Entscheidungsdatum: 11.12.2015
Auswirkungen einer fehlerhaften Verfahrensverständigung im strafrechtlichen Verfahren auf die Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils für das berufungsgerichtliche Verfahren.
Die Revision des Steuerberaters gegen das Urteil des 1. Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen beim Oberlandesgericht Düsseldorf vom 13. Januar 2015 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Münster hat durch Urteil vom 29. August 2014 gegen den Steuerberater die berufsrechtlichen Maßnahmen des Verweises und einer Geldbuße von 4.900 € wegen Verletzung von Berufspflichten (§ 57 Abs. 1 und 2 StBerG) verhängt. Mit Urteil vom 13. Januar 2015 hat der Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf die Berufung des Steuerberaters verworfen und die Revision zugelassen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Steuerberaters hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
I.
Die Verfahrensrüge des Steuerberaters, das Oberlandesgericht sei rechtsfehlerhaft von einer Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils des Landgerichts Paderborn vom 12. Juni 2012 ausgegangen (§ 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG), dringt nicht durch.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
a) Das Landgericht hat den Steuerberater nach umfangreicher Beweisaufnahme wegen versuchter Steuerhinterziehung unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils, die vom Oberlandesgericht Düsseldorf als Berufungsgericht im berufsgerichtlichen Verfahren gegen den Steuerberater gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesen worden sind, sind gemäß § 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG dem nun mit der Revision angefochtenen Berufungsurteil zugrunde gelegt worden.
b) Hiernach hat der Steuerberater ein Steuersparmodell „Steuerstrategie Null“ mitinitiiert, bei dem Kapitalanleger sich mit einer Anlagesumme an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als atypisch stille Gesellschafter zum Zweck weitgehender Steuerersparnisse beteiligen konnten. Die von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingeworbenen Gelder sollten in vollem Umfang an osteuropäische Unternehmen im Rahmen von Beteiligungsverträgen als Einlage weitergeleitet werden. Nach der Konzeption des Steuersparmodells sollten vermeintliche Investitionen dieser Unternehmen zur Begründung von Buchverlusten bei den Gesellschaften bürgerlichen Rechts als sogenannte Ansparabschreibungen gemäß § 7g Abs. 3 EStG in Ansatz gebracht werden; die Wirtschaftsgüter sollten jedoch zu keinem Zeitpunkt tatsächlich angeschafft werden. Der Steuerberater, der von den Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit der steuerlichen Abwicklung des Modells beauftragt worden war, fertigte für diese die Steuererklärungen und fügte Investitionslisten – in der Regel wurde zumindest ein Fahrzeug der oberen Luxusklasse angeführt – für die geltend gemachten Ansparabschreibungen bei. Diese Steuererklärungen legte der Steuerberater den Kapitalanlegern, die auf deren inhaltliche Richtigkeit und „Legalität“ vertrauten, zur Unterschriftsleistung und Weiterreichung an das zuständige Finanzamt vor. In den jeweiligen Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wurde jedoch „wahrheitswidrig suggeriert, es seien ernsthaft Investitionen in Höhe von bis zu 385.000 € pro Beteiligungs-GbR geplant“. Hätten die Finanzämter gewusst, dass es sich bei den in den Investitionslisten niedergelegten Wirtschaftsgütern zur Geltendmachung der Ansparabschreibung lediglich um Buchverluste handelte, hätten sie bereits aus diesem Grunde die Anerkennung der geltend gemachten Verluste verweigert. Der Steuerberater hätte dies angesichts der ihm spätestens ab dem 1. Oktober 2007 bekannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 11. Juli 2007 – I R 104/05, BFHE 218, 323 zum Modell „Steuerstrategie Null“), wonach nur der durch ein ernst gemeintes Investitionsvorhaben ausgelöste Finanzierungsbedarf die Förderung des Steuerpflichtigen rechtfertige, „erkennen können“.
c) Insgesamt wurden durch die Steuererklärungen nach dem 1. Oktober 2007 Ansparsparabschreibungen in Höhe von 11.648.468 € für die Kapitalanleger geltend gemacht. Der Steuerschaden hätte rund 3.490.000 € betragen; die Finanzämter lehnten jedoch die steuerliche Anerkennung ab.
