Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.11.2017


BGH 14.11.2017 - KZR 42/15

Kartellrecht: Verzinsung von Kartellschadensersatzansprüchen und Forderungen aus Bußgeldbescheiden aus der Zeit vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
14.11.2017
Aktenzeichen:
KZR 42/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:141117BKZR42.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Karlsruhe, 9. September 2015, Az: 6 U 193/10 (13) (Kart)vorgehend BGH, 6. November 2013, Az: KZR 58/11, Urteilvorgehend OLG Karlsruhe, 14. Dezember 2011, Az: 6 U 193/10 (Kart), Urteilvorgehend LG Mannheim, 19. Juni 2009, Az: 7 O 122/08 (Kart)
Zitierte Gesetze
GWBÄndG 7

Tenor

Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre zugelassene Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. September 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1

I. Die Klägerin, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), schließt mit Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes (Beteiligten) Beteiligungsvereinbarungen in Form von Gruppenversicherungsverträgen ab. Auf dieser Grundlage gewährt sie den Arbeitnehmern der Beteiligten nach Maßgabe ihrer Satzung (VBLS) eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung. § 23 Abs. 2 VBLS verpflichtet ausscheidende Beteiligte, einen Gegenwert zur Deckung der aus dem Anstaltsvermögen nach dem Ausscheiden des Beteiligten zu erfüllenden Verpflichtungen zu zahlen.

2

Die Beklagte, eine Krankenkasse, kündigte ihre Beteiligung bei der Klägerin zum 31. Dezember 2003. Auf die Gegenwertforderung der Klägerin leistete die Beklagte zum 7. Januar 2004 eine Abschlagszahlung in Höhe von 15 Millionen Euro. Nachdem die Klägerin den zu zahlenden Gegenwert aufgrund eines versicherungsmathematischen Gutachtens auf 23.442.800,32 Euro berechnet hatte, zahlte die Beklagte am 9. Mai 2005 weitere 1.835.153,02 Euro sowie Kosten für das Gegenwertgutachten in Höhe von 11.426 Euro. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Zahlung weiterer 5,5 Millionen Euro nebst Zinsen ist rechtskräftig abgewiesen worden. Die Beklagte hat im Wege der Anschlussberufung Rückzahlung der geleisteten Gegenwertzahlungen, näher bestimmte Zinsen sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Klägerin beantragt.

3

Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat die Beklagte beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 BGB aus 15 Millionen Euro seit dem 7. Januar 2004 und aus weiteren 1.846.579,02 Euro seit dem 9. Mai 2005 zu zahlen.

4

Das Berufungsgericht hat diesem Antrag nur teilweise stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat der Senat dieses Berufungsurteil mit Urteil vom 6. November 2013 (KZR 58/11, BGHZ 199, 1) insoweit aufgehoben, als die Widerklage hinsichtlich der Zinsen auch mit dem Teil abgewiesen worden ist, der eine Zinshöhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht übersteigt. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat die Beklagte ihren auf Zahlung weiterer Zinsen gerichteten Antrag mit der Maßgabe weiterverfolgt, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit bis zum 6. April 2010 begehrt werden.

5

Das Berufungsgericht hat dem Antrag erneut nur teilweise stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren auf Zahlung weiterer Zinsen gerichteten Antrag weiter.

6

II. Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (dazu II 1). Die Revision hat zudem keine Aussicht auf Erfolg (dazu II 2).

7

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.

8

a) Das Berufungsgericht hat der Frage nach der Höhe der Zinsansprüche der Beklagten grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weil über die Revisionen gegen die Urteile des Berufungsgerichts vom 27. August 2014 noch nicht entschieden worden war. Nachdem der Senat über eine dieser Revisionen entschieden hat (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14, WRP 2017, 563 - VBL-Gegenwert II), ist die vom Berufungsgericht als grundsätzlich erachtete Frage beantwortet.

9

In diesem Urteil hat der Senat die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts gebilligt, § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB in der am 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Fassung der 7. GWB-Novelle (nachfolgend GWB 2005) seien auf vor dem 1. Juli 2005 erfolgte Gegenwertzahlungen an die Klägerin nicht anzuwenden, so dass Verzugszinsen gemäß § 288 BGB nicht bereits ab Eintritt des Schadens verlangt werden könnten. Dafür sei maßgeblich, dass der Kartellrechtsverstoß, der die Rückzahlungspflicht der Beklagten begründet, jeweils mit der Entgegennahme der einzelnen Gegenwertzahlungen durch die Klägerin vollendet und abgeschlossen war. Die Neufassung des § 33 GWB durch die 7. GWB-Novelle entfalte keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße (BGH, WRP 2017, 563 Rn. 54 f.).

