Entscheidungsdatum: 12.07.2016
Lottoblock II
1. Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB kommt es darauf an, inwieweit eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung des Gerichts oder der Kartellbehörde festgestellt worden ist. Während eine Bußgeldentscheidung regelmäßig Feststellungen zur Dauer des Verstoßes enthalten wird, ist der Zeitraum des Verstoßes bei Entscheidungen im Kartellverwaltungsverfahren nicht notwendig zu bestimmen.
2. Bei im Rechtsbeschwerdeverfahren ergangenen Entscheidungen besteht Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB allein für diejenigen rechtsfehlerfreien tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, die die Entscheidung des Bundesgerichtshofs tragen.
3. Jedenfalls bei einem punktuellen Kartellrechtsverstoß wie einer einmaligen Verhaltensabstimmung, deren Auswirkungen potentiell zeitlich unbeschränkt sind, lässt die Zustellung einer kartellbehördlichen, sofort vollziehbaren Abstellungsverfügung für sich allein die Vermutung einer andauernden Bestimmung oder Beeinflussung des Marktgeschehens durch die Verhaltenskoordination regelmäßig nicht entfallen.
4. Für die Frage, ob und in welcher Höhe durch einen Kartellrechtsverstoß ein Schaden entstanden ist, gilt das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO; dagegen ist nach § 286 ZPO festzustellen, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß betroffen ist.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. April 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, die bis 22. Mai 2012 als J. GmbH und danach bis 14. Mai 2014 als F. GmbH firmierte, ist eine bundesweit tätige gewerbliche Spielvermittlerin. Gegenstand ihrer Vermittlung waren insbesondere die von den Lottogesellschaften der Bundesländer veranstalteten Lotterien. Die Beklagte ist die Lottogesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Ab April 2005 versuchte die Klägerin, eine terrestrische Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen. Dazu sollten Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften, etwa Supermärkten oder Tankstellen, eingerichtet werden. Einnahmen wollte die Klägerin aus Handlingentgelten der Spielteilnehmer sowie Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen. Das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin sah die Wahrung des sogenannten "Regionalitätsprinzips" der Lottogesellschaften vor: Die Klägerin beabsichtigte, Spielaufträge immer nur an die Lottogesellschaft zu vermitteln, in deren Bundesland der Spielteilnehmer jeweils wohnte.
Unter Beteiligung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten fasste der Rechtsausschuss des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) am 25./26. April 2005 folgenden Beschluss:
"Der Rechtsausschuss fordert die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks auf, Umsätze, die auf diese - nach seiner Auffassung rechtswidrige - Art und Weise durch terrestrischen Vertrieb Gewerblicher erzielt worden sind, nicht anzunehmen ..."
Dieser Beschluss war Gegenstand eines vom Bundeskartellamt eingeleiteten Missbrauchsverfahrens. Mit sofort vollziehbarer Abstellungsverfügung vom 23. August 2006 traf das Bundeskartellamt, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, folgende Feststellungen und Anordnungen (WuW/E DE-V 1251):
A. Die am 25./26. April 2005 beschlossene Aufforderung des Rechtsausschusses des Deutschen Lotto- und Totoblocks an alle Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen, hat gegen Art. 81 EG und § 1 GWB sowie gegen § 21 Abs. 1 GWB und Art. 82 EG verstoßen.
1. Den Betroffenen zu 1 bis zu 18 (DLTB und Lottogesellschaften) wird daher nach § 32 GWB untersagt, die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks aufzufordern, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen.
2. Den Betroffenen zu 2 bis zu 18 wird nach § 32 GWB untersagt, den unter 1 bezeichneten Beschluss ... weiter umzusetzen und sich bei ihrer Geschäftstätigkeit daran zu halten.
....
E. Jede fahrlässige oder vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die vollziehbaren Anordnungen zu A.1 bis A.4 ... stellt eine mit Bußgeld bedrohte Ordnungswidrigkeit dar (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a GWB), die nach § 81 Abs. 4 GWB mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro, bei Unternehmen darüber hinaus bis zu 10% des jeweils im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes geahndet werden kann.
Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juni 2007, WuW/E DE-R 2003) und dem Bundesgerichtshof (Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 - Lottoblock) in der Sache ohne Erfolg.
Die Klägerin nahm im Jahr 2005 mit verschiedenen Kooperationspartnern die terrestrische Vermittlung von Lotterien auf. Allerdings waren die Lottogesellschaften nicht bereit, hierfür Provisionen zu zahlen. Nachdem im Laufe der Zeit die ursprünglich beabsichtigte Kooperation mit allen Lottogesellschaften unter Wahrung des Regionalitätsprinzips ausgeschlossen erschien, änderte die Klägerin ihr Konzept für den terrestrischen Vertrieb. Spieleinsätze sollten bei den stationären Partnern der Klägerin weiterhin bundesweit akquiriert, jedoch nur noch an einzelne Lottogesellschaften vermittelt werden. Bis Ende 2008 hatte die Klägerin die Möglichkeit, solche bundesweit akquirierten Spieleinsätze über eine Schnittstelle bei Lotto B. einzuspielen. Allerdings gewährte Lotto B. die Schnittstelle nicht freiwillig, sondern allein in Befolgung mehrerer von der Klägerin erstrittener gerichtlicher Anordnungen. Danach stellte die Klägerin die terrestrische Vermittlung ein; die insoweit nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 ab 1. Januar 2009 erforderliche Erlaubnis hatte sie lediglich für Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erhalten.
Die Klägerin fordert unter dem Aspekt entgangenen Gewinns für die Jahre 2006 bis 2008 Schadensersatz in vom Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmender Höhe, mindestens jedoch 8,25 Millionen €, zuzüglich Zinsen, weil die Lottogesellschaften sich aufgrund kartellrechtswidrigen, abgestimmten Verhaltens geweigert hätten, mit ihr bei der terrestrischen Spielvermittlung unter Zahlung von Vermittlungsprovisionen zu kooperieren. Zur Schadenshöhe hat sie sich insbesondere auf einen Geschäftsplan, Marktanalysen und ein Privatgutachten gestützt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 11.538.020,51 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage lediglich wegen eines Teils der geltend gemachten Zinsen abgewiesen (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 4394). Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
A. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für schadensersatzpflichtig erachtet und dazu ausgeführt:
Aufgrund der Senatsentscheidung "Lottoblock" (BGH, WuW/E DE-R 2408) stehe gemäß § 33 Abs. 4 GWB mit Bindungswirkung fest, dass die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften von der Beschlussfassung im DLTB am 25./26. April 2005 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 ihr Verhalten abgestimmt und sich hierdurch kartellrechtswidrig verhalten hätten. Auch in der Folgezeit (31. Mai 2007 bis Ende 2008) streite eine Vermutung für eine Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften, die von der Beklagten nicht widerlegt worden sei. Der Kartellrechtsverstoß der Beklagten sei schuldhaft erfolgt und zumindest mitursächlich für das Scheitern des Geschäftsmodells der Klägerin, woraus dieser ein Schaden in Höhe des zuerkannten Betrags entstanden sei.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin zwar aufgrund Beteiligung an einer kartellrechtswidrigen Abstimmung mit den anderen Lottogesellschaften dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlauben indes keine abschließende Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin durch die verbotene Verhaltensabstimmung in den Jahren 2006 bis 2008 tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, aufgrund des im Kartellverwaltungsverfahren "Lottoblock" ergangenen Senatsbeschlusses (WuW/E DE-R 2408) stehe mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, dass sich die Beklagte im Zeitraum vom 25./26. April 2005 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren aufgrund einer mit den anderen Lottogesellschaften der Länder abgestimmten Verhaltensweise unter Verstoß gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) und § 1 GWB geweigert habe, terrestrisch vermittelte Spieleinsätze gewerblicher Spielvermittler anzunehmen.
1. Bei Schadensersatzklagen wegen Verstößen gegen das deutsche oder Unionskartellrecht ist das Gericht gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB an die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen gebunden, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen des Bundeskartellamts ergangen sind. Die Bindungswirkung erfasst nicht nur den Tenor, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung und erstreckt sich auf die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (vgl. etwa Dreher, ZWeR 2008, 325, 328 f.; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, 2010, S. 426 f.; Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung durch private Schadensersatzklagen, 2010, S. 174, 179; Bornkamm in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., § 33 Rn. 169; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Aufl., § 33 Rn. 42; aA Meyer, GRUR 2006, 27, 29 f.).
Zwar verwendet die Begründung des Regierungsentwurfs zur 7. GWB-Novelle zur Bezeichnung der mit § 33 Abs. 4 GWB gewollten Wirkung den Begriff "Tatbestandswirkung" (Begründung zum Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 15/3640, S. 54). Damit ist jedoch keine Tatbestandswirkung im verwaltungsrechtlichen Sinn gemeint, die allein an den Tenor einer Entscheidung anknüpft. Ein solches enges Verständnis des § 33 Abs. 4 GWB wäre unvereinbar mit dem Zweck der Bestimmung, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. 15/3640, S. 35). Auch aus dem Zusammenhang der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei Einführung von § 33 Abs. 4 GWB keine enge Tatbestandswirkung im verwaltungsrechtlichen Sinn beabsichtigt hat. Danach bezieht sich die Tatbestandswirkung auf die Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes, während alle weiteren Fragen, insbesondere zur Schadenskausalität und zur Schadensbezifferung, der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegen (BT-Drucks. 15/3640, S. 54). Feststellungen zur Kausalität und zur Schadenshöhe sind indes nie im Tenor einer kartellbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung enthalten, sondern stets nur in den Entscheidungsgründen. Die Differenzierung zwischen der Feststellung des Verstoßes und allen weiteren Fragen in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 33 Abs. 4 GWB kann sich daher nur auf die Entscheidungsgründe beziehen (Dreher, ZWeR 2008, 325, 329).
Zudem wäre der Regelungsinhalt bei einem engen Verständnis der Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB rein deklaratorisch, weil die Bindung an den Entscheidungstenor einer bestandskräftigen behördlichen oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ohnehin besteht, ohne dass es einer besonderen gesetzlichen Regelung bedarf. Die Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 GWB erfasst daher alle im vorangegangenen Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die den Lebenssachverhalt bilden, bezüglich dessen ein Kartellrechtsverstoß festgestellt wurde, und die seine rechtliche Einordnung als Verstoß tragen (vgl. Nothdurft, Festschrift für Tolksdorf, 2014, S. 533, 541).
Soweit eine die kartellbehördliche Verfügung bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof überprüft worden ist, ist allerdings zu beachten, dass der Bundesgerichtshof keine eigenen Feststellungen trifft (§ 76 Abs. 4 GWB). Vielmehr hat er seiner Entscheidung die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts zugrunde zu legen. Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 S. 2 GWB besteht in diesem Fall für diejenigen tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Zurückweisung der Beschwerde tragen. Soweit das Beschwerdegericht weitere Feststellungen getroffen haben sollte, sind sie für die rechtskräftige Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren ohne Bedeutung und werden nicht von der Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 S. 2 GWB erfasst.
2. Das Berufungsgericht hat danach zutreffend angenommen, nach seiner Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren und dem die Rechtsbeschwerde, soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse, zurückweisenden Senatsbeschluss "Lottoblock" stehe für den vorliegenden Schadensersatzprozess mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, dass es die Beklagte und die anderen Landeslottogesellschaften unter Verstoß gegen Art. 81 EG und § 1 GWB in Umsetzung des Beschlusses des Rechtsausschusses des DLTB vom 25./26. April 2005 abgelehnt haben, terrestrisch vermittelte Spieleinsätze der gewerblichen Spielvermittler anzunehmen. Richtig ist ebenso die Annahme, diese Beurteilung beruhe auf der im Kartellverwaltungsverfahren nicht ausgeräumten Vermutung, der Beschluss des Rechtsausschusses sei von den Lottogesellschaften bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigt worden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock, mit Hinweis auf EuGH, Slg. 1999, I-4125 = WuW/E EU-R 320 Rn. 121, 126 - Anic Partecipazioni).
