von § 62 FamFG sind gegeben. Die Hauptsache hat sich während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erledigt, weil das Grundbuchamt den Fortführungsnachweis vollzogen hat. Das berechtigte Interesse an der Feststellung liegt gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG in der Regel vor, wenn eine Wiederholung konkret zu erwarten ist, was voraussetzt, dass gerade der Beschwerdeführer von einer gleichartigen Rechtsverletzung betroffen wäre. Daran fehlt es zwar, wenn das Interesse lediglich auf die abstrakte Klärung einer Rechtsfrage für die künftige Rechtspraxis einer Behörde gerichtet ist (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - V ZB 169/14, FGPrax 2016, 34 Rn. 12). Hier geht es aber um die konkrete Ausgestaltung der laufenden Zusammenarbeit zwischen Landkreis und Grundbuchamt. Der Landkreis macht nämlich geltend, dass die Vermessungsbehörde aufgrund der Verfahrensweise des Grundbuchamts ihre gesetzlichen Aufgaben nicht wahrnehmen kann; diese bestehen darin, dass die Vermessungsbehörde fehlerhafte Bestandsdaten des Liegenschaftskatasters von Amts wegen zu berichtigen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über das amtliche Vermessungswesen und das Liegenschaftskataster im Freistaat Sachsen vom 29. Januar 2008 [SächsVermKatG], SächsGVBl. S. 138, 148, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. Juni 2013, SächsGVBl. S. 482) und die Übereinstimmung von Liegenschaftskataster und Grundbuch zu wahren hat (§ 10 Abs. 6 Satz 3 SächsVermKatG). Da das Grundbuchamt nach dem Vortrag des Landkreises allein am 14. April 2016 in 53 weiteren Fällen den Vollzug gleichgelagerter Fortführungsnachweise mit dem Fortführungsanlass „Veränderung am Flurstück mit Änderung der Umfangsgrenze“ abgelehnt hat, hat der Landkreis auch nach Erledigung der vorliegenden Hauptsache ein berechtigtes Interesse daran, klären zu lassen, ob ihn eine solche Verfahrensweise des Grundbuchamts in seinen Rechten verletzt.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

8

a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Beschwerde zu Recht als zulässig angesehen worden. Dabei kann offen bleiben, ob sich die Beschwerdeberechtigung in Grundbuchsachen nach § 59 Abs. 1 FamFG richtet und voraussetzt, dass der Beschwerdeführer eine Rechtsbeeinträchtigung geltend macht (so Meikel/Schmidt-Räntsch, GBO, 11. Aufl., § 71 Rn. 109) oder ob nach allgemeinen Grundsätzen bereits die Behauptung einer mittelbaren oder unmittelbaren Beeinträchtigung in einem rechtlich geschützten Interesse ausreicht (so etwa Demharter, GBO, 30. Aufl., § 71 Rn. 57; Lemke/Gottwald, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 71 GBO Rn. 32). Jedenfalls macht der Landkreis eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG geltend, die sich aus den bereits genannten gesetzlichen Aufgaben der Vermessungsbehörde ergibt; es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Vermessungsbehörde Entscheidungen des Grundbuchamts anfechten kann, mit denen die Übernahme von Fortführungsnachweisen abgelehnt wird (vgl. nur OLG Hamm, OLGZ 1985, 276, 277 f.; OLG Düsseldorf, OLGZ 1988, 58, 59; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 2 Rn. 24; Meikel/Nowak, GBO, 11. Aufl., § 2 Rn. 16).

9

b) In der Sache haben die Weigerung des Grundbuchamts, den auf die Berichtigung eines Zeichenfehlers in der Flurkarte bezogenen Fortführungsnachweis zu vollziehen, und die Aufrechterhaltung dieser Entscheidung durch das Beschwerdegericht den Landkreis in seinen Rechten verletzt.

