Entscheidungsdatum: 20.09.2017
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin vom 28. November 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000 €.
I.
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, einen an der Grenze zum Grundstück der Klägerin errichteten Stabgitterzaun zu stabilisieren und einen Sichtschutz zu entfernen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und den Parteien jeweils die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Streitwert hat es auf 2.000 € festgesetzt. Die gegen dieses Urteil am 23. Mai 2016 eingelegte Berufung des Beklagten hat das Landgericht durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Durchführung der Berufung erreichen möchte.
II.
Das Berufungsgericht meint, die für die Berufung erforderliche Beschwer von 600 € sei nicht erreicht. Die Kosten für die Stabilisierung des Stabgitterzauns seien bei der Bemessung der Beschwer nicht zu berücksichtigen, weil der Beklagte den Zaun von Anfang an habe stabil errichten wollen und seiner Leistungspflicht freiwillig nachgekommen sei, indem er im Mai 2016 den Zaun in Punktfundamenten einbetoniert habe. Die Kosten der Demontage und Entsorgung des nur mit dünnen Drähten befestigten Sichtschutzes liege höchstens bei 450 €. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts könne bei der Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstandes keine Berücksichtigung finden.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist unter anderem gegeben, wenn das Berufungsgericht dem Rechtsmittelführer den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung kann in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen. Voraussetzung dafür ist, dass das Berufungsgericht die Grenze seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juni 2016 - V ZB 17/15, NJW-RR 2016, 1236 Rn. 8; Beschluss vom 17. März 2016 - V ZB 166/13, NJW-RR 2016, 649 Rn. 6; Beschluss vom 11. Juni 2015 - V ZB 78/14, NJW-RR 2015, 1421 Rn. 6 f.). Hier hat das Berufungsgericht den Zugang zu der Berufung unzumutbar erschwert, weil es die Beschwer aufgrund von rechtlichen Erwägungen festgesetzt hat, die mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Einklang stehen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung trägt die Festsetzung einer die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unterschreitenden Beschwer nicht.
a) Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, dass die Beschwer des Beklagten hinsichtlich der Verurteilung zur Entfernung des Sichtschutzes nach den Kosten einer Ersatzvornahme des Abrisses zu bemessen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. April 2014 - V ZB 168/13, juris Rn. 7; Beschluss vom 29. Januar 2009 - V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514 Rn. 4; Urteil vom 10. Dezember 1993 - V ZR 168/92, BGHZ 124, 313, 319). Diesen Wert hat das Berufungsgericht mit höchstens 450 € bemessen. Das lässt keine Rechtsfehler erkennen. Ob, wie die Rechtsbeschwerde meint, für die Bemessung der Beschwer auch das Interesse des Beklagten am Erhalt des Sichtschutzes zu berücksichtigen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2009 - V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514 Rn. 4), bedarf deshalb keiner Entscheidung, weil zu dem Wert von 450 € die sich aus der Verurteilung des Beklagten zur Stabilisierung des Stabgitterzauns ergebende Beschwer hinzuzurechnen ist und jedenfalls damit eine Beschwer erreicht sein dürfte, die 600 € übersteigt.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die in der Verurteilung des Beklagten zur Stabilisierung des Stabgitterzauns liegende Beschwer nicht dadurch entfallen, dass der Beklagte den Zaun in Punktfundamente einbetoniert hat.
aa) Für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebend (§ 4 Abs. 1 ZPO; Senat, Beschluss vom 8. Oktober 1982 - V ZB 9/82, NJW 1983, 1063). Soweit ein verurteilter Beklagter die ihm im Urteilstenor aufgegebenen Leistungen vor Einlegung seines Rechtsmittels nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbringt, sondern vorbehaltlos erfüllt, entfällt zwar seine Beschwer (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2001 - IV ZB 3/01, NJW-RR 2001, 1571 Rn. 6). So liegt es hier aber nicht.
bb) Es kann allerdings nicht angenommen werden, dass der Beklagte den Zaun lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung in Punktfundamente einbetoniert hat. Denn er hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von Anfang an und damit unabhängig von seiner Verurteilung vor, den Zaun zu stabilisieren. Die zwischenzeitlich ergriffenen Maßnahmen haben die Beschwer aber deshalb unberührt gelassen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beklagte durch sie das erfüllt hat, was ihm durch das angefochtene Urteil aufgegeben wurde. Ob die Maßnahme, die der Beklagte durchgeführt hat, und die Maßnahme, zu der er verurteilt worden ist, identisch sind, ist offen. Dass beides nicht zwingend dasselbe ist, zeigt sich darin, dass die Klägerin die Erfüllung bestreitet. Ihr Einwand, die Zaunanlage sei nicht fachgerecht stabilisiert, bezieht sich, wie sich aus der von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Aktenstelle ergibt und anders als das Berufungsgericht meint, nicht nur auf den Sichtschutz, sondern auch auf den Stabgitterzaun. Ob der Beklagte das getan hat, wozu er verurteilt worden ist, ist aber nicht im Rahmen der Zulässigkeit der Berufung, sondern ggf. im Vollstreckungsverfahren zu klären. Für das Berufungsverfahren ist daher von einer fortbestehenden Beschwer auszugehen.
IV.
Die Entscheidung kann somit keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht die bisher unterbliebene Entscheidung über die Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO nachholen müsste (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 21. Januar 2016 - V ZB 66/15, NJW-RR 2016, 509 Rn. 15 mwN), sollte die Beschwer des Beklagten auch unter Berücksichtigung seiner Verurteilung zur Stabilisierung des Zauns - wider Erwarten - unter 600 € liegen.
Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens setzt der Senat mangels anderer Anhaltspunkte auf der Grundlage der Festsetzung des Amtsgerichts auf 1.000 € fest.
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