Entscheidungsdatum: 23.11.2015
Die Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO ist dahin auszulegen, dass auch ohne Verzicht auf die Zulassung zur Anwaltschaft Unterbrechungen der anwaltlichen Tätigkeit für die Dauer von bis zu zwölf Monaten wegen Schwangerschaft oder Betreuung eines Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen nicht als "Unterbrechung" der Tätigkeit im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO gelten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 20. April 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 zu tragen.
Streitwert: 50.000 €
Von Rechts wegen
Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Beklagte eine am 15. Mai 2014 für den Bezirk B. ausgeschriebene Notarstelle mit der Beigeladenen zu 1 besetzen will.
Der Kläger ist Rechtsanwalt seit dem Jahre 2003. Er hat die zweite juristische Staatsprüfung und die notarielle Fachprüfung jeweils mit der Note "befriedigend" (8,53 Punkte) abgelegt. Die Beigeladene zu 1 ist seit Juni 2006 Rechtsanwältin. Sie hat im zweiten Staatsexamen und in der notariellen Fachprüfung das Prädikat "vollbefriedigend" (9,07 und 9,18 Punkte) erreicht. Kläger und Beigeladene zu 1 bewarben sich auf die für den Bezirk B. am 15. Mai 2014 ausgeschriebene Notarstelle. Der Beklagte hat die allgemeine und die örtliche Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNotO zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist am 15. Juni 2014 sowohl für den Kläger als auch für die Beigeladene zu 1 als erfüllt angesehen. Er verneinte eine Unterbrechung der örtlichen Wartezeit wegen der Geburt einer Tochter am 3. März 2011 und deren Betreuung bis Februar 2012 für die Beigeladene zu 1, weil die "Elternzeit" die Dauer von zwölf Monaten nicht überschritten habe. Die Bewerbung des Beigeladenen zu 2 blieb wegen der noch nicht erfüllten fünfjährigen allgemeinen Erfahrungszeit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO erfolglos.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2014 hat der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die am 15. Mai 2014 für B. ausgeschriebene Notarstelle der Beigeladenen zu 1 zu übertragen. Dagegen hat der Kläger mit einem bei Gericht am 30. Dezember 2014 eingegangenen Antrag gerichtliche Entscheidung beantragt. Er verlangt, den Beklagten zu verpflichten, die Notarstelle mit ihm zu besetzen, hilfsweise die Besetzung der Notarstelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Kläger meint, der Beklagte sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1 bei Ablauf der Bewerbungsfrist am 15. Juni 2014 die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt habe. Es sei zweifelhaft, dass diese mindestens fünf Jahre in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber als Rechtsanwältin tätig gewesen sei und diese Tätigkeit mindestens drei Jahre in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich ausgeübt habe. Die Angaben der Beigeladenen zu 1 seien ergebnisorientiert und unklar, was Zweifel an der persönlichen Eignung der Beigeladenen zu 1 für das Amt des Notars begründe. Der Beklagte habe die Angaben nicht an Hand von Nachweisen überprüft. Die familiäre Situation und der Wohnsitz in S. gewährleisteten nicht die erforderliche zeitliche Präsenz der Beigeladenen zu 1 zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Amtsgeschäfte der angestrebten Notarstelle.
Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in eine Klage umgedeutet und diese abgewiesen. Es hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 111b Abs. 1, § 111d BNotO iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil in den verschiedenen Bundesländern das Erfordernis eines "Nachweises" der Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 BNotO unterschiedlich gehandhabt werde und es zu den insofern in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten - soweit ersichtlich - noch keine Rechtsprechung gebe. Höchstrichterlicher Klärung bedürfe auch die Frage, ob eine Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten gemäß oder analog § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO zwingend einen Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und/oder die förmliche Inanspruchnahme von Elternzeit erfordere.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im Sinne seines Klagebegehrens.
I.