10

aa) Im Ausgangspunkt ist das Liegenschaftskataster das amtliche Verzeichnis der Grundstücke im Sinne von § 2 Abs. 2 GBO (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 SächsVermKatG). Es gibt über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks Auskunft (vgl. Lemke/Schneider, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 2 GBO Rn. 6; KEHE/Keller, GBR, 7. Aufl., § 2 GBO Rn. 3; Meikel/Nowak, GBO, 11. Aufl., § 2 Rn. 10). Demgegenüber ist das Grundbuch der Spiegel der privaten dinglichen Rechte an Grundstücken; es hat die Aufgabe, über die das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse möglichst erschöpfend und zuverlässig Auskunft zu geben (Senat, Beschluss vom 6. März 1981 - V ZB 18/80, NJW 1981, 1563). Die Grundstücke werden gemäß § 2 Abs. 2 GBO im Grundbuch nach dem Liegenschaftskataster benannt. Durch diese Bezugnahme des Grundbuchs auf das Liegenschaftskataster wird die Auffindbarkeit der Grundstücke in der Natur ermöglicht und gewährleistet; im Rechtsverkehr wird auf diese Weise Klarheit darüber geschaffen, auf welchen konkreten Teil der Erdoberfläche sich ein eingetragenes Recht bezieht (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662 Rn. 8 mwN). Liegenschaftskataster und Grundbuch müssen deshalb übereinstimmen. So muss sich beispielsweise ein im Grundbuch gebuchtes Flurstück in dem Liegenschaftskataster wiederfinden und umgekehrt.

11

bb) Diese Übereinstimmung von Liegenschaftskataster und Grundbuch wird durch regelmäßigen gegenseitigen Datenaustausch gewährleistet, der in Teilen automatisiert erfolgen kann (vgl. § 127 Abs. 1 Nr. 1 GBO, § 11 Abs. 5 Satz 2 SächsVermKatG).

12

(1) Das Grundbuchamt einerseits hat der das Liegenschaftskataster führenden Behörde (in Sachsen: untere Vermessungsbehörde, § 4 Abs. 4 SächsVermKatG) unter anderem Veränderungen der grundbuchmäßigen Bezeichnung des Grundstücks und die Eintragung eines Eigentümers mitzuteilen (§ 55 Abs. 3 GBO; vgl. Nr. XVIII der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen). Die Vermessungsbehörde andererseits teilt dem Grundbuchamt Veränderungen im Liegenschaftskataster durch Fortführungsnachweise mit (vgl. § 14 SächsVermKatG, § 9 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum SächsVermKatG vom 6. Juli 2011, im Folgenden: SächsVermKatGDVO).

13

(2) Ein solcher Fortführungsnachweis der Vermessungsbehörde ist kein behördliches Eintragungsersuchen gemäß § 38 GBO, sondern ein feststellender Verwaltungsakt, der die Grundlage für die von dem Grundbuchamt zu treffende Entscheidung über die Aufnahme der Veränderung in das Grundbuch bildet (vgl. BVerwG, NJW 1966, 609 f.). Gemäß § 9 Abs. 1 SächsVermKatGDVO hat die Vermessungsbehörde unter anderem dann, wenn die Fortführung - wie hier - die Änderung eines Ordnungsmerkmals, den Verlauf einer Flurstücksgrenze oder die Angaben zur Nutzung betrifft, einen Fortführungsnachweis zu erstellen, der den Zustand des betroffenen Flurstücks im Liegenschaftskataster vor und nach der Änderung nachweist. Er ist den Betroffenen schriftlich oder durch Offenlegung bekannt zu geben (§ 9 Abs. 2 SächsVermKatGDVO). Eine Mehrfertigung des bestandskräftigen Fortführungsnachweises übergibt die Vermessungsbehörde dem zuständigen Grundbuchamt (§ 9 Abs. 4 Satz 1 SächsVermKatGDVO), das aufgrund dieser Mehrfertigung die Bestandsangaben im Grundbuch ändert und der Vermessungsbehörde den Vollzug der Eintragung mitteilt (vgl. Nr. 33, 34 der sächsischen VwV Grundbuchsachen vom 27. Mai 2005, SächsJMBl. S. 2, geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 8. Dezember 2015, SächsJMBl. S. 167).