d) Das Landgericht hat seine strafgerichtlichen Feststellungen, insbesondere zum Tathergang, auch auf die – nach einer Verständigung gemäß § 257c StPO – geständige Einlassung des Steuerberaters gestützt. Seine Einlassung zum Organisationsablauf wurde von acht Zeugen bestätigt. Zum Vorstellungshorizont der Anleger wurden 40 Zeugen gehört, die glaubhaft berichteten, dass es ihnen allein auf die steuerliche Rendite angekommen sei und dass die Steuervorteile legal erzielt würden.
e) Der vor dem Landgericht Paderborn erfolgten Verfahrensabsprache nach § 257c StPO lag folgender Verfahrensgang zugrunde:
aa) Das Landgericht gab am 22. Verhandlungstag bekannt, welchen Inhalt eine Verständigung haben könnte, nämlich dass die Verfahrensbeteiligten sich darüber einig sind, dass für den Fall einer geständigen Einlassung für die Tat betreffend den Zeitraum nach dem 1. Oktober 2007 für den Steuerberater eine „Bewährungsstrafe“ von einem Jahr und zwei Monaten in Betracht kommt. Ferner wurden die Höhe der Bewährungsauflage festgelegt und die Höhe der Ansparabschreibungen, des versuchten Steuerschadens sowie die erhofften Gewinne der Verfahrensbeteiligten beziffert. Schließlich wurden neben verfahrensgegenständlichen Einstellungen nach § 154 Abs. 2 StPO auch die (endgültige) Einstellung eines bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen den Steuerberater geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO nach Rechtskraft des Urteils in vorliegendem Verfahren in Aussicht gestellt, wobei der Steuerberater in beiden Verfahren auf sämtliche in Betracht kommenden Entschädigungsansprüche gegenüber der Staatskasse verzichten sollte.
bb) Das Landgericht gab auch bekannt, welche Einlassung vom Steuerberater erwartet werde, insbesondere dass er das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Juli 2007 im Verfahren I R 104/05 (BFHE 218, 323) spätestens am 1. Oktober 2007 zur Kenntnis genommen habe und dass ihm bekannt gewesen sei, dass § 7g Abs. 3 EStG ausschließlich der Förderung tatsächlicher Investitionen dienen sollte. Gleichwohl habe er weiter in den für die Anleger gefertigten Steuererklärungen für die jeweilige Gesellschaft bürgerlichen Rechts Buchverluste geltend gemacht. Die in den Investitionslisten angeführten Wirtschaftsgüter sollten zu keinem Zeitpunkt angeschafft werden. Die Anleger seien in dem Glauben gelassen worden, dass die Vorgehensweise mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in Einklang stehe.
cc) Am nächsten Verhandlungstag stimmten die Verfahrensbeteiligten dem Verständigungsvorschlag des Landgerichts zu. Anschließend erfolgte die Belehrung des Steuerberaters nach § 257c Abs. 5 StPO. Sein Verteidiger gab für ihn eine Erklärung ab, der er zustimmte. Darüber hinaus verzichtete er auf etwaige Entschädigungsansprüche gegen die Staatskasse einschließlich solcher in dem von der Staatsanwaltschaft Bielefeld geführten Ermittlungsverfahren. Im letzten Wort erklärte der Steuerberater, dass ihm die „Sache wirklich leid“ tue.
f) Im berufsgerichtlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht erklärte der Steuerberater, dass sein Geständnis im Strafverfahren ein „Zweckgeständnis“ im Rahmen eines „Gesamtpakets“ gewesen sei. Er habe das ihn belastende Verfahren beenden wollen. Da er zu der getroffenen Absprache gestanden habe, habe er keine Revision gegen seine strafrechtliche Verurteilung eingelegt. Jedoch sei sein Verhalten selbst unter Zugrundelegung der tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Landgerichts Paderborn nicht als versuchte Steuerhinterziehung zu bewerten. An dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof, das zum Urteil vom 11. Juli 2007 (BFHE 218, 323) geführt habe, sei er als Verfahrensbevollmächtigter beteiligt gewesen.
g) Das Oberlandesgericht hat die tatsächlichen Feststellungen der strafgerichtlichen Verurteilung des Steuerberaters gemäß § 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG als bindend angesehen. Zwar könne die Bindungswirkung entfallen, wenn ein Strafurteil auf einer Verfahrensabsprache beruhe, die den rechtlichen Anforderungen nicht genüge. Vorliegend beruhe aber die strafrechtliche Verurteilung nicht lediglich auf einem im Rahmen einer Verfahrensabsprache abgelegten Geständnis des Steuerberaters, sondern auf einer umfangreichen Beweisaufnahme, im Rahmen derer das Geständnis entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf seine Richtigkeit überprüft worden sei. Es liege zwar ein Verstoß gegen § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO vor, weil die Verständigung sich nicht nur auf verfahrensbezogene Maßnahmen erstreckte, sondern im Rahmen einer „Gesamtlösung“ auch die endgültige Einstellung des durch die Staatsanwaltschaft Bielefeld geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO in Aussicht stellte; solche nicht in die Kompetenz des erkennenden Gerichts fallenden Zusagen seien unzulässig. Gleichwohl führe dies nicht zum Wegfall der Bindungswirkung der getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Paderborn, weil keine offenkundige Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze, sondern nur eine einfache Gesetzesverletzung vorliege.
2. Mit seiner Beanstandung, das Oberlandesgericht hätte wegen einer unzulässigen Verständigung im Strafverfahren (§ 257c StPO) die Feststellungen des Strafurteils seiner Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren nicht zugrunde legen dürfen, vermag der Beschwerdeführer nicht durchzudringen.
a) Die Verfahrensbeanstandungen sind schon deshalb insgesamt unzulässig, weil sie den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Darlegungsanforderungen nicht genügen. Mit der Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer geltend, das vom Oberlandesgericht herangezogene Strafurteil des Landgerichts Paderborn leide an einem so schwer wiegenden Verfahrensmangel, dass sich das Oberlandesgericht nach § 109 Abs. 3 Satz 2 StBerG von den darin getroffenen Feststellungen hätte lösen müssen. Ob dies der Fall ist, kann der Senat indes nur bei Kenntnis des Strafurteils prüfen. Der Beschwerdeführer hat es jedoch versäumt, dieses Strafurteil, das im Berufungsurteil des Oberlandesgerichts nur auszugsweise wiedergegeben ist, im Rahmen der Revisionsbegründungsschrift zur Darstellung des behaupteten Verfahrensverstoßes mitzuteilen.
b) Die Verfahrensbeanstandung eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers dahingehend, dass das Strafgericht sein Urteil ohne nähere Prüfungen auf ein „Formalgeständnis“ bzw. „Zweckgeständnis“ des Beschwerdeführers gestützt habe, wäre zudem unbegründet.
aa) Der Gesetzgeber hat die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarisch bzw. berufsrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Strafgerichten übertragen (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2013, 559). Deshalb sind die tatsächlichen Feststellungen im Strafverfahren (oder Bußgeldverfahren), auf denen die Entscheidung des Gerichts beruht, für die Entscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren bindend (§ 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG). Im berufsgerichtlichen Verfahren kann ein Gericht jedoch die nochmalige Feststellung beschließen, deren Richtigkeit seine Mitglieder mit Stimmenmehrheit bezweifeln, was in den Gründen der berufsgerichtlichen Entscheidung zum Ausdruck zu bringen ist (§ 109 Abs. 3 Satz 2 StBerG). Dies war hier nicht der Fall. Vielmehr war das Oberlandesgericht davon überzeugt, dass die im Strafprozess getroffenen Feststellungen zutreffend sind.
bb) Allerdings ist das Berufsgericht verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den berufsrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn es ansonsten „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müsste. Deshalb entfällt die Bindungswirkung des § 109 Abs. 3 Satz 1 StBerG unter anderem bei Strafurteilen, die in einem ausschlaggebenden Punkt unter offenkundiger Verletzung zentraler Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind; dies kommt grundsätzlich in Betracht, wenn das strafrechtliche Urteil auf einer Verständigung beruht, die hieran zu stellenden wesentlichen Anforderungen nicht gerecht wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 2 B 84/13; BVerwG, NVwZ-RR 2013, 559; BVerwG, Beschluss vom 26. August 2010 – 2 B 43/10; BVerwGE 128, 189).
cc) Daran wäre nicht zu zweifeln, wenn die Verurteilung – wie der Beschwerdeführer geltend macht – tatsächlich auf einem durch das Strafgericht nicht oder nicht zureichend überprüften „Formalgeständnis“ beruht hätte (vgl. BVerwGE 128, 189, 193 f.). Davon kann jedoch hier keine Rede sein. Der Verständigung waren 22 Verhandlungstage vorausgegangen, an denen unter anderem 48 Zeugen vernommen worden waren. Ersichtlich auf der Grundlage der bisherigen Beweisaufnahme unterbreitete das Landgericht seinen Verständigungsvorschlag, dem der Angeklagte zustimmte. In den Urteilsgründen stützte sich das Landgericht auch nicht etwa nur auf das Geständnis des Angeklagten, sondern überprüfte dessen Wahrheitsgehalt anhand der Ergebnisse der Beweisaufnahme, wobei der Senat überdies mangels der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Mitteilung des vollständigen Strafurteils durch den Beschwerdeführer nicht zu beurteilen vermag, ob das Urteil – was naheliegt – wegen Nichtanfechtung durch den Beschwerdeführer nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt war. Mit dem Revisionsvortrag zu einem bloßen „Zweckgeständnis“ tritt darüber hinaus der Umstand in beträchtliche Spannung, dass der Beschwerdeführer nach den Schlussvorträgen im Strafverfahren in seinem letzten Wort ausdrücklich bekundete, dass ihm „die Sache wirklich leid“ tue (BU S. 18).
c) Soweit die Revision die Heranziehung der strafgerichtlichen Fest-stellungen deswegen beanstandet, weil die Verständigung im Strafverfahren eine unzulässige „Gesamtlösung“ beinhaltet habe, genügt die Verfahrensrüge auch deshalb den sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden Darlegungsanforderungen nicht, weil der Revisionsvortrag hierzu unvollständig ist. Der Senat kann daher auf der Grundlage des Revisionsvorbringens nicht abschließend entscheiden, ob das Strafurteil im Hinblick auf die behauptete „Gesamtlösung“ an einem so schweren Fehler leidet, dass sich das Oberlandesgericht nach § 109 Abs. 3 Satz 2 StBerG von den im Strafurteil getroffenen Feststellungen hätte lösen müssen.
aa) Zutreffend rügt die Revision allerdings, dass die Einbeziehung des „verfahrensfremden“ Ermittlungsverfahrens in die Absprache nicht zulässig gewesen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies deswegen, weil bei so genannten „Gesamtlösungen“ eine wirksame Kontrolle der Verständigung – insbesondere durch die Öffentlichkeit und die Revisionsgerichte – nicht gewährleistet ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013, BVerfGE 133, 168, 214 Rn. 79). Das Strafurteil wäre auf der Basis der – freilich erst nach seiner Verkündung ergangenen – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 (BVerfGE aaO) deshalb auf eine Revision hin wohl aufzuheben gewesen. Den Weg der revisionsgerichtlichen Kontrolle ist der Beschwerdeführer aber nach eigenem Vortrag deshalb nicht gegangen, weil er es „als unfair empfunden hätte, zunächst sein Einverständnis zu erklären und sodann das auf der Grundlage der Absprache ergangene Urteil mit der Revision anzufechten“ (BU S. 19).
bb) Gegen einen schwerwiegenden Verfahrensfehler unter dem Blickwinkel der Verletzung des Transparenzgebots, der das Gebot der Rechtsstaatlichkeit insgesamt und damit auch die Bindungswirkung in Frage stellen könnte, würde sprechen, wenn der Inhalt der Verständigung in öffentlicher Hauptverhandlung in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligter erörtert worden wäre (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15, Rn. 16 f., NStZ 2015, 537). Dass dies hier geschehen ist, drängt sich nach den Gründen des angefochtenen Urteils auf (BU S. 14 ff.). Der Beschwerdeführer hat es versäumt, hierzu Näheres vorzutragen.