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Besetzungsentscheidung des Beklagten sei verfahrensfehlerfrei und in der Sache nicht zu beanstanden. Zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist am 15. Juni 2014 habe die Beigeladene zu 1 die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 BNotO erfüllt. Bei einer Bewertung und Gewichtung der für die Besetzungsentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO maßgeblichen Kriterien erziele sie eine höhere Punktzahl als der Kläger und sei daher bei der Vergabe der Notarstelle vorrangig zu berücksichtigen. Der Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1 die Voraussetzung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO erfülle. Begründete Zweifel daran, dass die Beigeladene zu 1 seit dem 1. April 2008 als Gesellschafterin/Partnerin der Sozietät "G. V. & Partner mbB Steuerberater Rechtsanwalt" in R. in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber als Rechtsanwältin tätig sei, bestünden nicht. Durch die von der Beigeladenen zu 1 im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen und den Umstand, dass für die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung im Jahre 2010 Nachweise einer praktischen Tätigkeit erforderlich seien, werde eine nicht unerhebliche Rechtsanwaltstätigkeit indiziert. Eine vollschichtige Rechtsanwaltstätigkeit verlange das Gesetz nicht. Es sei davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 1 jedenfalls seit dem 1. April 2008 und mithin bei Ablauf der Bewerbungsfrist am 15. Juni 2014 bereits sechs Jahre und zweieinhalb Monate als Rechtsanwältin tätig gewesen sei.
Der Beklagte habe für die Beigeladene zu 1 des Weiteren die Voraussetzung einer mindestens dreijährigen ununterbrochenen örtlichen Wartezeit zutreffend bejaht. Die Unterbrechung bzw. Einschränkung der Anwaltstätigkeit im Anschluss an die Geburt ihrer Tochter vom 3. März 2011 bis 2. März 2012 wirke sich auf die Berechnung der Länge der örtlichen Wartezeit nicht aus. Zu Recht habe der Beklagte in der Angabe einer "Elternzeit" in den Bewerbungsunterlagen der Beigeladenen zu 1 einen - jedenfalls konkludent gestellten - Antrag auf Anrechnung der zwölf-monatigen Kinderbetreuungszeit im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO gesehen, so dass es nicht darauf ankomme, ob das Antragserfordernis überhaupt (auch) für § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO gelte. Auch wenn die Beigeladene zu 1 nicht auf ihre Rechtsanwaltszulassung verzichtet und förmlich "Elternzeit" genommen habe, sei eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen gerechtfertigt. Dagegen, dass ohne Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub und vorübergehenden Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft trotz einer faktischen Unterbrechung der Anwaltstätigkeit aus einem der in § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO genannten Gründe eine Anrechenbarkeit der Betreuungszeiten nicht möglich sei, spreche maßgebend, dass das mit den Regelungen verfolgte Ziel der verfassungsrechtlich gebotenen Vermeidung von (faktischen) Benachteiligungen u.a. aufgrund des Geschlechts (vgl. dazu etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 20. November 2013 - 1 BvR 63/12, NJW 2014, 843 ff.) nur erreicht werden könne, wenn der/die Bewerber/-in tatsächlich aus familiären Gründen die Anwaltstätigkeit unterbrochen oder eingeschränkt habe. Dass der Beklagte über die von der Beigeladenen zu 1 vorgelegte Geburtsurkunde ihrer Tochter hinaus keine weitergehenden Nachweise verlangt habe, begründe keinen Fehler zum Nachteil des Klägers. Auch die Beanstandungen hinsichtlich der Förmlichkeiten der Bewerbungsunterlagen der Beigeladenen zu 1 seien nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Besetzungsentscheidung des Beklagten in Frage zu stellen. An der persönlichen Eignung der Beigeladenen zu 1 für das Amt der Notarin sei nicht zu zweifeln. Die erforderliche zeitliche Präsenz der Beigeladenen zu 1 zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Amtsgeschäfte der Notarstelle in R. sei aufgrund der mit einer Fahrzeit von einer knappen Stunde zu überbrückenden Entfernung zwischen Wohnort und Amtssitz und der möglichen Nutzung einer Zweitwohnung gewährleistet.
