Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 16.03.2015


BGH 16.03.2015 - NotZ (Brfg) 10/14

Erlöschen des Notaramts mit Erreichen der Altersgrenze: Geltung für einen vor Einführung der Altersgrenze bestellten Anwaltsnotar bei abweichendem Inhalt der Ernennungsurkunde


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Notarsachen
Entscheidungsdatum:
16.03.2015
Aktenzeichen:
NotZ (Brfg) 10/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 30. Mai 2014, Az: 2 Not 7/13
Zitierte Gesetze
Art 3 S 1 BNotO/BRAOÄndG

Leitsätze

Das Amt des Notars erlischt gemäß § 47 Nr. 1 BNotO bei Erreichen der Altersgrenze des § 48a BNotO auch dann kraft Gesetzes, wenn er vor Einführung dieser Altersgrenze eine Urkunde über die Bestellung als Notar für die Dauer seiner Anwaltszulassung ausgehändigt erhalten hatte.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2014 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Streitwert: 50.000 €.

Gründe

I.

1

Der 1944 geborene Kläger ist Rechtsanwalt und wurde 1986 zum Notar bestellt. Seine Ernennungsurkunde hat auszugsweise folgenden Wortlaut: "Herrn Rechtsanwalt … bestelle ich hiermit für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und Landgericht G.    zum Notar …". Der Kläger beantragte beim Beklagten, ihm zu bestätigen, dass er seine Tätigkeit als Notar über die Altersgrenze von 70 Jahren hinaus fortführen dürfe. Er ist der Auffassung, die in § 47 Nr. 1, § 48a BNotO bestimmte Altersgrenze verstoße gegen deutsches Verfassungsrecht und europäisches Recht. Dessen ungeachtet wirke seine Bestellung als Notar aufgrund des Wortlauts der ihm hierüber ausgehändigten Urkunde über die gesetzliche Altersgrenze hinaus fort. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Der Kläger hat sein Begehren gerichtlich weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

2

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet. Ein Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) besteht nicht. Insbesondere hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch weist die Sache besondere Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) oder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Oberlandesgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).

3

1. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die mittlerweile ständige, vom Bundesverfassungsgericht wiederholt nicht beanstandete Rechtsprechung des Senats (grundlegend Beschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30; zuletzt Beschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, NJW-RR 2014, 1085 Rn. 4 ff m. umfangr. w. N.; siehe hierzu auch den diese Entscheidung nicht beanstandenden Beschluss des BVerfG vom 27. Juni 2014 - 1 BvR 1313/14, juris Rn. 6 ff) bereits zum Nachteil des Klägers geklärt. Danach verstoßen § 47 Nr. 1 und § 48a BNotO weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303/16) (fortan: Richtlinie 2000/78/EG) folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters oder gegen Art. 15, 16, 17 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers fest. Die Begründung des Zulassungsantrags gibt nur Anlass zu folgender Ergänzung:

4

Ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG scheidet schon deshalb aus, weil § 48a BNotO eine vorrangige berufsspezifische Altersgrenze darstellt (vgl. z.B. Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl., § 10 Rn. 193, 195), abgesehen davon, dass es mindestens höchst zweifelhaft ist, ob ein Notar in den persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fällt (vgl. § 6 Abs. 1, § 24 AGG; siehe ferner Senatsbeschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 27 zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG, auf die das AGG zurückzuführen ist).

5

Fehl geht der Kläger auch mit seiner Auffassung, aufgrund des Wortlauts seiner Bestellungsurkunde und mangels einer die Bestellung aufhebenden Verwaltungsentscheidung gelte die gesetzliche Altersgrenze nicht für ihn. Nach § 47 Nr. 1 BNotO erlischt das Amt des Notars bei Erreichen des in § 48a BNotO bestimmten Alters kraft Gesetzes, ohne dass es eines gesonderten Vollzugsakts der Verwaltung bedarf (Senatsbeschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 5; BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1992 - 1 BvR 1581/91, juris Rn. 2, insoweit nicht in NJW 1993, 1575 abgedruckt). Dass dies auch für (Anwalts-)Notare gilt, die, wie der Kläger, noch vor der Einführung der Altersgrenze des § 48a BNotO durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 (BGBl. I S. 150) ihr Amt übertragen und dementsprechend eine Urkunde mit einer Bestellung für die Dauer ihrer Anwaltszulassung erhalten hatten, folgt im Rückschluss aus der Übergangsvorschrift des Art. 3 Satz 1 dieses Gesetzes. Danach konnten Notare, sofern sie bei Inkrafttreten des Gesetzes das 58. Lebensjahr vollendet hatten, für weitere zwölf Jahre im Amt bleiben. Eine Rücknahme oder einen Widerruf der Bestellung durch Verwaltungsakt nach Ablauf der Übergangsfrist hat das Gesetz auch für diese Fälle nicht vorgeschrieben, sondern ist ebenfalls vom Erlöschen des Notaramts kraft Gesetzes ausgegangen, sobald der Übergangszeitraum endete. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies bei Erreichen der Altersgrenze nicht ebenso für die Amtsträger gelten sollte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zwar gleichfalls "unbefristet" zum Notar bestellt, jedoch noch nicht 58 Jahre alt waren. Die dagegen insbesondere im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers vermag der Senat nicht zu teilen. Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, auch durch Verwaltungsakt begründete Rechtsverhältnisse zu ändern (vgl. auch BVerfG aaO Rn. 2, 14). Er muss allerdings gegebenenfalls dem durch die bisherige Rechtslage begründeten Vertrauenstatbestand durch Übergangsregelungen Rechnung tragen. Dies hat der Bundesgesetzgeber mit Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Januar 1991 in verfassungsrechtlich einwandfreier Weise vollzogen (BVerfG aaO Rn. 12).

6

2. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV ist in dieser Sache ebenso entbehrlich wie in den bisherigen Verfahren, die die Wirksamkeit der Altersgrenze des § 48a BNotO zum Gegenstand hatten (siehe hierzu Senatsbeschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 21/13, NJW-RR 2014, 1085 Rn. 12 mwN). Der vorliegende Sachverhalt wirft auch insoweit keine neuen Rechtsfragen auf. Insbesondere ergibt sich aus dem vom Kläger zitierten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. Januar 2013 (C-283/11, MMR 2013, 265 Rn. 50) kein neuer Gesichtspunkt, der das Vorliegen eines "acte-clair" infrage stellen könnte.

Galke                       Herrmann                               v. Pentz

              Strzyz                            Brose-Preuß