Entscheidungsdatum: 02.02.2012
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Kläger an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beläuft sich auf 15.432,33 €.
I.
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung am 27. November 2008 beschlossen die Wohnungseigentümer zu TOP 2 die Verwalterbestellung und zu TOP 3 eine Korrektur der bereits im August 2008 beschlossenen Einzelabrechnungen für das Jahr 2007. Gegen beide Beschlüsse erhoben die Kläger Anfechtungsklage und beantragten darüber hinaus, die Bestellung eines anderen Verwalters als positives Beschlussergebnis festzustellen. Ein Teil des Rechtsstreits wurde im Laufe des Verfahrens für erledigt erklärt, und zwar einseitig durch die Kläger, soweit es um die Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses ging, und beidseitig bezüglich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 2. Obwohl die Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung nur den Antrag aus der auf TOP 3 bezogenen Anfechtungsklage gestellt haben, hat das Amtsgericht in seinem Urteil auch den Antrag auf Feststellung der Erledigung der Klage aufgeführt, soweit einseitig für erledigt erklärt worden war, und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde und begehren die Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
II.
Das Berufungsgericht meint, es liege keine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO genügende Berufungsbegründungsschrift vor. Der Schriftsatz enthalte keine Anträge und greife in loser Folge einzelne angebliche Mängel der Urteilsbegründung an. Es könne nicht eindeutig festgestellt werden, in welchem Umfang das Urteil des Amtsgerichts angegriffen werden solle. Auch die auf gerichtlichen Hinweis nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ergangenen Stellungnahmen der Kläger hätten keine Klarheit über das Ziel der Berufung gebracht.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein Zulassungsgrund ist gegeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat den Zugang der Kläger zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert, indem es die Berufung als nicht hinreichend begründet angesehen hat. Dies verletzt ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache begründet.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergeben sich aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO keine besonderen formalen Anforderungen. Für die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO), bedarf es keiner ausdrücklichen Stellung eines Sachantrags; es reicht aus, wenn die Begründung den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulässt (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März 2006 - VIII ZR 212/04, NJW 2006, 2705 Rn. 8 mwN). Das gleiche gilt für die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergibt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere ist es ohne Bedeutung, ob die Ausführungen des Berufungsklägers schlüssig, hinreichend substantiiert und rechtlich haltbar sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - II ZB 21/10, juris Rn. 7; Beschluss vom 21. September 2010 - VIII ZB 9/10, WuM 2010, 694 Rn. 10).
b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen; es hat die sich aus § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO ergebenden Anforderungen jedoch überspannt.
aa) Im Ausgangspunkt kommt es ausschließlich darauf an, ob die Berufung mit dem innerhalb der Frist eingereichten Schriftsatz vom 28. Februar 2011 ausreichend begründet worden ist. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die späteren Stellungnahmen der Kläger herangezogen und aus ihnen (weitere) Belege für die Unklarheit ihres Begehrens entnommen hat.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geht aus der Berufungsbegründung vom 28. Februar 2011 hervor, dass die Kläger die Entscheidung des Amtsgerichts insgesamt angreifen.
(1) Inhalt des angefochtenen Urteils ist die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 (Jahresabrechnung), der Antrag auf Feststellung der Erledigung (bezogen auf die Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses über die Verwalterbestellung) und schließlich - als Entscheidung gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung - die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten Anfechtung des Beschlusses zu TOP 2 (Verwalterbestellung). Dass die Kläger die Feststellung der Erledigung nicht beantragt hatten, ist unerheblich, weil die formelle Beschwer maßgebend ist.
(2) Die Berufungsbegründung ist zwar knapp gehalten, enthält keine Anträge und ist wenig stringent aufgebaut. Sie befasst sich dennoch mit jedem Teil der Entscheidung des Amtsgerichts. Dies gilt zunächst für die Anfechtung von TOP 3, also der noch rechtshängigen Beschlussanfechtung. Insoweit wenden sich die Kläger gegen die Ansicht des Amtsgerichts, die Bestandskraft der Beschlüsse aus August 2008 stehe der Anfechtung entgegen. Ferner sollen auch die im Zusammenhang mit der Verwalterbestellung gestellten Anträge überprüft werden. Denn es wird ausgeführt, dass das Ergebnis der Verwalterbestellung anders zu ermitteln gewesen wäre. Damit haben sich die Kläger im Zweifel sowohl gegen die Abweisung des Feststellungantrags als auch gegen den auf § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO gestützten Teil der Kostenentscheidung gewendet. Das hat im Ergebnis offenbar auch das Berufungsgericht so gesehen, weil es sich bei seinen Ausführungen, die es "am Rande" zu der Begründetheit der Klage gemacht hat, auf das Urteil insgesamt bezogen hat.
c) Diese Ausführungen zu der Begründetheit der Berufung sind für das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich unbeachtlich, weil Gegenstand und Reichweite der Rechtskraft andernfalls ungewiss wären (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Dezember 1953 - IV ZR 48/53, BGHZ 11, 222, 223 f.).
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Brückner Weinland