Entscheidungsdatum: 16.06.2016
Erklärt der Betroffene dem Haftrichter, Angehöriger eines anderen als des im Haftantrag genannten Zielstaates der Abschiebung zu sein, muss dieser bei der beteiligten Behörde nachfragen, worauf sich ihre Erwartung gründet, den Betroffenen in der beantragten Haftzeit abschieben zu können. Unterlässt der Haftrichter eine solche Nachfrage, verletzt er seine Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 16. Dezember 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene, nach eigenen Angaben am 25. März 1976 in Pec (Kosovo) geboren, hatte in der Bundesrepublik Deutschland einen am 10. Dezember 2013 abgelehnten Asylantrag gestellt. Nach Ablauf seiner bis zum 31. Mai 2014 erteilten Aufenthaltsgestattung hielt er sich in den Benelux Staaten auf. Bei seiner Einreise aus Luxemburg am 13. September 2014 wurde er von Beamten der beteiligten Behörde (Bundespolizei) aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Die beteiligte Behörde verfügte die Abschiebung des Betroffenen nach Albanien und beantragte die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer vom 15. September bis zum 6. Oktober 2014.
Vor dem Haftrichter erklärte der Betroffene, deswegen keine Papiere zu haben, weil er diese bei Beginn des Krieges verbrannt habe. Er sei Albaner und habe zuletzt die serbische Staatsangehörigkeit besessen, die er jedoch nicht mehr wolle. Derzeit habe er keine Staatsangehörigkeit.
Das Amtsgericht ordnete dem Antrag der Behörde entsprechend die Abschiebungshaft an. Die Abschiebung der Betroffenen nach Albanien scheiterte, da die zuständige Behörde in Tirana dessen Übernahme schließlich ablehnte. Auf Grund eines Hinweises des Dolmetschers nach einer erneuten Befragung des Betroffenen, dass dieser aus der Region Skopje, Mazedonien, stamme, stellte die beteiligte Behörde ein Übernahmeersuchen nach Mazedonien, welches das dortige Innenministerium ebenfalls zurückwies. Danach wurde der Betroffene am 2. Oktober 2014 aus der Haft entlassen.
Das Beschwerdegericht hat den Antrag des Betroffenen nach § 62 Abs. 1 FamFG, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen, zurückgewiesen. Dagegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.
II.
Das Beschwerdegericht bejaht die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung. Es habe ein zulässiger, von der zuständigen Behörde gestellter, den Begründungsanforderungen in § 417 Abs. 2 FamFG genügender Haftantrag vorgelegen. Die Anordnung der Sicherungshaft sei auch materiell rechtmäßig gewesen. Der Betroffene sei nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG in Haft zu nehmen gewesen, da er wegen unerlaubter Einreise vollziehbar ausreisepflichtig gewesen sei und der begründete Verdacht bestanden habe, dass er sich der Abschiebung entziehen werde. Die beteiligte Behörde habe die Abschiebung auch ernstlich und mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben. Es sei der Behörde nicht verwehrt gewesen, nach dem Scheitern der ersten Abschiebung nach Albanien Mazedonien als neuen Zielstaat zu bestimmen. Der Versuch der Abschiebung nach dorthin sei zügig durchgeführt und unmittelbar nach der Ablehnung der Übernahme durch die mazedonischen Behörden die Entlassung des Betroffenen aus der Haft veranlasst worden.
III.
Die mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG statthafte, auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht geht allerdings zu Recht davon aus, dass der Haftanordnung ein zulässiger, den besonderen Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG entsprechender Haftantrag zugrunde lag.
a) In dem Haftantrag fehlten insbesondere nicht die nach § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG vorgeschriebenen Erklärungen zur Durchführbarkeit der Abschiebung des Betroffenen. Das gilt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch dann, wenn die von der beteiligten Behörde beabsichtigte Abschiebung des Betroffenen in die Republik Albanien nicht in Betracht gekommen sein sollte, weil dieser Kosovo-Albaner und nicht Staatsangehöriger der Republik Albanien ist.
