Entscheidungsdatum: 23.07.2012
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig.
a) Der Kläger hat sein Recht, die Zulassung der Berufung zu beantragen, nicht dadurch verloren, dass er seinen zunächst gestellten Antrag vom 19. Oktober 2011 mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 zurückgenommen hat. Die Zurücknahme eines Rechtsbehelfs hindert den Rechtsbehelfsführer grundsätzlich nicht daran, den Rechtsbehelf innerhalb der noch laufenden Frist erneut einzulegen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rechtsbehelfsrücknahme zugleich einen Rechtsbehelfsverzicht enthält (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 126 Rn. 2 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
b) Der erneute Zulassungsantrag des Klägers vom 11. November 2011 ist innerhalb der noch laufenden Antragsfrist des § 111d Satz 2 BNotO, § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO beim Oberlandesgericht eingegangen. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat der Kläger den Antrag auch ordnungsgemäß begründet (§ 111d Satz 2 BNotO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zwar bezog sich die Begründungsschrift vom 9. November 2011 auf den bereits zurückgenommenen Antrag vom 19. Oktober 2011. Der Kläger hat aber in seinem erneuten Zulassungsantrag vom 11. November 2011 konkludent auf die bereits eingereichte Antragsbegründung Bezug genommen. Er hat darauf hingewiesen, dass er "erneut" beantrage, die Berufung zuzulassen, weil der Antrag vom 19. Oktober 2011 "infolge eines Büroversehens zurückgenommen worden" sei, und damit zum Ausdruck gebracht, dass der zweite Antrag gewissermaßen an die Stelle des ersten treten sollte.
2. Der Zulassungsantrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben. Der Kläger kann sich weder auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 noch auf den des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO berufen.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Bestimmung des § 48a BNotO, die die Altersgrenze für die Ausübung des Notarberufs auf das Ende des Monats festlegt, in dem der Notar das 70. Lebensjahr vollendet, weder verfassungs- noch europarechtswidrig.
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Höchstaltersgrenze von 70 Jahren für die Ausübung des Notarberufs in seinem Beschluss vom 29. Oktober 1992 (DNotZ 1993, 260 ff.) bejaht. Der Senat hat sich dieser Beurteilung in seinem Beschluss vom 22. März 2010 (NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 6 ff.) angeschlossen. Auf diese Entscheidungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Gründe, die zu einer abweichenden Beurteilung Anlass geben, sind weder ersichtlich noch dargetan. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I S. 150) nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil es keine Übergangsregelung enthalte. Der Kläger übersieht, dass der Gesetzgeber in Art. 3 dieses Gesetzes eine Regelung geschaffen hat, nach der sämtliche Notare, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Februar 1991 das 58. Lebensjahr vollendet hatten, für weitere zwölf Jahre im Amt bleiben durften (vgl. BVerfG DNotZ 1993, 260; Schippel/Bracker/Püls, BNotO, 9. Aufl., § 48a Rn. 2). Bei dieser zeitlichen Festlegung brauchte der Gesetzgeber keine Rücksicht auf die Belange und Interessen einzelner zu nehmen, sondern durfte bei generalisierender Betrachtungsweise im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis davon ausgehen, dass eine Amtstätigkeit von zwölf Jahren genügt, um die im Hinblick auf die Amtsübernahme getätigten Investitionen zu erwirtschaften und die Voraussetzungen für die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards nach Vollendung des 70. Lebensjahres zu schaffen (vgl. BVerfG DNotZ 1993, 260).
bb) Die Regelung in § 48a BNotO steht auch im Einklang mit europarechtlichen Vorgaben. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das - einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellende und durch die Richtlinie 2000/78 EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisierte - Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 22 ff.; BVerfG, NJW 2011, 1131). Die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters ist gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie zulässig. Die Regelung verfolgt das legitime sozialpolitische Ziel, die Berufschancen zwischen den Generationen gerecht zu verteilen, und ist zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen. Denn ohne die gesetzliche Altersgrenze wäre für die Besetzung der nur in begrenzter Zahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere Bewerber frei machen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, aaO Rn. 28 f.; BVerfG DNotZ 1993, 260; NJW 2011, 1131 Rn. 12 f.). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Altersgrenze für Notare nicht deshalb unangemessen und nicht erforderlich im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie, weil "Versorgungslücken in allen Teilen des Notariats" drohten. Ein Mangel an jüngeren Bewerbern, der vorliegend allerdings weder ersichtlich noch hinreichend konkret dargetan ist, mag die Erforderlichkeit einer Altersgrenze auf solchen Teilen des Arbeitsmarktes in Frage stellen, zu denen neue Berufsangehörige jederzeit Zugang haben (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - C-341/08, Slg. 2010, I-47-100 - Petersen, Rn. 68). Dies gilt aber nicht, wenn der Besetzung einer Stelle, wie im Streitfall, zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege ein Ausschreibungsverfahren vorausgehen muss und die Ausschreibung von dem Ergebnis einer Bedürfnisprüfung abhängt, die sicherstellt, dass dem jeweiligen Amtsinhaber ein ausreichendes Maß sachlicher und finanzieller Unabhängigkeit gewährleistet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Mai 2011 - C-54/08, DNotZ 2011, 462 Rn. 98; Senatsbeschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, aaO Rn. 8 f.; BVerfG DNotZ 1993, 260). Blieben lebensältere Notare so lange im Amt, wie es ihnen beliebt, könnten die zur Verfügung stehenden jüngeren Berufsbewerber nicht oder nur sehr spät berücksichtigt werden. Mangels Vorhersehbarkeit und Planbarkeit des Zugangs verlöre der Beruf des Notars an Attraktivität.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers setzte das Erlöschen seines Amtes auch nicht die Rücknahme seiner Bestellung zum Notar voraus. Denn seine für die Dauer seiner Anwaltszulassung erteilte Bestellung zum Notar ist mit Erreichen der Altersgrenze kraft Gesetzes erloschen, ohne dass es eines Vollzugsaktes bedurfte (vgl. BVerfG DNotZ 1993, 260 unter II. 1.).
b) Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist nicht gegeben. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Eine Vorlage an den Gerichtshof der europäischen Union ist nicht geboten. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 22. März 2010 (NotZ 10/09, BGHZ 185, 30 Rn. 32) Bezug genommen, die durch das Vorbringen des Klägers nicht entkräftet werden (vgl. auch Bundesverfassungsgericht NJW 2011, 1131).
c) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111d Satz 2 BNotO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Wertfestsetzung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO.
Galke Diederichsen von Pentz
Doyé Müller-Eising