Entscheidungsdatum: 03.07.2014
1. NV: Allein die Vorbefassung in der Rechtssache genügt nicht, um bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge als befangen angesehen zu werden .
2. NV: Eine Gehörsverletzung liegt nicht vor, wenn die Anhörungsrüge im Kern den Vorwurf enthält, das Gericht habe den Antrag auf Prozesskostenhilfe fehlerhaft abgelehnt .
3. NV: Gegen eine ablehnende Entscheidung im PKH-Verfahren ist die Gegenvorstellung statthaft .
4. NV: Ein Anspruch des Beteiligten auf Erstellung einer Zweitakte (Fotokopie des gesamten Akteninhalts) durch den BFH besteht nicht. Für die Anfertigung von Kopien der eigenen PKH-Anträge muss ein Rechtsschutzbedürfnis dargelegt werden .
I. Der nicht anwaltlich vertretene Kläger, Antragsteller und Rügeführer (Kläger) wendet sich mit seiner am 13. Mai 2014 fristgerecht erhobenen Anhörungsrüge und Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. April 2014 V S 3/14 (PKH). Mit diesem hatte der erkennende Senat den Antrag des Klägers vom 3. Januar 2014 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (V B 8/14) gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2013 4 K 3999/10 abgelehnt.
Der Kläger stellt darüber hinaus den Antrag, die Richter, die an dem Beschluss vom 15. April 2014 V S 3/14 (PKH) mitgewirkt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung auszuschließen.
II. Der Senat kann trotz der Erklärung des Klägers, er lehne die beteiligten Richter ab, in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden.
Die Anträge sind unbegründet.
1. Der erkennende Senat entscheidet über die Anhörungsrüge sowie über die Gegenvorstellung in seiner sich aus dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter nach § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 44 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) bedarf. Das Ablehnungsgesuch des Klägers, mit dem die Richter des PKH-Verfahrens (V S 3/14 (PKH)) als befangen abgelehnt werden, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Über das Ablehnungsgesuch muss nicht durch gesonderten Beschluss entschieden werden (z.B. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, unter II.1.a, m.w.N.).
a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Grundsätzlich ist über das Ablehnungsgesuch ohne Mitwirkung des oder der abgelehnten Richter zu entscheiden (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO).
b) Im Streitfall ist ein Ablehnungsgrund weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden. Der Kläger lehnt die am PKH-Beschluss (V S 3/14 (PKH)) beteiligten Richter "aus oben genannten Gründen als befangen ab". In dem Ablehnungsgesuch liegt deshalb ein Missbrauch des Ablehnungsrechts, weil das Gesuch ausschließlich mit der vermeintlichen Rechtsfehlerhaftigkeit des PKH-Beschlusses begründet wird. Diese kann die Besorgnis der Befangenheit jeweils in der Person des betreffenden Richters aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen (z.B. BFH-Beschluss vom 1. April 2003 VII S 7/03, BFH/NV 2003, 1331, m.w.N.). Allein die Vorbefassung genügt nicht, um bei der Entscheidung über die Anhörungsrüge stets als befangen angesehen zu werden (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts vom 25. Februar 2010 B 11 AL 22/09 C, juris, unter 1., m.w.N.).
2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO). Der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Verfahren über den Antrag auf Gewährung von PKH sowie Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht verletzt.
a) Der Antrag ist zulässig.
Der erkennende Senat hat keine Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers.
aa) Die Vornahme von Verfahrenshandlungen --wozu auch die Einlegung einer Anhörungsrüge gehört-- setzt Prozessfähigkeit des Beteiligten voraus. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 FGO sind alle nach bürgerlichem Recht geschäftsfähigen Personen prozessfähig. Die Prozessfähigkeit eines Beteiligten ist als Sachentscheidungsvoraussetzung und zugleich Prozesshandlungsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 FGO i.V.m. § 56 Abs. 1 ZPO; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2011 IX B 11/11, BFH/NV 2011, 1891, unter 2.b, m.w.N.). Dabei entscheidet das Gericht nach seiner freien Überzeugung im Wege des Freibeweises unter Würdigung des gesamten Prozessstoffes über die Frage der Prozessfähigkeit eines Beteiligten (z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2005 IX B 87/05, BFH/NV 2006, 94, unter II.3.a, m.w.N.).
bb) Nach diesen Maßstäben hat der erkennende Senat im Streitfall keinen Anlass an der Prozessfähigkeit des Klägers zu Zweifeln.