aa) Richtig ist allerdings, dass die Abschiebungshaft beantragende Behörde nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG auch darlegen muss, auf welcher rechtlichen Grundlage die Abschiebung erfolgen soll, welche Schritte hierzu erforderlich sind und welchen Zeitraum sie jeweils in Anspruch nehmen (Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2015 - V ZB 82/14, juris Rn. 7). Besteht mit dem Zielstaat, in den der Betroffene abgeschoben werden soll, ein Rückübernahmeabkommen (hier die zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Albanien geschlossene Vereinbarung über die Rücknahme von Personen vom 18. November 2002 - BGBl. II S. 195), sind die nach diesem durchzuführenden Maßnahmen in dem Haftantrag darzustellen (Senat, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 30/13, juris Rn. 10; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 9). Hier hat die beteiligte Behörde zwar das genannte Abkommen nicht ausdrücklich benannt, das Bestehen bilateraler Absprachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Albanien aber in ihrem Haftantrag erwähnt und die danach erforderlichen Schritte dargelegt. Das genügte den gesetzlichen Begründungsanforderungen in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG, da die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein dürfen und lediglich die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen Punkte ansprechen müssen (vgl.Senat, Beschluss vom 15. Januar 2015 - V ZB 165/13, juris Rn. 5 mwN).
bb) Ob die Angaben in dem Haftantrag der beteiligten Behörde zur Staatsangehörigkeit des Betroffenen und zur Durchführbarkeit seiner Abschiebung sachlich richtig sind, ist dagegen keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Haftantrags (Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2015 - V ZB 82/14, juris Rn. 7). Zweck des Begründungserfordernisses ist es, den Richter und den Betroffenen durch die Angaben der Behörde in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit des Haftantrags zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZB 214/12, juris Rn. 9). Fehler der Behörde bei der Ermittlung der tatsächlichen Voraussetzungen oder bei der rechtlichen Beurteilung der Durchführbarkeit der beabsichtigten Abschiebung haben nicht die Unzulässigkeit des Haftantrags zur Folge, führen aber in der Regel zu dessen Zurückweisung als unbegründet (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - V ZB 214/12, juris Rn. 9).
b) Der Haftantrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die beteiligte Behörde dem Gericht darin nur das Ergebnis ihrer Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit und zum Heimatland des Betroffenen mitgeteilt, diese Angaben aber nicht näher begründet und auch nicht die Beweismittel benannt hat, auf denen ihre Erkenntnisse beruhen. Die Angaben der Behörde zu dem Ergebnis der Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit, zur Herkunft und zur Identität des Ausländers genügen den Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG, weil sich der Ausländer dazu aus eigenem Wissen erklären kann (was der Betroffene auch getan hat - dazu unter 2. b). Im Übrigen ist es Sache des Haftrichters, im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) nachzufragen, wenn er Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Behörde hat.
2. Das Beschwerdegericht bejaht bei seiner Entscheidung über den Feststellungsantrag nach § 62 FamFG jedoch zu Unrecht die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung.
a) Die Haftanordnung beruhte - was die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - auf einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) des Haftrichters.
aa) Die Haftgerichte sind auf Grund von Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich und auf Grund von § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfGK 15, 139, 144 f.; Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 226/10, FGPrax 2011, 144 Rn. 15; Beschluss vom 11. Mai 2011 - V ZB 265/10, FGPrax 2011, 201 Rn. 8; Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 299/10, juris Rn. 10). Der Richter hat nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen. Dazu muss er die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 26; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - V ZB 172/12, InfAuslR 2014, 52 Rn. 14).
bb) Diesen Anforderungen genügte die Haftanordnung nicht, weil der Haftrichter darin lediglich das Ergebnis der Einschätzung der beteiligten Behörde über die erforderliche Haftdauer bis zu der beabsichtigten Abschiebung übernommen hat, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob die von der Behörde dafür mitgeteilten Voraussetzungen überhaupt vorlagen.
Hierzu gaben die Erklärungen des Betroffenen bei seiner Anhörung Anlass, in der er die Stadt Pec (Kosovo) als seinen Geburtsort angegeben und zur Sache ausgeführt hat, dass er die serbische Staatsangehörigkeit besitze, die er jedoch, weil er Albaner sei, nicht mehr wolle, weshalb er derzeit staatenlos sei. Nach diesen Erklärungen war der Betroffene nicht Staatsangehöriger der Republik Albanien, sondern eine Person albanischer Volkszugehörigkeit, die bis zum Krieg im Kosovo gelebt hat. Die Angaben der Betroffenen sind schlüssig, weil das Kosovo bis zu der von Serbien nicht anerkannten Unabhängigkeitserklärung vom Februar 2008 als autonome Provinz ein Bestandteil der jugoslawischen Teilrepublik Serbien war und die serbische Staatsangehörigkeit auch mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht erloschen ist. Die Staatsangehörigkeit der Republik Kosovo hätte der Betroffene nach Art. 28, 29 oder 31, 32 der Staatsangehörigkeitsgesetze vom 20. Februar 2008 oder vom 31. Juli 2013 kraft Gesetzes erworben, wenn er in einem von der UN Interims Administration (UNMIK) geführten Register seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Kosovo hatte oder am 1. Januar 1998 (vor dem Beginn des Kosovo-Krieges) als jugoslawischer Staatsbürger seinen Wohnsitz im Kosovo hatte. Andernfalls wäre lediglich seine Einbürgerung auf Antrag als Mitglied der sog. Diaspora nach Art. 13 bzw. 16 der vorgenannten Gesetze möglich (zur Staatsangehörigkeit der Kosovo-Albaner vgl.: BAMF: Entscheidungen Asyl - Informationsschnelldienst 8/2008, S. 1; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2009, 354 f.; VGH München, Beschluss vom 19. August 2014 - 5 ZB 14.032, BeckRS 2014, 55977).
