Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 15.06.2010


BGH 15.06.2010 - XI ZB 33/09

Richterablehnung: Erledigung des Ablehnungsgesuchs trotz Anhörungsrüge gegen dessen Zurückweisung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
15.06.2010
Aktenzeichen:
XI ZB 33/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Nürnberg, 14. August 2009, Az: 6 U 655/08, Beschlussvorgehend LG Nürnberg-Fürth, 27. März 2008, Az: 10 O 5730/07
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ein Ablehnungsgesuch ist nicht erledigt, solange eine zulässige Anhörungsrüge gegen seine Zurückweisung nicht beschieden ist .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. August 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 718.663,17 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, nimmt die beklagte Sparkasse auf Neuberechnung mehrerer Girokonten, auf Auskunft über Kontobewegungen und auf Herausgabe verschiedener Grundschuldbestellungsurkunden in Anspruch. Ferner begehrt er, die Zwangsvollstreckung aus den Grundschuldbestellungsurkunden für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger eine Anhörungsrüge erhoben. Außerdem hat er die Richter, die an der Zurückweisung der Berufung mitgewirkt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat dieses Ablehnungsgesuch durch die zur Vertretung der abgelehnten Richter berufenen Richter mit Beschluss vom 18. März 2009 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Der Kläger hat gegen den Beschluss vom 18. März 2009 eine Anhörungsrüge erhoben und die Richter, die an diesem Beschluss mitgewirkt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat dieses Ablehnungsgesuch durch die weiter zur Vertretung berufenen Richter mit Beschluss vom 14. August 2009 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

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1. Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur beschränkt auf die Frage seiner ordnungsgemäßen Besetzung zugelassen.

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a) Die Rechtsbeschwerde wird im Tenor der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe der Gründe zugelassen. In den Gründen führt das Oberlandesgericht aus, im Zusammenhang mit den vom Kläger geltend gemachten Ablehnungsgründen lägen keine Rechtsfragen vor, die grundsätzliche Bedeutung hätten oder deren Klärung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei. Etwas anderes gelte für die für die Beurteilung der Zuständigkeit der zur Entscheidung berufenen Richter maßgebliche Frage, ob ein Richter nach der mit einem förmlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs gegen ihn durch die fristgerechte Einlegung einer Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs gemäß § 47 Abs. 1 ZPO am weiteren Tätigwerden gehindert sei. Zwar sei unklar, ob die Zulassung der Rechtsbeschwerde überhaupt und gegebenenfalls auf die angesprochenen Rechtsfragen oder die Frage der Zuständigkeit der berufenen Richter beschränkt werden könne. Es werde aber davon ausgegangen, dass das Rechtsbeschwerdegericht eine von ihm für zulässig erachtete Beschränkung der Zulassung auch den Gründen der Zulassung entnehmen könne.

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Hierin kommt zum Ausdruck, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, soweit zulässig, auf die für die Beurteilung seiner ordnungsgemäßen Besetzung maßgebliche Frage, ob ein Richter nach der mit einem förmlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbaren Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches gegen ihn durch die fristgerechte Einlegung einer Anhörungsrüge gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches gemäß § 47 Abs. 1 ZPO am weiteren Tätigwerden gehindert sei, beschränkt hat.

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b) Diese Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig.

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Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 161, 15, 18 und Urteil vom 26. September 2006 - XI ZR 156/05, WM 2006, 2351, Tz. 5 m.w.N.) auf einen tatsächlich oder rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein kann. Zulässig ist auch die Beschränkung auf einen Teil des Streitstoffs, über den durch ein Zwischenurteil gemäß § 280 ZPO bzw. § 304 ZPO oder durch einen Beschluss gemäß § 17a Abs. 3 GVG entschieden werden könnte (BGH, Urteile vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 19/89, WM 1990, 784, 786, vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92, WM 1993, 1015, 1016, insoweit in BGHZ 121, 367 ff. nicht abgedruckt, und vom 10. Mai 2001 - III ZR 262/00, WM 2001, 1633, 1634 f., insoweit in BGHZ 147, 394 ff. nicht abgedruckt). Nach diesen Grundsätzen, die für die Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde entsprechend gelten, ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde wirksam auf die Frage der ordnungsgemäßen Besetzung des Oberlandesgerichts beschränkt worden. Diese Frage ist ein abgrenzbarer Teil des Streitstoffes, über den das Oberlandesgericht vorab durch Beschluss hätte entscheiden können (Senat, Beschluss vom 30. Januar 2007 - XI ZB 44/05, juris, Tz. 11; vgl. auch BVerfGE 40, 356 ff.).

