Entscheidungsdatum: 17.06.2010
Dem Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr. A. beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. Dezember 2009 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 10. Dezember 2009 und der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. Dezember 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, soweit die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 15. Dezember 2009 angeordnet worden ist.
Im Übrigen wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
I.
Der Betroffene ist staatenlos. Er reiste am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit E. B., die der Betroffene nach seinen Angaben in Kasachstan kirchlich geheiratet hat, und deren im Jahre 1993 geborenen Sohn, mit dem Zug von den Niederlanden über Frankreich kommend nach Deutschland ein und meldete sich bei der Bundespolizei in Kaiserslautern. Diese beantragte die Anordnung der Sicherungshaft zur Rückschiebung des Betroffenen und seiner Begleiter in die Niederlande, die von dem Amtsgericht am 8. Dezember 2009 angeordnet und von dem Landgericht am 9. Dezember 2009 aufgehoben wurde.
Auf den von der Beteiligten zu 2 gestellten Antrag vom 10. Dezember 2009 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom gleichen Tag gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis längstens 9. März 2010 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet und diesen Beschluss dem Betroffenen in der sich anschließenden Anhörung eröffnet. Der Beschwerde des Betroffenen hat es nicht abgeholfen. Das Landgericht hat den Betroffenen durch ein Mitglied der Kammer als beauftragten Richter persönlich angehört und die Beschwerde mit Beschluss vom 16. Dezember 2009 zurückgewiesen. Dagegen hat der Betroffene am 11. Januar 2010 Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 17. Februar 2010 hat das Amtsgericht die Sicherungshaft mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Der Betroffene beantragt festzustellen, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2009 und des Landgerichts vom 16. Dezember 2009 ihn in seinen Rechten verletzt haben.
II.
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei mangels Aufenthaltstitels unerlaubt eingereist. Zudem bestehe der Verdacht, dass er sich der Zurückschiebung entziehen werde. Der Betroffene selbst sei mit einem auf einen Dritten ausgestellten Ausweis in die Niederlande eingereist. E. B. habe ihren russischen Reisepass in den Niederlanden vernichtet. Da der Betroffene nicht in die Niederlande zurückkehren wolle, weil ihm dort die Abschiebung nach Russland drohe, lasse auch die freiwillige Vorsprache des Betroffenen bei der Bundespolizei eine Entziehungsabsicht nicht entfallen. Abschiebungshindernisse bestünden nicht. Eine Zurückschiebung in die Niederlande binnen drei Monaten sei nicht ausgeschlossen.
III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Die Anordnung der Sicherungshaft durch das Amtsgericht und die Bestätigung dieser Anordnung durch das Landgericht haben den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Das ist in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 FamFG (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, InfAuslR 2010, 249, 250; Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris Rdn. 9) festzustellen, weil der Betroffene ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).
a) Der Anordnung der hier zu prüfenden zweiten Sicherungshaft lag allerdings ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Er war anders als der erste von der Beteiligten zu 2 als örtlich und sachlich zuständiger Behörde gestellt.
b) Die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen aber deshalb in seinen Rechten verletzt, weil die persönliche Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht vor, sondern erst nach der Haftanordnung durchgeführt wurde.
aa) Die Anhörung des Betroffenen vor der Anordnung der Sicherungshaft ist in § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG zwingend vorgeschrieben. Sie kann nicht, wie im vorliegenden Fall, danach erfolgen. Das Gesetz sieht, anders als § 68 FamFG im Rechtsmittelverfahren (dazu Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246, 247), die Möglichkeit, von der vorherigen Anhörung abzusehen, nur in dem hier nicht gegebenen Fall des § 420 Abs. 2 FamFG vor. Das entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Der Empfehlung der Ausschüsse, eine solche Möglichkeit zumindest dann zuzulassen, wenn die Anhörung den Zweck der Haftanordnung gefährden würde (in BT-Drucks 16/9733 S. 154), ist das Plenum des Bundestags nämlich nicht gefolgt. Es hat diese Ergänzung auf Antrag eines Abgeordneten vielmehr gestrichen und den Gesetzentwurf ohne diese Ergänzung beschlossen (BT-Drucks 16/9831 mit Plenarprotokoll 16/173 S. 18482 A). Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die vorherige Anhörung des Betroffenen eine Verfahrensgarantie ist, die Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG InfAuslR 2009, 205, 208; 1996, 198, 200). Die vorherige Anhörung des Betroffenen war hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil er vor der zwei Tage zuvor angeordneten ersten Sicherungshaft persönlich angehört worden war. Die Anhörung ist für jede Haftanordnung durch das Amtsgericht vorgeschrieben und wird durch die Anhörung bei einer früheren Haftanordnung weder entbehrlich noch durch sie ersetzt.