Der Kläger legt in keiner Weise dar, woraus seine Prozessunfähigkeit resultieren sollte. Sein Vortrag erschöpft sich in der Behauptung, dass er prozessunfähig sei. Dies hat er nicht wenigstens durch ein ärztliches Attest belegt oder glaubhaft gemacht. Der Kläger weist lediglich auf etwaige widersprüchliche Gutachten hin, die angeblich einerseits von seiner Prozessfähigkeit ausgingen, und diese andererseits in Abrede stellten. Um die Glaubhaftigkeit des Vortrags zu stützen, wäre es naheliegend gewesen, ein solches Gutachten --zumindest auszugsweise-- vorzulegen oder das vermeintlich im Gutachten festgestellte Krankheitsbild, das auf eine etwaige krankhafte Störung der Geistestätigkeit schließen ließe, zu benennen oder zu beschreiben.
Sofern außer der bloßen Behauptung des Klägers keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, die an seiner Prozessfähigkeit Zweifel erwecken könnten --etwa ein unverständlicher Sachvortrag-- ist das Gericht nicht gehalten, von sich aus eine ärztliche Begutachtung des Klägers anzuordnen (vgl. BFH-Beschluss vom 9. September 2004 III B 165/03, juris Rz 5) oder etwaigen Beweisanträgen (hier: Beiziehung von Akten) nachzugehen. Dies insbesondere dann nicht, wenn nach Aktenlage --unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers-- in diesem Verfahren keine Anhaltspunkte erkennbar sind, wonach der Kläger zur Überzeugung des erkennenden Senats prozessunfähig wäre (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Dezember 2013 V ZR 8/13, Wertpapier-Mitteilungen 2014, 1054, unter II.2.a aa, m.w.N.). Vielmehr ist der erkennende Senat aufgrund folgender Indizien von der Prozessfähigkeit des Klägers überzeugt:
(1) Die im gesamten Verfahren vom Kläger selbst verfassten Schriftsätze --sowohl an das FG als auch an den BFH-- lassen erkennen, dass er sich auszudrücken sowie sein Anliegen in verständlicher und angemessener Form vorzubringen vermag. Hierin sieht der Senat ein gewichtiges Indiz für die Geistesfähigkeit des Klägers, die ihm eine freie Willensbestimmung ermöglicht.
(2) Zudem war das FG im Klageverfahren von der Prozessfähigkeit des Klägers überzeugt (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 15. April 2014 V S 5/14 (PKH)). Nachdem sich der BFH in einem eigenen Verfahren über die Prozessfähigkeit des Klägers im Wege des Freibeweises zu überzeugen hat, ist er an etwaige diesbezügliche Feststellungen des FG zwar nicht gebunden, kann sie aber seiner Überzeugungsbildung --als weiteres Indiz-- zu Grunde legen. Dies insbesondere dann, wenn das FG einen persönlichen Eindruck des Klägers gewonnen hat (mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2013 im Parallelverfahren 1 K 3881/11 und 1 K 3376/10) und --wie hier-- eine zeitliche Nähe zum hiesigen Verfahren besteht. Dass in dem kurzen Zeitraum zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung beim FG und dieser Entscheidung eine gravierende Änderung der Geistesfähigkeit des Klägers eingetreten sein soll, behauptet nicht einmal der Kläger selbst.
b) Der Antrag ist unbegründet.
Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. März 2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, und vom 12. April 2011 III S 49/10, BFH/NV 2011, 1177).