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Auch die Rechtsbeschwerde geht ausdrücklich davon aus, dass das Oberlandesgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Frage seiner ordnungsgemäßen Besetzung bei der angefochtenen Entscheidung beschränkt hat, und greift die Entscheidung nur insoweit an.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

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a) Das Oberlandesgericht hat seine ordnungsgemäße Besetzung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Die Richter, die an der Zurückweisung der Berufung mitgewirkt hätten, seien aufgrund des gegen sie gerichteten Ablehnungsgesuches gemäß § 47 Abs. 1 ZPO an der Mitwirkung gehindert. Das Ablehnungsgesuch sei zwar durch den Beschluss vom 18. März 2009 rechtskräftig zurückgewiesen worden. Damit sei aber noch keine Erledigung des Ablehnungsgesuches im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO eingetreten, weil gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches eine Anhörungsrüge erhoben worden und deshalb eine Fortführung des Ablehnungsverfahrens denkbar sei.

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Damit seien nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts für die Entscheidung nach den gemäß § 47 Abs. 1 ZPO ausgeschlossenen Richtern die mitwirkenden Richter als weitere Vertreter der Mitglieder des 6. Zivilsenats zuständig.

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b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.

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Das Oberlandesgericht war bei der angefochtenen Entscheidung ordnungsgemäß besetzt. Ein absoluter Beschwerdegrund gemäß § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor.

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aa) Gemäß § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet über ein Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Gericht im Sinne dieser Regelung ist der durch seine geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzte Spruchkörper (BGH, Beschluss vom 5. März 2001 - I ZR 58/00, BGH-Report 2001, 432, 433; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 45 Rn. 2 m.w.N.). Dass die Richter, die an dem angefochtenen Beschluss mitgewirkt haben, die geschäftsplanmäßigen Vertreter der Richter des 6. Zivilsenats sind, hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unangegriffen angenommen.

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bb) Auch die von der Rechtsbeschwerde angegriffene Auffassung des Oberlandesgerichts, die Richter, die an der Zurückweisung der Berufung mitgewirkt hätten, seien gemäß § 47 Abs. 1 ZPO an der Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung verhindert gewesen, weil gegen die rechtskräftige Zurückweisung der gegen sie gerichteten Ablehnungsgesuche eine Anhörungsrüge erhoben worden sei, hält rechtlicher Überprüfung stand.

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Eine Erledigung des Ablehnungsgesuches im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO ist dem Wortsinn nach erst gegeben, wenn seine Behandlung endgültig abgeschlossen ist. Diese Auslegung ist auch zur Sicherung des verfassungsmäßigen Ranges (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) des Ablehnungsrechts geboten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 47 Rn. 1). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist deshalb geklärt, dass ein Richter grundsätzlich nicht vor rechtskräftiger Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches tätig werden darf (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2004 - IX ZB 280/03, ZVI 2004, 753, 754; vgl. auch Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 47 Rn. 1 Fn. 3; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 47 Rn. 3, jeweils m.w.N.). Ebenso wird das Ende der Wartepflicht gemäß § 47 Abs. 1 ZPO durch Einlegung einer zulässigen Anhörungsrüge hinausgeschoben (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 47 Rn. 2). Gegen die Zulässigkeit der im vorliegenden Fall erhobenen Anhörungsrüge bestehen keine Bedenken (vgl. BVerfG, NJW 2009, 833, 834). Solange diese Rüge nicht beschieden ist, ist die Behandlung des Ablehnungsgesuches nicht endgültig abgeschlossen. Die Anhörungsrüge hindert zwar nicht den Eintritt der Rechtskraft. Falls die Rüge sich als begründet erweist, wird die Rechtskraft aber durchbrochen und das Verfahren gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgeführt (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04, NJW 2005, 1432).

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Dass eine Verfassungsbeschwerde einer Erledigung des Ablehnungsgesuches im Sinne des § 47 Abs. 1 ZPO nicht entgegensteht (OLG Hamm, NJW-RR 1999, 651; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 47 Rn. 3; Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 47 Rn. 3; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 47 Rn. 9; Zimmermann, ZPO, 8. Aufl., § 47 Rn. 1), rechtfertigt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine andere Entscheidung. Anders als die Verfassungsbeschwerde ist die Anhörungsrüge ein Rechtsbehelf, durch den das Gericht, das die angegriffene Entscheidung getroffen hat, von der Bindungswirkung des § 318 ZPO sowie von der formellen und materiellen Rechtskraft freigestellt wird, wenn die Rüge sich als begründet erweist (Musielak/Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 321a Rn. 2). In diesem Fall hat die Anhörungsrüge gemäß § 321a Abs. 5 Satz 1 und 3, § 343 Satz 2 ZPO die Fortführung des anhängigen Verfahrens und, ähnlich wie ein Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung zur Folge. Angesichts dieser Möglichkeit ist die Behandlung des Ablehnungsgesuches vor der Entscheidung über die Anhörungsrüge gegen die das Gesuch zurückweisende Entscheidung noch nicht endgültig abgeschlossen.

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cc) Da das Oberlandesgericht seine ordnungsgemäße Besetzung somit rechtsfehlerfrei angenommen hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Besetzungsrüge des Klägers nur beachtlich wäre, wenn eine etwaige Gesetzesverletzung auf objektiver Willkür beruhte (vgl. BGHZ 126, 63, 71).

Wiechers                                  Joeres                                  Mayen

                    Ellenberger                              Matthias