Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 09.12.2010


BGH 09.12.2010 - V ZB 190/10

Wohnungseigentum: Zuständiges Berufungsgericht bei einer Schadensersatzklage der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Verwalter und den Unternehmer wegen fehlerhafter Durchführung einer Dachsanierung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
09.12.2010
Aktenzeichen:
V ZB 190/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Duisburg, 8. Juni 2010, Az: 7 S 10/10, Beschlussvorgehend AG Mülheim, 10. Dezember 2009, Az: 35 C 79/08
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 8. Juni 2010 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

2. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 426.515,06 €.

3. Die öffentliche Zustellung dieses Beschlusses an den Beklagten zu 2 wird bewilligt.

Gründe

I.

1

Die Beklagte zu 1 war bis 2002 Verwalterin der Klägerin, einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin verlangt von ihr Schadensersatz wegen einer fehlerhaft ausgeführten Dachsanierung. Den Beklagten zu 2 nimmt sie als Inhaber der aus ihrer Sicht die Arbeiten ausführenden Einzelfirma in Anspruch. Nachdem die Klägerin zunächst Klage zum Landgericht Duisburg erhoben hatte, hat das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 18. Juli 2008 das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr zum insgesamt zuständigen Gericht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt. Dabei verwies es auf die ausschließliche Zuständigkeit dieses Gerichts für die Klage gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 43 Nr. 3 WEG i.V.m. § 23 Nr. 2 c) GVG.

2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung zum Landgericht Duisburg eingelegt, das die Berufung als unzulässig verworfen hat.

3

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. Sie verfolgt ihre zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter und möchte hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht Duisburg erreichen.

II.

4

Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG allein zuständigen Landgericht Düsseldorf eingelegt worden sei. Auch wenn die Klägerin die Auffassung vertrete, die Beklagte zu 1 habe zusätzlich zu dem Verwaltervertrag eine Pflicht zur Bauleitung übernommen, handele es sich um § 43 Nr. 3 WEG unterfallende Ansprüche. Dem folge auch die Zuständigkeit hinsichtlich des Beklagten zu 2. Die von der Klägerin hilfsweise beantragte Verweisung an das Landgericht Düsseldorf analog § 281 ZPO komme nicht in Betracht, weil die Streitigkeit zweifelsfrei § 43 Nr. 3 WEG unterfalle.

III.

5

Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Insbesondere ist das Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht verletzt, weil der Zugang zum Rechtsmittelgericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert worden ist.

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Die durch die Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Die angefochtene Entscheidung weist auch keine Rechtsfehler auf.

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1. § 72 Abs. 2 GVG ist anwendbar. Der Rechtsstreit unterfällt § 43 Nr. 3 WEG.

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a) Hinsichtlich der Beklagten zu 1 stellen sich Fragen der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Durchführung der die Dachsanierung betreffenden Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Diese umfassen sowohl die Vergabe der Aufträge mit der als fehlerhaft monierten Ausschreibung als auch die Überwachung der Durchführung der Arbeiten, die Mängelbeseitigung und die Abnahme der Werkleistungen, ferner die Frage, ob und inwieweit die Verwalterin zur Bauleitung verpflichtet war oder aber auf die Notwendigkeit einer externen Bauleitung hinweisen musste.

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Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, sie habe die Ansprüche in der Berufungsinstanz nur auf eine zusätzlich zu den Pflichten aus dem Verwaltervertrag übernommene Pflicht zur Bauleitung gestützt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der prozessuale Streitgegenstand nicht durch die - für das Gericht ohnehin nicht bindende - Beschränkung einer Partei auf einzelne Anspruchsgrundlagen ändert.

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Die Anrufung des für Wohnungseigentumssachen zuständigen Landgerichts lag auch nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, deshalb fern, weil das Amtsgericht eine Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag verneint hat. Im Gegenteil musste die Berufung gerade im Hinblick darauf, dass sich das Wohnungseigentumsgericht mit den Pflichten des Verwalters befasst hat und die Berufung sich dagegen wendete, an das Landgericht Düsseldorf gerichtet werden.

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b) Wegen des Zusammenhangs mit Verwalterpflichten steht der Anwendung des § 43 Nr. 3 WEG auch nicht entgegen, dass der Verwaltervertrag bei Klageerhebung bereits beendet war (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 1972 - VII ZR 35/70, BGHZ 59, 58, 63 f.; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 43 Rz. 87 mwN). Grundsätzliche Bedeutung ergibt sich durch die Novelle nicht. Denn der Wortlaut entspricht dem des § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG in der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Fassung. Eine inhaltliche Änderung war nicht beabsichtigt. Die Gesetzesbegründung zu § 43 WEG betont, dass der Entwurf die bisherige weite Auslegung nicht ändern sollte und verweist als Beispiel auf die vergleichbar gelagerte Klage gegen einen ausgeschiedenen Wohnungseigentümer (BT-Drucks. 16/3843 S. 27).

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2. Weil das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr für beide Beklagte zum zuständigen Gericht bestimmt worden ist, war das Landgericht Düsseldorf auch für den Beklagten zu 2 das zuständige Berufungsgericht. Dass für den Beklagten zu 2 unter Umständen eine Kammer für Rechtsstreitigkeiten aus dem Baurecht zuständig gewesen wäre, ist als notwendige Folge der Zuständigkeitsbestimmung bedeutungslos.

13

3. Dem auf Verweisung an das Landgericht Düsseldorf gerichteten Hilfsantrag der Klägerin musste das Berufungsgericht nicht nachkommen. Eine Verweisung analog § 281 ZPO kann zwar erfolgen, wenn die Einlegung der Berufung bei dem unzuständigen Gericht die Frist wahrt. Das ist ausnahmsweise der Fall, wenn höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob bestimmte Fallgruppen § 43 Nr. 1 bis 4 oder 6 WEG unterfallen (Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - V ZB 67/09, NJW 2010, 1818, 1819; Beschluss vom 12. April 2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096). Dies scheidet hier aber schon deshalb aus, weil die Zuständigkeit eindeutig war, nachdem das Oberlandesgericht Köln das zuständige Gericht unter zutreffendem Hinweis auf die ausschließliche Zuständigkeit nach § 43 Nr. 3 WEG bestimmt hatte.

14

4. Weil die Zuständigkeit eindeutig war, ist der Zugang zum Rechtsmittelgericht nicht erschwert und das aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht berührt.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die öffentliche Zustellung dieses Beschlusses an den Beklagten zu 2 war zu bewilligen, weil dessen Aufenthaltsort unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, § 185 Nr. 1, § 186 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                 Lemke                                  Schmidt-Räntsch

                     Roth                                   Brückner