Entscheidungsdatum: 18.01.2018
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer IX - vom 12. Juni 2017 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 4.000 €.
I.
Durch dem Beklagten am 15. Februar 2017 zugestelltes Urteil hat das Amtsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist am 18. April 2017 (15. April 2017: Ostersamstag) hat der Beklagte beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 18. Mai 2017 zu verlängern. Mit Verfügung vom 19. April 2017 ist die Frist durch ein Mitglied der zuständigen Berufungskammer - ausgehend von einem Fristbeginn am 15. Februar 2017 - um einen Monat bis zum 15. Mai 2017 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist am 18. Mai 2017 eingegangen. Nach Hinweis des Landgerichts auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und die beabsichtigte Verwerfung der Berufung hat der Beklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies hat er damit begründet, dass seine Prozessbevollmächtigte die Verfügung vom 19. April 2017 nicht erhalten und erstmals durch den Hinweis des Landgerichts erfahren habe, dass dem Fristverlängerungsantrag nicht wie beantragt stattgegeben worden sei. Seine Prozessbevollmächtigte habe sich bei der Beantragung der Fristverlängerung den 18. Mai 2017 notiert, da sie auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist habe vertrauen dürfen.
Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde und beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Das Berufungsgericht meint, dem Beklagten sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu versagen, weil er diese schuldhaft nicht eingehalten habe. Zwar habe die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 18. Mai 2017 verlängert werden dürfen, weil erhebliche Gründe dargelegt worden seien. Hiervon sei jedoch kein Gebrauch gemacht worden, sondern eine Frist bis zum 15. Mai 2017 bestimmt worden. Die Fristversäumnis beruhe auf einer mangelhaften Organisation der Fristenkontrolle durch die Prozessbevollmächtigte des Beklagten. Gehe bei einem Fristverlängerungsantrag keine gerichtliche Mitteilung ein, müsse sich der Prozessbevollmächtigte, der eine Fristverlängerung beantragt habe, rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist Gewissheit verschaffen. Den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zufolge sei jedoch bereits mit Stellen des Fristverlängerungsantrags die hypothetische Frist abschließend in den Fristenkalender eingetragen worden. Infolge dieses Organisationsverschuldens habe die Prozessbevollmächtigte des Beklagten übersehen, dass es sich bei der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist um eine vom Gericht nicht bestätigte Fristverlängerung und damit um eine hypothetische Frist gehandelt habe. Bei entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen wäre das Fristversäumnis vermieden worden.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne Zulassung statthaft. Zulässig ist sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht keine überzogenen Anforderungen gestellt, die dem Beklagten den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (vgl. dazu nur Senat, Beschluss vom 12. April 2010 - V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 4 mwN; Beschluss vom 26. September 2013 - V ZB 94/13, NJW 2014, 228 Rn. 5).
2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht dem Beklagten die form- und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist. Die Fristversäumung beruht auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) seiner Prozessbevollmächtigten.
a) Richtig ist allerdings der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten grundsätzlich mit einer antragsgemäßen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch das Gericht rechnen konnte. Denn ein Rechtsanwalt darf regelmäßig erwarten, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er - wie hier - einen erheblichen Grund vorträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - VI ZB 52/05, VersR 2006, 568; Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, VersR 2010, 789, Rn. 6; Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16, VersR 2017, 1166 Rn. 12). Demgemäß war die Prozessbevollmächtigte des Beklagten auch nicht verpflichtet, sich innerhalb des regulären Laufs der Berufungsbegründungsfrist (18. April 2017) bei dem Landgericht zu erkundigen, ob der Verlängerungsantrag rechtzeitig eingegangen war und ob ihm stattgegeben werde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16, VersR 2017, 1166 Rn. 12 mwN). Im - hier gegebenen - Fall der Antragstellung am letzten Tag der regulären Frist wäre eine Erkundigungspflicht vor Ablauf dieser Frist ohnehin von vorneherein nicht praktikabel (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16, aaO Rn. 13).
b) Darum geht es hier aber nicht. Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Beklagten liegt vielmehr darin, dass das Ende der verlängerten Frist infolge einer unzureichenden Organisation der Fristenkontrolle nicht geprüft und notiert worden ist.