cc) Durch die Einbeziehung verfahrensfremder Tatvorwürfe in die Verständigung kann freilich – was das Oberlandesgericht nicht ausdrücklich erwogen hat – Einfluss auf die Aussage- und Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten genommen werden (vgl. BVerfGE aaO, 201 Rn. 60 f. und 231 Rn. 112). Infolge der Anreiz- und Verlockungssituation, in der sich der Angeklagte wegen der verfahrensfremden Tatvorwürfe befinden kann, von deren Verfolgung aus Opportunitätsgesichtspunkten gegen Verzicht auf mögliche Entschädigungsansprüche endgültig abgesehen werden soll, besteht im Grundsatz eine erhöhte Fehleranfälligkeit des abgegebenen Geständnisses (vgl. BVerfGE aaO, 208 Rn. 68). Dementsprechend muss sich das Berufsgericht nach § 109 Abs. 3 Satz 2 StBerG von den Tatsachenfeststellungen des Strafurteils lösen, wenn es andernfalls „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines aus diesen Gründen unter Umständen unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müsste.
Indessen kann die Bindungswirkung nicht schon aufgrund einer bloß theoretischen Gefahr im vorgenannten Sinne entfallen. Im Hinblick auf die Bandbreite denkbarer Tatvorwürfe kann es so liegen, dass deren Einbeziehung in die Verständigung nur zur „Abrundung“ erfolgt ist und in Bezug auf deren Zustandekommen aus Sicht aller Verfahrensbeteiligter ohne Weiteres verzichtbar gewesen wäre. Dann würde es schon an einer „Anreiz- bzw. Verlockungssituation“ fehlen, die die Gefahr eines unrichtigen Geständnisses begründen könnte. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Beschwerdeführer oblegen, zumindest den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens in einer Weise mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht eine Überprüfung unter diesem Aspekt ermöglicht wird. Hierzu ist dem Beschwerdevorbringen jedoch – entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO – nichts zu entnehmen.
Auch das angefochtene Urteil lässt keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Einstellung des Ermittlungsverfahrens Bedingung für die Zustimmung des Beschwerdeführers zur Verständigung oder auch nur von nennenswerter Bedeutung für dessen Zustimmung gewesen sein könnte. Vielmehr hat der Beschwerdeführer ausweislich der Urteilsgründe Derartiges im Erkenntnisverfahren gerade nicht geltend gemacht (BU S. 27). Gleiches gilt trotz der ausdrücklichen Erörterung dieses Gesichtspunkts durch das Berufungsgericht für das Revisionsvorbringen.
d) Soweit die Revision nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) geltend macht, dass im strafgerichtlichen Verfahren die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO erst nach der Zustimmung des Berufsangehörigen zur Verfahrensabsprache erfolgt ist, ist sie mit dieser Angriffsrichtung der Rüge präkludiert.
II.
Auch die vom Steuerberater erhobene Sachrüge zeigt keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil auf. Die sachlich-rechtlichen Beanstandungen führen – entgegen dem Antrag des Steuerberaters – nicht zu seiner Freisprechung; sie sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Auf Folgendes ist hinzuweisen:
1. Das Oberlandesgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Steuerberater unter Zugrundelegung des durch das Landgericht Paderborn festgestellten Sachverhalts eine versuchte Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, §§ 22, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt StGB) begangen hat.
a) Die vom Beschwerdeführer für die Anleger gefertigten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen enthielten unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen, die zu einem Taterfolg im Sinne von § 370 Abs. 4 Satz 1 AO hätten führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 1 StR 322/08, wistra 2009, 114). Entgegen der Auffassung der Revision setzt der Tatbestand der Steuerhinterziehung keine gelungene Täuschung mit hervorgerufenem Irrtum beim zuständigen Finanzbeamten voraus. Nach ständiger Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesfinanzhof genügt es, dass unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für den Taterfolg ursächlich werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2007 – 5 StR 127/07, BGHSt 51, 356, 361; Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 391/12, wistra 2013, 107; jeweils mwN; BFH, Urteil vom 25. Oktober 2005 – VII R 10/04, BStBl. II 2006, 356, 357).
b) Die Voraussetzungen einer Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG lagen nicht vor.
aa) Zwar musste – worauf die Revision zutreffend hinweist – zur steuerlichen Geltendmachung einer Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG in der vor der Unternehmensteuerreform 2008 mit Gesetz vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) geltenden Fassung eine Investitionsabsicht des Steuerpflichtigen für zeitlich davor liegende Sachverhalte nicht dargetan und nachgewiesen werden (vgl. BFHE 197, 448; 218, 323; BFH/NV 2011, 33 und BFHE 237, 377). Der Gesetzgeber hatte das Risiko eines möglichen Mitnahmeeffekts gesehen und für diesen Fall den Gewinnzuschlag angeordnet (BT-Drucks. 12/4487, S. 34, 69; vgl. dazu BFHE 197, 448).
Allerdings war eine Prognose erforderlich, ob der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut „voraussichtlich“ anschaffen oder herstellen wird. War danach anzunehmen, dass der Steuerpflichtige die Investition innerhalb des Begünstigungszeitraums nicht mehr durchführen werde, war die Bildung einer Rücklage nach § 7g EStG aF ausgeschlossen (vgl. BFHDStR 2015, 2368 Rn. 57). Außerdem musste die geplante Investition nach Art, Umfang und Investitionszeitpunkt ausreichend konkretisiert sein (vgl. BFH/NV 2011, 33 Rn. 19 mwN), um das in § 7g Abs. 3 EStG aF statuierte Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen“ Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsgutes mit Blick auf die Höhe der Ansparrücklage darzustellen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof – und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Ansparrücklage für einen noch zu eröffnenden Betrieb oder im Fall einer beabsichtigten wesentlichen Betriebserweiterung für einen bestehenden Betrieb handelt – für eine steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit verlangt, dass der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter verbindlich bestellt hat (vgl. BFHE 218, 323).
bb) Über eine erfolgte Bestellung hat der Steuerberater in den von ihm gefertigten Steuererklärungen zwar keine unrichtigen Angaben gemacht. Er hat aber unrichtige Angaben dadurch veranlasst, dass er durch die über die Anleger bewirkte Geltendmachung der Ansparrücklage gegenüber den Finanzbehörden konkludent hat behaupten lassen, dass ein ernstgemeintes Investitionsvorhaben vorliege, dessen Finanzierungsbedarf die Förderung des Steuerpflichtigen rechtfertige. Durch das Erfordernis eines ernstgemeinten Investitionsvorhabens (vgl. BFHE 218, 323 Rn. 14) wird – entgegen der Revision – nicht etwa ein „voluntatives Element“ in den Tatbestand eingefügt, sondern fallbezogen anhand objektiver Gegebenheiten gewürdigt, ob die Investition tatsächlich „geplant“ ist, um die andernfalls mögliche Inanspruchnahme der Ansparabschreibung „ins Blaue hinein“ auszuschließen (vgl. BFH aaO; BFH/NV 2011, 29). Um eine solche ins Blaue hinein beanspruchte Ansparrücklage zum Zwecke der Steuerminderung „nach Gutdünken“ (vgl. BFH/NV 2015, 984 Rn. 26) handelte es sich nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts Paderborn. Denn nach dem von dem Steuerberater konzipierten Steuersparmodell sollte eine Anschaffung der in den Investitionslisten angeführten Wirtschaftsgüter zu keinem Zeitpunkt erfolgen.
2. Das Strafurteil des Landgerichts Paderborn, dessen Urteilsfeststellungen das Oberlandesgericht seiner Berufungsentscheidung im berufsgerichtlichen Verfahren zugrunde gelegt hat, enthält auch ausreichende Sachverhaltsfeststellungen zur mittelbaren Täterschaft des Steuerberaters. Entgegen dem Revisionsvortrag ist das berufsgerichtliche Urteil insbesondere nicht deshalb lückenhaft, weil die Steuererklärungen der Anleger im Einzelnen nicht inhaltlich wiedergegeben sind. Denn das deliktische Verhalten des Berufsangehörigen und die daraus resultierende Verletzung seiner Berufspflichten (zum Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung vgl. etwa BGH, Urteil vom 14. August 2012 – WpSt (R) 1/12, BGHSt 57, 289, 294 f.) werden hinreichend durch die von ihm als mittelbarer Täter im Rahmen eines Organisationsdelikts mittels der durch die Anleger bewirkten unrichtigen Angaben gegenüber den Finanzbehörden dargelegt.
Jäger König Bellay
Grunewald Warttinger