II.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Besetzungsentscheidung des Beklagten entspricht den rechtlichen Vorgaben und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag, den Beklagten zu verpflichten, die ausgeschriebene Stelle mit dem Kläger zu besetzen, schon deshalb nicht durchdringen kann, weil die Bundesnotarordnung dem Bewerber/der Bewerberin für das Amt des Notars/der Notarin keinen Anspruch auf Bestellung gibt, sondern lediglich die Voraussetzungen regelt, unter denen das Amt verliehen werden kann. Daraus folgt nicht, dass ein Bewerber, der diese Voraussetzungen erfüllt, zwingend zum Notar bestellt werden muss. Vielmehr hat die Landesjustizverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen die Auswahlentscheidung zu treffen (vgl. BGH, Senat für Notarsachen Beschlüsse vom 13. Dezember 1993 - NotZ 56/92, BGHZ 124, 327, 329; vom 15. November 2010 - NotZ 4/10, NJW-RR 2011, 412 juris Rn. 6 und vom 30. Juli 1990 - NotZ 24/89 - DNotZ 1991, 91 f.). Selbst wenn die Auswahlentscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft und mithin rechtswidrig wäre, könnte der Kläger, wenn er die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Ernennung zum Notar erfüllt, nur seinem Hilfsantrag entsprechend die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und die Verurteilung des Beklagten verlangen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf erneute Bescheidung, weil der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2014 rechtmäßig ist (vgl. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 113 Abs. 5 VwGO).
a) Dagegen, dass der Beklagte die fachliche Eignung der Beigeladenen zu 1 mit 9,14 Punkten bewertet und ihr die erste Rangstelle zugewiesen hat, wendet sich der Kläger nicht. Rechtliche Einwände dagegen sind ersichtlich nicht zu erheben.
b) Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Beigeladene zu 1 zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist (15. Juni 2014) die allgemeine Wartefrist gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO erfüllt hat.
aa) Nach den rechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Oberlandesgerichts war die Beigeladene zu 1 vom 1. April 2008 bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 15. Juni 2014 als Rechtsanwältin in der Sozietät "G. V. & Partner" in R. als Rechtsanwältin in nicht unerheblichem Umfang für verschiedene Auftraggeber tätig. Auf die Frage, ob die von ihr angegebene "Elternzeit" von März 2011 bis Februar 2012 als Wartezeit anzurechnen ist oder eine Anrechnung mangels eines Antrags auf Anrechnung und wegen des unterlassenen Verzichts auf die Anwaltszulassung nicht in Betracht käme, kommt es für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nicht an. Selbst ohne Anrechnung der Unterbrechungszeit war die Beigeladene zu 1 mehr als 5 Jahre als Rechtsanwältin in dem von der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO geforderten Umfang tätig.
bb) Den Bedenken des Klägers gegen eine Berücksichtigung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft S. OHG im Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 31. März 2008 bei der Berechnung der allgemeinen Wartezeit muss nicht nachgegangen werden. Ob es sich dabei um die typische Tätigkeit eines Syndikusanwalts gehandelt hat, die der Zielsetzung der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO regelmäßig nicht genügt (vgl. BT-Drs. 16/4972, S. 11), ist im Streitfall nicht erheblich, denn der Beklagte hat anwaltliche Tätigkeiten vor dem 1. April 2008 bei seiner Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt.
cc) Erfolglos rügt der Kläger, die Feststellung der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit beruhe auf einer unzureichenden Aufklärung der zugrunde liegenden Tatsachen (§ 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 86 Abs. 1, § 108 VwGO). Die richterliche Überzeugungsbildung sei angreifbar und fehlerhaft, weil sie auf der Glaubhaftmachung des eigenen Vortrags bei Unterstellung der Wahrheitspflicht der Beigeladenen zu 1 beruhe. Die Beigeladene zu 1 habe entgegen ihren Angaben keine anwaltliche, sondern eine steuerberatende Tätigkeit ausgeführt.
