Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.01.2011


BGH 21.01.2011 - V ZB 323/10

Ausländerrecht: Abschiebehaftantrag bei fehlendem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
21.01.2011
Aktenzeichen:
V ZB 323/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Düsseldorf, 3. Dezember 2010, Az: 25 T 679/10, Beschlussvorgehend AG Düsseldorf, 22. November 2010, Az: 150 XIV 92/10 B, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Vollziehung der mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 22. November 2010 angeordneten und mit Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2010 aufrechterhaltenen Sicherungshaft wird einstweilen ausgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 22. Oktober 1987 in das Bundesgebiet ein. Zuletzt wurde ihm am 22. Februar 2007 eine bis zum 22. Februar 2008 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Die Ausländerbehörde S. lehnte mit seit dem 31. Mai 2010 bestandskräftiger Verfügung vom 8. April 2010 die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis ab und forderte den Betroffenen auf, das Bundesgebiet bis zum 31. Mai 2010 zu verlassen.

2

Der Betroffene wurde am 21. November 2010 von der Polizei festgenommen und wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts als Beschuldigter vernommen. Der polizeiliche Vorgang wurde der Staatsanwaltschaft übersandt.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22. November 2010 auf Antrag der Beteiligten zu 2 gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Aufhebung der Haftanordnung und der Beschwerdeentscheidung erreichen. Zugleich beantragt er im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Haftentscheidung.

II.

4

1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamG statthaft (siehe nur Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, juris Rn. 8; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440).

5

2. Er ist auch begründet.

6

a) Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Rechtsbeschwerde und die drohenden Nachteile für den Betroffenen durch die weitere Inhaftierung gegeneinander abzuwägen. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung, die durch das Beschwerdegericht bestätigt worden ist, wird danach regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, juris Rn. 10; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440). So liegt es hier, weil die Rechtsbeschwerde voraussichtlich Erfolg haben wird.

7

aa) Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Ausländers aus (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 93/10, NVwZ 2010, 1574, Rn. 9).

8

bb) Fehlen in dem Haftantrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist der Antrag unzulässig (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2010 - V ZB 226/10).

9

cc) Das ist hier der Fall. Der Betroffene wurde am 22. November 2010 wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts von der Polizei als Beschuldigter vernommen. Anschließend wurde der Vorgang der Staatsanwaltschaft übersandt. In dem Haftantrag der Beteiligten zu 2 wird zum Teil aus den Angaben des Betroffenen in der Beschuldigtenvernehmung zitiert. Ausführungen zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mit der Abschiebung des Betroffenen fehlen jedoch.

10

b) Bei dieser Sachlage spricht die summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung dafür, dass sie auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG beruht.

Krüger                                 Lemke                                  Schmidt-Räntsch

                       Roth                                 Brückner