Entscheidungsdatum: 15.11.2010
1. Die Pflicht der Landesjustizverwaltung, Notare nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen, besteht allein der Allgemeinheit gegenüber; der einzelne Bewerber kann daraus keine subjektiven Rechte ableiten .
2. Die Zuweisung einer Notarstelle ohne ihre vorherige Ausschreibung kommt nicht in Betracht. Ein unmittelbarer Anspruch auf Bestellung zum Notar besteht nicht .
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle vom 15. März 2010 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen sowie dem Antragsgegner die in diesem Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 €
festgesetzt.
I.
Der Antragsteller bewarb sich mit 48 weiteren Rechtsanwälten auf acht durch die Landesjustizverwaltung (Nds. Rpfl. 2008 S. 210) ausgeschriebene Stellen für Anwaltsnotare im Amtsgerichtsbezirk Hannover. Der Antragsgegner unterrichtete den Antragsteller mit Bescheid vom 10. August 2009, zugestellt am 13. August 2009, dass er beabsichtige, die Stellen mit Mitbewerbern zu besetzen, die höhere Punktzahlen (190,20 bis 147,95) als der Antragsteller erreicht hätten. Dieser nehme innerhalb des Bewerberfeldes mit 120,05 Punkten lediglich die 23. Rangstelle ein. Die Bewerber auf den acht ersten Rangstellen wurden am 22. September 2009 durch Aushändigung der Urkunden zu Notaren bestellt.
Der Antragsteller hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit den Anträgen gestellt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihn mit Rechtskraft der Entscheidung zum Notar zu bestellen, sowie - hilfsweise als Fortsetzungsfeststellung - festzustellen, dass der Bescheid vom 10. August 2009 rechtswidrig sei, und das Verfahren vorab dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EGV vorzulegen. Hilfsweise hat er beantragt, den Verpflichtungsklageanteil an das Verwaltungsgericht zu verweisen, festzustellen, dass die "Erhöhung der Messzahlen von 400 auf 450 Bedürfnisnotariate" ermessensfehlerhaft sei sowie das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-54/08 (Vertragsverletzungsverfahren) auszusetzen. Das Oberlandesgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO a.F. i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO a.F. statthaft und auch im Weiteren zulässig. Nach § 118 Abs. 2 BNotO in der Fassung des zum 1. September 2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449 ff.) bestimmt sich die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen, die vor dem 1. September 2009 ergangen sind, wie hier der angegriffene Bescheid des Antragsgegners, ebenso wie das weitere Verfahren nach dem bis zu diesem Tage geltenden Recht.
III.
Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache unbegründet. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts erweist sich in jeder Hinsicht als richtig. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bestellung zum Notar. Die im Jahre 2008 für den Amtsgerichtsbezirk Hannover ausgeschriebenen acht Stellen sind durch den Antragsgegner mit anderen - leistungsstärkeren - Bewerbern besetzt worden; das Auswahlverfahren hat dadurch seine Erledigung gefunden. Eine Ernennung des Antragstellers zum Notar ohne vorherige Ausschreibung, wie sie in § 6 Abs. 2, § 6b BNotO vorgesehen ist, scheidet aus; europarechtliche Vorgaben werden dadurch nicht verletzt.
1. Das Oberlandesgericht hat zu Recht seine Zuständigkeit nach § 111 BNotO bejaht. Diese erstreckt sich auf alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Bereich des Notarrechts, bei denen es um die Vornahme oder Aufhebung von Amtshandlungen nach der Bundesnotarordnung geht (Senat in BGHZ 115, 275, 277; Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2009 - NotZ 19/08 - BGHZ 183, 35 Tz. 12; vom 24. Juli 2006 - NotZ 10/06 - DNotZ 2007, 69, 70). Eine Verweisung der Sache, wie vom Antragsteller für seinen Verpflichtungsantrag hilfsweise begehrt, an die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit kam daher nicht in Betracht.