14

(3) Änderungen tatsächlicher Art hat das Grundbuchamt aufgrund der dargestellten Kompetenzverteilung zwischen Grundbuch- und Vermessungsamt ohne weiteres in das Grundbuch zu übernehmen (vgl. KEHE/Keller, GBR, 7. Aufl., § 2 GBO Rn. 11). Beispielsweise hat es einen Fortführungsnachweis der Vermessungsbehörde, mit dem der Flächeninhalt aufgrund einer Neuvermessung korrigiert wird, ohne eigene Nachprüfung zu vollziehen, indem es die im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblatts vermerkte Größenangabe von Amts wegen berichtigt (vgl. BayObLGZ 1976, 106, 109 ff.: 0,0514 ha statt zuvor 0,0614 ha; Meikel/Nowak, GBO, 11. Aufl., § 2 Rn. 21; unzutreffend OLG Oldenburg, Rpfleger 1992, 387: Nachprüfung durch das Grundbuchamt erforderlich); dasselbe gilt für die in einem Fortführungsnachweis ausgewiesene Änderung der Wirtschaftsart bzw. der tatsächlichen Nutzung (vgl. z.B. OLG München, DNotZ 2012, 142, 143 f.: „Gebäude- und Freifläche“ statt zuvor „Grünland“). Hierfür zuständig ist gemäß § 12c Abs. 2 Nr. 2 GBO der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. Keine Bindung erzeugt ein Fortführungsnachweis dagegen im Hinblick auf Verfügungen und Eintragungen, die zugleich eine Berichtigung rechtlicher Art oder eine Berichtigung eines Irrtums über das Eigentum betreffen (vgl. § 12c Abs. 2 Nr. 2 GBO); hierüber entscheidet in eigener Zuständigkeit das Grundbuchamt (vgl. BVerwG, NJW 1966, 609 f.) durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1h RpflG). Dieser muss prüfen, ob der Vollzug zu Rechtsänderungen führt und es deswegen noch der Erfüllung weiterer Voraussetzungen bedarf (z.B. der Erklärung von Auflassungen oder Bewilligungen oder etwa der Neufestsetzung von Uferlinien; vgl. BayObLGZ 1981, 324, 329). Lehnt der Rechtspfleger den Vollzug eines Fortführungsnachweises ab, muss im Liegenschaftskataster der vorherige Zustand wiederhergestellt werden (vgl. Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 12).

15

cc) Danach ist entscheidend, ob der hier zu beurteilende Fortführungsnachweis eine Berichtigung tatsächlicher oder rechtlicher Art betrifft. Dass die neuen Flurstücksnummern und die Änderungen der tatsächlichen Nutzung als Änderungen tatsächlicher Art in das Grundbuch übernommen werden müssten, zieht das Beschwerdegericht zutreffend nicht in Zweifel. Es sieht aber die in dem Fortführungsnachweis enthaltene Behebung des Zeichenfehlers als Berichtigung rechtlicher Art an.

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(1) Unter einem Zeichenfehler versteht man eine graphisch falsche Darstellung des Vermessungszahlenwerks in der Flurkarte des Liegenschaftskatasters (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, NotBZ 2016, 194, 196; OVG Greifswald, NotBZ 2008, 433, 434; Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 118). Gemäß § 10 Abs. 1 SächsVermKatG besteht das (digitalisierte) Liegenschaftskataster aus den Bestandsdaten und den Daten der Liegenschaftskatasterakten. Letztere umfassen gemäß § 10 Abs. 4 SächsVermKatG die vermessungstechnischen Unterlagen und die sonstigen Unterlagen, die für die Flurstücksentwicklung von dauernder Bedeutung sind, also das sogenannte Vermessungszahlenwerk (vgl. Kriegel/Herzfeld, Katasterkunde in Einzeldarstellungen, Heft 8 [2010], Anm. 9.1). Hierzu gehören alle Messdaten und die aus ihnen (in der Regel rechnerisch) abgeleiteten Maße einschließlich der Lagekoordinaten im jeweiligen Bezugs- und Abbildungssystem für die im Liegenschaftskataster nachgewiesenen Vermessungs-, Grenz-, Gebäude- und sonstigen Punkte, die im Zuge von Katastervermessungen ermittelt werden (Vermessungszahlen; Kriegel/Herzfeld, aaO, Anm. 9.3). Die Liegenschaftskarte wird aus dem Vermessungszahlenwerk als dem „Basismaterial“ des Liegenschaftskatasters abgeleitet (vgl. zum Ganzen OVG Sachsen-Anhalt, NotBZ 2016, 194, 196; Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 22; Gomille in: Praxis der Kommunalverwaltung, Niedersächsisches Gesetz über das amtliche Vermessungswesen [2014] Nr. 3.3.2.3.2.; Kriegel/Herzfeld, aaO, Anm. 9.3 und 9.4). Als „Präsentationsebene“ des Liegenschaftskatasters stellt sie die Vermessungszahlen graphisch dar (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SächsVermKatGDVO: „Präsentationsausgabe“).

17

(2) Weil eine solche Berichtigung die Eigentumsverhältnisse nicht berührt und keine Rechtsänderung bewirkt, stellt sie im Grundsatz eine tatsächliche Berichtigung dar. Das Beschwerdegericht meint jedoch, nicht ausschließen zu können, dass auf der Grundlage der unrichtigen Liegenschaftskarte ein gutgläubiger Erwerb erfolgt sei, weil vor der Fortführung der Liegenschaftskarte Verfügungen über eines der betroffenen Grundstücke erfolgt seien. Da die ursprünglich unrichtige Liegenschaftskarte richtig geworden sein könne, dürfe sie nicht ohne Zustimmung der Betroffenen berichtigt werden (zu dieser Fallkonstellation zweifelnd auch Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 22 f.). Das Beschwerdegericht stützt diese Überlegungen unter anderem auf ein Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 1. März 1973 (III ZR 69/70, VersR 1973, 617), das sich allerdings nicht mit der Verfahrensweise des Grundbuchamts, sondern (im Rahmen einer Amtshaftungsklage) mit den Pflichten der Vermessungsbehörde bei der Berichtigung der Grenzdarstellung in der Liegenschaftskarte befasst.

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dd) Richtigerweise hat das Grundbuchamt die Berichtigung eines Zeichenfehlers (also einer graphisch falschen Darstellung des richtigen Vermessungszahlenwerks in der Flurkarte des Liegenschaftskatasters) durch die Vermessungsbehörde stets als Berichtigung tatsächlicher Art zu behandeln; es darf den Vollzug eines Fortführungsnachweises der Vermessungsbehörde nicht deshalb ablehnen, weil ein auf den Grenzverlauf bezogener Zeichenfehler berichtigt wird.

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(1) Ob die graphisch falsche Darstellung in der Liegenschaftskarte überhaupt einen gutgläubigen Erwerb nach sich gezogen haben kann, lässt sich mit guten Gründen bezweifeln. Zwar erstreckt sich die Richtigkeitsvermutung des Grundbuchs (§ 891 BGB) auch auf den sich aus dem Liegenschaftskataster ergebenden Grenzverlauf (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662 Rn. 8 mwN; vgl. auch Senat, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 187/11, NJW-RR 2013, 789 Rn. 14; Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 155/12, BGHZ 199, 31 Rn. 11). Es spricht aber viel dafür, dass unter „dem Liegenschaftskataster“ in diesem Sinne nicht allein die Flurkarte (so allerdings BGH, Urteil vom 1. März 1973 - III ZR 69/70, VersR 1973, 617; in diese Richtung auch Senat, Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 155/12, BGHZ 199, 31 Rn. 12; zustimmend Kummer/Möllering in: Praxis der Kommunalverwaltung, Vermessungs- und Geoinformationsrecht Sachsen-Anhalt [2005] Nr. 6.2.3), sondern das Liegenschaftskataster als Ganzes zu verstehen ist (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662 Rn. 8 mwN; Gomille in: Praxis der Kommunalverwaltung, Niedersächsisches Gesetz über das amtliche Vermessungswesen [2014] Nr. 3.3.2.3.3., Nr. 3.3.2.3.5.3.; Kriegel/Herzfeld, Katasterkunde in Einzeldarstellungen, Heft 2 [2009], Anm. 2.2.). So verstanden gehörte auch das auf den Grenzverlauf bezogene Vermessungszahlenwerk zu dem Inhalt des Grundbuchs, der zugunsten eines Erwerbers gemäß § 892 BGB als richtig gilt. Der Grenzverlauf kann zwar in aller Regel über die in Spalte 3 b des Bestandsverzeichnisses des Grundbuchs eingetragene Parzellennummern in Verbindung mit der Katasterkarte erschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2005 - V ZR 11/05, NJW-RR 2006, 662 Rn. 8). Stimmen aber (ausnahmsweise) Vermessungszahlenwerk und Liegenschaftskarte nicht überein, bezöge sich die Richtigkeitsvermutung wohl auf den Grenzverlauf, wie er aus dem Vermessungszahlenwerk hervorgeht, und nicht auf die daraus (graphisch fehlerhaft) abgeleitete Liegenschaftskarte. Zudem dürfte in solchen Fällen bei einem Verkauf des Grundstücks auch der Kaufgegenstand nach dem Vermessungszahlenwerk zu bestimmen sein, da der Verkäufer eines Grundstücks dieses gewöhnlich nur in dem aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Umfang verkaufen will (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06, NotBZ 2008, 229 Rn. 10); dabei wird er sich im Zweifel nicht allein auf die Liegenschaftskarte, sondern vor allem auf die dieser zugrundeliegenden Basisdaten des Liegenschaftskatasters stützen wollen.

20

(2) Dies bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn ein gutgläubiger Erwerb möglich sein sollte und im konkreten Fall stattgefunden haben könnte, ist das Grundbuchamt an einen Fortführungsnachweis gebunden, soweit dieser einen Zeichenfehler berichtigt.

