Entscheidungsdatum: 24.11.2014
Die Landesjustizverwaltung kann die Bestellung eines Notarvertreters lediglich für einen Tag davon abhängig machen, dass der Notar die Gründe für die Notwendigkeit dieser Art der Vertreterbestellung darlegt.
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2014 zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
I.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar mit Amtssitz in Frankfurt am Main.
In den Jahren 2006 bis 2011 hatte der Beklagte, der die Dienstaufsicht über die Notare im Landgerichtsbezirk Frankfurt am Main ausübt, jeweils auf Antrag des Klägers hin, den in der Anwaltssozietät des Klägers tätigen Rechtsanwalt D. mehrfach für einen Tag zu dessen Vertreter gemäß § 39 Abs. 2 Satz 2 BNotO bestellt.
Aufgrund eines in Wiesbaden aufgetretenen Falls des Missbrauchs von tageweisen Vertretungen eines Notars änderte der Beklagte ab Mitte Dezember 2011 seine bis dahin geübte Verwaltungspraxis. Für einen Tag der Abwesenheit oder Verhinderung eines Notars wird seitdem ein Vertreter grundsätzlich nicht bestellt, soweit ein entsprechender Antrag nicht gesondert begründet wird.
Der Kläger hatte mit einem am 20. März 2013 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben beantragt, Rechtsanwalt D. als Notarvertreter für den 22. März 2013 zu bestellen. Als Abwesenheitsgrund gab der Kläger zunächst Urlaub an. Die Vertretung sei notwendig, weil eine Urkundspartei kurzfristig um einen Termin zur Protokollierung einer Grundschuld gebeten habe. Der Beklagte wies noch am selben Tage auf die geschilderte neue Verwaltungspraxis hin und gab dem Kläger zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme. Am Folgetag führte der Kläger schriftlich aus, er habe versucht, keine Beurkundungen auf den 22. März 2013 zu legen. Es bestehe jedoch ein dringendes Bedürfnis eines Urkundsbeteiligten, das sich erst am Vortage ergeben habe. Als Grund für seine eigene Abwesenheit führte er nunmehr eine auswärtige Tagungsteilnahme an.
Der Beklagte wies den Antrag auf Bestellung von Rechtsanwalt D. als Notarvertreter für den 22. März 2013 mit Bescheid vom vorherigen Tag ab.
Mit der am 25. April 2013 erhobenen Klage begehrt der Kläger festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid des Beklagten rechtswidrig gewesen ist.
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.
Der Kläger beantragt, gegen dieses Urteil die Berufung zuzulassen.
II.
Der Antrag ist unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Berufung besteht nicht.
1. Der von dem Kläger allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils - ist gegeben, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (BVerfGE 110, 77, 83 Rn. 52; BVerfGE 125, 104, 140 Rn. 96; BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10, juris Rn. 17; Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11, juris Rn. 36). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund aber dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht auch die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03, NVwZ-RR 2004, 542 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11, juris Rn. 40).
2. An diesen Grundsätzen gemessen, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
a) Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Beklagten, Rechtsanwalt D. für den 22. März 2013 nicht als Notarvertreter des Klägers zu bestellen, auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüft und damit den rechtlich zutreffenden Prüfungsmaßstab gewählt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entscheidet die Aufsichtsbehörde über den Antrag eines Notars, ihm für die Zeit seiner Abwesenheit oder Verhinderung einen Vertreter zu bestellen, nach pflichtgemäßem Ermessen; einen Anspruch auf die Bestellung eines Vertreters hat der Notar nicht. Die Aufsichtsbehörde hat - außer einem Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters - ein Entschließungsermessen, ob wegen der Verhinderung eines Notars überhaupt und in welchem Umfang eine Vertretung geboten ist (Senat, Beschlüsse vom 31. März 2003 - NotZ 31/02, NJW 2003, 2905; vom 18. November 2009 - NotZ 2/09, ZNotP 2010, 72 ff. jeweils mwN). Richtschnur für die Ausübung des Ermessens der Aufsichtsbehörde sind dabei die Erfordernisse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege. In diesem Rahmen muss der Grundsatz gewahrt bleiben, dass der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes dieses Amt, jedenfalls in dessen Kernbereich, der Beurkundungstätigkeit, persönlich ausübt (Senat, Beschluss vom 31. März 2003 - NotZ 31/02, NJW 2003, 2905). Aus dem Gebot der Wahrung einer geordneten Rechtspflege folgt nicht, dass die zuständige Justizverwaltung dafür zu sorgen hätte, dass die Rechtsuchenden alle Dienste eines bestimmten Notars jederzeit in Anspruch nehmen können. Bei ihrer Entscheidung kann die Aufsichtsbehörde davon ausgehen, dass es einer geordneten Rechtspflege regelmäßig nicht zuwiderläuft, wenn ein Notariat bei zeitweiliger Verhinderung des Notars den Rechtsuchenden nicht uneingeschränkt zu Gebote steht, solange ihren Belangen in angemessener Weise und Zeit Rechnung getragen wird (Senat aaO mwN).
b) Das Oberlandesgericht hat den Ablehnungsbescheid des Beklagten unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte dahin gehend überprüft, ob der Beklagte von seinem (Entschließungs-)Ermessen in einer dem Zweck des § 39 BNotO entsprechenden Weise unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens Gebrauch gemacht hat.
aa) Es hat eine Reduzierung des Ermessens des Beklagten auf Null zutreffend verneint.
Eine solche Ermessensreduzierung ergibt sich nicht aus der bis Ende 2011 geübten Verwaltungspraxis, Eintagesvertretungen ohne nähere Begründung zu gewähren. Eine Behörde ist durch Art. 3 GG nicht gehindert, ihre Selbstbindung für die Zukunft aufzuheben (vgl. BVerwGE 126, 33, 51; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 40 Rn. 124 mwN). Die Beklage hat ihre bisherige Praxis aufgrund eines Missbrauchs der Möglichkeit der tageweisen Vertreterbestellung durch einen Anwaltsnotar in Hessen geändert. Das ist ein sachlicher Grund, der unter Berücksichtigung von Art. 3 GG die Änderung der Grundsätze über die tageweise Bestellung von Notarvertretern rechtfertigt. Ob die Sicherung der mit § 39 BNotO verfolgten Zwecke auch auf andere Weise erreicht werden könnte, ist für die Frage der Aufgabe der Selbstbindung rechtlich ohne Bedeutung.
Wie unstreitig ist, lässt auch die seit Ende 2011 geübte Bestellungspraxis des Beklagten im begründeten Fall weiterhin die Bestellung eines Notarvertreters lediglich für einen Tag zu. Dass der Beklagte eine solche Bestellung an die Darlegung der Gründe für die Notwendigkeit dieser Art der Vertretung knüpft, ist angesichts des ihm bekannt gewordenen Missbrauchs nicht zu beanstanden und greift ersichtlich nicht in die Autonomie des Notars bei der Organisation seiner Amtstätigkeit ein.
Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich auch nicht im Hinblick auf einen möglichen Vertrauensschutz. Ungeachtet der Frage, ob angesichts der Möglichkeit jederzeitiger Änderbarkeit aus einer Selbstbindung überhaupt Vertrauensschutz folgen kann (vgl. BVerwGE 126, 33, 47 ff.), fehlt es vorliegend jedenfalls an einem Vertrauenstatbestand. Der Beklagte hat vor dem hier verfahrensgegenständlichen Bescheid den Kläger auf zwei seiner Anträge hin auf die neue Verwaltungspraxis hingewiesen. Der Kläger konnte sich damit auf die geänderte Verwaltungspraxis einstellen.
bb) Die Überprüfung der Ermessensausübung des Beklagten durch das Oberlandesgericht lässt auch ansonsten keine Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsanwendung erkennen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lässt die mit § 39 Abs. 1 BNotO in Einklang stehende derzeitige Verwaltungspraxis der Beklagten durchaus Raum für die Bestellung eines Notarvertreters lediglich für einen Tag. Dies belegt bereits die gegenüber dem Kläger selbst geübte Praxis. Auf der Grundlage der ab Ende 2011 angewendeten Verwaltungspraxis ist auf seinen Antrag für ihn Rechtsanwalt D. als Notarvertreter für einen Tag bestellt worden, als sich die Notwendigkeit dafür aus einer kurzfristig angesetzten Vorstandssitzung der Notarkammer ergeben hatte.