bb) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur vorherigen Anhörung drückt der gleichwohl angeordneten Sicherungshaft den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf, der durch Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, Rdn. 12, juris; BVerfG InfAuslR 1996, aaO S. 201). Dieser Fehler ist nicht heilbar. Deshalb kommt es bei der späteren Überprüfung der Haftanordnung im Rahmen von § 62 FamFG weder auf eine Nachholung der Anhörung noch darauf an, ob die Freiheitsentziehung in der Sache zu Recht angeordnet worden war (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, juris Rdn. 12; BVerfG InfAuslR 2009, 164; 2006, 462, 464).
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Fortdauer der Sicherungshaft über den 15. Dezember 2009 hinaus hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in allen Punkten stand.
a) Das Verfahren des Beschwergerichts ist allerdings nicht zu beanstanden.
aa) Es hat den Betroffenen erneut persönlich angehört. Es ist, anders als die Rechtsbeschwerde meint, auch nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht diese Anhörung einem Mitglied der Kammer als beauftragtem Richter übertragen hat.
(1) Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die Anhörung des Betroffenen Aufgabe "des Gerichts". Wie diese Aufgabe innerhalb eines aus mehreren Richtern zusammengesetzten Spruchkörpers wahrzunehmen ist, bestimmt sich nach den Vorschriften über die Sachaufklärung (§ 26 FamFG) und hier nach den Vorschriften über die Beweisaufnahme in den §§ 29, 30 FamFG. Danach erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form, wozu auch die Befassung eines Mitgliedes des Spruchkörpers als beauftragten Richters gehört. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Anhörung des Betroffenen als Fall einer im Sinne von § 30 Abs. 2 FamFG vorgeschriebenen förmlichen Beweisaufnahme ansieht. Eine förmliche Beweisaufnahme hätte gemäß § 30 Abs. 1 FamFG nach den Regeln der Zivilprozessordnung stattzufinden. Diese erlauben aber sowohl die Vernehmung von Zeugen als auch die Vernehmung von Parteien durch den beauftragten Richter (§ 375 ZPO und § 451 i.V.m. § 375 ZPO). Voraussetzung ist allerdings, soweit hier einschlägig, dass dies zur Vereinfachung der Verhandlung zweckmäßig erscheint und dass von vornherein anzunehmen ist, dass das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß gewürdigt werden kann (§ 375 Abs. 1a ZPO).
(2) Auch aus dem Sinn und Zweck der Anhörung nach § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG ergeben sich keine strengeren Anforderungen (vgl. BVerfG InfAuslR 1996, 198, 201; BGH, Beschl. v. 11. Juli 1984, IV b ZB 73/83, NJW 1985, 1702, 1705 zu §§ 50a und b FGG; BayObLG FamRZ 1987, 412, 413 zu § 50b FGG; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 16. Auflage, § 34 Rdn. 38; a.A. wohl Prütting/Helms/Jennissen, FamFG, § 420, Rdn. 4). Die Anhörung soll zwar einerseits dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sein Anliegen selbst dem Gericht nahe zu bringen. Sie soll andererseits dem Gericht einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen verschaffen. Diese Ziele werden aber unter den Voraussetzungen des § 375 Abs. 1a ZPO auch erreicht, wenn die Anhörung nicht durch den gesamten Spruchkörper, sondern durch eines seiner Mitglieder erfolgt.
(3) Die Voraussetzungen des § 375 Abs. 1a ZPO lagen hier vor. Die Übertragung der Anhörung auf den beauftragten Richter diente der Vereinfachung. Nach dem Ergebnis der nachträglichen Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht und nach dem Beschwerdevorbringen war von vornherein anzunehmen, dass das Ergebnis der Anhörung durch die Kammer auch ohne unmittelbaren Eindruck von deren Verlauf sachgemäß würde gewürdigt werden können. Der tatsächliche Verlauf der Anhörung durch die beauftragte Richterin bestätigte diese Erwartung. Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung auch nur auf den Inhalt der Angaben des Betroffenen in der Anhörung abgestellt und nicht auf Gesichtspunkte, die nur mit einem unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Anhörung sachgemäß hätten gewürdigt werden können.
bb) Das Beschwerdegericht war entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht verpflichtet, E. B. und/oder deren Sohn an dem Verfahren zu beteiligen und anzuhören.