Eine Gehörsverletzung liegt nicht vor. Der Senat hat in seinem PKH-Beschluss die vom Kläger vorgebrachten Einwendungen umfassend geprüft. Im Kern richten sich die Ausführungen des Klägers indessen gegen die Rechtsauffassung des Senats in diesem Beschluss und enthalten den Vorwurf, der Senat habe den PKH-Antrag des Klägers rechtsfehlerhaft abgelehnt. Mit diesem Vorbringen kann der Kläger aber im Rahmen des § 133a FGO --wie dargelegt-- nicht gehört werden. Anders als der Kläger meint, hat der beschließende Senat dessen Ausführungen zur Kenntnis genommen. Dies gilt insbesondere für das Vorbringen des Klägers, er habe einen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten, Antragsgegner und Rügegegner (Finanzamt --FA--) darauf, im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid nicht als insolvent und als jemand dargestellt zu werden, der weder über Vermögen noch über etwaige Einkünfte verfüge. Gleiches gilt für das Vorbringen, das FG habe seiner Sachaufklärungspflicht nicht hinreichend genügt, weil es eine bestimmte Zeugin zu der Thematik nicht vernommen habe, wer von dem Vorauszahlungsbescheid auf Veranlassung des FA Kenntnis erlangt habe. Auf beide Gesichtspunkte ist der Senat in seinem PKH-Beschluss vom 15. April 2014 V S 3/14 (PKH), auf den insoweit verwiesen wird, eingegangen.
Keine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich zudem daraus, dass der erkennende Senat bei seiner Entscheidung über den PKH-Antrag des Klägers die Wahrscheinlichkeit für den Erfolgseintritt der beabsichtigten Rechtsverfolgung in summarischer Weise geprüft hat. Damit hat der Senat --anders als der Kläger meint-- weder die Hauptsache (Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren) vorweggenommen noch das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
c) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
3. Die gegen den Beschluss vom 15. April 2014 V S 3/14 (PKH) gerichtete Gegenvorstellung ist unbegründet.
a) Eine Gegenvorstellung kann gegen eine ablehnende Entscheidung im PKH-Verfahren erhoben werden (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss vom 1. Juli 2009 V S 10/07, BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824, unter II.2., m.w.N.). Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein Antrag auf Bewilligung von PKH --auch nach seiner Ablehnung-- wiederholt gestellt werden kann. Ein solcher Antrag ist aber nur zulässig, wenn neue Tatsachen, Beweismittel oder rechtliche Gesichtspunkte vorgetragen werden, die Veranlassung zu einer für den Antragsteller günstigeren Beurteilung der Erfolgsaussichten geben könnten (Beschluss in BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824, unter II.2., m.w.N.). Eine Gegenvorstellung gegen einen ablehnenden PKH-Beschluss kann deshalb nur dann begründet sein, wenn diese Voraussetzungen vorliegen und dargelegt werden.
b) Diese Voraussetzung erfüllt die am 13. Mai 2014 zugegangene Gegenvorstellung des Klägers nicht. Vielmehr vertritt der Kläger darin --nach wie vor-- im Wesentlichen die Auffassung, entgegen der Begründung des Senats in seinem Beschluss vom 15. April 2014 V S 3/14 (PKH), dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (V B 8/14) gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2013 4 K 3999/10 hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Dass diese Auffassung unzutreffend ist, hat der Senat in seinem Beschluss vom 15. April 2014 V S 3/14 (PKH) im Einzelnen dargelegt. Die dagegen --ausschließlich wiederholenden-- Einwendungen des Klägers rechtfertigen keine andere Beurteilung.
4. Der Antrag auf Erstellung einer Aktenkopie, hilfsweise der handschriftlich erstellten PKH-Anträge, wird abgelehnt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH lässt sich aus § 78 FGO kein Anspruch auf Erstellung einer Zweitakte ableiten (BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 VII S 1/08 (PKH), unter II.2.b, m.w.N.). Das rechtliche Gehör wird durch Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des Senats oder ggf. in der Justizvollzugsanstalt (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Juli 1994 I B 200/93, BFH/NV 1995, 401) gewährleistet. Für eine Anfertigung von Kopien der eigenen PKH-Anträge ist kein Rechtsschutzbedürfnis dargelegt.
5. Die Kostenentscheidung für das Rügeverfahren beruht auf § 143 Abs. 1 FGO i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO. Die Kostenpflicht der Anhörungsrüge folgt aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 60 € an. Die Entscheidung über die Gegenvorstellung ergeht gerichtsgebührenfrei (BFH-Beschluss vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474).
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, soweit er die Anhörungsrüge betrifft (§ 133a Abs. 4 Satz 3 FGO).