2. Die Bundesnotarordnung gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf Bestellung zum Notar. Sie legt nur die Voraussetzungen fest, unter denen ein Bewerber zum Notar bestellt werden kann. Daraus folgt nicht, dass ein Bewerber, der diese Voraussetzungen erfüllt, zwingend zum Notar bestellt werden muss. Vielmehr entscheidet die Landesjustizverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anzahl und Amtssitze der Notare und damit über die Anzahl der im jeweiligen Amtsgerichtsbezirk neu zu besetzenden Stellen (vgl. Senat in BGHZ 124, 327, 329; Senatsbeschluss vom 30. Juli 1990 - NotZ 24/89 - DNotZ 1991, 91 f.). Dazu regelt § 4 BNotO, dass so viele Notare zu bestellen sind, wie es den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege entspricht. Diese Vorschrift ist indes keine Schutznorm zugunsten potentieller Bewerber um eine Notarstelle. Der Notar übt als Träger eines öffentlichen Amtes einen staatlich gebundenen, nach seinem Wesen und nach der Art der Aufgaben dem öffentlichen Dienst angenäherten Beruf aus. Dies hat zur Folge, dass die Bestimmung der Zahl der Amtsinhaber und der Zuschnitt der Notariate der Organisationsgewalt des Staates vorbehalten bleibt. Zwar muss sich das in § 4 Satz 1 BNotO eingeräumte Ermessen an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege ausrichten. Diese sachliche Ermessensbegrenzung dient aber, wie die Einrichtung und Bewertung der Dienstposten der Beamten, nicht dazu, die Berufsaussichten am Notarberuf Interessierter zu vergrößern. Die Organisation staatlicher Aufgaben geschieht grundsätzlich ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit. Die in § 4 BNotO statuierte Pflicht, Notare nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen, besteht somit auch nur der Allgemeinheit gegenüber; der einzelne Bewerber kann sich auf sie nicht berufen. Mit der Pflicht der Landesjustizverwaltung, im Interesse der ordnungsgemäßen Erfüllung der den Notaren zugewiesenen staatlichen Aufgaben die Zahl der besetzbaren Notarstellen festzulegen, korrespondiert kein Grundrecht des Notarbewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Antragsteller kann daher hieraus weder für die materiellen Kriterien noch für das Verfahren der Bedürfnisprüfung Rechte herleiten (BVerfGE 73, 280, 292; Senatsbeschluss vom 18. September 1995 - NotZ 46/94 - DNotZ 1996, 902, 903 f.). Schon deshalb - mangels eines subjektiven Rechts - kann die vom Antragsteller begehrte Verpflichtung des Antragsgegners, ihn zum Notar zu bestellen, nicht ausgesprochen werden; eine solche Verpflichtung griffe zudem in unzulässiger Weise in die Organisationsgewalt der Landesjustizverwaltung ein.
3. Aus dem gleichen Grunde kann der Bewerber um eine Notarstelle, wie hier der Antragsteller, mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung keine allgemeine Überprüfung der von der Landesjustizverwaltung ermittelten Anzahl der neu zu besetzenden Notarstellen erreichen. Zwischen ihm und der Landesjustizverwaltung gibt es keine Rechtsbeziehung, die es geböte, auf seine Belange bei der Einrichtung von Stellen Rücksicht zu nehmen (Senatsbeschluss vom 31. März 2003 - NotZ 39/02 - ZNotP 2003, 355 f.). Daher kann dahinstehen, ob es angezeigt war, die Allgemeine Verfügung über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare (AVNot) im Jahre 2005 (Nds. Rpfl. 2005 S. 52) im 1. Abschnitt unter § 1 dahin zu ändern, dass ein Bedürfnis für die Schaffung einer weiteren Notarstelle in der Regel erst dann gegeben ist, wenn in dem Bezirk des Amtsgerichts, in dem der in Aussicht genommene Amtssitz liegt, in den vorangegangenen drei Kalenderjahren jährlich durchschnittlich mindestens 450 Urkundsgeschäfte je Notarstelle - statt bis dahin 400 Urkundsgeschäfte je Notarstelle - angefallen sind. Selbst wenn dies zu verneinen wäre, könnten sich subjektive Rechte des Antragstellers daraus nicht ergeben.
4. Schon gar nicht wäre der Antragsgegner berechtigt gewesen, den Antragsteller zum Notar zu ernennen, ohne die von diesem angestrebte Stelle zuvor auszuschreiben. Die acht Stellen für Notare mit Amtssitz in Hannover, auf die sich der Antragsteller im Jahre 2008 beworben hat, sind mit anderen Bewerbern besetzt. Deren Ernennung zum Notar kann wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität und des in § 50 BNotO enthaltenen abschließenden Kataloges für eine Amtsenthebung nicht rückgängig gemacht werden; für eine Ausnahme von diesem Grundsatz (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09) besteht kein Anhalt. Die Rechtsposition, welche die Mitbewerber durch ihre Ernennung erlangt haben, kann von einem unberücksichtigt gebliebenen Bewerber daher nicht mehr angefochten werden (BGHZ 165, 139, 142; 160, 190, 192 ff. m.w.N.). Vor Zuweisung einer anderen - weiteren - Stelle wären nach § 6b BNotO die Bewerber zuvor durch Ausschreibung zu ermitteln. Allein dies entspricht den verfassungsrechtlichen Erfordernissen, insbesondere dem Gebot der Bestenauslese. Jedes andere Verfahren könnte die Grundrechte weiterer, möglicherweise leistungsstärkerer Bewerber aus Artt. 12 Abs. 1, 33 Abs. 2 GG verletzen (BVerfGE 73, 280, 296; BVerfG DNotZ 2006, 790, 792; BGHZ 165 aaO 143). Auch aus diesen Gründen scheitert der Verpflichtungsantrag des Antragstellers.
5. Sein Antrag auf Feststellung, der Bescheid vom 10. August 2009 sei rechtswidrig, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Für das abgeschlossene Auswahlverfahren kommt dem angegriffenen Bescheid keine Bedeutung mehr zu, da die Stellen aufgrund der Ernennung punktestärkerer Bewerber besetzt sind. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag kann nur ausnahmsweise gestellt werden, wenn er dazu dient, eine Rechtsfrage zu klären, die sich für die das Auswahlverfahren durchführende Behörde bei künftigen Bewerbungen des Antragstellers ebenso ergeben wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 2009 - NotZ 2/09 - ZNotP 2010, 72 Tz. 7; vom 9. Januar 1995 - NotZ 33/93 - NJW-RR 1995, 826, 827). Ob die angefochtene Entscheidung eine solche Wirkung für künftige Auswahlverfahren entfaltet, hat das Oberlandesgericht zu Recht in Zweifel gezogen. Die Prüfung des Feststellungsinteresses ist indes entbehrlich, wenn feststeht, dass der Feststellungsantrag aus sachlichen Gründen keinen Erfolg haben könnte (BGH, Dienstgericht des Bundes, Urteil vom 3. Dezember 2009 - RiZ(R) 7/08 - NJW 2010, 1886, 1887 Tz. 15). Das ist hier der Fall.
a) Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners ist nicht zu beanstanden. Der Antragsteller kann nicht geltend machen, dass die Note des ersten Staatsexamens in die Beurteilung hätte einbezogen werden müssen. Schon angesichts seines erheblichen Punkteabstands zu dem die achte Rangstelle einnehmenden Bewerber (147,95 Punkte) ist dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungserheblich. Der Antragsteller, der 120,05 Punkte erzielt hat, legt nicht dar, dass ein Punkteabstand von 27,9 mit der Note des ersten Staatsexamens, die ebenso bei den Mitbewerbern hätte Berücksichtigung finden müssen, zu überbrücken gewesen wäre. Davon abgesehen führt § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO als Auswahlkriterium lediglich das Ergebnis der die juristische Ausbildung abschließenden Staatsprüfung - mithin das zweite Staatsexamen - auf; diese Regelung ist vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt worden (vgl. BVerfG NJW 2005, 50).