Der Kläger stellt nicht in Frage, dass Nachweise für den Parteienvortrag nur dann erforderlich sind, wenn die Umstände gewisse Zweifel zulassen. Solche Umstände liegen hier indes nicht vor.
(1) Zwar ist das Vorliegen der Bestellungsvoraussetzungen vom Bewerber nachzuweisen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BNotO). Die Beantwortung der Frage nach Art, Umfang und Beurteilung der erforderlichen Nachweise hängt aber maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab. Unerheblich ist bei Fragen des Beweises von Tatsachen insbesondere, wie im Bereich anderer Landesjustizverwaltungen verfahren wird. Der Umfang der Ermittlungen wird dadurch bestimmt, welche der erheblichen Tatsachen im zu entscheidenden Fall zweifelhaft sind, die notwendige Überzeugung von ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen also fehlt. Die Art der Nachweise für die anwaltliche Tätigkeit, um die es im Streitfall geht, hat der Gesetzgeber nicht besonders geregelt. Insoweit gelten die allgemeinen Regelungen in § 26 VwVfG. Bestehen an der Richtigkeit des Vorbringens der Beteiligten keine Zweifel, bedarf es - im Verwaltungs- wie im gerichtlichen Verfahren (§ 86 VwGO) - keiner zusätzlichen Beweise.
(2) Die Frage, welche und wie viele Nachweise vom jeweiligen Bewerber für das Amt des Notars zu erbringen seien, ist mit Blick auf den Sinn der Regelungen in § 6 Abs. 2 BNotO zu beantworten. Sinn der nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BNotO erforderlichen Wartezeit ist, dass sich der Bewerber vor der Bestellung zum Notar mit den beruflichen Anforderungen und dem Umgang mit Rechtsuchenden, Gerichten und Behörden hinreichend vertraut gemacht hat (vgl. BT-Drs. 16/4972, S. 14). Auf Vorschlag der Bundesregierung wurde im Gesetzgebungsverfahren das Erfordernis der hauptberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt aus dem Gesetzentwurf gestrichen, weil es keinen Grund gebe, einem Bewerber, der in dem geforderten Maße anwaltlich tätig gewesen sei, einen Berufszugang nur deshalb zu versagen, weil er dies nebenberuflich erreicht habe (vgl. BT-Drs. 16/4972, S. 14). Entscheidend ist danach das Maß der anwaltlichen Tätigkeit und die erworbene berufliche Erfahrung. Der Landesjustizverwaltung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers aber auch die Ermittlung des Sachverhalts erleichtert und die zur Feststellung der hauptberuflichen Anwaltstätigkeit gebräuchliche, aber meist unergiebige Abfrage bei Richtern des Amts- und Landgerichts, bei denen der Bewerber als Rechtsanwalt zugelassen war, entbehrlich gemacht werden (vgl. BT-Drs. 16/4972, S. 10).
Danach ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nur bei Unstimmigkeiten in den Bewerbungsunterlagen und Zweifeln aufgrund der Rückmeldung aus dem anwaltlichen Aufsichtsbereich Anlass zu weiteren Nachfragen für die Feststellungen der Voraussetzungen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNotO gegeben sah. Der Senat teilt die Bedenken des Beklagten gegen die Vorlage der vom Kläger geforderten Mandatslisten. In anonymisierter Form hätten solche Listen einen geringen Nachweiswert. In nicht anonymisierter Form sind datenschutzrechtliche und Bedenken wegen Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht nicht von der Hand zu weisen.
