Entscheidungsdatum: 28.09.2011
Klimaschrank
Auch im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung, ob ein Patentverletzungsrechtsstreit im Hinblick auf eine anhängige Patentnichtigkeitsklage ausgesetzt werden soll, nicht nur das Interesse an widerspruchsfreien Entscheidungen zu berücksichtigen, sondern auch das Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens. Dem Interesse des Verletzungsklägers kommt umso stärkeres Gewicht zu, je später die Nichtigkeitsklage erhoben worden ist .
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. April 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1 Million Euro festgesetzt.
I. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
II. Die von der Beklagten beantragte Aussetzung bis zur Entscheidung über die von ihr gegen das Klagepatent am 2. Dezember 2010 - knapp acht Monate nach Verkündung des angefochtenen Urteils - erhobene Nichtigkeitsklage hält der Senat nicht für zweckmäßig.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Patentverletzungsrechtsstreit gemäß § 148 ZPO ausgesetzt werden, wenn gegen das Patent, auf das die Klage gestützt wird, eine Nichtigkeitsklage anhängig ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Änderung der Patentlage, insbesondere eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Patents, auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen ist und im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde zur Zulassung der Revision führt, wenn diese Änderung Auswirkungen auf die Entscheidung im Verletzungsrechtsstreit haben kann (BGH, Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 375 f. - Druckmaschinen-Temperierungssystem I).
Auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde liegt die Entscheidung über die Aussetzung, sofern die Voraussetzungen des § 148 ZPO erfüllt sind, jedoch im Ermessen des Gerichts. Bei Ausübung dieses Ermessens kommt eine Aussetzung im Einzelfall auch dann in Betracht, wenn die Nichtigkeitsklage erst nach Abschluss der Tatsacheninstanzen im Verletzungsrechtsstreit erhoben worden ist, bei der in diesem Zusammenhang gebotenen vorläufigen Bewertung aber als erfolgversprechend anzusehen ist.
Allerdings hat der Senat im Rahmen dieser Ermessensentscheidung nicht nur das Interesse an widerspruchsfreien Entscheidungen zu berücksichtigen. Er muss vielmehr alle für die Entscheidung relevanten Umstände in die zu treffende Abwägung einbeziehen. Zu diesen Umständen gehört das Interesse des Verletzungsbeklagten, nicht aus einem möglicherweise nichtigen Patent in Anspruch genommen zu werden, aber auch das Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens (BGHZ 158, 372, 376 - Druckmaschinen-Temperierungssystem I). Letzterem kommt umso stärkeres Gewicht zu, je später die Nichtigkeitsklage erhoben worden ist. Wenn der Verletzungsbeklagte während der Tatsacheninstanzen des Verletzungsprozesses und während eines erheblichen Zeitraums nach deren Abschluss davon abgesehen hat, sich mit der Nichtigkeitsklage zu verteidigen und damit zeitnah Klarheit über den Bestand des Patents zu schaffen, kommt eine Verzögerung des Verfahrensabschlusses durch Aussetzung des an sich entscheidungsreifen Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde, die zulasten des Verletzungsklägers ginge, in der Regel nur dann in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der Nichtigkeitsklage offenkundig ist. Dies ist hier nicht der Fall.
In der Konstellation des Streitfalls erscheint es deshalb zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verletzungsbeklagten ausreichend und zumutbar, die Verurteilung im Verletzungsrechtsstreit mittels einer Restitutionsklage entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. Juli 2010 Xa ZR 118/09, GRUR 2010, 996 Rn. 12 - Bordako) anzugreifen, wenn das Patent nachträglich für nichtig erklärt wird.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster