Entscheidungsdatum: 29.08.2016
Die Entscheidung eines Oberlandesgerichts, mit der die Nebenbeteiligung eines Verfallsinteressierten abgelehnt wird, ist nicht gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO anfechtbar.
Der Verfallsinteressierte hat die Kosten der von ihm eingelegten und rechtswirksam zurückgenommenen sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Mai 2016 zu tragen.
1. Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat in dem Strafverfahren gegen B. unter dem 5. April 2016 Anklage vor dem Oberlandesgericht Celle erhoben. Sie wirft dem Angeklagten vor, sich als Mitglied einer Vereinigung im Ausland betätigt zu haben, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Gebietsleiter der "Partiya Karkerên Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans", im Folgenden: PKK) tätig gewesen zu sein und in dieser Funktion unter anderem Spendensammlungen für die PKK organisiert zu haben.
Im Rahmen des gegen B. durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde in der Wohnung des Beschwerdeführers Bargeld in Höhe von 13.300 € sichergestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist davon ausgegangen, dass es sich dabei um Geld handelt, das im Auftrag des Angeklagten für die PKK gesammelt wurde und dem (erweiterten) Verfall unterliegt (§§ 73, 73a, 73d StGB). Sie hat beantragt, insoweit die Nebenbeteiligung des Beschwerdeführers anzuordnen. Dies hat das Oberlandesgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 25. Mai 2016 mit der Begründung abgelehnt, dass sich der Verfallsinteressierte nur hinsichtlich eines Teilbetrages des bei ihm sichergestellten Geldes einer Eigentümerstellung berühmt habe und sein insoweit behauptetes Eigentum nicht glaubhaft erscheine.
Dagegen hat der Verfallsinteressierte unter dem 6. Juni 2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 11. August 2016 hat das Oberlandesgericht die Verfolgung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat gemäß den §§ 442, 430 Abs. 1 StPO auf die anderen Rechtsfolgen beschränkt, sodass eine Verfallsanordnung nicht mehr in Betracht kommt. Daraufhin hat der Verfallsinteressierte seine sofortige Beschwerde zurückgenommen. Er begehrt nunmehr, die Kosten seines Rechtsmittels und die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen abweichend von § 473 Abs. 1 StPO aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen.
2. Nach § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO fallen die Kosten der sofortigen Beschwerde dem Beschwerdeführer zur Last. Es kommt zwar in Ausnahmefällen in Betracht, die Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen abweichend von § 473 Abs. 1 SPO mit Rücksicht auf das Gebot der sachlichen Gerechtigkeit, dem auch bei der Anwendung und Auslegung der Kostenbestimmungen ausschlaggebende Bedeutung zukommt, und den im Kostenrecht, insbesondere in Fällen eingetretener Erledigung, heranzuziehenden Gesichtspunkt der Billigkeit der Staatskasse aufzuerlegen (BGH, Beschluss vom 7. November 2002 - StB 16/02, NStZ 2003, 273, 274; vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 25. Mai 1993 - 2 Ws 186/93, OLGSt StGB § 67 Nr. 11; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 16. April 1975 - Ws 91/75, VRS 49, 436, 437; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 473 Rn. 4; KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 473 Rn. 2; SSW-StPO/Steinberger-Fraunhofer, 2. Aufl., § 473 Rn. 4; KMR/Stöckel, 66. EL., § 473 Rn. 16). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Insbesondere ist der sofortigen Beschwerde nicht erst durch die Verfolgungsbeschränkung gemäß den §§ 442, 430 Abs. 1 StPO die Grundlage entzogen worden. Sie war vielmehr nicht statthaft und deshalb von vornherein unzulässig.
Ein Beschluss, mit dem die Nebenbeteiligung eines Verfallsinteressierten abgelehnt wird, ist gemäß § 442 Abs. 1, § 431 Abs. 5 Satz 2 StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, und zwar auch von dem Verfallsinteressierten (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 431 Rn. 26). Das gilt nach § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO indes nicht, wenn es sich um die Entscheidung eines Oberlandesgerichts handelt. Einer der in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO normierten Ausnahmefälle liegt hier nicht vor. Insbesondere greift die Ausnahmeregelung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO, welche die sofortige Beschwerde gegen im ersten Rechtszug ergehende Beschlüsse des Oberlandesgerichts eröffnet, die den Verfall nach den §§ 440, 441 Abs. 2 und § 442 StPO betreffen, nicht ein.
Entscheidungen, die den Verfall nach den §§ 440, 441 Abs. 2 und § 442 StPO betreffen, sind solche, die im selbständigen Verfallsverfahren ergehen (vgl. LR/Matt, StPO, 26. Aufl., § 304 Rn. 83). Das selbständige (objektive) Verfallsverfahren kommt in Betracht, wenn ein subjektives Strafverfahren ausscheidet, weil aus tatsächlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann (§ 76a StGB). So verhält es sich hier nicht. Die angefochtene Entscheidung ist nicht in einem selbständigen Verfallsverfahren ergangen, sondern in dem gegen B. anhängigen Strafverfahren.
Überdies eröffnet § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO die Beschwerde nur gegen diejenigen Entscheidungen, welche die Anordnung des Verfalls als solche betreffen. Über die Anordnung des Verfalls entscheidet das Gericht im selbständigen Verfallsverfahren grundsätzlich durch Beschluss, gegen den die sofortige Beschwerde zulässig ist (§ 441 Abs. 2 StPO). § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO stellt sicher, dass dem Betroffenen dieses Rechtsmittel auch dann zur Verfügung steht, wenn die Entscheidung in erster Instanz vom Oberlandesgericht getroffen wurde (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 441 Rn. 21). Dadurch trägt die Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass die im selbständigen Verfallsverfahren durch Beschluss getroffene Entscheidung über die Verfallsanordnung nicht mit der Revision anfechtbar ist, wie es indes der Fall ist, wenn die Entscheidung im subjektiven Strafverfahren oder im selbständigen Verfallsverfahren ausnahmsweise durch Urteil (§ 441 Abs. 3 Satz 1 StPO) ergeht (LR/Gössel, aaO, Rn. 23). § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO ergänzt mithin nur die im Übrigen gegen eine Verfallsanordnung durch das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug gegebenen Anfechtungsmöglichkeiten.
Gegen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts, durch welche die Nebenbeteiligung eines Verfallsinteressierten gemäß den §§ 442, 431 Abs. 1 Satz 1 StPO abgelehnt wird, eröffnet § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO die Beschwerde zum Bundesgerichtshof dagegen nicht. Denn die Vorschrift bezieht sich nur auf Entscheidungen, die nach § 441 Abs. 2 StPO anfechtbar sind, nicht hingegen auf gemäß § 431 Abs. 5 StPO angreifbare. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 442 in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO ausdrücklich genannt ist und § 442 Abs. 2 StPO die Nebenbeteiligung für den Fall regelt, dass sich der Verfall nach § 73 Abs. 3, § 73a StGB gegen einen Dritten richtet. § 442 Abs. 2 StPO ergänzt insoweit nur § 431 Abs. 1 StPO (Schmitt, aaO, § 431 Rn. 4, § 442 Rn. 2). Über die Nebenbeteiligung wird indes stets nach § 442 Abs. 1, § 431 Abs. 1 Satz 1 StPO entschieden (Schmitt, aaO, § 431 Rn. 4), sodass sich die Anfechtbarkeit der Entscheidung in jedem Fall nach § 431 Abs. 5 StPO richtet.
Eine erweiternde Auslegung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 5 StPO dahin, dass die Vorschrift auch Entscheidungen des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug erfasst, durch welche die Nebenbeteiligung eines Verfallsinteressierten abgelehnt wird, kommt nicht in Betracht. Die Ausnahmevorschrift des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO ist vielmehr nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng auszulegen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 1973 - StB 76/72, BGHSt 25, 120, 121; vom 5. Januar 1977 - 3 StR 433/76, BGHSt 27, 96, 97; vom 19. März 1986 - StB 2 und 3/86, BGHSt 34, 34, 35; vom 20. März 1991 - StB 3/91, BGHSt 37, 347, 348; zuletzt vom 12. Mai 2016 - StB 9 und 10/16, juris Rn. 4).
Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung, der sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt. § 304 Abs. 4 StPO ist mit dem Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. September 1969 (BGBl. I, S. 1582) eingeführt worden. Der Vorschrift liegt die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Einführung eines zweiten Rechtszugs in Staatsschutz-Strafsachen unvollständig wäre, wenn nicht gegen "gewichtige" Entscheidungen der nach § 120 GVG zuständigen Oberlandesgerichte die Beschwerde zum Bundesgerichtshof gegeben wäre (BT-Drucks. V/4086, S. 11). Um eine "zu starke Belastung des Bundesgerichtshofs" zu vermeiden, hat der Gesetzgeber indes aus den Entscheidungen, die nach den allgemeinen Vorschriften beschwerdefähig sind, eine Auswahl getroffen und deshalb die Beschwerde nur gegen diejenigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte eröffnet, "die besonders nachhaltig in die Rechtssphäre der Betroffenen eingreifen, die den Abschluss des Verfahrens herbeiführen würden oder die sonst von besonderem Gewicht sind" (BT-Drucks. V/4086, S. 11; BT-Drucks. V/4269, S. 6).
Das ist bei einer Entscheidung, durch welche die Nebenbeteiligung eines Verfallsinteressierten abgelehnt wird, nicht der Fall. Sie greift - im Gegensatz zur Anordnung des Verfalls, die ein Veräußerungsverbot und letztlich den Rechtsverlust zur Folge hat (§ 73e StGB) - nicht besonders nachhaltig in die Rechtssphäre des Betroffenen ein. Sie hat auch keinen verfahrensabschließenden Charakter und ist auch sonst nicht von besonderem Gewicht. Dem Verfallsinteressierten, dessen Nebenbeteiligung abgelehnt wird, bleibt es im Gegenteil unbenommen, seine Rechte im Nachverfahren (§§ 442, 439 StPO) geltend zu machen.
Schäfer Gericke Tiemann