(3) Wie auch der Kläger nicht in Zweifel zieht, ist bei Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, die sich als Notarin oder Notar bewerben, ohne greifbare Anhaltspunkte für das Gegenteil anzunehmen, dass ihre anwaltlich versicherten Angaben im Bewerbungsverfahren korrekt sind. Danach können neben den Angaben der Beigeladenen zu 1 die Nachweise der praktischen Tätigkeit für die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung durch die Beigeladene zu 1 im Jahre 2010 als Indiz für eine Rechtsanwaltstätigkeit in nicht unerheblichem Umfang herangezogen werden. Der Umstand, dass nach der Fachanwaltsordnung für Rechtsanwälte im Jahr 2010 in den Tätigkeitsnachweisen Tätigkeiten aus dem Jahre 2007 genannt werden konnten, ändert nicht die Art der Tätigkeit eines Rechtsanwalts. Die Beigeladene zu 1 erhärtete die Richtigkeit ihrer Angaben durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht vorgelegten Unterlagen. Dagegen wendet sich der Kläger nicht.
(4) Der Vortrag des Klägers im gerichtlichen Verfahren gibt nicht Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Die Bildung der richterlichen Überzeugung setzt zwar die Ermittlung der erheblichen Tatsachen gemäß § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO von Amts wegen voraus. Erst wenn hinsichtlich einer erheblichen Tatsache eine Ungewissheit bleibt, die das Gericht trotz Ausschöpfens aller in Betracht kommenden Ermittlungen von Amts wegen, auch bei Berücksichtigung eines etwaigen unverschuldeten Beweisnotstands eines Beteiligten, nicht zu beseitigen vermag, greifen die Grundsätze der materiellen Beweislast ein (vgl. BVerwG, BVerwGE 114, 75 = ZOV 2001, 198; BVerwG Buchholz 412. 6 § 1 HHG Nr. 28 = NVwZ-RR 1990, 165). Sie gelten erst nach dem Abschluss der richterlichen Überzeugungsbildung. Auch im Verwaltungsstreitverfahren gilt die allgemeine Beweislastregel des Inhalts, dass die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter ihm günstige Rechtsfolgen ableitet, zu seinen Lasten geht (ständige Rspr BVerwGE 80, 290, 296 juris Rn. 15; NJW 1994, 468; Kopp/Schenke, VwGO 21. Aufl., § 108 Rn 13).
Im Streitfall vermag der gegen die Feststellungen des Oberlandesgerichts gerichtete Vortrag des Klägers berechtigte Zweifel an deren Richtigkeit, denen der Senat im Berufungsverfahren nachgehen müsste (§§ 128, 86 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO), nicht zu begründen. Auf die Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichts wird Bezug genommen.
dd) Auf die Rüge des Klägers, dass die von der Beigeladenen zu 1 zu Beweiszwecken eingereichten Unterlagen nicht den Formerfordernissen des Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO entsprächen, die der Beklagte nach dem Grundsatz der Selbstbindung zu beachten habe, kommt es nicht mehr an. Denn der Kläger stellt die vorgelegten Urkunden dem Inhalt nach nicht in Frage.
c) Zutreffend hat der Beklagte auch die örtliche Wartezeit gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO bei der Beigeladenen zu 1 für erfüllt angesehen.
Die Beigeladene war zwar zum Stichtag am 15. Juni 2014 tatsächlich nicht drei Jahre ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich als Rechtsanwältin in dem in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO geforderten Umfang tätig, weil sie infolge der Geburt ihrer Tochter am 3. März 2011 (maximal) zwölf Monate - im Wesentlichen - ausgesetzt und erst danach ihre Anwaltstätigkeit in nicht unerheblichem Umfang wieder aufgenommen hat, wovon das Berufungsgericht ausgeht. Jedoch ist die Zeitspanne von März 2011 bis Februar 2012 nach der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO in die Wartezeit miteinzubeziehen. Sie gilt nicht als Unterbrechung der Tätigkeit.
aa) Es muss nicht geklärt werden, ob die Beigeladene zu 1 in der Zeit von März 2011 bis Februar 2012 tatsächlich nur in unerheblichem Umfang als Rechtsanwältin tätig gewesen ist. Wäre sie weiterhin in erheblichem Umfang tätig gewesen, spielte die Frage der Anrechenbarkeit keine Rolle. Der Beigeladenen zu 1 kommen jedoch auch bei einer nur unwesentlichen Tätigkeit als Rechtsanwältin während der "Babypause" die zwölf Monate bei der Berechnung der Dauer der örtlichen Wartezeit zugute.
