Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.06.2012


BGH 14.06.2012 - V ZB 194/11

Zwangsversteigerungsverfahren für eine Eigentumswohnung: Berücksichtigung der von dem Schuldner gezahlten Hausgelder bei der Berechnung des Höchstbetrages für eine vorrangige Befriedigung der Wohnungseigentümergemeinschaft


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
14.06.2012
Aktenzeichen:
V ZB 194/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Berlin, 27. Juli 2011, Az: 82 T 423/11vorgehend AG Spandau, 4. Juli 2011, Az: 30 K 39/10
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die von dem Schuldner in einem Zwangsversteigerungsverfahren gezahlten Hausgelder vermindern - im Unterschied zu den Zahlungen ablösungsberechtigter Dritter nach § 268 BGB - nicht den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ZVG, bis zu dem die Hausgeldansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft aus der Rangklasse 2 zu befriedigen sind.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 werden der Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 27. Juli 2011 aufgehoben und der Beitrittsbeschluss des Amtsgerichts Spandau vom 4. Juli 2011 dahin abgeändert, dass die bei der Bezeichnung der Ansprüche, aus denen das Verfahren betrieben wird, aufgenommene Einschränkung „wobei die Rangklasse 2 bereits bis zum Betrag in Höhe von 1.389,77 € ausgeschöpft ist“ entfällt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.389,77 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 betreibt die Wiederversteigerung des eingangs bezeichneten Teileigentumsrechts gegen die Ersteher. Das Vollstreckungsgericht hat den Beitritt der Beteiligten zu 2 zu diesem Verfahren wegen Hausgeldrückständen von 1.124,22 € nebst Zinsen in der Rangklasse 2 zugelassen. In dem Wiederversteigerungstermin hat der Beteiligte zu 3 Quittungen der Kosteneinziehungsstelle der Justiz über Einzahlungen von 4.800 € auf die von der Beteiligten zu 2 und über 21.000 € auf die von der Beteiligten zu 1 angemeldete Forderung vorgelegt. Das von der Beteiligten zu 1 betriebene Verfahren ist auf Grund einer Gläubigerbewilligung nach § 30 ZVG, das von der Beteiligten zu 2 betriebene Verfahren ist nach § 75 ZVG eingestellt worden. An die Beteiligte zu 2 sind nach Abzug der Verfahrenskosten auf die angemeldete Forderung 1.389,77 € ausgezahlt worden.

2

Die Beteiligte zu 2 hat anschließend wegen weiterer titulierter Hausgeldansprüche von 6.456,12 € und Kosten in Höhe von 858,28 €, jeweils nebst Zinsen, die Fortsetzung des Verfahrens und die Anordnung ihres Beitritts zum Verfahren beantragt. Das Vollstreckungsgericht hat dem entsprochen, und zwar bis zur Höhe eines Betrages von 5 % des Verkehrswerts aus der Rangklasse 2, insoweit mit dem Zusatz, dieser Betrag sei in Höhe von 1.389,77 € ausgeschöpft, und im Übrigen aus der Rangklasse 5. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den erwähnten Zusatz ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte sie weiterhin erreichen, dass ihr Beitritt wegen der neuen Rückstände bis zu dem genannten Höchstbetrag uneingeschränkt zugelassen wird.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, nach dem Beschluss des Senats vom 4. Februar 2010 (V ZB 129/09, NJW 2010, 3169 ff.) könnten Hausgeldansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft in einem Zwangsversteigerungsverfahren nur einmal bis zur Obergrenze von 5 % des Verkehrswerts nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG der Rangklasse 2 zugeordnet werden. Das sei zwar nur für den Fall ausgesprochen worden, dass diese Ansprüche von einem nachrangigen Grundpfandrechtsgläubiger nach § 268 BGB abgelöst worden seien. Wenn - wie hier - der Schuldner die angemeldeten Wohngeldansprüche beglichen habe, gelte aber nichts anderes. Denn auch in diesem Falle stünden die zur Ablösung der Ansprüche aus der Rangklasse 2 aufgewendeten Zahlungen den nachrangigen Gläubigern nicht mehr zur Verfügung.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

5

1. Zutreffend hat das Beschwerdegericht allerdings den Beschluss, mit dem der Antrag einer Wohnungseigentümergemeinschaft, einen Beitritt in der Rangklasse 2 zuzulassen, (ganz oder teilweise) zurückgewiesen wird, als eine nach § 95 ZVG anfechtbare Entscheidung angesehen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Februar 2010 - V ZB 129/09, NJW 2010, 3169). Zwar stellt die Zurückweisung der Anmeldung eines Vorrechts nur eine unselbständige Zwischenentscheidung dar, die nicht nach § 95 ZVG mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann (vgl. LG Augsburg, Rpfleger 2001, 92; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 95 Rn. 62; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 45 Rn. 9); nach § 95 ZVG anfechtbar sind aber die Beschlüsse, mit denen das Vollstreckungsgericht eine dem Antrag entsprechende Vollstreckungsanordnung nach § 19 oder § 27 ZVG ablehnt.