3. Das Berufungsgericht hat jedoch fehlerhaft angenommen, aufgrund dieser Vermutung sei die andauernde Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens aller Lottogesellschaften bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 gemäß § 33 Abs. 4 GWB mit Bindungswirkung für den Schadensersatzprozess festgestellt.
a) Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB kommt es auf die im Vorverfahren oder -prozess getroffenen tatsächlichen Feststellungen an. Handelt es sich um eine Bußgeldentscheidung, so wird sie regelmäßig Feststellungen zur Dauer des Verstoßes enthalten, weil es sich dabei um ein wesentliches Zumessungskriterium im Rahmen von § 17 OWiG handelt (zu einem derartigen Fall vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 U 51/12 (Kart), juris Rn. 46, insoweit nicht in NZKart 2014, 366). Bei Entscheidungen im Kartellverwaltungsverfahren ist dagegen der Zeitraum des Verstoßes nicht notwendig zu bestimmen. Für die Rechtmäßigkeit einer Abstellungsverfügung gemäß § 32 GWB kommt es darauf an, ob eine Zuwiderhandlung gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV begangen worden ist oder jedenfalls droht. Die Abstellungsverfügung setzt mithin lediglich eine Begehungsgefahr voraus, die sich regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, aus einer in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung ergibt (BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 52 - Lottoblock; Bornkamm in Langen/Bunte aaO, § 32 GWB Rn. 15). Mit der Feststellung einer Wiederholungsgefahr wird jedoch nicht die andauernde weitere Begehung der Zuwiderhandlung festgestellt. Die Feststellung der Gefahr eines (weiteren) Verstoßes ist nicht mit der Feststellung eines tatsächlich eingetretenen Verstoßes gleichzusetzen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für den Umfang der Bindungswirkung unerheblich, welcher Tatsachenvortrag bis zur letzten Tatsachenverhandlung im Kartellverwaltungsverfahren gehalten werden konnte. Maßgeblich ist vielmehr allein, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der abschließenden Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren festgestellt worden ist. Selbst wenn festgestellt worden wäre, dass die Zuwiderhandlung eingestellt worden sei, hätte dies die Wiederholungsgefahr nach allgemeinen Grundsätzen nicht beseitigt und wäre daher für die Entscheidung unerheblich gewesen.
b) Danach steht für den vorliegenden Schadensersatzprozess mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Verstoß der Lottogesellschaften gegen Art. 81 EG und § 1 GWB für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2006 nicht fest.
Im Beschluss "Lottoblock" hat der Senat die Annahme eines Kartellrechtsverstoßes der Lottogesellschaften im Anschluss an die Entschließung des Rechtsausschusses des DLTB vom 25./26. April 2005 durch das Beschwerdegericht gebilligt, weil die für die Befolgung dieses Beschlusses bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens streitende Vermutung nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht widerlegt worden war. Er hat dabei auf Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Verhalten verschiedener Lottogesellschaften bis Ende 2005 Bezug genommen, aus dem sich ergibt, dass die Lottogesellschaften den Beschluss des Rechtsausschusses vielmehr befolgt haben (BGH, WuW/E DE-R 2406 Rn. 41-44 - Lottoblock). Diese Erwägung gehört zu den tragenden Gründen der Senatsentscheidung "Lottoblock", weil bei einer Widerlegung der für ein abgestimmtes Verhalten der Lottogesellschaften sprechenden Vermutung die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts insoweit hätte aufgehoben werden müssen. Da es sich bei einem kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhalten um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt, haften alle daran teilnehmenden Unternehmen und damit auch die Beklagte nach §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 80 - ORWI, zur Verabredung und Durchführung eines Kartells). Dazu, ob und gegebenenfalls wie lange der Kartellrechtsverstoß der Lottogesellschaften ab dem 1. Januar 2006 noch andauerte, verhält sich die Senatsentscheidung "Lottoblock" dagegen nicht, und Ausführungen hierzu würden die Entscheidung und diejenige des Beschwerdegerichts auch nicht tragen.
Soweit sich der Senat in Randnummer 46 des Beschlusses mit der Frage befasst hat, ob einzelne Lottogesellschaften ihre Verträge über terrestrische Spielvermittlung aus anderen - kartellrechtlich unbedenklichen - Gründen im Juni 2006 wirksam gekündigt haben, steht dies nicht im Zusammenhang mit Feststellungen über die Fortsetzung des abgestimmten Verhaltens bis zu diesem Zeitpunkt. Vielmehr geht es dort allein um die Frage, ob der ursprünglichen Beteiligung auch der dort genannten Lottogesellschaften an dem abgestimmten Verhalten entgegenstehen könnte, dass sie später - unter Umständen berechtigt - die Zusammenarbeit mit den gewerblichen Spielvermittlern gekündigt haben.
II. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Lottogesellschaften und damit auch die Beklagte den Beschluss des Rechtsausschusses bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens auch über den 31. Dezember 2005 hinaus berücksichtigt haben. Hierfür streitet eine tatsächliche Vermutung (vgl. EuGH, Slg. 1999, I-4125 = WuW/E EU-R 320 Rn. 121, 126 - Anic Partecipazioni; BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass diese Vermutung weder durch das "ODDSET-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) noch durch den "Aufhebungsbeschluss" des Rechtsauschusses des DLTB vom Juli 2006, die Zustellung der Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts oder andere tatsächliche Umstände ausgeräumt worden ist.
1. Unternehmen, die ihr Verhalten koordiniert haben, weil sie sich wirtschaftliche Vorteile durch die Beseitigung oder Verringerung des zwischen ihnen bestehenden Wettbewerbs versprechen, haben danach regelmäßig weder Anlass, die Verhaltenskoordinierung zu bekräftigen, noch von ihr abzuweichen. Dies gilt jedenfalls, solange die für die Abstimmung wesentlichen ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fortdauern und kein Beteiligter erkennbar aus ihr ausbricht. Das rechtfertigt die Vermutung, dass sich die Beteiligten bei ihrem weiteren Marktauftritt so verhalten, wie sie es untereinander abgestimmt haben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat das Eingreifen der Vermutung einer andauernden Zuwiderhandlung demgemäß lediglich an die Voraussetzung geknüpft, dass eine Abstimmung vorliegt und dass die Unternehmen weiterhin auf dem Markt tätig sind (vgl. EuGH, Slg. 2009, I-4529 Rn. 58 - T-Mobile Netherlands BV). Die nationalen Gerichte haben diese Vermutung als integralen Bestandteil des Unionsrechts anzuwenden (vgl. EuGH, WuW 2016, 126 Rn. 33 - Eturas). Aufgrund dieser Vermutung konnte und musste das Berufungsgericht eine Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften über den 31. Dezember 2005 hinaus annehmen.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Vermutung nicht schon durch den Hinweis der Beklagten auf das "ODDSET-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) als ausgeräumt angesehen.
a) Zwar scheidet eine Berücksichtigung dieses Urteils entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, wie ausgeführt, nicht schon aus zeitlichen Gründen wegen der Bindungswirkung der Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB aus.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten stand jedoch mit der "ODDSET-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts nicht fest, dass die Lottogesellschaften sich auf keine Vertriebskooperation mit der Klägerin einlassen durften. Ein Verbot gewerblicher Glücksspielvermittlung wird in der Entscheidung nicht ausgesprochen. Um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, haben die Bundesländer den Glücksspielstaatsvertrag abgeschlossen, der am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Der Glücksspielstaatsvertrag schloss eine länderübergreifende gewerbliche Spielvermittlung nicht aus, sondern stellte sie nur unter Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 19 i.V.m. §§ 4 bis 7 GlüStV; BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 54, 66 - Lottoblock). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung gebilligt und eine gewerbliche Spielvermittlung damit weiterhin für grundsätzlich zulässig gehalten (BVerfG [Kammer], NVwZ 2008, 1338 Rn. 32, 45, 52).
Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht den Staat während der Übergangszeit bis zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Glücksspielwesens verpflichtet, Wetten nicht expansiv zu vermarkten (BVerfGE 115, 276, 319). Der Senat hat dazu ausgeführt, es liege nicht fern, als unzulässige Erweiterung staatlicher Wettveranstaltung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur neue Glücksspiele, sondern auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten für bereits verfügbare Spielangebote durch weitere staatliche Lottogesellschaften anzusehen (BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 100 - Lottoblock). Diese Erwägung kann aber nicht ohne weiteres auf eine neue Form des schon bestehenden stationären Vertriebs für die hier in Rede stehenden Lotterien "6 aus 49", "Spiel 77" und "Super 6" übertragen werden, denen unter den Aspekten des Spieler- und Jugendschutzes ein geringeres Gefährdungspotential beigemessen wird als etwa Sportwetten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin die Wahrung des "Regionalitätsprinzips" der Lottogesellschaften vorsah, wonach die terrestrische Vermittlung jeweils an die Lottogesellschaft erfolgen sollte, in deren Gebiet der Spieler seinen Wohnsitz hatte. Eine Ausdehnung des räumlichen Tätigkeitsgebiets der einzelnen Lottogesellschaften wäre also mit der Vermittlungstätigkeit der Klägerin nicht verbunden gewesen.
Unter diesen Umständen räumt die "ODDSET-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts die Vermutung der Fortsetzung des Kartellrechtsverstoßes nicht aus. Für eine Abkehr von dem abgestimmten Verhalten hätte die Beklagte vielmehr zumindest autonom - in Auseinandersetzung mit den Gründen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung - die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Klägerin und den möglichen Inhalt entsprechender Vereinbarungen prüfen müssen. Entsprechenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie geltend macht, die vom Berufungsgericht erwogenen verfassungsgemäßen Vereinbarungen mit Spielvermittlern hätten nicht kurzfristig abgeschlossen und umgesetzt werden können, belegt dies nicht, dass die weitere Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Klägerin nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr auf einem abgestimmten Verhalten der Lottogesellschaften, sondern auf einer autonomen Entscheidung der Beklagten beruhte.
3. Die Vermutung einer Ausrichtung des Marktverhaltens an der getroffenen Verhaltensabstimmung ist auch nicht im Hinblick auf den "Aufhebungsbeschluss" des Rechtsausschusses des DLTB vom Juli 2006 und die jeweils gleichlautenden Erklärungen der Lottogesellschaften widerlegt, eine solche oder ähnliche Beschlussfassung künftig nicht zu beabsichtigen. Der Senat hat im Beschluss "Lottoblock" (WuW/E DE-R 2408 Rn. 53) die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts gebilligt, dem "Aufhebungsbeschluss" und den Erklärungen der Lottogesellschaften könne keine ernsthafte und endgültige Aufgabe der beanstandeten Verhaltensweise entnommen werden. Die Aufhebung der Beschlussfassung erfolgte danach nur vorsorglich und ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Ebenso wenig wie die Erklärung der Lottogesellschaften, den festgestellten Kartellverstoß nicht mehr wiederholen zu wollen, vor diesem Hintergrund eine hinreichende Gewähr für die Annahme bot, die in Rede stehende Verhaltensweise sei endgültig und ernsthaft aufgegeben worden, war sie geeignet, die Vermutung einer weiteren Ausrichtung des Marktverhaltens an der getroffenen Verhaltensabstimmung entfallen zu lassen, für die es gerade nicht auf eine Wiederholung der Beschlussfassung ankam.
4. Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, sie habe eine Zusammenarbeit mit der Klägerin zum Schutz ihrer eigenen Vertriebsorganisation ablehnen dürfen, wäre eine entsprechende, autonom getroffene Entscheidung kartellrechtlich nicht zu beanstanden. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Klägerin tatsächlich auf einer solchen autonomen Entscheidung beruhte.
5. Schließlich ist auch die Zustellung der Abstellungsverfügung am 23. August 2006, mit der den Kartellteilnehmern die Fortsetzung der Zuwiderhandlung bußgeldbewehrt und sofort vollziehbar untersagt wurde, für sich allein nicht geeignet, die Vermutung entfallen zu lassen, die Lottogesellschaften hätten ihr Verhalten gegenüber der Klägerin auch in der Folgezeit an der getroffenen Abstimmung ausgerichtet.
a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vermutung für eine andauernde Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht der Union bislang ausschließlich für Zeiträume vor dem Erlass einer Bußgeld- oder Untersagungsentscheidung der Kommission oder der Kartellbehörde eines Mitgliedstaats anerkannt.
Das Urteil "Anic Partecipazioni" des Gerichtshofs von 1999 (Slg. 1999, I-4125) betrifft eine von Mitte 1977 bis November 1983 andauernde Zuwiderhandlung, die im Oktober 1983 zu Nachprüfungen und am 23. April 1986 zu einer Bußgeldentscheidung der Kommission geführt hatte (ABl. 1986, L 230/1 - Polypropylen). In der Sache "T-Mobile Netherlands BV" (Slg. 2009, I-4529) wurde im Anschluss an ein Abstimmungsgespräch von Wettbewerbern am 13. Juni 2001 ein unter ihnen abgestimmtes Verhalten angenommen, das am 1. November 2001 endete, wobei bis zum 1. Juli 2002 Umsätze aufgrund des Kartellrechtsverstoßes erzielt worden sind. Die niederländische Wettbewerbsbehörde (Nederlandse Mededingingsautoriteit) erließ unter dem 30. Dezember 2002 den ersten Bußgeldbescheid in dieser Sache (vgl. Beschluss der Nederlandse Mededingingsautoriteit vom 26. Oktober 2011, 2658/883 - Mobiele operators, abrufbar unter www.acm.nl/nl/publicatis/publicatie/4591/besluit-op-bezwaar-kpn-t-mobile-en-vodafone-boete-kartelafspraken-m-mitspraak-CBb/). Damit stand auch bei der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "T-Mobile Netherlands BV" (Slg. 2009, I-4529) keine Anwendung der Vermutung einer Fortsetzung der Zuwiderhandlung in Rede, die über die Zustellung einer kartellbehördlichen Verfügung hinausging.