Wie das Oberlandesgericht zutreffend aufgezeigt hat, steht es auch mit dem Zweck des § 39 BNotO in Einklang, dass der Beklagte nunmehr die Eintagesbestellungen von der Angabe von Gründen abhängig macht. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass die Aufsichtsbehörde bei der Ausübung ihres Entschließungsermessens im Rahmen der Beurteilung der Anforderungen einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege einerseits und der Interessen des Notars andererseits nach den Gründen für die Verhinderung oder Abwesenheit differenziert (vgl. Senat aaO NJW 2003, 2905, 2906). Um entscheiden zu können, welche Bedeutung etwa die Verhinderung eines Anwaltsnotars aufgrund anwaltlicher Tätigkeit für die Entscheidung hat (Senat aaO NJW 2003, 2905, 2906), muss ihr der konkrete Verhinderungs- oder Abwesenheitsgrund bekannt sein. Da dieser regelmäßig allein aus der Sphäre des Notars stammt, kann die Aufsichtsbehörde ihrer Amtsaufklärungspflicht nur dann nachkommen, wenn der beantragende Notar sich zu den Gründen verhält. Angesichts dessen ist es von dem Oberlandesgericht zutreffend nicht als ermessenfehlerhaft beanstandet worden, dass der Beklagte in seinem Bescheid vom 21. März 2013 die Auswechselung des Verhinderungs- bzw. Abwesenheitsgrundes seitens des Klägers berücksichtigt hat.
Das Oberlandesgericht hat bei seiner Überprüfung der Ermessensentscheidung des Beklagten auch berücksichtigt, dass dieser in seinem Bescheid vom 21. März 2013 zwar im Rahmen der Erwägungen eines Bedürfnisses für die Vertreterbestellung auf die Erlasslage im Land Hessen mit der Unzulässigkeit von Vertreterbestellungen nur für einzelne Notargeschäfte abgestellt hat. Eine Verkennung des Ermessensspielraums durch den Beklagten liegt darin aber nicht. Er hat nämlich ausweislich der weiteren Gründe des Bescheides auf das grundsätzlich fehlende Bedürfnis für eine "Eintagesvertretung" abgestellt. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte auf die Möglichkeiten der Vermeidung von Kollisionsfällen durch entsprechende Büroorganisation hingewiesen. Damit hat der Beklagte das Begehren des Klägers zutreffend erfasst und Ermessen ausgeübt, ob abweichend von seiner neuen Verwaltungspraxis bei zureichenden Gründen eine Vertreterbestellung lediglich für einen Tag in Frage kommt.
Schließlich liegt der Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auch nicht insoweit vor, als das Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit dem Beklagten zureichende konkrete Darlegungen des Klägers dazu vermisst hat, warum eine Beurkundung der Grundschuldbestellung nicht bereits am 21. März 2013 - bei Anwesenheit des Klägers und Fertigung eines längeren Schriftsatzes in dieser Angelegenheit - möglich gewesen wäre. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist es Sache des Anwaltsnotars seine anwaltliche Tätigkeit so zu organisieren, dass er das Amt des Notars ausüben kann (Senat aaO NJW 2003, 2905, 2906). Weder aus dem Grund der Abwesenheit noch aus dem Typus des zu beurkundenden Geschäfts ließ sich auf der Grundlage der allein dem Kläger bekannten Umstände für den Beklagten erkennen, ob ein Bedürfnis für eine lediglich eintägige Bestellung eines Notarvertreters bestand. Der Beklagte hat damit das ihm zustehende Ermessen auch insoweit gesehen und ausgeübt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 1 BNotO in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG.
Galke Diederichsen Radtke
Strzyz Frank