10

Für diese Beurteilung war damit allein tragend, dass die den Kartellrechtsverstoß begründenden Zahlungen an die Klägerin vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erfolgten. Keine Bedeutung hat der Senat demgegenüber dem von der Revision der Beklagten betonten Umstand beigemessen, dass in jenem Verfahren Zinsen auf der Grundlage von § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005 nur für die Zeit ab Inkrafttreten dieser Vorschriften am 1. Juli 2005 und nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Zahlung gefordert wurden. Entgegen der Ansicht der Beklagten gibt es daher keine Grundlage, bei vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erfolgten Zahlungen unterschiedliche Zinssätze für die Zeit vor und nach dem 1. Juli 2005 anzuwenden.

11

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht kein Anlass, die Rechtsprechung des Senats zur zeitlichen Anwendung von § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005 zu überdenken. Zwar hat es der Senat gebilligt, § 81 Abs. 6 GWB, der ebenfalls durch die 7. GWB-Novelle eingeführt worden ist, auf die Zinszahlungsanforderung durch die Kartellbehörde bereits ab Inkrafttreten dieser Vorschrift auf zuvor erlassene Bußgeldbescheide anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 - KRB 39/11, WuW/E DE-R 3607 Rn. 1, 5). Die Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB verfolgt indes einen anderen Zweck als die Regelungen des § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005, die auf den Ausgleich durch Kartellrechtsverstöße verursachter Schäden gerichtet sind. Denn bei § 81 Abs. 6 GWB handelt sich um eine vollstreckungsrechtliche Regelung. Deshalb sind sämtliche nicht vollstreckte Bußgeldbescheide ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 81 Abs. 6 GWB zu verzinsen, unabhängig davon, wann die Tat beendet war oder der Bußgeldbescheid erlassen wurde (Raum in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., § 81 Rn. 193; Vollmer, wistra 2013, 289, 291). Die Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB ist daher für die dem zivilen Deliktsrecht zugehörige Vorschrift des § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005 ohne Bedeutung.

12

c) Anders als die Beklagte meint, liegt im Streitfall kein der Anwendung der Grundsätze der Entscheidung KZR 47/14 entgegenstehender fortgesetzter, andauernder und zum Schadensersatz verpflichtender Kartellrechtsverstoß auch für die Zeit nach dem 1. Juli 2005 vor. Die Beklagte beruft sich dafür allein auf prozessuales Verhalten der Klägerin in den Jahren 2014 bis 2017. Ein jeweils mit der Entgegennahme der Gegenwertzahlungen vollendeter Kartellrechtsverstoß kann indes nicht Jahre später aufgrund eines prozessualen Verhaltens der Klägerin wieder aufleben.

13

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

14

§ 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005 sind auf vor dem 1. Juli 2005 erfolgte Gegenwertzahlungen an die Klägerin nicht anzuwenden (vgl. oben Rn. 9 bis 12). Die Beklagte kann höhere als die ihr vom Berufungsgericht zugesprochenen Zinsen auch nicht deshalb beanspruchen, weil der Senat insoweit gemäß § 318 ZPO an sein Revisionsurteil in dieser Sache vom 6. November 2013 gebunden wäre.

15

Aus § 318 ZPO ergibt sich keine Selbstbindung des Revisionsgerichts im zweiten Rechtsgang (BGH, Beschluss vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72, BGHZ 60, 392, 396). Zwar besteht grundsätzlich eine Selbstbindung des Revisionsgerichts, das erneut mit der Sache befasst wird, an seine erste, der Zurückverweisung der Sache zugrundeliegende Rechtsauffassung (BGHZ 60, 392, 397). Tragender Aufhebungsgrund im Revisionsurteil des Senats war aber allein, dass im ersten Berufungsurteil der Antrag der Beklagten auf Zinsen nach kartellrechtlichen Vorschriften bereits mangels Unternehmenseigenschaft der hiesigen Klägerin abgewiesen worden ist. Dagegen hat sich der Senat dort nicht mit der Anwendbarkeit von § 33 Abs. 3 GWB 2005 auf Altfälle befasst. Abweichendes ergibt sich nicht aus Rn. 67 des Revisionsurteils, wo der Senat ausgeführt hat, der auf Kartellrecht gestützte Zinsanspruch der Beklagten sei nach § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB 2005, § 288 Abs. 1 BGB auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab Entstehung des Schadens begrenzt. Mit dieser Aussage wird allein die von der Beklagten im ersten Revisionsverfahren vertretene Rechtsauffassung zurückgewiesen, bei ihrem Rückzahlungsanspruch handele es sich um eine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB, so dass ihr noch höhere Zinsen zustünden. Auf die Anwendbarkeit von § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB 2005 auf Altfälle kam es hierfür nicht an.

16

III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

17

IV. Streitwert der Revision: 2.491.876,80 Euro

Limperg       

      

Meier-Beck       

      

Kirchhoff

      

Bacher       

      

Deichfuß       

      

Hinweis:   Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.