Entscheidungsdatum: 12.06.2018
Holzvermarktung Baden-Württemberg
1. Eine die Kartellbehörde zur Aufhebung einer Verpflichtungszusagenentscheidung berechtigende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verfügung wesentlichen Punkt ist nicht schon dann anzunehmen, wenn der Kartellbehörde nachträglich wesentliche Tatsachen bekannt werden, die bereits bei Erlass der Verfügung vorgelegen haben.
2. Das nachträgliche Bekanntwerden wesentlicher Umstände genügt vielmehr nur dann, wenn diese Umstände entweder zuvor allgemein unbekannt waren oder von der Kartellbehörde deshalb nicht in Erfahrung gebracht werden konnten, weil sie mit der Aufdeckung solcher Umstände durch weitere Ermittlungen nicht rechnen musste. Entsprechendes gilt für prognostizierte Auswirkungen der Verpflichtungszusagen auf die Marktverhältnisse. Eine ausbleibende positive Entwicklung des Wettbewerbs kann nur dann zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen, wenn sie nicht vorhersehbar war.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. März 2017 teilweise aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Bundeskartellamts vom 9. Juli 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Juli 2015 und des Änderungsbeschlusses vom 1. Oktober 2015 insgesamt aufgehoben.
Das Bundeskartellamt hat die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Kosten des Betroffenen zu tragen. Sonstige außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 30 Millionen Euro festgesetzt.
I. Der Betroffene, das Land Baden-Württemberg, betreibt neben dem Verkauf von Holz aus dem landeseigenen Staatswald die Vermarktung von Holz, insbesondere Nadelstammholz, aus Körperschafts- und Privatwald. Hierbei fasst das betroffene Land die jeweils zum Verkauf stehenden Holzmengen aus den verschiedenen Waldbesitzarten zu einheitlichen Angeboten zusammen. Die Verträge mit Abnehmern werden entweder zentral über die Landesforstverwaltung (Forst BW) oder über die unteren Forstbehörden geschlossen, wobei das Land im Hinblick auf das aus Körperschafts- oder Privatwald stammende Holz in rechtsgeschäftlicher Vertretung für die jeweiligen kommunalen oder privaten Waldeigentümer handelt. Der beschriebenen Angebotsbündelung liegen Vereinbarungen des Landes mit den anderen beteiligten Waldeigentümern zugrunde, durch die das Land gegen Zahlung von Kostenbeiträgen die Wirtschaftsverwaltung des betroffenen Waldbesitzes und gegebenenfalls auch weitere forstwirtschaftliche Dienstleistungen übernimmt.
Von der gesamten Waldfläche in Baden-Württemberg entfallen rund 24% auf landeseigenen Staatswald, rund 38% auf Körperschaftswald, der nahezu ausschließlich in kommunalem Eigentum steht, und rund 37% auf Privatwald, der von ungefähr 260.000 einzelnen Eigentümern gehalten wird. Gut ein Drittel des Privatwaldes gehört Waldbesitzern, die über eine Waldfläche von mehr als 100 ha verfügen. Im Jahr 2011 erzielte das Land aus dem gebündelten waldbesitzartübergreifenden Holzverkauf Umsätze in Höhe von insgesamt etwa 400 bis 450 Mio. €, wovon ca. 80% bis 90% auf Stammholz und hiervon wiederum etwa 90% auf Nadelstammholz entfielen.
Das Bundeskartellamt war mit der Vermarktungspraxis des betroffenen Landes bereits in einem früheren Verfahren befasst, nachdem der Verband der Deutschen Säge- und Holzindustrie e.V. (VDS) mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 Beschwerde geführt und beanstandet hatte, dass in Baden-Württemberg, wie auch in anderen Bundesländern, eine weitgehende Vereinheitlichung der Verkaufspreise und -konditionen eingetreten sei, was zu einem nahezu vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs zwischen den Holzanbietern geführt habe. Nach ausgiebigen Verhandlungen gab das Land Baden-Württemberg Verpflichtungszusagen ab, die das Amt mit Beschluss vom 9. Dezember 2008 gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1, 2 GWB für bindend erklärte. Eine umfassende Marktbefragung hatte das Amt im Laufe des Verfahrens nicht vorgenommen.