(1) Die Beteiligung des Lebenspartners des Betroffenen an dem Freiheitsentziehungsverfahren steht nach § 418 Abs. 3 Nr. 1 FamFG im Ermessen des Gerichts. Zwingende Gründe, die eine Beteiligung von E. B. geboten, waren nicht ersichtlich. Der Betroffene und E. B., die sich gegen die gegen sie selbst verhängte Sicherungshaft gewandt hatte, waren in einer verbundenen Anhörung gemeinsam angehört worden. Dabei hatten sie ihre persönliche Verbindung zueinander dargestellt und eine im Wesentlichen übereinstimmende umfassende Schilderung des Sachverhalts gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass eine darüber hinausgehende förmliche Beteiligung von E. B. an dem Verfahren des Betroffenen zusätzliche Gesichtspunkte aufzeigen konnten, bestanden nicht.
(2) Den Sohn von E. B. brauchte das Beschwerdegericht weder an dem Verfahren förmlich zu beteiligen noch anzuhören. Es war und ist nicht ersichtlich, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn die Anhörung auch des Sohnes von E. B. angesichts der ausführlichen und übereinstimmenden Ausführungen des Betroffenen und von E. B. hätte erwarten lassen können. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Sohn von E. B. auch dann an dem Verfahren beteiligt werden könnte, wenn er, was offen geblieben ist, nicht das gemeinsame Kind des Betroffenen und von E. B. sein sollte. Unentschieden bleiben kann auch, ob seine Beteiligung wie nach früherem Recht (vgl. dazu: Sonnenfeld in Jansen, FGG, 3. Aufl., § 70d, Rdn. 6; Kayser in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 70d, Rdn. 4) daran scheitert, dass er noch minderjährig ist.
cc) Das Beschwerdegericht war nicht verpflichtet, die Ausländerakten beizuziehen. Von der grundsätzlich notwendigen Vorlage der Ausländerakte nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG kann abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, InfAuslR 2010, 246, 248 f.). So liegt es hier. Die Beteiligte zu 2 hat in ihrem Antrag Bezug genommen auf die Unterlagen der Bundespolizei vom 8. Dezember 2009 durch Angabe des Aktenzeichens in dem zuvor geführten Verfahren. Das Beschwerdegericht hat die entsprechenden Akten beigezogen. Hieraus ergeben sich alle entscheidungsrelevanten Umstände.
b) In der Sache ist die Anordnung der Fortdauer der Haft aber mit der gegebenen Begründung nicht zu rechtfertigen.
aa) Der Betroffene war nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, weil er unerlaubt eingereist ist. Er führte keinen gültigen Pass bei sich und hatte auch nicht den nach § 14 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel. Dieser ergab sich nicht daraus, dass er mit E. B. um Aufnahme als Spätaussiedler nachsuchen wollte. Spätaussiedler müssen die Aufnahme in das Bundesgebiet nach § 26 BVFG grundsätzlich von ihrem Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten aus betreiben und dürfen erst einreisen, wenn ihnen ein Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG erteilt worden ist. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Betroffene erwiesenermaßen die Anforderungen des § 4 BVFG erfüllt. Dann nämlich ist er nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BVFG Deutscher und nach Art. 11 GG berechtigt, auch ohne Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet einzureisen (BVerwGE 122, 313, 316 f.). Ihm ist der Aufnahmebescheid dann nach § 27 Abs. 2 BVFG nachträglich zu erteilen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 BVFG aber nicht erweislich vor, ist der Aufnahmebewerber nicht berechtigt, ohne Aufnahmebescheid in das Bundesgebiet einzureisen und dort zu bleiben, bis ihm eine Bescheinigung nach § 15 BVFG erteilt ist (OVG Münster, Beschl. v. 21. Februar 2007, 2 A 4862/05, juris Rdn. 7). Dieser zweite Fall lag hier vor. Der Betroffene hat behauptet, er sei Deutscher. Nachweise darüber lagen und liegen nicht vor. In einer solchen Lage muss der Haftrichter von dem Grundsatz des § 26 BVFG ausgehen, wonach die Einreise nur erlaubt ist, wenn ein Aufnahmebescheid entweder nach § 27 Abs. 1 BVFG vor der Einreise oder nach § 27 Abs. 2 BVFG vor der Festnahme erteilt ist. Daran fehlt es hier.
bb) Das Beschwerdegericht hat zu Recht auch einen Haftgrund angenommen.