b) Ein Kartellrechtsverstoß kann enden, wenn im Geschehen eine Zäsur eintritt (Bornkamm in Langen/Bunte aaO § 32 GWB Rn. 16). Eine die Vermutung andauernden kartellrechtswidrigen Verhaltens beendende Zäsurwirkung kann unter Umständen auch einer Abstellungsverfügung zukommen, die im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren ergangen ist. Es liegt nicht fern zu erwarten, dass sich ein grundsätzlich rechtstreuer Adressat an eine sofort vollziehbare behördliche Untersagungsverfügung hält.
c) Jedenfalls bei einem punktuellen Kartellrechtsverstoß wie einer einmaligen Verhaltensabstimmung, deren Auswirkungen potentiell zeitlich unbeschränkt sind, kann die Zustellung der Verfügung für sich allein indes die Vermutung einer andauernden Bestimmung oder Beeinflussung des Marktgeschehens durch die Verhaltenskoordination regelmäßig nicht entfallen lassen. Andernfalls würde vernachlässigt, dass die Beteiligten in einem solchen Fall, ohne erneut aktiv kartellrechtswidrig handeln zu müssen, sich schlicht weiter an die einmal getroffene Abstimmung halten können. Es liegt deshalb nahe, dass die Teilnehmer einer solchen, durch eine punktuelle Handlung ins Werk gesetzten Abstimmung auch nach Zustellung der Untersagungsverfügung unverändert an ihrem abgestimmten Verhalten festhalten. Für die Widerlegung der Vermutung einer Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens ist es in einem solchen Fall auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung weiterhin erforderlich, dass sich ein an dem Kartellrechtsverstoß beteiligtes Unternehmen offen und eindeutig von der Abstimmung distanziert, so dass den anderen Teilnehmern bewusst wird, dass es sich nicht mehr daran hält (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-123 Rn. 81 bis 84 = WuW/E EU-R 899 - Aalborg Portland u.a.; EuG, NZKart 2015, 396 Rn. 194 - Westfälische Drahtindustrie, mwN). Dafür kommt bei Boykottsachverhalten der hier in Rede stehenden Art in erster Linie eine erkennbare erneute, autonome Entscheidung über die aufgrund der Abstimmung abgelehnte Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen in Betracht.
Dieses Verständnis der unionsrechtlichen Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten trägt dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung, wonach Verfahrensregeln der Mitgliedstaaten die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte, zu denen das Recht der durch einen Verstoß gegen Unionskartellrecht Geschädigten auf Schadensersatz gehört, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (vgl. EuGH, WuW 2016, 126 Rn. 32 f., 35 - Eturas). In diesem Zusammenhang stellt sich keine Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordert. Im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz unterliegt keinem vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.), dass das Unionsrecht ein nationales Gericht jedenfalls nicht daran hindert, die Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten unter den im Streitfall bestehenden Umständen auch noch nach Zustellung einer kartellbehördlichen Abstellungsverfügung anzuwenden.
d) Das Berufungsgericht hat nichts dafür festgestellt, dass die Lottogesellschaften die Zustellung der Verfügung zum Anlass genommen hätten, ihre Haltung gegenüber dem von der Klägerin an sie herangetragenen Geschäftsmodell zu ändern oder auch nur in eine autonome Prüfung dieses Modells einzutreten. Dagegen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten übergangen, sie habe in ihrem an das Bundeskartellamt adressierten Schreiben vom 23. Juli 2007 erläutert, aus welchen unternehmerischen Gründen sie sich einstweilen auf den terrestrischen Vertrieb durch ihre Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen beschränken wolle, und habe diese Stellungnahme zugleich an ihre Verfahrensbevollmächtigten weitergeleitet, die im Kartellverwaltungsverfahren sämtliche Lottogesellschaften vertreten hätten, weswegen diesen die Kenntnis der gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen sei, kann sie damit nicht durchdringen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem keine Abkehr von dem abgestimmten Verhalten durch eine erkennbare autonome Entscheidung über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Klägerin entnommen hat. Die Stellungnahme stellte keine unternehmerische Entscheidung dar, sondern diente der Rechtsverteidigung gegenüber der Kartellbehörde. Sie enthielt schon deshalb auch kein Signal an die anderen Lottogesellschaften, sich von der Verhaltensabstimmung abkehren zu wollen. Wäre sie, wie die Revision meint, durch die Übersendung an die gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten den anderen Lottogesellschaften zugänglich gemacht worden, musste sie diese eher in der Erwartung bestärken, die Beklagte werde auch künftig von der abgestimmten Verhaltensweise nicht abweichen. Unter diesen Umständen lässt es keinen Rechtsfehler erkennen, wenn das Berufungsgericht angenommen hat, dass die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Klägerin auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung auf der kartellrechtswidrigen Abstimmung des Verhaltens der Lottogesellschaften beruhte.
III. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die Umsetzung des kartellrechtswidrigen Beschlusses des DLTB-Rechtsausschusses durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften einschließlich der Beklagten sei schuldhaft erfolgt. So wurde in einer Vorlage für die Sitzung des DLTB-Rechtsausschusses vom 25./26. April 2015 ausdrücklich ausgeführt, die Lottogesellschaften müssten "ungeachtet eventueller kartellrechtlicher Bedenken" "als Block geschlossen" eine terrestrische Spielvermittlung verhindern. Damit haben die Lottogesellschaften jedenfalls fahrlässig gegen Kartellrecht verstoßen. Entgegen der Ansicht der Revision steht einem Verschulden der Beklagten auch nicht entgegen, dass ihr nach § 5 Abs. 3 Satz 2 LoStV verboten war, Glücksspiele außerhalb Nordrhein-Westfalens zu vertreiben oder vertreiben zu lassen. Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sah jedenfalls das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin die Wahrung dieses "Regionalitätsprinzips" vor, so dass es auf dessen kartellrechtliche Beurteilung nicht mehr ankommt.
IV. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kartellrechtsverstoß der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften sei für das Scheitern des Geschäftsmodells der Klägerin kausal geworden und ihr sei hierdurch ein Schaden in Höhe von 11.538.020,51 € entstanden, hält rechtlicher Nachprüfung indes nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass schon für die Frage, ob der Klägerin durch den Kartellrechtsverstoß der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist, das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO gilt. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2004 - IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521, 1522).
a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist. Die Vorschrift ist aber nur anwendbar, soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht. Für Umstände, die zur haftungsbegründenden Kausalität gehören, ist § 286 ZPO maßgeblich (BGH, Urteil vom 5. November 2013 - VI ZR 527/12, NJW 2014, 688 Rn. 13; Urteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, NJW 2008, 1381 Rn. 9). Bei deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen, gehört die primäre Rechtsgutverletzung zur haftungsbegründenden Kausalität (BGH, NJW 2008, 1381 Rn. 9; BGH, Urteil vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 Rn. 10; Urteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, NJW 1987, 705, 706). Entsteht ein Schadensersatzanspruch dagegen unabhängig von der Verletzung eines Rechtsguts, ist bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen (BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3075 f.; zur Abgrenzung zwischen haftungsausfüllender und haftungsbegründender Kausalität vgl. BeckOK.ZPO/Bacher, 20. Aufl., Stand 1. März 2016, § 287 Rn. 3 bis 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rn. 15).
b) Begehrt ein Kläger wegen eines Verstoßes gegen Kartellrecht Schadensersatz, macht er einen Schaden geltend, ohne dass die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts erforderlich ist. Für die Frage, ob infolge des Kartellrechtsverstoßes ein Schaden entstanden ist, gilt deshalb die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2014 - VI-U (Kart) 7/13, juris Rn. 76 bis 82, insoweit nicht vollständig in WuW/E DE-R 4477, 4480).
Entgegen der Ansicht der Revision hat der Wortlaut von § 33 Abs. 3 Satz 3 GWB in diesem Zusammenhang keine Aussagekraft. Danach kann bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 ZPO insbesondere der anteilige Gewinn berücksichtigt werden, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat. Eine Beschränkung des Beweismaßes von § 287 ZPO allein auf die Frage des Umfangs des Schadens kann dieser Regelung nicht entnommen werden.
c) Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (nachfolgend: Schadensersatzrichtlinie, ABl. 2014, L 349 S. 1), die bis zum 27. Dezember 2016 in das deutsche Recht umzusetzen ist. Nach Art. 4 und Erwägungsgrund 11 der Schadensersatzrichtlinie müssen die nationalen Bestimmungen zur Kausalität zwischen Kartellrechtsverstoß und Schaden dem Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz entsprechen. Sie dürfen daher die Geltendmachung des Rechts auf Schadensersatz weder übermäßig erschweren noch praktisch unmöglich machen. Würde bei der Frage, ob durch einen Kartellrechtsverstoß ein Schaden entstanden ist, statt § 287 Abs. 1 ZPO die Vorschrift des § 286 ZPO angewendet, so bestünde die Gefahr, dass die effektive Durchsetzung des Kartellrechts der Union verhindert würde, weil im Hinblick auf die Vielzahl auf dem Markt wirksamer Einflüsse häufig nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen wird, dass ein durch einen Kartellrechtsverstoß betroffener Marktteilnehmer auch tatsächlich einen Schaden erlitten hat.
d) Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass § 252 Satz 2 BGB dem Verletzten für die Darlegung und den Nachweis eines entgangenen Gewinns eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung gewährt (BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13).
e) Allerdings ist nach § 286 ZPO festzustellen, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß betroffen ist. Insoweit steht im Streitfall jedoch aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren fest, dass diejenigen gewerblichen Spielvermittler, die den Gesellschaften des DLTB die terrestrische Vermittlung von Spielumsätzen angeboten haben, von dem unzulässigen abgestimmten Verhalten der Lottogesellschaften betroffen waren.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht alle erheblichen Umstände berücksichtigt. Es hat zudem die Vorschrift des § 252 Satz 2 BGB nicht zutreffend angewandt.
a) Im Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO ist der Tatrichter allerdings besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2013 - VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 14 mwN). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil indes nicht stand. Das Berufungsgericht hat es versäumt, unter umfassender Würdigung aller erheblichen Umstände des Falles abzuschätzen, ob ohne die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung eine Zusammenarbeit der Klägerin mit den Lottogesellschaften zustande gekommen wäre und ob die Klägerin dabei den als entgangen geltend gemachten Gewinn erzielt hätte.
b) Der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der Klägerin stand allerdings nicht entgegen, dass die Lottogesellschaften keine rechtliche Verpflichtung hatten, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Vielmehr kommt es in erster Linie darauf an, ob eine Zusammenarbeit mit der Klägerin kaufmännisch vernünftigem Verhalten entsprochen hätte. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang eine für die Lottogesellschaften erzielbare Kostenersparnis in Höhe von insgesamt vier Prozent durch Einsparungen bei der Bereitstellung von Marketingmaterial und technischer Unterstützung für die Annahmestellen sowie Wegfall der Bezirksleiterprovision als erheblich angesehen hat. Das Berufungsgericht konnte auch die Gewinnung neuer Spielteilnehmer für die Lottogesellschaften unter den Kunden von Kooperationspartnern der Klägerin, die bislang nicht oder nur selten Lotto gespielt hatten, für wahrscheinlich halten. Rechtlich nicht zu beanstanden ist weiterhin, dass das Berufungsgericht einen Kunden-Wechsel-Effekt zugunsten der Klägerin für plausibel erachtet hat, weil es einem nicht unbedeutenden Teil der Kunden bequemer hätte erscheinen können, bei ohnehin erforderlichen Besuchen von Einkaufszentren und Tankstellen Lotto zu spielen anstatt dafür weiterhin gesondert eine klassische Annahmestelle etwa in einem Tabakladen aufzusuchen. Nicht erfahrungswidrig ist schließlich die Annahme des Berufungsgerichts, die Erhebung einer Handlinggebühr in Höhe von zehn Prozent des Spieleinsatzes sei kein Hindernis für den Geschäftserfolg der Klägerin gewesen, weil es sich um nominal geringe Beträge handele, die der durchschnittliche Kunde unter Bequemlichkeitsgesichtspunkten in Kauf zu nehmen bereit sei.
c) Für die Begründung haftungsausfüllender Kausalität kommt es allerdings darauf an, ob aufgrund der Marktgegebenheiten hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Beklagte oder andere Lottogesellschaften tatsächlich mit der Klägerin Vermittlungsverträge abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten, wenn die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung nicht stattgefunden hätte. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, reicht dafür nicht allein die Plausibilität der aus dem Geschäftskonzept der Klägerin abgeleiteten Umsatz- und Gewinnerwartungen, aus denen sich für die Lottogesellschaften ökonomische Anreize zu einer Zusammenarbeit mit der Klägerin ergaben. Bei einer autonomen Entscheidung über eine Kooperation mit der Klägerin hatte die Beklagte vielmehr insbesondere auch die Auswirkungen auf ihr bestehendes Vertriebssystem sowie die Unsicherheiten zu berücksichtigen, die hinsichtlich des künftigen regulatorischen Konzepts für das Glücksspielrecht bestanden.
aa) Die vom Berufungsgericht zu Recht für plausibel gehaltenen Kunden-Wechsel-Effekte bedeuteten aus der Sicht der Lottogesellschaften, dass die erwarteten Umsätze der Klägerin zu einem erheblichen Teil zulasten ihrer bisherigen Vertriebspartner gehen würden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften im Vorfeld der Kartellabsprache zum Ausdruck gebracht, die Aktivitäten der Klägerin als Angriff auf ihr eigenes Vertriebssystem anzusehen.
bb) Spätestens im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Gambelli" (EuGH, Slg. 2003, I-13031 Rn. 66 ff.) war die Vereinbarkeit des staatlichen Monopols für Lotterien und Sportwetten in Deutschland mit der unionsrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 und Art. 56 AEUV) im Hinblick auf die Werbepraxis der staatlichen Lottogesellschaften zweifelhaft geworden (vgl. etwa LG Baden-Baden, SpuRt 2005, 80; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 284 Rn. 7). In einem Beschluss vom 27. April 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Glücksspielmonopole und des strafrechtlichen Verbots der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (§ 284 StGB) mit Unionsrecht geäußert (BVerfG, NVwZ 2005, 1303). In dem auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2005 am 28. März 2006 verkündeten "ODDSET-Urteil" (BVerfGE 115, 276) erklärte das Bundesverfassungsgericht es für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach dem bayerischen Staatslotteriegesetz Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden durften, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten; es verpflichtete den bayerischen Gesetzgeber, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der sich aus den Gründen ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Schon während der Übergangszeit bis zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Glücksspielwesens durften dem staatlichen Monopol unterliegende Wetten nicht expansiv vermarktet werden (BVerfGE 115, 276, 319). Es lag nicht fern, als unzulässige Erweiterung staatlicher Wettveranstaltung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur neue Glücksspiele, sondern auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten für bereits verfügbare Spielangebote anzusehen (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 100 - Lottoblock).
Angesichts des auf dem Glücksspielstaatsvertrag 2004 beruhenden bundesweit einheitlichen Rechtsrahmens lag unter diesen Umständen auf der Hand, dass sämtliche Bundesländer über den Bereich der Sportwetten hinaus zu einer umfassenden Neuregelung des Glücksspielrechts gezwungen waren. Wollten sie das Monopol nicht aufgeben, bestand dabei die Notwendigkeit, das staatliche Glücksspielangebot - wie vom Bundesverfassungsgericht für geboten erachtet - konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten. Wie diese konsequente Ausrichtung aussehen würde und ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen sie auf die grundsätzliche Möglichkeit und zulässigen Formen der Zusammenarbeit der Lottogesellschaften mit gewerblichen Spielevermittlern wie der Klägerin haben würde, war dabei eine offene Frage. Durch die von der Klägerin gewünschte Zusammenarbeit liefen die Lottogesellschaften mithin Gefahr, ihre bisherige Vertriebsstruktur deutlich zu schwächen, obwohl nicht auszuschließen war, dass die Kooperation mit der Klägerin schon in naher Zukunft rechtlich nicht mehr oder nur noch in erheblich modifizierter Form zulässig sein würde.
cc) Unter diesen Umständen erscheint es ohne weitere Feststellungen nicht unwahrscheinlich, dass die Beklagte und die übrigen Lottogesellschaften trotz der bestehenden ökonomischen Anreize auch bei autonomer unternehmerischer Entscheidung nicht oder jedenfalls nur zögernd und in geringerem als von der Klägerin geplanten Umfang Vermittlungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten.
d) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte, falls sich die Lottogesellschaften zur Kooperation bereit gezeigt hätten, in vollem Umfang den von ihr prognostizierten Gewinn erzielt, beruht auch in weiterer Hinsicht auf einer unvollständigen Würdigung der insoweit relevanten Umstände.
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Umsätze der staatlichen Lotterien in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2008 um etwa 1 Milliarde Euro, also um etwa 20%, zurückgegangen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 Satz 2 BGB) war deshalb ein entsprechender Rückgang der Provisionseinnahmen zu erwarten. Das Berufungsgericht hatte nach § 287 Abs. 1 ZPO frei zu würdigen, ob und inwieweit dieser Umstand wahrscheinlich Auswirkungen auf die Schadensersatzforderung der Klägerin hatte. Es durfte nicht stattdessen der Beklagten die Beweislast für derartige Auswirkungen auferlegen. Etwa bestehenden Unsicherheiten hätte es durch einen Abschlag von der Schadensersatzforderung Rechnung tragen müssen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aus dem parallel zum Umsatzrückgang der staatlichen Lottogesellschaften zwischen 2005 und 2008 festgestellten Anstieg der gewerblichen Bruttospielerträge um ca. 50% nicht geschlossen werden, der Umsatzrückgang hätte die Klägerin nicht berührt. Denn der Anstieg der gewerblichen Erträge bezieht sich auf alle Glücksspielsegmente, insbesondere den zu jener Zeit stark wachsenden Sektor der Online-Wetten. Ob und in welchem Umfang Vertriebspartner der Lottogesellschaften in dem schrumpfenden Markt dennoch steigende Einnahmen hätten erzielen können, ergibt sich daraus nicht.