bb) Entgegen der Auffassung des Klägers scheitert die Anrechnung nach § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO nicht daran, dass hierfür die Beigeladene zu 1 förmlich auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hätte verzichten müssen. Der Senat teilt die Meinung des Beklagten, dass ein Verzicht auf die Zulassung nicht erforderlich ist, weil er für die betroffenen Bewerber Nachteile mit sich brächte, die die Vorschrift im Lichte des Verfassungsgebots der Gleichstellung von Mann und Frau anfechtbar erscheinen ließen. Die Bundesrechtsanwaltsordnung kennt einen vorübergehenden Verzicht auf die Rechtsanwaltszulassung nicht. Vielmehr müsste die Zulassung zurückgegeben und neu beantragt werden. Dadurch würde regelmäßig die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte, vorbehaltlich der Möglichkeit der freiwilligen Fortführung mit unterschiedlichen Beiträgen, enden. Auch trüge der Verzicht unter Umständen das Risiko in sich, dass ein Fachanwaltstitel ohne weitere entsprechende Fortbildungen verloren ginge (vgl. zum Recht auf Führung des Fachanwaltstitels nach Wiederzulassung BVerfG, NJW 2015, 394 ff.). Maßgebend tritt hinzu, dass kinderbetreuende Bewerber und Bewerberinnen von jeder anwaltlichen Tätigkeit, auch einer solchen in nicht erheblichem Umfang, und dem damit verbundenen Erwerbseinkommen ausgeschlossen würden, wollten sie ihre Chancen zur Bestellung zur Notarin oder zum Notar nicht gefährden. Sie wären schlechter gestellt als Bewerber, die auf die Zulassung verzichteten und nicht mehr tätig sein könnten. Dies widerspräche Sinn und Zweck der Regelung der örtlichen Wartezeit in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO. Zum einen soll der zukünftige Notar mit den Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse vertraut sein, zum anderen muss ein Bewerber auch die erforderlichen wirtschaftlichen Grundlagen für die angestrebte Notariatspraxis gelegt haben, um seine persönliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Darüber hinaus soll die örtliche Wartezeit eine gleichmäßige Behandlung aller Bewerber gewährleisten und verhindern, dass Bewerber, die die allgemeine Wartezeit zurückgelegt haben, sich für die Bestellung zum Notar den ihnen hierfür am günstigsten erscheinenden Ort ohne Rücksicht auf dort bereits ansässige Rechtsanwälte aussuchen können (Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 13/06 - juris und - teilweise - abgedruckt in DNotZ 2007, 75, 76, sowie vom 22. März 2010 - NotZ 10/09 - ZNotP 2010, 232 ff.; vom 21. Februar 2011 - NotZ(Brfg) 6/10 - juris und vom 5. März 2012 - NotZ(Brfg) 14/11, NJW 2012, 1888 Rn. 6). Die Unterbrechung der örtlichen Wartezeit wegen der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen bis zu zwölf Monaten ohne Verzicht auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und trotz Fortführung der anwaltlichen Tätigkeit, wenn auch nicht in dem von § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO geforderten Umfang, ist nach Sinn und Zweck der örtlichen Wartezeit auch nicht gefordert.