(1) Die Haftanordnung war auf Grund der unerlaubten Einreise schon nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gerechtfertigt. Es lag zudem der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vor. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts und dem zu berücksichtigenden unzweifelhaften Akteninhalt (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 218/09, juris Rdn. 18) beabsichtigt der Betroffene, sich der Abschiebung in die Niederlande zu entziehen. Er hat sich zwar von sich aus nach der Einreise bei der Bundespolizei gemeldet. Die freiwillige Meldung des Betroffenen bei den zuständigen Behörden kann ein Anzeichen dafür sein, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will (vgl. OLG Celle, InfAuslR 2002, 320; OLG Hamm, InfAuslR 2002, 478). Hier liegt es aber anders. Der Betroffene hat bei seiner Anhörung eindeutig erklärt, nicht in die Niederlande zurückkehren zu wollen, weil er von dort nach Russland abgeschoben werde. Deshalb ist zu befürchten, dass er einer entsprechenden Abschiebung nicht Folge leisten, sondern versuchen wird, sie zu verhindern.
(2) Das Beschwerdegericht hat daher auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Umstände im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, die eine freiwillige Ausreise des Betroffenen glaubhaft hätten erscheinen lassen, aufgrund der festgestellten Entziehungsabsicht nicht vorgelegen haben.
cc) Die gegebene Begründung trägt die Entscheidung des Beschwerdegerichts aber deshalb nicht, weil sich danach nicht beurteilen lässt, ob die Anordnung der Fortdauer der Haft noch verhältnismäßig war.
(1) Die Anordnung der Sicherungshaft ist nur verhältnismäßig, wenn die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht (BVerfG InfAuslR 2008, 358, 359). Deshalb durfte das Beschwerdegericht nicht bei der Feststellung der Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 AufenthG stehen bleiben. Es musste vielmehr prüfen, ob die Wirkungen der Haft noch in einem angemessenen Verhältnis zu der angestrebten Abschiebung in die Niederlande standen (vgl. BVerfG InfAuslR 1994, 342, 344). Das ist zweifelhaft.
(2) Die Haftanordnung führte nämlich dazu, dass der Betroffene weiterhin von E. B. und von ihrem minderjährigen Sohn getrennt blieb. Das ist zwar im Interesse der Durchsetzung der Ausreisepflicht grundsätzlich gerechtfertigt, wenn ein Haftgrund vorliegt. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass hierin ein Eingriff in das Recht auf den Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK liegt. Dafür ist es unerheblich, dass der Betroffene mit E. B. allenfalls kirchlich getraut ist. Denn auch faktische Beziehungen zwischen Erwachsenen genießen den Schutz des Art. 8 EMRK, wenn Elemente einer Abhängigkeit dargelegt werden, die über die üblichen gefühlsmäßigen Bindungen hinausgehen (EGMR, Urt. v. 17. April 2003, 52853/99 - Yilmaz gegen Deutschland, NJW 2004, 2147, 2148 Rdn. 44). Solche Bindungen zu E. B. hat der Betroffene hier dargelegt. Dem Schutz, den er, wenn die Darlegungen zu seiner Beziehung zu E. B. zutreffen, auch nach Art. 8 EMRK genießt, wird die Anordnung von Sicherungshaft nur gerecht, wenn es keine andere Möglichkeit gibt und wenn die Abschiebung mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben wird. Aus diesem Grund lässt Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 348/98) die Anordnung von Sicherungshaft bei Familien mit minderjährigen Kindern nur im äußersten Fall und für die kürzestmögliche angemessene Dauer zu. Das ist nicht erst nach Ablauf der Frist zur Umsetzung dieser Richtlinie am 24. Dezember 2010, sondern nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit schon jetzt geboten.
(3) Feststellungen dazu fehlen. Sie waren aber erforderlich und - mangels ausreichenden Vortrags im Antrag der Beteiligten zu 2 - nach § 26 FamFG von Amts wegen zu treffen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass sich die Fortdauer der Haft nach gebotener Sachaufklärung aus damaliger Sicht als verhältnismäßig erweist. Die Sache ist deshalb insoweit nicht entscheidungsreif und nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Krüger Klein Lemke
Schmidt-Räntsch Roth