b) Für die Fachanwaltslehrgänge - als theoretische Fortbildungsveranstaltungen - in den Bereichen Steuerrecht, Erbrecht und Familienrecht können schon deshalb keine zusätzlichen Punkte vergeben werden, weil der Antragsteller bereits - von ihm der Höhe nach insoweit nicht beanstandete - neun Sonderpunkte für die Qualifikation als Fachanwalt auf den genannten "notarnahen" Rechtsgebieten erhalten hat; in der nochmaligen Berücksichtigung läge eine unzulässige, ihn gegenüber seinen Mitbewerbern bevorzugende Doppelbewertung (vgl. Senatsbeschluss vom 14. April 2008 - NotZ 100/07 - BRAK-Mitt. 2008, 181, 182 f. Tz. 18).
6. Der Antragsteller kann schließlich einen unmittelbaren Anspruch auf Bestellung zum Notar nicht aus europarechtlichen Vorgaben ableiten. Auch stellen sich keine Rechtsfragen mit europarechtlichem Bezug, die eine Vorlage des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften oder eine Aussetzung des Verfahrens vor dem Senat erforderlich machten.
Die Rechtssache C-54/08, der eine von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereichte Klage im Vertragsverletzungsverfahren zugrunde liegt, erweist sich als nicht entscheidungserheblich; daher war das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht auszusetzen.
Die Kommission begehrt in der Rechtssache C-54/08 die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen Artt. 43 und 45 EGV verstoßen hat, indem sie in § 5 BNotO die deutsche Staatsbürgerschaft zur Voraussetzung für den Zugang zum Beruf des Notars macht. Einen solchen Verstoß unterstellt, hätte dieser jedoch nur zur Folge, dass nicht allein deutsche Staatsangehörige zum Notar bestellt werden dürfen. An den weiteren Voraussetzungen für das Notaramt, wie sie in § 6 BNotO festgelegt sind, vermag dies nichts zu ändern. Danach sind nur solche Bewerber zu Notaren zu bestellen, die nach ihrer Persönlichkeit und ihren Leistungen für das Amt des Notars geeignet sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO), wobei sich die fachliche Eignung nach den Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO bestimmt. Diese Kriterien wären auch von ausländischen Bewerbern in direkter oder entsprechender, der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vom 7. September 2005 (Amtsblatt Nr. L 255 vom 30. September 2005 S. 22 ff.) angepasster Anwendung der genannten Vorschrift zu erfüllen. Die vom Antragsteller geltend gemachte Inländerdiskriminierung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - I ZR 102/05 - GRUR 2008, 534, 538 Tz. 44) stünde daher nicht zu befürchten. Auch ein ausländischer Bewerber hätte sich einem entsprechenden Auswahlverfahren zu stellen; der inländische Bewerber wäre über die Artt. 12 Abs. 1, 33 Abs. 2 GG davor geschützt, dass ausländische Bewerber unter Verstoß gegen das Prinzip der Bestenauslese zu Notaren bestellt werden, obwohl sie persönlich und fachlich weniger geeignet sind als etwa der Antragsteller. Eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, wie von der Kommission für § 5 BNotO angestrebt, zöge auch keinen Eingriff in die Organisationsgewalt der Landesjustizverwaltung nach sich. Ein ausländischer Bewerber könnte keinen unmittelbaren Anspruch auf Ernennung geltend machen, sondern wäre wie jeder inländische Bewerber auf die Ausweisung und Ausschreibung entsprechender Stellen durch die Landesjustizverwaltung angewiesen, für deren Besetzung er sich zuvor einem Bewerbungsverfahren zu stellen hätte.
Galke Kessal-Wulf v. Pentz
Bauer Ebner