Entscheidungsdatum: 16.02.2012
Das Recht des Gläubigers einer Briefgrundschuld, nach Kraftloserklärung des bisherigen Briefs die Erteilung eines neuen zu beantragen, geht mit Erlass der Pfändungsverfügung nach § 310 AO auf den Pfändungsgläubiger über. Einer zusätzlichen Pfändung dieses Rechts bedarf es nicht.
Dem Beteiligten zu 1 wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. S. Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des 34. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. November 2010 wird als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den vorgenannten Beschluss des Oberlandesgerichts München wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1 und 2 tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 150.000 €.
I.
Der Beteiligte zu 3 (fortan Finanzamt) pfändete mit Verfügung vom 16. Juni 2008 eine Grundschuld des Schuldners, für den nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beteiligte zu 1 als Insolvenzverwalter tätig ist, und überwies sie sich zur Einziehung. In den Besitz des Briefs gelangte das Finanzamt nicht, weil er angeblich nicht auffindbar war. Das Finanzamt erwirkte am 14. Dezember 2009 ein Ausschlussurteil, durch das der Brief für kraftlos erklärt wurde. Es beantragte am 17. März 2010 die Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs. Über diesen Antrag ist noch nicht entschieden. Am 10. Mai 2010 trat der Schuldner die Grundschuld an die Beteiligte zu 2 ab. Beide Beteiligten haben am selben Tag die Eintragung der Zessionarin in das Grundbuch, die Erteilung eines neuen Briefs und dessen Aushändigung an die Zessionarin beantragt. Diesen Antrag hat das Grundbuchamt zurückgewiesen. Die Beschwerde des Schuldners und der Beteiligten zu 2 ist ohne Erfolg geblieben. Mit den von dem Oberlandesgericht hinsichtlich des Antrags auf Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihre ursprünglichen Anträge weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, das Grundbuchamt habe zwar zuerst über den früher gestellten Antrag des Finanzamts entscheiden müssen. Dieser Fehler bleibe aber folgenlos. Die in erster Linie beantragte Eintragung der Zessionarin sei nicht möglich, da die einzutragende Abtretung unwirksam sei. Der dazu verwendete wieder aufgefundene Grundschuldbrief sei für kraftlos erklärt worden und sei damit keine taugliche Grundlage für eine Abtretung. Der Antrag auf Erteilung eines neuen Briefs sei für den Fall der Eintragung der Abtretung gestellt und mit deren berechtigter Ablehnung hinfällig. Eine Zwischenverfügung an diese Beteiligten, sich dazu zu erklären, ob der Brief dem Schuldner mit Rücksicht auf dessen Gläubigerstellung erteilt werden solle, komme nicht in Betracht. Denn der Schuldner, jetzt der Beteiligte zu 1, sei nicht antragsberechtigt. Das sei allein das Finanzamt. Die Pfändung werde zwar erst mit der Übergabe des Briefs wirksam. Abweichend von der herrschenden Ansicht erlange der Pfändungsgläubiger das Recht, den nicht auffindbaren Brief für kraftlos erklären zu lassen und die Erteilung eines neuen Briefs zu beantragen, aber nicht erst auf Grund einer Pfändung und Überweisung auch dieser Ansprüche, sondern schon auf Grund der Pfändung und Überweisung der Grundschuld.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist.
2. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 ist nur zulässig, soweit der Antrag auf Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs zurückgewiesen worden ist.
a) Statthaft ist die Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 1 GBO, wenn sie von dem Beschwerdegericht zugelassen worden ist. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor der angefochtenen Entscheidung zugelassen, "soweit die Sache den Antrag auf Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs betrifft".
b) Diese Beschränkung ist entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1 wirksam.
aa) Die Rechtsbeschwerde ist nach § 78 Abs. 2 GBO zuzulassen, wenn Zulassungsgründe vorliegen. Betreffen diese einen Teil des Verfahrensstoffs, darf die Zulassung nur insoweit erfolgen. Etwas anderes gilt, wenn über den zulassungsrelevanten Verfahrensstoff nicht gesondert entschieden werden könnte. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kann nämlich nur auf Verfahrensstoff beschränkt werden, der Gegenstand einer Teilentscheidung sein könnte (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2010 - XI ZB 33/09, NJW-RR 2011, 427). Eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auf einzelne Rechts- oder Vorfragen kommt dagegen nicht in Betracht. Das Rechtsmittel wäre dann uneingeschränkt zugelassen.