cc) Auf Grund der Erklärungen des Betroffenen zu seiner serbischen Staatsangehörigkeit, seiner Herkunft aus dem Kosovo und seiner albanischen Volkszugehörigkeit hätte der Haftrichter sich vergewissern müssen, ob die Angabe der Staatsangehörigkeit des Betroffenen im Haftantrag richtig war und die beabsichtigte Abschiebung in die Republik Albanien durchgeführt werden konnte. Die Anordnung von Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG ist unverhältnismäßig, wenn bereits im Zeitpunkt ihrer Anordnung feststeht, dass die beabsichtigte Abschiebung mangels Aufnahmebereitschaft des Zielstaats mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 13/10, juris Rn. 18). Erklärt der Betroffene dem Haftrichter, Angehöriger eines anderen als des im Haftantrag genannten Zielstaates der Abschiebung zu sein, muss dieser bei der beteiligten Behörde nachfragen, worauf sich ihre Erwartung gründet, den Betroffenen in der beantragten Haftzeit abschieben zu können. Unterlässt der Haftrichter eine solche Nachfrage, verletzt er seine Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG.
Die Nachfragepflicht der Haftrichters ergibt sich daraus, dass von der Aufnahmebereitschaft des Zielstaats nur in Bezug auf solche Personen ausgegangen werden kann, die entweder seine Staatsangehörigen sind oder die er auf Grund von besonderen Vorschriften für die Übernahme von Drittstaatsangehörigen bei rechtswidriger Einreise und rechtswidrigem Aufenthalt in völkerrechtlichen Vereinbarungen zu übernehmen verpflichtet ist. In den Rückübernahmeabkommen verpflichten sich die Staaten wechselseitig nur dazu, unter den genannten Voraussetzungen die sich illegal in einem Vertragsstaat aufhaltenden Personen zu übernehmen. Die Staatsangehörigkeit wird dem um die Übernahme ersuchten Vertragsstaat entweder durch Urkunden nachgewiesen oder (insbesondere durch Zeugenaussagen, eigene Angaben des Betroffenen oder das Ergebnis seiner Anhörung vor der Auslandsvertretung der ersuchten Vertragspartei) glaubhaft gemacht (vgl. Art. 2 Abs. 1, 2 des Rückübernahmeabkommens zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Albanien).
Fehlt es sowohl an die Staatsangehörigkeit nachweisenden Urkunden als auch an Mitteln der Glaubhaftmachung für die von der beteiligten Behörde vorgetragene Staatsangehörigkeit, ist, wenn der Betroffene vor dem Richter eine andere Staatsangehörigkeit angibt, grundsätzlich von einer abschlägigen Beantwortung des Übernahmeersuchens durch den Vertragsstaat auszugehen. Abschiebungshaft darf der Richter in solch einem Fall nur anordnen, wenn die Behörde ihm die Umstände mitteilt, aus denen sich ergibt, dass der Zielstaat dem Übernahmeersuchen voraussichtlich dennoch entsprechen werde (wie eigene, von den Angaben des Betroffenen abweichende Erkenntnisse der Behörde zu dessen Staatsangehörigkeit oder über eine Übernahmepflicht des Vertragsstaats aus anderen Gründen - wie nach Art 5 ff. des genannten Abkommens). Das ist hier nicht geschehen.
b) Die Zurückweisung des Feststellungsantrags durch das Beschwerdegericht stellt sich danach als rechtswidrig dar.
