Entscheidungsdatum: 09.06.2016
Hat ein Wohnungseigentümer erfolglos einen Beschluss angefochten, durch den der Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung gegen ihn ermächtigt worden ist, bestimmt sich der Wert seiner Beschwer grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Forderung.
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 12. Dezember 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 4.727,63 €.
I.
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 23. Juli 2013 wurde unter TOP 3 beschlossen, die Verwalterin zur gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen in Höhe von 4.427,63 € gegen die Kläger zu ermächtigen.
Die Kläger wenden sich mit der Anfechtungsklage gegen diesen und einen weiteren zu TOP 2 ergangenen Beschluss. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Berufungsgericht meint, die Beschwer der Kläger bemesse sich bezüglich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 nach dem Anteil der Kläger an den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz im Fall der Klageabweisung; danach ergebe sich ein Betrag von 111,93 €. Verfahrenskosten für ein Berufungsverfahren seien nicht zu berücksichtigen, da sich die Ermächtigung der Verwalterin nur auf die erste Instanz beziehe. Das Interesse der Kläger, die Erhebung der Anfechtungsklage überhaupt zu vermeiden, bleibe außer Betracht, da sie dieses Interesse in dem gegen sie geführten Rechtsstreit wahren könnten.
III.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil sie keine Sachdarstellung enthält.
a) Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben. Dies gilt auch für einen Beschluss, durch den die Berufung mit der Begründung verworfen wird, die Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht erreicht. Nach § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage, was die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach sich zieht (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 301/10, WuM 2011, 377 Rn. 3).
b) Vorliegend geht aus der angegriffenen Entscheidung der konkrete Gegenstand des Beschlusses zu TOP 2 zwar nicht hervor, so dass insoweit eine rechtliche Nachprüfung nicht erfolgen kann. Anders ist dies aber in Bezug auf den Beschluss der Wohnungseigentümer zu TOP 3. Die insoweit getroffenen Feststellungen ermöglichen eine rechtliche Prüfung der Frage, ob die notwendige Beschwer von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) überschritten ist.
2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist unter anderem dann gegeben, wenn das Berufungsgericht dem Rechtsmittelführer den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung kann in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer liegen. Voraussetzung dafür ist, dass das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Denn die Bemessung der Beschwer kann auch in dem Verfahren über eine aus anderen Gründen zulässige Rechtsbeschwerde nur in dieser Hinsicht überprüft werden (Senat, Beschluss vom 11. Juni 2015 - V ZB 78/14, NJW-RR 2015, 1421 Rn. 7 mwN). Hier hat das Berufungsgericht den Klägern den Zugang zu der Berufung deshalb unzumutbar erschwert, weil es die Beschwer aufgrund von rechtlichen Erwägungen bemessen hat, die das Rechtsschutzziel der Kläger verkennen.
3. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Berufung durfte nicht als unzulässig verworfen werden, weil schon die Abweisung der Anfechtungsklage betreffend den unter TOP 3 gefassten Beschluss die Kläger mit über 600 € beschwert.
a) Maßgebend für den Wert des Beschwerdegegenstands ist das Interesse des Berufungsklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils; dieses ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren allein auf die Person des Rechtsmittelführers, seine Beschwer und sein Änderungsinteresse abzustellen (Senat, Beschluss vom 9. Februar 2012 - V ZB 211/11, ZWE 2012, 224 Rn. 4 mwN).
b) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht die Beschwer der Kläger rechtsfehlerhaft bemessen.
Das Interesse der Kläger, den Beschluss der Wohnungseigentümer zu TOP 3 für ungültig erklären zu lassen, besteht nicht in der Abwehr einer möglichen anteilsmäßigen Belastung mit Prozesskosten, sondern liegt in der Verhinderung der gerichtlichen Geltendmachung der gegen sie gerichteten Forderung. Zu der Erhebung einer Klage im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist der Verwalter nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG nämlich nur berechtigt, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt ist (vgl. nur Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 145/10, BGHZ 188, 157 Rn. 13; Merle/Becker in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 27 Rn. 272). Gelänge es den Klägern, die Ermächtigung der Verwalterin als Voraussetzung für eine Klageerhebung zu beseitigen, könnten die Beklagten die Forderung nicht geltend machen. Hat ein Wohnungseigentümer erfolglos einen Beschluss angefochten, durch den der Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung einer Forderung gegen ihn ermächtigt worden ist, bestimmt sich der Wert seiner Beschwer deshalb grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Forderung (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 182/12, MDR 2013, 961 Rn. 10). Folglich sind die Kläger bereits wegen der in Bezug auf TOP 3 abgewiesenen Anfechtungsklage in Höhe von 4.427,63 € beschwert.
IV.
Die Sache ist nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 49a Abs. 1 GKG; das Interesse der Kläger an der Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils betreffend die Abweisung der Anfechtungsklage bezüglich TOP 3 entspricht dem Nennwert der Forderung und bildet die Untergrenze für den Gegenstandswert (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG). In Bezug auf die Berufung gegen die Abweisung der Anfechtungsklage bezüglich des Beschlusses zu TOP 2 schätzt der Senat das Interesse mangels anderer Anhaltspunkte auf 300 €.
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Haberkamp