bb) Der Antrag auf Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs, für den das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, ist einer gesonderten Entscheidung zugänglich. Über ihn muss in jedem Fall gesondert entschieden werden. Er erledigt sich weder durch die Zurückweisung des in erster Linie gestellten Antrags auf Eintragung der Abtretung der Grundschuld an die Beteiligte zu 2 noch durch die - von dem Grundbuchamt allerdings zurückgewiesene - Vornahme der Eintragung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten zu 1 und 2 nach der Auslegung ihrer Anträge durch das Beschwerdegericht von der Möglichkeit des § 16 Abs. 2 GBO Gebrauch gemacht haben zu bestimmen, dass der Brief nicht ohne die beantragte Eintragung der Abtretung erteilt werden soll. Eine solche Verknüpfung von Anträgen kann jederzeit wieder aufgehoben werden, insbesondere dann, wenn dem Vollzug eines von mehreren Anträgen Hindernisse entgegenstehen. Entscheidend ist deshalb, ob die gestellten Anträge inhaltlich voneinander abhängig sind oder ob sie unabhängig voneinander vollzogen werden können. Der zweite Fall liegt hier vor. Der für die Briefgrundschuld des Schuldners erteilte Brief ist für kraftlos erklärt worden. Ohne einen neuen Grundschuldbrief konnte auch der Schuldner selbst von der Grundschuld keinen Gebrauch machen. Es war deshalb unabhängig von der Abtretung geboten, die Erteilung eines neuen Briefs zu beantragen.
IV.
In dem danach statthaften Umfang ist das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 unbegründet.
1. Ein neuer Brief ist nach Kraftloserklärung des bisherigen Briefs gemäß § 67 GBO zu erteilen, wenn ein Ausschlussbeschluss nach § 478 FamFG, in einem Altfall wie dem vorliegenden ein Ausschlussurteil nach § 1017 ZPO aF, vorgelegt wird. Zu erteilen ist der neue Brief dem "Berechtigten". Das ist der eingetragene oder, bei einer Briefgrundschuld, der gemäß § 1155 BGB legitimierte Grundschuldgläubiger. Anders liegt es, wenn das Antragsrecht auf einen Pfändungsgläubiger übergegangen ist. Dann ist der neue Brief diesem, nicht dem Grundschuldgläubiger zu erteilen. Diesen zweiten Fall hat das Beschwerdegericht hier zu Recht angenommen.
a) Das ergibt sich allerdings nicht schon aus dem vorgelegten Ausschlussurteil. Das Ausschlussurteil bewirkt zwar nach der hier noch anwendbaren Vorschrift des § 1018 Abs. 1 ZPO aF (= heute § 479 Abs. 1 FamFG), dass derjenige, der das Urteil erwirkt hat, hier das Finanzamt, dem durch die für kraftlos erklärte Urkunde Verpflichteten gegenüber berechtigt ist, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen. Ob der Antragsteller des Aufgebotsverfahrens die Ausstellung einer neuen Urkunde verlangen kann, bestimmt sich aber nicht nach § 1018 Abs. 1 ZPO aF (= § 479 Abs. 1 FamFG), sondern nach dem dafür maßgeblichen materiellen und Verfahrensrecht, bei der Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs also nach § 67 GBO (so BayObLG, DNotZ 1988, 111, 113; KG, OLGE 38, 10, 11; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 67 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Eickmann, 3. Aufl., §§ 1003-1024 Rn. 44; aM Staudinger/Wolfsteiner [2009], § 1162 Rn. 12). Nach dieser Vorschrift ist auf Grund des Ausschlussurteils (heute Ausschlussbeschlusses) nicht demjenigen der neue Brief zu erteilen, der dieses Urteil erwirkt hat, sondern dem "Berechtigten". Daran hat sich auch durch das FGG-Reformgesetz nichts geändert. Die Vorschriften sind durch dieses Gesetz inhaltlich unverändert geblieben.
b) Auch aus einem Pfändungspfandrecht an der Grundschuld lässt sich die alleinige Antragsberechtigung des Finanzamts nicht ableiten. Denn dieses ist noch nicht entstanden.
aa) Zur Pfändung einer Briefgrundschuld ist nach den hier anzuwendenden Vorschriften der §§ 321 Abs. 6 in Verbindung mit 310 Abs. 1 Satz 1 AO (die § 857 Abs. 6 iVm § 830 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechen) außer der Pfändungsverfügung nach § 309 Abs. 1 Satz 1 AO die Aushändigung des Grundschuldbriefs oder, § 310 Abs. 1 Satz 2 AO, die Wegnahme des Briefs durch den Vollziehungsbeamten erforderlich (für die nahezu wortgleichen Vorschriften der ZPO: BGH, Urteil vom 21. November 1960 - III ZR 160/59, NJW 1961, 601; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 830 Rn. 10-12; vgl. auch Senat, Urteil vom 6. April 1979 - V ZR 216/77, NJW 1979, 2045).
bb) Zu der Herausgabe des Briefs an das Finanzamt ist es bisher nicht gekommen. Durch Übergabe des wieder aufgefundenen Grundschuldbriefs ließe sich die erforderliche Briefübergabe jetzt nicht mehr erreichen. Denn dieser ist durch das Ausschlussurteil vom 14. Dezember 2009 für kraftlos erklärt worden und entfaltet keine Rechtswirkungen mehr. Das Ausschlussurteil ersetzt die Übergabe des Briefs nicht (BayObLG, DNotZ 1988, 111, 113; KG, KGJ 45, 294, 296 und OLGE 38, 10, 11; Staudinger/Wolfsteiner, BGB [2009], § 1154 Rn. 49).
c) Der Pfändungsgläubiger ist aber auch schon vor dem Entstehen des Pfändungspfandrechts an der Grundschuld zur Stellung des Antrags auf Erteilung eines neuen Grundschuldbriefs im Sinne von § 67 GBO "berechtigt".
