Entscheidungsdatum: 17.07.2018
Das Verfahren über die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. März 2017 wird bis zum Abschluss des Nichtigkeitsberufungsverfahrens X ZR 35/18 des Bundesgerichtshofs ausgesetzt.
I.
Die Klägerin nimmt die beiden Beklagten wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
Die Klage ist gestützt auf Anspruch 17 des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 264 504. Das Patent wurde im Einspruchsverfahren beschränkt aufrechterhalten.
Die Beklagten wenden unter anderem ein, die angegriffenen Ausführungsformen machten nicht von sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 17 des Klagepatents Gebrauch, stellen dessen Rechtsbestand in Frage und erheben den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten auf die Erteilung von Auskunft und Rechnungslegung und auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht beschränkt. Im Übrigen hat es die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, weil der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand durchgreife. Damit seien die Ansprüche auf Unterlassung und Vernichtung derzeit nicht gerichtlich durchsetzbar. Der Anspruch auf Schadensersatz bestehe dem Grunde nach, doch sei er auf das beschränkt, was sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ergebe. Entsprechend seien auch Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch beschränkt.
Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt, mit der sie ihre im Berufungsrechtszug zuletzt gestellten Anträge weiter verfolgt. Mit ihrer Anschlussrevision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Das Patentgericht hat auf die von den Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage das Klagepatent insgesamt für nichtig erklärt (BPatG, Urteil vom 14. Februar 2018 - 6 Ni 15/15 (EP), in juris). Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt. Die Beklagten beantragen im Hinblick auf die Nichtigerklärung des Klagepatents, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Klägerin tritt diesem Antrag entgegen.
II.
Auf den Aussetzungsantrag der Beklagten ist die Entscheidung über die Revision auszusetzen.
1. Der Patentverletzungsstreit ist durch die Bindung des Gerichts an das erteilte Patent gekennzeichnet. Selbst nach einem Erfolg der Nichtigkeitsklage in erster Instanz müsste die Entscheidung im Revisionsverfahren deshalb nach Maßgabe der bestehenden Patentlage getroffen werden, solange die Entscheidung des Patentgerichts nicht rechtskräftig ist. Erwächst jedoch die Entscheidung, mit der das Klagepatent für nichtig erklärt wird, in Rechtskraft, ist eine bisher erfolgreiche Verletzungsklage ohne weiteres abweisungsreif. Ist der Verletzungsrechtsstreit zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig abgeschlossen, kann die Restitutionsklage in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO darauf gestützt werden, dass die Urteilsgrundlage aufgrund der rechtskräftigen Nichtigerklärung im Nichtigkeitsverfahren entfallen ist (BGH, Urteil vom 10. Januar 2017 - X ZR 17/13, BGHZ 213, 238 Rn. 10 mwN - Vakuumtransportsystem).
Zur Vermeidung widerstreitender Entscheidungen hat das Gericht die Möglichkeit, den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf ein anhängiges Patentnichtigkeitsverfahren auszusetzen (§ 148 ZPO). Eine solche Aussetzung ist auch noch während des Revisionsrechtszugs zulässig (BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 374 - Druckmaschinen-Temperierungssystem I; BGH, Beschluss vom 28. September 2011 - X ZR 68/10, GRUR 2012, 93 Rn. 3 - Klimaschrank).
Die Entscheidung über eine Aussetzung liegt im Ermessen des Gerichts. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens zu. Zur Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes ist grundsätzlich die Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, Beschluss vom 16. September 2014 - X ZR 61/13, BGHZ 202, 288 Rn. 4 - Kurznachrichten).
Eine Aussetzung ist zwar nicht allein deshalb geboten, weil eine Nichtigkeitsklage anhängig ist. Zu berücksichtigen ist vielmehr auch das gegenläufige Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens, dem umso stärkeres Gewicht zukommt, je später die Nichtigkeitsklage erhoben worden ist (BGH, GRUR 2012, 93 Rn. 5 - Klimaschrank).
Wird aber das Klagepatent durch das erstinstanzlich zur Beurteilung seiner Rechtsbeständigkeit berufene Bundespatentgericht für nichtig erklärt, ist grundsätzlich nicht nur die Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits, sondern auch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil angezeigt (BGHZ 202, 288 Rn. 5 - Kurznachrichten). Dies beruht auf der Erwägung, dass aufgrund der Entscheidung des auch mit technischen Richtern besetzten Spruchkörpers eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Schutzrecht, auf das sich der Verletzungskläger stützt, keinen Bestand haben wird und damit die Grundlage für ein Verletzungsurteil entfällt. Deshalb überwiegen in dieser Situation grundsätzlich die Interessen des Beklagten.
Eine andere Einschätzung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich aus den Gründen der patentgerichtlichen Entscheidung gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese einer Überprüfung im Berufungsverfahren aller Voraussicht nach nicht standhalten wird (BGHZ 202, 288 Rn. 6 - Kurznachrichten; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 10. Auflage, E 663).
2. Nach diesen Maßgaben übt der Senat sein Ermessen dahin aus, dass das Revisionsverfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens im Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt wird.
a) Nach der derzeit allein möglichen vorläufigen Beurteilung wird der Erfolg ihres Rechtsmittels, wie auch die Klägerin in ihrer Stellungnahme geltend macht, im Wesentlichen davon abhängen, ob das Verständnis insbesondere der Patentansprüche 1 und 17, das das Patentgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend ist. Das Patentgericht hat diese Auslegung in ausführlicher Auseinandersetzung mit dem bereits im ersten Rechtszug von der hiesigen Klägerin eingenommenen abweichenden Standpunkt begründet. Im derzeit erreichten Sach- und Streitstand sieht der Senat den Ausgang des Berufungsverfahrens als offen an.
b) Die weiteren von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung.
aa) Die Beklagte hat die Nichtigkeitsklage im August 2015 erhoben und damit nur ein knappes Jahr, nachdem die Verletzungsklage rechtshängig wurde. Der Verzögerung der Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren, die dadurch herbeigeführt wurde, dass eine schon zuvor erhobene Nichtigkeitsklage wegen unterbliebener Einzahlung der erforderlichen Gerichtsgebühren als nicht erhoben galt, kommt danach keine maßgebliche Bedeutung zu.
bb) Der Einwand der Klägerin, selbst bei einer Fortführung des Revisionsverfahrens sei nicht mit einem Abschluss des Verletzungsrechtsstreits vor der Entscheidung über die Berufung im Nichtigkeitsverfahren zu rechnen, weil ihre Revision nur zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führen werde, greift bereits deshalb nicht durch, weil mit Blick auf die Zweifel hinsichtlich des Rechtsbestands des Klagepatents die Grundlage für die Verletzungsprüfung nicht hinreichend gesichert ist.
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