cc) Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass die wortgenaue Anwendung der Vorschrift in § 6 Abs. 2 Satz 7 und 5 BNotO zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber männlichen Bewerbern führen würde, weil typischerweise die Nachteile im Fall der Betreuung minderjähriger Kinder die Frauen träfen. Trotz des Anstiegs des Anteils der Frauen unter den Berufstätigen tragen überwiegend sie die Aufgaben der Kinderbetreuung und verzichten aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit (vgl. BVerfGE 113, 1,19; BVerfG NJW 2014, 843 Rn. 21 ff.). Sie könnten sich nach dem wortgenauen Verständnis der Vorschrift in § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO bei wahrheitsgemäßen Angaben zum Umfang ihrer anwaltlichen Tätigkeit um eine ausgeschriebene Notarstelle nur erfolgreich bewerben, wenn sie auf jedwede anwaltliche Tätigkeit während der Erziehungszeit verzichteten, was die bereits aufgezeigten übrigen Nachteile mit sich brächte. Das Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau lässt deshalb nicht zu, die Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO so zu verstehen, dass ausschließlich der Verzicht auf die Zulassung zur Anwaltschaft die örtliche Wartezeit für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten wahrt und nicht auch die bloße Reduzierung der anwaltlichen Tätigkeit wegen der in § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO genannten Zwecke für die Berechnung der örtlichen Wartezeit unschädlich bleibt.
Die Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 7 BNotO ist mithin nach dem Gesetzeszweck dahin auszulegen, dass auch ohne Verzicht auf die Zulassung zur Anwaltschaft Unterbrechungen der anwaltlichen Tätigkeit für die Dauer von bis zu zwölf Monaten wegen Schwangerschaft oder Betreuung eines Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen nicht als "Unterbrechung" der Tätigkeit im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO gelten. Da es sich hierbei um eine gesetzliche Fiktion handelt, bedarf es eines Antrags, anders als im Falle des § 6 Abs. 2 Satz 5 BNotO, nicht.
e) Danach erfüllt die Beigeladene zu 1 die örtliche Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO. Auf die Zubilligung einer Ausnahme von der Regelvoraussetzung der Erfüllung der örtlichen Wartezeit durch den Beklagten kommt es nicht mehr an.
f) Entgegen der Auffassung des Klägers sind Umstände, welche Zweifel an der persönlichen Eignung der Beigeladenen zu 1 für das Amt der Notarin begründen könnten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO), nicht gegeben. Die Anforderungen an das Verhalten des Bewerbers dürfen nicht überspannt werden. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern müssen stets in Beziehung zu den Bedürfnissen einer leistungsfähigen vorsorgenden Rechtspflege gesetzt werden. Gefordert ist eine Gesamtbewertung aller - gemessen an den persönlichen Anforderungen an einen Notar - aussagekräftigen Umstände, die in der Persönlichkeit und in dem früheren Verhalten des Bewerbers zutage getreten sind (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2012 - NotZ(Brfg) 12/11, BGHZ 194, 165 Rn. 14; Beschluss vom 21. Juli 2014 - NotZ(Brfg) 23/13, NJW-RR 2015, 57 Rn. 7). Dem Oberlandesgericht ist darin zu folgen, dass die Beigeladene zu 1 mit ihren Angaben im Bewerbungsverfahren ihrer Wahrheitspflicht genügt hat. Allein aus der fehlenden Angabe der teilweisen Tätigkeit als Rechtsanwältin während der Babypause kann nicht auf die mangelnde persönliche Eignung geschlossen werden. Auch die Vorlage des Arbeitsvertrags mit der S. OHG im Gerichtsverfahren vermag wegen eines in Betracht kommenden Verstoßes gegen die in § 10 des Vertrages vereinbarte Verschwiegenheitspflicht Zweifel an der persönlichen Eignung der Beigeladenen zu 1 für das Amt der Notarin nicht zu begründen. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Verschwiegenheitsklausel im Regelungszusammenhang gesehen werden muss. Danach diente sie dem Wettbewerbsschutz und dem Betriebsfrieden. Hingegen sollte sie nicht eine Offenlegung des Vertrages im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die Besetzung einer Notarstelle in einem anderen Bundesland verhindern und der Beigeladenen zu 1 den Beweis durch Vorlage des Vertrages verwehren, dass sie als Rechtsanwältin tätig gewesen ist.
3. Ist die Auswahlentscheidung des Beklagten - wie ausgeführt - rechtmäßig, ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 111d Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO.
Galke Diederichsen Radtke
Strzyz Hahn