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Schadensberechnung auch der Einwand der Beklagten erheblich, dass nach den zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Ausführungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gewerblichen Spielvermittlern keine Provisionen mehr gezahlt werden durften (vgl. § 13 Abs. 3 Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007, GVBl Berlin 2007, 33/604; § 6 Abs. 3 Glücksspielgesetz des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2007, GVBl Brandenburg 2007, 17/218; § 9 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags vom 14. Dezember 2007, GVOBl. Mecklenburg-Vorpommern 2007, S. 386; § 13 Abs. 3 Gesetz zum Glücksspielstaatsvertrag, GVBl Sachsen 2007, 15/542; § 13 Abs. 9 Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, GVBl LSA 2007, 412). Indem das Berufungsgericht die Auswirkungen der Provisionsverbote in fünf Bundesländern auf die Gewinnerwartungen der Klägerin nicht berücksichtigt hat, hat es einen wesentlichen Bemessungsfaktor für die Bestimmung des dieser entstandenen Schadens außer Betracht gelassen.
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, diese Provisionsverbote stellten einen Verstoß gegen Art. 10 EG in Verbindung mit Art. 81 EG dar, weil sie bezweckten und bewirkten, einen Wettbewerb der Lottogesellschaften untereinander zu verhindern. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das Provisionsverbot unter Suchtpräventionsgesichtspunkten für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt (BVerfG (Kammer), NVwZ 2008, 1338 Rn. 60). Es handelte sich dabei um eine Maßnahme, mit der die Länder versuchten, der Anforderung des "ODDSET-Urteils" des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, die Spieltätigkeit nicht auszudehnen. Verfolgten die Bundesländer mit der Einführung der Provisionsverbote ein derartiges, vom Unionsrecht anerkanntes, legitimes öffentliches Interesse, so fehlt es insoweit an einem unternehmerischen Handeln. Die damit notwendig verbundene wettbewerbsbeschränkende Wirkung verstößt nicht gegen Unionskartellrecht.
Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Lottogesellschaften an die Klägerin in denjenigen Bundesländern, die gesetzliche Provisionsverbote eingeführt hatten, auch noch im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2008 Provisionen gezahlt hätten. Die Lottogesellschaften mussten das jeweils für sie geltende Recht beachten.
(2) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin im Fall eines Provisionsverbots in bestimmten Bundesländern die dort terrestrisch akquirierten Spielaufträge an Lottogesellschaften in anderen Bundesländern vermittelt hätte, in denen kein Provisionsverbot galt. Eine derartige Umgehung der landesrechtlichen Provisionsverbote wäre rechtswidrig gewesen. Die Provisionsverbote knüpfen an den Tatbestand einer gewerblichen Spielvermittlung, also der Akquisition eines Spielauftrags, in dem jeweiligen Bundesland an. Sie bezwecken im Interesse der Suchtprävention eine Beschränkung der gewerblichen Vermittlungstätigkeit. Die Provisionsverbote waren deshalb unabhängig davon anwendbar, ob die Spielvermittlung an eine Lottogesellschaft innerhalb oder außerhalb des jeweiligen Bundeslands erfolgte und ob der auswärtigen Lottogesellschaft eine Tätigkeit in dem Bundesland, in dem das Provisionsverbot galt, erlaubt war. Um eine extraterritoriale Anwendung von Landesrecht handelt es sich dabei nicht, weil Anknüpfungspunkt des Landesgesetzes die gewerbliche Spielvermittlung in dem jeweiligen Bundesland ist.
V. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil der wahrscheinliche Kausalverlauf insgesamt neu bewertet werden muss und weitere Feststellungen des Berufungsgerichts, die Auswirkungen auf die Frage haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht ausgeschlossen sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
VI. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren gibt der Senat folgende Hinweise:
1. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die bei der Darstellung der hypothetischen Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells bestehen, dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673). Für den Fall, dass sich der Umfang der Bereitschaft der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften zur Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht hinreichend wahrscheinlich feststellen lassen sollte, wird das Berufungsgericht die Schätzung eines Mindestschadens in Betracht zu ziehen haben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 - XII ZR 206/95, WM 1998, 1787).
Dem steht nicht die von der Revision angeführte Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, nach der in Diskriminierungsfällen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einem Antrag auf Ersatz des Erfüllungsinteresses nur stattzugeben ist, wenn feststeht, dass die für die Schadensberechnung unterstellte Zusammenarbeit bei regelgerechtem Vorgehen des anderen Teils zustande gekommen wäre (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 61, 64). Die Klägerin macht keinen derartigen Diskriminierungsschaden geltend. Vielmehr geht es um die Verweigerung eines Vertragsschlusses aufgrund kartellrechtswidrig abgestimmten Verhaltens. Dabei ist der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO und § 252 BGB bereits aufgrund der konkret nachteiligen Betroffenheit der Klägerin eröffnet. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht fehlerfrei § 252 BGB zur Bestimmung des der Klägerin entgangenen Gewinns herangezogen. Entscheidend ist danach, ob aufgrund der Marktgegebenheiten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war, dass die Beklagte oder andere Lottogesellschaften mit der Klägerin Vermittlungsverträge abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten, wenn die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung nicht stattgefunden hätte.
2. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls zu klären haben, ob der Klägerin von Lotto B. jedenfalls zeitweise Provisionen für terrestrisch vermittelte Spielumsätze, die von der Beklagten aufgrund verschiedener gerichtlicher Anordnungen über die Schnittstelle bei Lotto B. eingespielt wurden, gezahlt worden und ob solche Zahlungen als Umsatzerlöse der Klägerin berücksichtigt worden sind. Der Notwendigkeit einer Berücksichtigung stünde nicht entgegen, dass die Verfügbarkeit der Schnittstelle bei Lotto B. für die Klägerin nicht dauerhaft gesichert war. Im Umfang der trotz des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften tatsächlich erzielten Einnahmen kann der Klägerin kein Schaden entstanden sein.
3. Hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die reibungslose Umsetzung des Geschäftskonzepts der Klägerin besteht in dem wiedereröffneten Verfahren für die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag. An das Bestreiten dieser Voraussetzungen durch die Beklagte sind allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte insoweit über nähere Kenntnisse verfügen sollte. Das Berufungsgericht durfte deshalb die Behauptungen der Beklagten nicht als unsubstantiiert unberücksichtigt lassen, der "Rollout" der Terminals habe sich im Jahr 2006 verzögert, weil "bis Mitte 2006 noch an technischen Feinheiten gearbeitet" worden sei und "die technischen Spezifikationen bei dem angekündigten großflächigen Rollout sicher (hätten) funktionieren" müssen. Gegebenenfalls ist auch insoweit eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung und ein entsprechender Abschlag von der Schadensersatzforderung geboten.
Limperg Meier-Beck Kirchhoff
Bacher Deichfuß