6

2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, den Beitritt der Beteiligten zu 2 wegen der angemeldeten neuen Hausgeldrückstände nur eingeschränkt in der Rangklasse 2 zuzulassen, zu beanstanden.

7

a) Hausgeldansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft sind nicht uneingeschränkt der Rangklasse 2 zugeordnet und gehen deshalb den Ansprüchen der Gläubiger anderer Rangklassen nur bis zu dem in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ZVG bestimmten Höchstbetrag vor. Diese Begrenzung des Vorrangs hat zur Folge, dass bei der Verteilung des Erlösüberschusses Hausgeldansprüche nur in Höhe von maximal 5 % des festgesetzten Verkehrswerts vor den Ansprüchen anderer Gläubiger aus den nachfolgenden Rangklassen 3 und 4 zu befriedigen sind. Die Wohnungseigentümergemeinschaft darf aus dem Versteigerungserlös vor den Gläubigern mit Ansprüchen aus den Rangklassen 3 und 4 keine diesen Höchstbetrag übersteigenden Zuteilungen oder Zahlungen erhalten.

8

b) Das wiederum bedeutet, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft den Höchstbetrag im gesamten Zwangsversteigerungsverfahren einschließlich der Wiederversteigerung nicht mehrfach, sondern nur einmal ausschöpfen darf (Senat, Beschlüsse vom 4. Februar 2010 - V ZB 129/09, NJW 2010, 3169, 3170 Rn. 14 und vom 24. Juni 2010 - V ZB 17/10, ZWE 2010, 367). Mit der Obergrenze des Vorrechts sollte nämlich die Belastung für die nachrangigen Realkreditgläubiger kalkulierbar gemacht und auf ein angemessenes Maß beschränkt werden, auch um die Vergabe von an Wohnungs- und Teileigentum gesicherten Realkrediten nicht zu gefährden (BT-Drucks. 16/887, S. 44, 45). Dazu muss sichergestellt werden, dass die nachrangigen Gläubiger in einem Zwangsversteigerungsverfahren einen Betrag von höchstens 5 % des maßgeblichen Verkehrswerts aufwenden müssen, um die bevorrechtigten Hausgeldansprüche abzulösen (Senat, Beschluss vom 4. Februar 2010 - V ZB 129/09, aaO). Könnte das Vorrecht nach Ablösung der angemeldeten Hausgeldansprüche durch einen Gläubiger erneut in Anspruch genommen werden, ließe sich das nicht erreichen, was dem Zweck der Vorschrift widerspräche.

9

aa) Löst ein anderer Gläubiger die bevorrechtigten Hausgeldansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Schuldner ab, gehen diese nach § 268 Abs. 3 Satz 1 BGB auf ihn über. Er wird indes nicht nur Inhaber der Ansprüche gegen den Schuldner. Vielmehr tritt er nach §§ 401, 412 BGB in vollem Umfang in die Rechtsstellung des bisherigen Gläubigers in dem Zwangsversteigerungsverfahren (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 192/09, NJW-RR 2010, 1314, 1316 Rn. 18) und damit auch in dessen bisherige Rangstelle ein (vgl. Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 75 Rn. 34; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 75 Rn. 38; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 15 Anm. 20.22; Storz, ZIP 1980, 159, 162), hier also in die der Wohnungseigentümergemeinschaft zustehende Rangklasse 2. Er könnte deshalb wegen der abgelösten Hausgeldansprüche seinerseits, auch gegen den Willen des Schuldners und anderer Gläubiger, in der Rangklasse 2 die Zwangsversteigerung weiterbetreiben (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Oktober 2008 - V ZB 48/08, ZfIR 2009, 212, 213).