aa) Wird die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, darf sie nicht in der Weise vorgemerkt werden, dass schon mit der Antragstellung der Ablauf der Frist im Kalender eingetragen wird, als ob sie bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Es handelt sich nämlich zunächst um eine hypothetische Frist, da der Vorsitzende die Frist auch auf einen kürzeren Zeitraum als beantragt bewilligen kann. Der Eintrag des endgültigen Fristablaufs ist deshalb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass rechtzeitig vor dem beantragten Fristablauf das wirkliche Ende der Frist - ggf. durch Rückfrage bei Gericht - festgestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris Rn. 7; Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, VersR 2010, 789 Rn. 8; Beschluss vom 16. Oktober 2014 - VII ZB 15/14, NJW-RR 2015, 700 Rn. 12; Beschluss vom 30. Mai 2017 - VI ZB 54/16, VersR 2017, 1166 Rn. 13). Ein Rechtsanwalt darf auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung nicht so lange vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht von dem Gericht erhält (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06, juris Rn. 8; Beschluss vom 2. Dezember 2015 - XII ZB 211/12, NJW-RR 2016, 376 Rn. 11).
bb) Diesen Anforderungen hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagen, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, nicht entsprochen. Sie hat bereits im Zeitpunkt der Antragstellung den Fristablauf abschließend auf den von ihr beantragten Zeitpunkt (18. Mai 2017) notiert, obwohl ihr noch keine Entscheidung über den Antrag vorlag. Organisatorische Maßnahmen, durch die sichergestellt wurde, dass rechtzeitig vor diesem Zeitpunkt das wirkliche Ende der Frist festgestellt wurde, hat sie nicht getroffen. Insbesondere hat sie sich über das tatsächliche Fristende nicht durch eine rechtzeitige Rückfrage bei Gericht vergewissert, sondern am Tag des von ihr errechneten Fristablaufs die Berufungsbegründung eingereicht.
c) Die Fristversäumnis beruht auch auf dem Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Beklagten. Hätte sie sich - wie geboten (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 26/94, NJW 1994, 2831 mwN) - die Akten mit einer Vorfrist von etwa einer Woche vor Ablauf der nach ihrer Berechnung am 18. Mai 2017 endenden Berufungsbegründungsfrist und damit am 11. Mai 2017 vorlegen lassen, hätte sie jedenfalls zu diesem Zeitpunkt festgestellt bzw. feststellen müssen, dass ihr eine gerichtliche Verfügung zu der beantragten Fristverlängerung noch nicht zugegangen war. Bei einer Rückfrage bei Gericht hätte sie erfahren, dass aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 19. April 2017 die Frist bereits am 15. Mai 2017 ablief. Dies hätte sie in die Lage versetzt, fristwahrende Maßnahmen zu ergreifen.
d) Die weitere Überlegung der Rechtsbeschwerde, die Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe auf die Fristverlängerung vertrauen können, weil eine nicht zuständige Richterin über ihren Antrag entschieden habe und eine Partei durch ein unrichtiges Verhalten des Gerichts keinen Nachteil in ihren prozessualen Rechten erleiden dürfe, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dies folgt bereits daraus, dass gemäß § 225 Abs. 3 ZPO eine Anfechtung des Beschlusses, durch den das Gesuch um Verlängerung einer Frist (ganz oder teilweise) zurückgewiesen ist, nicht stattfindet und dieser auch einer Überprüfung durch den Senat entzogen ist. Unabhängig davon entbindet ein möglicher Verfahrensfehler bei der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist den Prozessbevollmächtigten einer Partei nicht von der Pflicht, geeignete Organisationsmaßnahmen für den Fall zu treffen, dass eine Reaktion des Gerichts auf das Fristverlängerungsgesuch ausbleibt. Anders als etwa bei einer verfahrenswidrigen Bewilligung eines Fristverlängerungsantrags (vgl. dazu Senat, Urteil vom 16. Mai 1962 - V ZR 155/60, BGHZ 37, 125, 127 ff.; BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1997 - VIII ZB 32/97, NJW 1998, 1155, 1156) fehlt es im vorliegenden Zusammenhang an einem durch das Gericht gesetzten Vertrauenstatbestand, auf den sich die Prozessbevollmächtigte verlassen konnte. Der Senat bemerkt deshalb lediglich ergänzend, dass der Vortrag des Beklagten auch nicht ausreicht, um von einer Unzuständigkeit der Richterin, die die Verfügung unterzeichnet hat, auszugehen. Die Richterin war zwar ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts Karlsruhe weder die Vorsitzende noch die stellvertretende Vorsitzende der zur Entscheidung berufenen Berufungskammer. Gemäß § 21 f Abs. 2 Satz 2 GVG können jedoch auch andere Mitglieder des Spruchkörpers den Vorsitz führen, wenn sowohl der Vorsitzende als auch der stellvertretende Vorsitzende verhindert sind. Dass es sich hier so verhielt, liegt angesichts der Unterzeichnung der Verfügung mit „i.V.“ nahe.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Stresemann |
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Schmidt-Räntsch |
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Brückner |
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Göbel |
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Haberkamp |
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