21

(a) Eines „Vollzugs“ durch das Grundbuchamt bedarf es insoweit nicht, weil die Berichtigung eines Zeichenfehlers für sich genommen keine Eintragung in das Grundbuch erforderlich macht. Deshalb ist - anders als das Beschwerdegericht meint - eine darauf bezogene Bewilligung der Betroffenen gemäß § 19 GBO nicht erforderlich; das Grundbuch wird auch nicht gemäß § 22 GBO berichtigt. Vielmehr vollzieht sich die graphische Korrektur der Grenzdarstellung in der Liegenschaftskarte auf der Ebene des Liegenschaftskatasters, das von den Vermessungsbehörden in eigener Zuständigkeit geführt und verantwortet wird. Eintragungen in das Bestandsverzeichnis des Grundbuchs können zwar dadurch erforderlich werden, dass - wie hier - gleichzeitig eine Zerlegung von Flurstücken erfolgt und daher neue Flurstücksnummern eingetragen werden müssen. Die Berichtigung des Zeichenfehlers erfolgt in diesem Fall aber nur anlässlich der Flurstückszerlegung.

22

(b) Zutreffend verweist die Rechtsbeschwerde ferner darauf, dass sich - selbst wenn ein gutgläubiger Erwerb erfolgt wäre - durch einen Zeichenfehler in der Liegenschaftskarte nichts an dem Grenzverlauf änderte, wie er sich aus der maßgeblichen Grenzfeststellung ergibt. Das Liegenschaftskataster hat die verbindlich festgestellte Grenze wiederzugeben. Ob sich die materiellen Eigentumsverhältnisse durch gutgläubigen Erwerb oder Ersitzung den unrichtigen Einzeichnungen angepasst haben, ist ohne Belang (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1993, 217; OVG Greifswald, NotBZ 2008, 433, 434; BayVGH, BayVBl. 2011, 149, 150 f.). Die Sicherung einer vermessungstechnisch möglichst exakten Darstellung der (festgestellten) Grundstücksgrenze in der Liegenschaftskarte als der Präsentationsebene des Liegenschaftskatasters obliegt den Vermessungsbehörden im öffentlichen Interesse (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1993, 217, 218; OVG Sachsen-Anhalt, NotBZ 2016, 194, 197). Sie darf nicht durch das Grundbuchamt blockiert werden.

23

(c) Der Rechtsschutz der betroffenen Grundstückseigentümer gegen die Berichtigung eines Zeichenfehlers im Liegenschaftskataster wird in erster Linie gewährleistet, indem der Fortführungsnachweis vor den Verwaltungsgerichten zur Überprüfung gestellt werden kann. Zur Verfolgung der Rechte aus einem vermeintlichen gutgläubigen Erwerb steht der Zivilrechtsweg offen. Der betroffene Grundstückseigentümer kann seinen Nachbarn mit der Behauptung, die aus dem (fortgeführten) Liegenschaftskataster hervorgehende Grenze entspreche aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs nicht (mehr) den Eigentumsverhältnissen, auf Feststellung seines Eigentums an der fraglichen Fläche sowie auf Grenzfeststellung in Anspruch nehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1993, 217, 218; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 18. Dezember 2013 - 7 K 1234/10, juris Rn. 20 ff.).

24

(3) Schließlich hat das Grundbuchamt aufgrund der Bindung an den Fortführungsnachweis nicht zu prüfen, ob die Vermessungsbehörde ihrerseits den Zeichenfehler berichtigen durfte. Deshalb kann dahinstehen, ob die in einer älteren Entscheidung vertretene Ansicht des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 1. März 1973 - III ZR 69/70, VersR 1973, 617) zutrifft, wonach die Vermessungsbehörde einen solchen Zeichenfehler nur mit Zustimmung der Betroffenen berichtigen darf (ablehnend die ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter Hinweis auf die Vermessungsgesetze der Länder, vgl. nur OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1993, 217, 218; OVG Mecklenburg-Vorpommern, NotBZ 2008, 433, 434; BayVGH, BayVBl. 2011, 149, 150; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2011 - OVG 10 B 14.09, juris, Rn. 40). Ebenso kann offen bleiben, wie bei der Berichtigung sogenannter Aufnahmefehler zu verfahren ist, wenn also die Grenze sowohl in dem Vermessungszahlenwerk als auch in der Liegenschaftskarte aufgrund vermessungstechnischer Fehler von Anfang an falsch dargestellt wird (vgl. dazu Bengel/Simmerding, Grundbuch, Grundstück, Grenze, 5. Aufl., § 22 Rn. 114 ff.).

IV.

25

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

Stresemann     

        

Brückner     

        

     Weinland

        

Kazele     

        

RiBGH Dr. Hamdorf

ist infolge Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

Karlsruhe, den 28. Juli 2017

        
                          

Die Vorsitzende   

Stresemann