aa) Die Verletzung der Amtsermittlungspflicht bei der Haftanordnung wäre für die Entscheidung über den Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG allerdings unbeachtlich, wenn das Beschwerdegericht unter Nachholung der erforderlichen Feststellungen die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung festgestellt hätte. Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG durch den Haftrichter können im Beschwerdeverfahren behoben werden. Zwar ist eine rückwirkende Heilung der Haftanordnung mit der Folge, dass das Verfahrensergebnis für den Betroffenen kein anderes ist, als wenn bereits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. März 2010 - V ZA 9/10, NVwZ 2010, 1175 Rn. 23; Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 36), nach dem Eintritt des erledigenden Ereignisses durch Haftentlassung nicht mehr möglich. Dieser Umstand führt aber nicht ohne weiteres zu einem Erfolg der mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG weiterhin zulässigen Beschwerde, da unzureichende Ermittlungen des Haftrichters der vollzogenen Haft nicht ohne weiteres den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrücken (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - V ZB 203/09, juris Rn. 11). Der Feststellungsantrag ist in einem solchen Fall nur dann begründet, wenn es an den Voraussetzungen für eine Inhaftierung zur Sicherung der Abschiebung fehlte und der Betroffene deshalb vor dem Eintritt der Erledigung mit der Beschwerde eine Aufhebung der Haftanordnung hätte erreichen können (Senat, Beschluss vom 8. März 2007 - V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569 Rn. 9).
bb) Zur Feststellung der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung hätte das Beschwerdegericht allerdings seinerseits Ermittlungen anstellen müssen, ob Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG hätte angeordnet werden dürfen, weil das Scheitern der Abschiebung des Betroffenen - sei es in die Republik Albanien, sei es in die Republik Mazedonien - nicht von vornherein feststand (zu den nach gescheiterter Abschiebung in Feststellungsverfahren gemäß § 26 Abs. 1 FamFG von dem Beschwerdegericht anzustellenden Ermittlungen: Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2015 - V ZB 82/14, juris Rn. 13).
(1) Nicht zu beanstanden ist, dass das Beschwerdegericht dabei auch den Versuch einer Abschiebung des Betroffenen in die Republik Mazedonien in den Blick genommen hat. Das war nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - schon wegen der Benennung Albaniens als Zielstaat und der darauf bezogenen Prognose des Haftrichters rechtswidrig. Es entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 13/10, juris Rn. 21), dass die Sicherungshaft ihre Wirksamkeit erst mit dem Scheitern der konkreten Abschiebungsmaßnahme (§ 62 Abs. 3 Satz 5 AufenthG aF; jetzt § 62 Abs. 4a AufenthG) und nicht schon allein deswegen verliert, weil die Behörde einen neuen Zielstaat für die Abschiebung bestimmt. Abschiebungshaft kann auch angeordnet werden, wenn in der Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG der Zielstaat noch nicht konkret benannt worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 121/10, juris Rn. 22). Bei der Prüfung, ob die angeordnete Sicherungshaft sich deshalb als unverhältnismäßig darstellt, weil feststeht, dass die Abschiebung des Ausländers wegen der fehlenden Aufnahmebereitschaft des Zielstaats mit Sicherheit zum Scheitern verurteilt ist (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 13/10, juris Rn. 18), ist auch die Möglichkeit der Abschiebung in einen von der betroffenen Behörde im Beschwerdeverfahren nachbenannten Zielstaat zu berücksichtigen.
(2) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde jedoch das Fehlen einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die getroffene Entscheidung. Das Beschwerdegericht hat zwar gesehen, dass die Sicherungshaft unverhältnismäßig ist, wenn die Unmöglichkeit der Abschiebung wegen der fehlenden Aufnahmebereitschaft des Zielstaats feststeht. Es hat diesen Punkt aber nur im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot geprüft. Nicht auseinandergesetzt hat es sich mit dem Vorbringen des Betroffenen, dass die von der beteiligten Behörde unternommenen Abschiebungsversuche nach Albanien oder Mazedonien deswegen von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen seien, weil er - wie von ihm auch stets angegeben - ein im Kosovo geborener Albaner mit ehemals serbischer Staatsangehörigkeit sei und eine andere Staatsangehörigkeit nicht besitze. Die beteiligte Behörde ist dem zwar - wie von der Rechtsbeschwerdeerwiderung erwähnt - damit entgegengetreten, dass die Angaben des Betroffenen zu seinem Geburtsort, seiner Herkunft und seinen Familienverhältnissen falsch gewesen seien, weil er nach der sachkundigen Einschätzung des Dolmetschers aus der Region Skopje stammen müsse.
(a) Bei diesem Vortrag handelte es sich aber um neues, streitiges Vorbringen der beteiligten Behörde in dem Beschwerdeverfahren, zu dem das Beschwerdegericht eigene Feststellungen nach § 26 FamFG hätte treffen müssen. Von diesen durfte es nicht deshalb absehen, weil es die Angaben des Dolmetschers zur wahrscheinlichen Herkunft des Betroffenen aus Mazedonien für schlüssig erachtete. Davon, dass die von der beteiligten Behörde versuchte Abschiebung in die Republik Mazedonien (ebenso wie die zuvor versuchte Abschiebung in die Republik Albanien) nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt war, hätte das Beschwerdegericht nur ausgehen dürfen, wenn es Anhaltspunkte dafür gab, dass die Angaben des Betroffenen zu seiner Herkunft und zu seiner Staatsangehörigkeit unzutreffend sein könnten.
Das wäre allerdings der Fall, wenn der Betroffene wechselnde, widersprüchliche und unwahre Erklärungen hierzu abgegeben hätte. Ob es sich jedoch so verhielt, hätte das Beschwerdegericht anhand der über den Betroffenen geführten Ausländerakte prüfen müssen. Von der in Abschiebungshaftsachen in der Regel erforderlichen Beiziehung der Ausländerakte durch das Gericht (BVerfGK 15, 139, 151) kann nur dann abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen der Akte vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172 Rn. 27; Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261 Rn. 21). Das ist hier nicht der Fall, weil das Beschwerdegericht nicht festgestellt hat, dass sich aus vorgelegten Akten oder Aktenteilen der beteiligten Behörde die von dieser im Beschwerdeverfahren behaupteten Widersprüche in den Angaben des Betroffenen zu seiner Herkunft und zu seiner Staatsangehörigkeit ergeben, und es andere Akten über den Betroffenen (die Ausländerakte der für ihn während seines früheren Aufenthalts in Deutschland zuständigen Ausländerbehörde und die Akte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, bei dem er einen Asylantrag gestellt hatte) nicht beigezogen hat.
(b) Das Beschwerdegericht hätte zudem den Betroffenen hierzu nach § 34, § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG persönlich anhören müssen. Von einer Anhörung darf das Beschwerdegericht nicht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG absehen, wenn sich nach dem Erlass der Haftanordnung neue rechtlich erhebliche Gesichtspunkt ergeben (Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 3/10, FGPrax 2010, 261 Rn. 81). So verhält es sich hier. Dass die beteiligte Behörde nach dem Scheitern der ersten Abschiebung nach Albanien eine erneute Abschiebung nach Mazedonien versucht und dass der Betroffene widersprüchliche Angaben zu seiner Herkunft und seinem Familienstand gemacht habe, ist erst im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden. Das dem entgegenstehende Vorbringen des Betroffenen ist erheblich, da bei Richtigkeit seiner Angaben die richtigen Adressaten für eine Abschiebung in sein Heimatland nicht die Behörden in Tirana oder in Skopje, sondern die in Priština gewesen wären. Ein nach den Angaben des Betroffenen in Betracht kommendes Übernahmeersuchen an die Republik Kosovo nach dem Rückübernahmeabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Kosovo vom 14. April 2010 (BGBl. II S. 260) ist nicht gestellt worden; Gründe dafür sind weder festgestellt noch von der beteiligten Behörde vorgetragen worden.
IV.
Der Rechtsbeschwerde ist danach begründet und der angefochtene Beschluss aufzuheben (§ 74 Abs. 4 FamFG). Die Sache ist jedoch nicht zur End-entscheidung reif und daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5 Satz 2 FamFG). Die Anordnung der Abschiebungshaft und der Vollzug der Freiheitsentziehung hätten den Beklagten nämlich nicht in seinen Rechten verletzt, wenn dieser unwahre, widersprüchliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit oder Herkunft gemacht hätte. In diesem Fall wäre die Haftanordnung nicht wegen einer von vornherein feststehenden Unmöglichkeit seiner Abschiebung nach Albanien oder nach Mazedonien unverhältnismäßig gewesen. Ob es sich so verhalten hat, wird das Beschwerdegericht noch festzustellen haben. Da dem Betroffenen der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gestattet war, er hier einen Wohnsitz hatte und ein Asylverfahren durchgeführt wurde, ist - wie von ihm selbst angeregt - die über ihn von der seinerzeit zuständigen Behörde geführte Ausländerakte und die Akte des Bundesamts über das Asylverfahren beizuziehen und daran zu prüfen, welche Angaben er außerhalb des gerichtlichen Verfahrens zu seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit gemacht hat. Zudem ist der Betroffene - wie ausgeführt - nach § 34 FamFG persönlich zu den neuen Behauptungen der beteiligten Behörde im Beschwerdeverfahren anzuhören.
V.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann Schmidt-Räntsch Czub
Kazele Göbel