Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 16.03.2015


BGH 16.03.2015 - NotSt (Brfg) 9/14

Notarkosten: Voraussetzungen für das Entstehen einer Entwurfsgebühr


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Notarsachen
Entscheidungsdatum:
16.03.2015
Aktenzeichen:
NotSt (Brfg) 9/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Celle, 30. Juli 2014, Az: Not 5/14
Zitierte Gesetze
§ 145 Abs 1 KostO
§ 145 Abs 3 KostO

Leitsätze

1. Die Entwurfsgebühr gemäß § 145 Abs. 1 KostO fällt nur dann an, wenn der Entwurf als selbständige, isoliert zu sehende notarielle Tätigkeit begehrt wird.

2. Der Anfall der Entwurfsgebühr gemäß § 145 Abs. 3 KostO ("Erfordern") setzt voraus, dass dem Notar ein gegenüber dem Beurkundungsauftrag selbständiger rechtsgeschäftlicher Auftrag zur Aushändigung eines Urkundsentwurfs erteilt worden ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Juli 2014 zuzulassen, wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 6.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag ist unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Berufung gemäß § 105 BNotO, § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

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1. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger ein Dienstvergehen im Sinne des § 95 BNotO begangen hat, weil er vorsätzlich die ihm gemäß § 10a Abs. 2 und 3 BNotO obliegenden Amtspflichten verletzt hat.

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a) § 10a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BNotO verweist den Notar hinsichtlich seiner Urkundstätigkeit grundsätzlich auf den Bezirk des Amtsgerichts, in dem er seinen Amtssitz hat (Amtsbereich). Beurkundungen außerhalb seines Amtsbereichs darf der Notar dann vornehmen, wenn besondere berechtigte Interessen der Rechtsuchenden ein Tätigwerden außerhalb des Amtsbereichs gebieten. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Voraussetzungen nicht bereits dann erfüllt, wenn die Beteiligten nach jahrelanger Vorbefassung und Entwurfstätigkeit des Notars eine sofortige Beurkundung an ihrem Hauptwohnsitz, der innerhalb des Amtsbezirks des Notars liegt, für erforderlich halten. Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung "besondere berechtigte Interessen" und "gebieten" klar zum Ausdruck gebracht, dass hohe Anforderungen an die Zulässigkeit der Überschreitung des Amtsbereichs zu stellen sind. Er hielt die Beschränkung der Berufsausübung auf den Amtsbereich für unentbehrlich, um die einzelnen Notarstellen lebensfähig und möglichst gleichbleibend leistungsfähig zu erhalten und das Notariat insgesamt bedarfsgerecht und flächendeckend zu organisieren (BT-Drucks. 11/8307, S. 18; vgl. Senatsurteil vom 4. März 2013 - NotZ(Brfg) 9/12, BGHZ 196, 271 Rn. 23; BVerfG, NJW 2000, 3486, 3487). Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, werden die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands durch die von der Notarkammer Oldenburg gemäß § 67 Abs. 2 Nr. 9 BNotO erlassene Richtlinie konkretisiert, nicht aber abschließend definiert (vgl. dazu Schippel/Bracker/Püls, BNotO, 9. Aufl., § 10a Rn. 5; Eylmann/Vaasen, BNotO, 3. Aufl., § 10a Rn. 6, RL-E IX Rn. 1; Weingärtner/Wöstmann, Richtlinienempfehlungen BNotK, Richtlinien Notarkammern, S. 352).

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Im Streitfall sind besondere berechtigte Interessen der Beteiligten, die ein Tätigwerden des Klägers außerhalb seines Amtsbereichs geboten, nicht zu erkennen. Der Kläger hat bis zuletzt nicht nachvollziehbar dargetan, aus welchem Grund die Eheleute M.   nicht in der Lage waren, ihn an seinem Amtssitz in Oldenburg aufzusuchen und die Scheidungsfolgenvereinbarung dort beurkunden zu lassen. Weder den pauschalen Behauptungen, die Fahrt sei für die Ehefrau unzumutbar gewesen, die Parteien hätten nachvollziehbar erklärt, über einen längeren Zeitraum nicht nach Oldenburg kommen zu können, noch den Ausführungen, Frau M.    habe nicht nach Oldenburg fahren wollen, weil sie es zeitlich nicht geregelt bekommen und befürchtet habe, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, ist ein besonderes berechtigtes Interesse im Sinne des § 10a Abs. 2 BNotO zu entnehmen. Dass die Beurkundung der Scheidungsfolgenvereinbarung nicht eilbedürftig war, hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen. Entsprechendes gilt für den Grundstückskaufvertrag und die Bestellung der Grundschuld.

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b) Der Kläger hat darüber hinaus gegen § 10a Abs. 3 BNotO verstoßen, weil er die Urkundstätigkeit außerhalb seines Amtsbereichs nicht unverzüglich, sondern erst nach Ablauf von neun Monaten angezeigt hat.

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2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch die Höhe der Geldbuße nicht zu beanstanden. Der festgesetzte Betrag in Höhe von 5.000 € ist tat- und schuldangemessen. Dabei war zu berücksichtigen, dass dem Verstoß gegen das Verbot der Auswärtsbeurkundung gemäß § 10a Abs. 2 BNotO ein nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Wie bereits ausgeführt verfolgt die Norm den Zweck, die einzelnen Notarstellen lebensfähig und möglichst gleichbleibend leistungsfähig zu erhalten und das Notariat damit insgesamt bedarfsgerecht und flächendeckend zu organisieren (BT-Drucks. 11/8307, S. 18; Senatsurteil vom 3. März 2013 - NotZ(Brfg) 9/12, aaO Rn. 23, BVerfG, NJW 2000, 3486, 3487). Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt hat und gegen ihn am 13. Juli 2012 eine Geldbuße in Höhe von 500 € verhängt werden musste, weil er Geld zur Verwahrung entgegengenommen hatte, ohne dass eine Verwahrungsanweisung vorlag, und weil er ein Schuldanerkenntnis beurkundet hatte, obwohl er als Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit tätig gewesen war. Unter Berücksichtigung der durch die Auswärtsbeurkundungen erzielten Einnahmen und seiner wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse erweist sich der festgesetzte Betrag in Höhe von 5.000 € insgesamt als verhältnismäßig.

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Geldbuße nicht deswegen der Höhe nach zu reduzieren, weil er die berechneten Gebühren mit Ausnahme der nachträglich entstandenen Vollzugsgebühren bereits durch "seine Entwurfstätigkeit gemäß § 145 KostO" verdient hätte und ihm durch die unzulässige Auswärtsbeurkundung deshalb kein nennenswerter wirtschaftlicher Vorteil entstanden sei. Der Kläger übersieht, dass die Fertigung und Aushändigung eines Vertragsentwurfs nicht ohne weiteres eine Gebühr auslöst. § 145 KostO enthält verschiedene Gebührentatbestände, die jeweils zusätzliche Voraussetzungen enthalten. Diese weiteren Voraussetzungen sind vorliegend jeweils nicht erfüllt. Der Anfall der Entwurfsgebühr gemäß § 145 Abs. 1 KostO setzt u.a. voraus, dass der Notar auf Erfordern "nur" den Entwurf der Urkunde fertigt. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass der Entwurf als selbständige, isoliert zu sehende notarielle Tätigkeit begehrt werden muss. Von einer solchen selbständigen Bedeutung kann in der Regel nur dann ausgegangen werden, wenn der Auftraggeber mit dem Entwurf andere Zwecke als die Vorbereitung einer Beurkundung verfolgt. Soweit der Auftrag dagegen von vornherein dahin geht, auf der Basis des zu fertigenden Entwurfs auch eine zugehörige Beurkundung vorzunehmen, entsteht keine besondere Entwurfsgebühr. Denn dann ist die Herstellung des Entwurfs keine selbstständige notarielle Tätigkeit, sondern nur ein Mittel zur Erreichung des erstrebten Zwecks der Beurkundung (vgl. OLG Köln, JurBüro 1997, 604; BeckOK/Neie, KostR, § 145 Rn. 15 [Stand 15.3.2013]; Rohs/Wedewer/Rohs, KostO, § 145 Rn. 10 [Stand: Juli 2003]; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 145 Rn. 14). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Nach dem Vortrag des Klägers sollte er sowohl den Ehescheidungsfolgenvertrag - letzteren auf der Grundlage der Mediationsvereinbarung - als auch den Grundstückskaufvertrag entwerfen und im Anschluss daran beurkunden.

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Der Anfall der Entwurfsgebühr gemäß § 145 Abs. 3 KostO setzt u.a. voraus, dass der Notar einen Vertragsentwurf "auf Erfordern" an einen Beteiligten ausgehändigt hat. Unter Erfordern in diesem Sinne kann nicht jede Bitte um Aushändigung eines Entwurfs verstanden werden. Vielmehr muss dem Notar ein gegenüber dem Beurkundungsauftrag selbständiger rechtsgeschäftlicher Auftrag zur Aushändigung eines Urkundsentwurfs erteilt worden sein. Dies kann auch stillschweigend erfolgen. Maßgeblich ist, ob der den Entwurf Erfordernde wissen oder zumindest damit rechnen musste, dass für die Aushändigung des Entwurfs auch dann von ihm Gebühren verlangt werden können, wenn es nicht zur Beurkundung kommt (KG FGPrax 03, 188, 189; OLG Dresden, JurBüro 1999, 42; OLG Stuttgart, DNotZ 1986, 761; OLG Köln OLGR 1999, 235; BeckOK/Neie, KostR, § 145 Rn. 47 f. [Stand 15.3.2013]; Rohs/Wedewer/Rohs, KostO, § 145 Rn. 31 [Stand: April 2007]; Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 18. Aufl., Rn. 54). Dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben wären, ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Der Kläger macht in seinem Zulassungsantrag auch nicht geltend, dass ihm ein gegenüber dem Beurkundungsauftrag selbständiger Auftrag zur Aushändigung des Urkundsentwurfs erteilt worden sei. Er hat sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, dass bereits das Fertigen von Entwürfen "gemäß § 145 KostO ... die Entwurfsgebühr" auslöse.

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3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2011 - NotZ(Brfg) 10/10, DNotZ 2012, 53 Rn. 21; vom 23. Juli 2012 - NotSt (Brfg) 6/11, juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen (Senatsbeschluss vom 23. Juli 2012 - NotSt (Brfg) 6/11, aaO). Der Kläger macht geltend, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Richtlinien der Notarkammer die Regelungen des § 10a BNotO verschärfen dürfen. Diese Frage ist indes nicht entscheidungserheblich. Ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts ("... insbesondere ...") enthalten die derzeit gültigen Richtlinien keine abschließende Definition des Begriffs des besonderen berechtigten Interesses, sondern lediglich eine beispielhafte Konkretisierung (vgl. Schippel/Bracker/Püls, BNotO, 9. Aufl., § 10a Rn. 5; Weingärtner/Wöstmann, aaO S. 353; Eylmann/Vaasen, BNotO, 3. Aufl., § 10a Rn. 6; RL-E IX Rn. 1). Da sie der Berücksichtigung weiterer Ausnahmefälle nicht entgegenstehen, verschärfen sie die gesetzliche Regelung in § 10a Abs. 2 BNotO nicht. Auf die Zulässigkeit einer - hier nicht gegebenen - Verschärfung kommt es deshalb nicht an.

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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 109 BNotO, § 77 Abs. 1 BDG, i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 111g Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 52 GKG.

Galke                         Herrmann                                 von Pentz

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