aa) Unter welchen Voraussetzungen dem Pfändungsgläubiger die Rechte des Grundschuldgläubigers nach § 1162 BGB, § 67 GBO zustehen wird unterschiedlich beurteilt. Nach einer Ansicht ist das nur der Fall, wenn der Pfändungsgläubiger nicht nur die Pfändung und Überweisung der Briefgrundschuld erwirkt hat, sondern daneben auch die Pfändung und Überweisung dieser Rechte (Beermann/Gosch/Kögel, AO, Stand 2002, § 310 Rn. 22; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Beermann, AO, Stand Juni 2010, § 310 Rn. 21; MünchKomm-ZPO/Smid, 3. Aufl., § 830 Rn. 18; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 830 Rn. 21; Tempel, JuS 1976, 75 ff., 117, 121). Nach einer anderen, von dem Beschwerdegericht geteilten Ansicht geht dieses Recht, ebenso wie das Recht, den abhanden gekommenen bisherigen Brief für kraftlos erklären zu lassen, schon mit der Pfändung und Überweisung der Grundschuld auf den Pfändungsgläubiger über (Lemke/Wagner, Immobilienrecht, § 67 GBO Rn. 10; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 1830; ders. in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 830 Rn. 5 aE).
bb) Der Senat teilt die zweite Ansicht.
(1) Die für die Pfändung erforderliche Herausgabe des Grundschuldbriefs steht nicht im Belieben des Vollstreckungsschuldners. Dieser ist vielmehr schon auf Grund der Pfändungsverfügung verpflichtet, den Brief an den Pfändungsgläubiger herauszugeben. Ist er zur Herausgabe nicht bereit, kann der Pfändungsgläubiger auf Grund der Pfändung und Überweisung der Grundschuld gegen ihn die Zwangsvollstreckung (nach § 883 ZPO) betreiben (Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 830 Rn. 14; Wieczorek/Lüke, ZPO, 3. Aufl., § 830 Rn. 10). Diese Verpflichtung folgt nicht aus einem Recht des Pfändungsgläubigers an dem Brief, das er nach § 952 Abs. 2 BGB erst mit dem Pfändungspfandrecht an der Grundschuld, mithin erst mit der Übergabe oder vollstreckungsrechtlichen Wegnahme des Briefs erwirbt. Grundlage der Verpflichtung ist eine Vorwirkung des mit der Pfändungsverfügung nach § 309 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO aufzuerlegenden Verbots, über die gepfändete Grundschuld zu verfügen. Das Verbot liefe ins Leere, wäre der Schuldner nicht verpflichtet, an der für die Pfändung einer Briefgrundschuld erforderlichen Herausgabe des Briefs mitzuwirken. Es setzt eine schon mit Erlass der Pfändungsverfügung entstehende Verpflichtung des Schuldners zur Herausgabe des Briefs voraus.
(2) Auch die Rechte des Schuldners als Gläubiger der gepfändeten Grundschuld auf Kraftloserklärung eines nicht auffindbaren Briefs nach § 1162 BGB und auf Erteilung eines neuen Briefs nach § 67 GBO muss der Gläubiger schon vor dem Wirksamwerden des Pfandrechts geltend machen können. Anders ließe sich bei Abhandenkommen des Briefs die für die Pfändung einer Briefgrundschuld erforderliche Übergabe nicht erreichen. Diese Möglichkeit kann sich der Gläubiger nicht (erst) durch eine zusätzliche Pfändung dieser Rechte verschaffen. Bei diesen Rechten handelt es sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche, sondern um der Sache nach öffentlich-rechtliche Bescheidungsansprüche, und zwar gegenüber dem Aufgebotsgericht bei dem Recht aus § 1162 BGB, die Kraftloserklärung zu beantragen, und gegenüber dem Grundbuchamt bei dem Recht aus § 67 GBO, die Erteilung eines neuen Briefs zu beantragen. Diese Befugnisse sind zudem untrennbar mit der Grundschuld verbunden. Sie fallen dem Pfändungsgläubiger ohne zusätzlichen Übertragungsakt zu, wenn er das Pfändungspfandrecht erlangt. Auch insoweit entfaltet das in der Pfändungsverfügung ausgesprochene Verfügungsverbot eine vollstreckungsrechtliche Vorwirkung. Ebenso wie der Schuldner den Brief nicht mehr behalten darf, sondern ihn an den Pfändungsgläubiger herausgeben muss, darf er auch von seinen Befugnissen, einen abhanden gekommenen Brief für kraftlos erklären zu lassen und die Erteilung eines neuen Briefs zu beantragen, keinen Gebrauch mehr machen. Das ist - unmittelbar auf Grund der Pfändung der Grundschuld und ohne zusätzliche Pfändung dieser Befugnisse - allein Sache des Pfändungsgläubigers.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 KostO. Der Wert bestimmt sich nach dem Nominalbetrag der Grundschuld, weil auch im Rechtsbeschwerdeverfahren die Eintragung der Abtretung angestrebt wird.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub