Entscheidungsdatum: 15.05.2014
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 13. August 2013 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 928,08 €.
I.
Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von rückständigem Hausgeld verurteilt. Gegen das ihnen am 13. Februar 2013 zugestellte Urteil haben die Beklagten zunächst mit einem am 13. März 2013 eingegangenen Schriftsatz bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg und sodann mit einem am 14. Juni 2013 eingegangenen Schriftsatz bei dem zuständigen Landgericht Aurich Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das Landgericht Aurich hat diesen Antrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
1. Sie ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO von Gesetzes wegen statthaft. Zulässig ist sie aber nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall.
2. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), und zwar auch nicht deshalb, weil die Anforderungen, die das Berufungsgericht stellt, überzogen wären und den Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwerten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. April 2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 4 mwN).
a) Die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten hing, da wegen des Einreichens der Berufungsschrift am Nachmittag des letzten Tages der Frist bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg mit einer fristgerechten Weiterleitung an das zuständige Landgericht Aurich im normalen Geschäftsgang (zu diesem Erfordernis: BGH, Beschluss vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00, NJW-RR 2000, 1730, 1731) nicht mehr zu rechnen war, entscheidend davon ab, ob die Berufungsfrist durch eine fristgerechte Einreichung bei dem unzuständigen Landgericht Oldenburg gewahrt werden konnte und verneinendenfalls, ob den Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren war. Beides hat das Berufungsgericht verneint.
b) Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist, und überspannt auch nicht die Anforderungen an die Einlegung von Rechtsmitteln.
aa) Der Senat hat entschieden, dass die Berufung in einer Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG fristwahrend nur bei dem nach § 72 Abs. 2 GVG zuständigen Berufungsgericht eingelegt werden kann. Etwas anderes gilt nur in dem hier nicht gegebenen - Fall, dass das Vorliegen einer wohnungseigentums-rechtlichen Streitigkeit im Sinne dieser Regelungen für bestimmte Fallgruppen höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und über deren Beantwortung mit guten Gründen gestritten werden kann (Senat, Beschluss vom 12. April 2010 V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 9 f. mwN).
bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Beklagten auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt. An den mit der Berufungseinlegung betrauten Rechtsanwalt sind wovon auch die Rechtsbeschwerde ausgeht - mit Blick auf die Ermittlung des zuständigen Rechtsmittelgerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (Senat, Beschluss vom 24. Juni 2010 - V ZB 170/09, WuM 2010, 592 Rn. 5). Die Prüfung der Rechtsmittelzuständigkeit obliegt dem Rechtsanwalt und kann von ihm nicht delegiert werden (Senat, Beschluss vom 12. April 2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn.12; Beschluss vom 5. März 2009 - V ZB 153/08, NJW 2009, 1750, 1751). Bei einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsregelung, die abweichende Regelungen durch das Landesrecht zulässt, umfasst die Prüfung auch die Frage, ob das betreffende Land hiervon Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschluss vom 14. April 2010 - V ZB 224/09, aaO, mwN). Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist regelmäßig nicht unverschuldet. Er muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen (Senat, Beschluss vom 9. Juli 1993 - V ZB 20/93, NJW 1993, 2538, 2539), oder diese anhand geeigneter Quellen, etwa von Vorschriftendatenbanken (Senat, Beschluss vom 14. April 2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 10), ermitteln. Diesen Maßstäben entsprach das Vorgehen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht.
(1) Die Beklagten verweisen in der Rechtsbeschwerde darauf, dass ihre Prozessbevollmächtigte die Zuständigkeit des Berufungsgerichts überprüft habe, und beziehen sich insoweit auf den Schriftsatz vom 14. Juni 2013 an das Berufungsgericht. Indessen ergibt sich aus der in Bezug genommenen Stelle dieses Schriftsatzes, dass die in zweiter Instanz tätige Prozessbevollmächtigte die Prüfung nicht selbst vorgenommen, sondern diese ihrer Rechtsanwaltsfachangestellten überlassen hat. Von dieser sei über ein Anwaltsprogramm das Landgericht Oldenburg als Berufungsgericht ermittelt worden. Vorsorglich seien noch Abfragen im Internet erfolgt. Ob und in welcher Form die nach den vorangegangenen Maßstäben erforderliche eigene Prüfung durch die Prozessbevollmächtigte der Beklagten stattgefunden hat, wird nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht.
(2) Unabhängig davon ist die Prüfung der Zuständigkeit nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen worden. Die Rechtsbeschwerde verweist darauf, dass weder das Rechtsanwaltsprogramm noch Abfragen im Internet einen Hinweis auf die nach § 72 Abs. 2 Satz 2 GVG i. V. m. § 10 der niedersächsischen Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten in der Gerichtsbarkeit und der Justizverwaltung vom 18. Dezember 2009 (Nds. ZustVO-Justiz) bestehende Rechtsmittelzuständigkeit des Landgerichts Aurich ergeben hätten. Die Recherchen anhand der angeführten Quellen genügen jedoch nicht der anwaltlichen Sorgfaltspflicht. Der Ausdruck der Internetabfrage in dem Landesjustizportal, auf den sich die Rechtsbeschwerde bezieht, eignet sich nicht zur Feststellung, ob die niedersächsische Landesregierung von der nach § 72 Abs. 2 Satz 2 GVG bestehenden Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Die Abfrage wurde unter dem Link „Service" und dort wiederum unter dem Link „Ratgeber für gerichtliche Verfahren" vorgenommen. Der ausgedruckte Text enthält eine Kurzdarstellung, die in allgemeiner Natur auch den Rechtsmittelweg erläutert und dort gerade ausführt, dass „im Regelfall" das für den Sitz des Oberlandesgerichts in dem Bezirk zuständige Landgericht das Berufungsgericht ist. Danach ist die Frage, ob und in welcher Weise in Niedersachsen von der Ermächtigung des § 72 Abs. 2 Satz 2 GVG Gebrauch gemacht wurde, völlig offen. Dies gilt auch für die Abfrage im Orts- und Gerichtsverzeichnis. Zu der Rechtsmittelzuständigkeit in Wohnungseigentumssachen für das Amtsgericht Brake äußert sich dieses Verzeichnis nicht. Eine Erläuterung des verwandten Rechtsanwaltsprogramms ist nicht erfolgt, so dass schon aus diesem Grunde keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob dieses in geeigneter und zuverlässiger Weise Auskunft über die Rechtslage in Niedersachsen geben konnte. Das vor diesem Hintergrund gegebene Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten müssen sich die Beklagten zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO.
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