10

bb) Könnte eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die in dem Zwangsversteigerungsverfahren wegen ihrer Wohngeldansprüche bis zur Höhe der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ZVG bestimmten Obergrenze durch Ablösezahlungen anderer Gläubiger befriedigt worden ist, erneut wegen anderer Wohngeldansprüche die Rangklasse 2 für sich in Anspruch nehmen, gingen auch diese Ansprüche den nach den Rangklassen 3 und 4 zu befriedigenden Forderungen vor. Im Ergebnis wären nicht nur die neuen Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern auch ihre bisherigen, auf den ablösenden Gläubiger übergegangenen Hausgeldansprüche gegen den Schuldner in Rangklasse 2 und von den Gläubigern in den Rangklassen 3 und 4 zu befriedigen. Der Vorrang der Wohngeldansprüche vor denjenigen der Realkreditgläubiger wäre zwangsläufig nicht mehr auf 5 % des festgesetzten Verkehrswerts begrenzt. Um die vorrangige Befriedigung der Wohngeldansprüche aus dem Versteigerungserlös zu vermeiden, müssten die anderen Gläubiger einen höheren Betrag aufwenden. Das soll gerade vermieden werden.

11

c) Zahlt der Schuldner indes selbst im Verlauf des Zwangsversteigerungsverfahrens auf die angemeldeten Hausgeldansprüche, liegt es anders.

12

aa) Im Schrifttum wird, soweit die Frage dort überhaupt behandelt wird, die Ansicht vertreten, Zahlungen des Schuldners, die dieser in dem Verfahren auf Hausgeldforderungen leistet, berührten, anders als Ablösezahlungen Dritter nach § 268 BGB, das Vorrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG wegen weiterer Hausgeldansprüche nicht. Das Vorrecht könne vielmehr weiterhin bis zur gesetzlichen Obergrenze in Anspruch genommen werden (vgl. Alff, ZWE 2010, 105, 110 f.; Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 20 Rn. 21; Schneider, ZMR 2010, 340, 343). Leiste der Schuldner nur einen Teilbetrag auf die rückständigen, im Verfahren angemeldeten Hausgeldansprüche, rückten die weiteren Hausgeldansprüche von der Rangklasse 5 in die Rangklasse 2 auf (Alff, aaO).

13

bb) Dem ist zuzustimmen.

14

(1) Wenn der Schuldner die geschuldete Leistung - hier die Zahlung des rückständigen Wohngelds - endgültig an den Gläubiger bewirkt, erlischt das Schuldverhältnis gemäß § 362 Abs. 1 BGB (BGH, Urteile vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269 und vom 26. Februar 1986 - VIII ZR 28/95, NJW 1986, 1677, 1678). Der erfüllte Anspruch besteht nicht mehr und geht auch nicht auf einen anderen Gläubiger über. Wegen der nachgezahlten Rückstände kann die Zwangsversteigerung deshalb weder von der Wohnungseigentümergemeinschaft noch von einem anderen Gläubiger betrieben werden. Es kann deshalb nicht dazu kommen, dass die nachrangigen Gläubiger mit bevorrechtigten Hausgeldansprüchen von insgesamt mehr als 5% des Verkehrswerts bei der Verteilung des Versteigerungserlöses ausfallen oder einen weitergehenden Betrag aufwenden müssten, um einen solchen Ausfall zu vermeiden.

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(2) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch nicht daraus, dass Zahlungen des Schuldners zur Befriedung vorrangiger Wohngeldansprüche in einem Zwangsversteigerungsverfahren wie Ablösungen wirken müssten, weil die von dem Schuldner zu diesem Zweck aufgebrachten Mittel den nachrangigen Gläubigern nicht mehr zur Verfügung stünden. Dabei übersieht das Beschwerdegericht, dass die Anordnung der Zwangsversteigerung - anders als nach § 35 Abs. 1 InsO die Anordnung des Insolvenzverfahrens - nicht zu einer Beschlagnahme des gesamten Vermögens des Schuldners führt, sondern nach §§ 20, 21 ZVG, § 1120 BGB nur zu einer Beschlagnahme des Grundstücks und des Zubehörs. In dem Zwangsversteigerungsverfahren können die Gläubiger nur auf den Erlös aus der Versteigerung dieser beschlagnahmten Teile des Schuldnervermögens zugreifen. Diese Verwertungsmasse wird nicht geschmälert, wenn der Schuldner aus beschlagnahmefreiem Vermögen Hausgeldansprüche erfüllt. Solche Zahlungen des Schuldners können daher den Aufwendungen anderer Gläubiger zur Ablösung der Wohngeldansprüche nicht gleichgestellt werden.

IV.

16

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet bei Beschwerden in Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich nicht statt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7). Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert der angestrebten Änderung des Beitrittsbeschlusses.

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