Gemäß seinen Zusagen verpflichtete sich das betroffene Land, sich an Holzvermarktungskooperationen mit privaten oder kommunalen Forstunternehmen nur dann (weiterhin) zu beteiligen, wenn die Forstbetriebsfläche keines der beteiligten nichtstaatlichen Unternehmen 3.000 ha übersteigt. Dieser Schwellenwert galt auch für die einzelnen Mitglieder von nichtstaatlichen Kooperationen, die sich an der gemeinsamen Holzvermarktung beteiligten. Die Gesamtforstbetriebsfläche einer solchen Kooperation durfte zudem 8.000 ha nicht übersteigen. Des Weiteren verpflichtete sich das Land sicherzustellen, dass Kooperationsinitiativen außerhalb des Holzvermarktungssystems der staatlichen Forstverwaltungen in keiner Weise behindert, sondern stattdessen im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützt werden. Außerdem sagte das Land zu, die Professionalisierung privater und kommunaler Kooperationen zu fördern, um sie zum selbständigen Marktauftritt beim Holzverkauf zu befähigen. Schließlich übernahm das Land – insoweit befristet bis Ende 2013 – die Initiierung und Begleitung von mindestens fünf konkreten Pilotprojekten eigenständiger privater und/oder kommunaler Vermarktungskooperationen sowie – insoweit befristet bis zum 31. Januar 2014 – Mitteilungspflichten im Hinblick auf Vermarktungskooperationen im Rahmen der gebündelten Holzvermarktung (Monitoring).
Nach Abschluss des ersten Verfahrens erreichten das Bundeskartellamt weitere Beschwerden, insbesondere privater Vermarktungsorganisationen, die eine mangelnde Förderung und Unterstützung ihrer Arbeit durch die Landesforstverwaltung in Baden-Württemberg beklagten. Im September 2012 kündigte das Amt dem Land an, Ermittlungen zu den Marktverhältnissen in Baden-Württemberg durchzuführen, um die Wirksamkeit der Verpflichtungszusagen einschätzen zu können. Im weiteren Verlauf holte das Amt Auskünfte von 306 Sägewerken mit Sitz in Baden-Württemberg ein und befragte zehn forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse, die (mit einer Ausnahme) erst nach dem Beschluss vom 9. Dezember 2008 entstanden sind und ihren Holzverkauf (weitgehend oder teilweise) unabhängig von Forst BW organisieren.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16. Juli 2015 und des Änderungsbeschlusses vom 1. Oktober 2015 hat das Bundeskartellamt seine Entscheidung vom 9. Dezember 2008 aufgehoben und festgestellt, dass die Vereinbarungen zur gemeinsamen Vermarktung von Nadelstammholz zwischen dem betroffenen Land und Privat- sowie Körperschaftswaldbesitzern gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB verstoßen und nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 GWB freigestellt sind, soweit eine Körperschaft, ein Privatwaldbesitzer oder ein forstwirtschaftlicher Zusammenschluss jeweils über eine Waldfläche von über 100 ha verfügen. Das Amt hat dem Land insbesondere untersagt, nach dem Ablauf von Übergangsfristen für Privat- und Körperschaftswaldbesitzer Holz zu verkaufen und zu fakturieren, soweit diese jeweils eine Waldfläche von 100 ha oder mehr besitzen. Unter den gleichen Voraussetzungen hat es dem Land untersagt, für diese Waldbesitzer Holz auszuzeichnen, Holzerntemaßnahmen zu betreuen, Holz aufzunehmen und Holzlisten zu drucken oder diese Leistungen durch Personen erbringen zu lassen, die in die Forstverwaltung in näher bezeichneter Weise eingebunden oder als Informationsmittler geeignet sind. Weitere Beschränkungen betreffen die Erbringung forstwirtschaftlicher Dienstleistungen, die in einem Zusammenhang mit der Holzvermarktung gesehen werden. Hierzu zählen die jährliche Betriebsplanung, die forsttechnische Betriebsleitung, der forstliche Revierdienst, der periodische Betriebsplan sowie die Betreuung und technische Hilfe gegenüber Privatwaldbesitzern.
Das Bundeskartellamt hat zur Begründung der Abstellungsverfügung u.a. ausgeführt, dass die in dem Beschluss vom 9. Dezember 2008 festgelegten Schwellenwerte von 3.000 bzw. 8.000 ha nach den durchgeführten Ermittlungen nicht annähernd ausreichten, um das Ziel einer wettbewerblichen Angebotsstruktur bei der Vermarktung von Rundholz in Baden-Württemberg zu erreichen. Außerdem sei davon auszugehen, dass sowohl private als auch körperschaftliche Waldbesitzer, die über eine Waldfläche von mehr als 100 ha verfügen, tatsächlich in der Lage seien, ihr Rundholz unabhängig vom Land wirtschaftlich selbständig zu vermarkten. Die Übernahme der näher bezeichneten forstwirtschaftlichen Dienstleistungen für dritte Waldbesitzer führe zu einer spürbaren Verstärkung der durch den waldbesitzartübergreifenden gebündelten Rundholzverkauf bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkung.
Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde des Landes die angegriffene Abstellungsverfügung nur in geringem Umfang aufgehoben und sie unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insgesamt wie folgt neu gefasst:
I. Die Entscheidung vom 9. Dezember 2008 - B 2-90/01-4 - wird mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.
II. Die Vereinbarungen zur gemeinsamen Vermarktung von Nadelstammholz (im Folgenden als Holz bezeichnet) zwischen dem Land Baden-Württemberg und Privat- und Körperschaftswaldbesitzern verstoßen, soweit sie die in den Tenoraussprüchen zu III. a. und b. und zu IV. genannten Dienstleistungen zum Gegenstand haben, gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und sind nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt, soweit eine Körperschaft (§ 3 Abs. 2 BWaldG), ein Privatwaldbesitzer (§ 3 Abs. 3 BWaldG) oder ein forstwirtschaftlicher Zusammenschluss (§ 15 BWaldG) jeweils über eine Waldfläche von über 100 ha verfügen.
III. Dem Land Baden-Württemberg wird untersagt, auf Grundlage bestehender oder neu abzuschließender Vereinbarungen für die unter Ziff. II. des Tenors genannten Waldbesitzer
a. Holz zu verkaufen und zu fakturieren,
soweit diese jeweils eine Waldfläche von 1.000 ha oder mehr besitzen: ab sechs Monaten nach Bestandskraft der Verfügung,
soweit diese jeweils eine Waldfläche von weniger als 1.000 ha und mehr als 100 ha besitzen: ab einem Jahr nach Bestandskraft der Verfügung,
b. Holz auszuzeichnen, Holzerntemaßnahmen zu betreuen, Holz aufzunehmen und Holzlisten zu drucken,
soweit diese jeweils eine Waldfläche von 1.000 ha oder mehr besitzen: ab einem Jahr nach Bestandskraft der Verfügung,
soweit diese jeweils eine Waldfläche von weniger als 1.000 ha und mehr als 100 ha besitzen: ab einem Jahr und sechs Monaten nach Bestandskraft der Verfügung,
oder
c. die vorstehend unter a. und b. genannten Dienstleistungen durch Personen erbringen zu lassen, die eine Forstbehörde leiten und/oder dort beschäftigt sind und/oder unter deren Dienst- und/oder Fachaufsicht stehen und/oder Zugang zu Informationen über das Marktverhalten des Landes beim Verkauf von Holz haben und/oder Informationen, die sie im Rahmen der vorgenannten Tätigkeiten über diese Waldbesitzer erhalten, an das Land Baden-Württemberg weitergeben müssen oder weitergeben. Dies gilt auch für die Landräte und damit für Personen in den Landkreisen, gegenüber denen der Landrat weisungsbefugt ist, solange dieser - wie derzeit - in Personalunion auch als Leiter einer unteren Forstbehörde in die Forstorganisation des Landes integriert und insoweit selbst weisungsgebunden ist.
IV. Dem Land Baden-Württemberg wird ab zwei Jahren und sechs Monaten nach Bestandskraft der Verfügung untersagt, für die unter Ziff. II. genannten Waldbesitzer mit einer Waldfläche von mehr als 100 ha die jährliche Betriebsplanung (§ 51 LWaldG), die forsttechnische Betriebsleitung (§§ 47 Abs. 1 Satz 2, 55 Abs. 2 LWaldG) und den forstlichen Revierdienst (§§ 48 Abs. 1, 55 Abs. 2 LWaldG) durchzuführen, das heißt von Personen gemäß Ziff. III. erbringen zu lassen, soweit
a. diese Staatswald bewirtschaften und/oder
b. diese Zugang zu Informationen über Kunden, Mengen, Sortimente (Qualitäten) und Preise des Landes beim Verkauf von Holz haben und/oder derartige Informationen, die sie im Rahmen der vorgenannten Tätigkeiten über andere Waldbesitzer erhalten, an das Land Baden-Württemberg weitergeben müssen oder weitergeben.
V. Dem Land Baden-Württemberg wird untersagt, bei der Vermarktung eigener Dienstleistungen, und zwar der Erstellung des periodischen und des jährlichen Betriebsplans sowie der Durchführung der forsttechnischen Betriebsleitung gegenüber Körperschaften die Vorstellung zu erwecken oder die vorgefundene Vorstellung zu bestätigen, wonach die eigene Durchführung der oder die Beauftragung Dritter mit der Durchführung dieser forstwirtschaftlichen Dienstleistungen an die Voraussetzung gebunden sei, ein körperschaftliches Forstamt zu errichten.
VI. Dem Land Baden-Württemberg wird ab einem Jahr nach Bestandskraft der Verfügung untersagt, den unter Ziff. II. genannten Waldbesitzern mit Waldflächen von mehr als 100 ha nicht kostendeckende Angebote für forstwirtschaftliche Dienstleistungen der Betreuung und technischen Hilfe (§ 55 Abs. 2 LWaldG) sowie des periodischen Betriebsplans (§ 50 Abs. 1 LWaldG), der jährlichen Betriebsplanung (§ 51 LWaldG), der forsttechnischen Betriebsleitung (§ 47 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 LWaldG), des forstlichen Revierdienstes (§ 48 LWaldG) sowie der Wirtschaftsverwaltung (§ 47 Abs. 1 Satz 4 LWaldG) zu machen und diese zu nicht kostendeckenden Entgelten zu erbringen.
Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des betroffenen Landes.
II. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Bundeskartellamt sei durch den Beschluss vom 9. Dezember 2008 nicht gehindert gewesen, das Verfahren gegen das betroffene Land wieder aufzugreifen. Zwar sei die damalige Verfügung entgegen der Auffassung des Amtes nicht „implizit“ befristet gewesen und habe auch nicht unter dem Vorbehalt einer späteren Prüfung gestanden. Das Amt habe die Verfügung aber gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen können, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verfügung wesentlichen Punkt nachträglich geändert hätten.
Die genannte Vorschrift sei in Anlehnung an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG dahin auszulegen, dass eine objektive Veränderung der Sachlage nicht erforderlich sei. Vielmehr sei eine Änderung der Sachlage im Rechtssinne auch dann anzunehmen, wenn die Behörde erst nachträglich von solchen Tatsachen Kenntnis erlange, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bereits vorgelegen hätten. Ob das nachträgliche Bekanntwerden von entscheidungsrelevanten Tatsachen auf ein Versäumnis der Behörde zurückzuführen sei, sei dabei unerheblich. Würden für den Nachweis eines Kartellrechtsverstoßes taugliche Tatsachen der Kartellbehörde auf Grund einer erst nach Erlass einer Verpflichtungszusagenentscheidung umfassend durchgeführten Sachaufklärung bekannt, müssten diese Tatsachen im Rahmen der Wiederaufnahme gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB verwertet und einer Abstellungsverfügung zu Grunde gelegt werden können.
Danach seien im Streitfall all diejenigen Fakten nachträglich eingetretene Tatsachen im Sinne von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB, die sich aus den vom Bundeskartellamt ab Oktober 2012 durchgeführten Befragungen ergeben hätten. Ob das Amt entsprechende Ermittlungen mit gleichermaßen aussagekräftigen Ergebnissen bereits vor dem Erlass der Verpflichtungszusagenentscheidung vom 9. Dezember 2008 hätte vornehmen können oder sogar müssen, sei unerheblich.
Die demnach als Wiederaufnahmegrund zu berücksichtigenden Befragungsergebnisse beträfen schon deshalb einen wesentlichen Punkt der Entscheidung, weil sie eine Korrektur der Schwellenwerte gerechtfertigt hätten, und diese Korrektur der Entscheidung vom 9. Dezember 2008 die Grundlage entziehe. Bereits die Veränderung der Sachlage in nur einem wesentlichen Punkt berechtige die Kartellbehörde dazu, die Verpflichtungszusagenentscheidung aufzuheben und das Kartellverwaltungsverfahren wieder aufzunehmen. Nicht zu beanstanden sei aber auch die Einschätzung des Bundeskartellamts, gerade erst durch die infolge der Verpflichtungszusagenentscheidung entwickelten Pilotprojekte und die Befragung der hieraus in Baden-Württemberg neu entstandenen Vermarktungskooperationen entscheidungsrelevante Erkenntnisse erlangt zu haben, und zwar insbesondere zu dem wettbewerbsbeschränkenden Einfluss, den die vom Land nicht kostendeckend übernommenen (weiteren) forstwirtschaftlichen Dienstleistungen zu Gunsten dritter Waldbesitzer auf den Markt für Produktion und Vertrieb von Nadelstammholz in Baden-Württemberg hätten.
Im Umfang ihrer Untersagung durch das Bundeskartellamt bezweckten die streitbefangenen Vereinbarungen zur vergemeinschafteten Rundholzvermarktung und den weiteren forstlichen Dienstleistungen eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV. Das Land handele jeweils als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts. Die untersagten Vereinbarungen seien auch geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Sie seien auch nicht gemäß Art. 106 Abs. 2 oder Art. 101 Abs. 3 AEUV dem Anwendungsbereich des Kartellrechts entzogen. Schließlich folge auch aus § 46 BWaldG nF keine wirksame Freistellung der betroffenen Dienstleistungen vom unionsrechtlichen Kartellverbot.
III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde des betroffenen Landes hat Erfolg. Das Bundeskartellamt war an dem Erlass der angefochtenen Abstellungsverfügung durch seine Verpflichtungszusagenentscheidung vom 9. Dezember 2008 gehindert. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens lägen vor, hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.
1. Ohne Rechtsfehler ist das Beschwerdegericht allerdings durch Auslegung der Verpflichtungszusagenentscheidung vom 9. Dezember 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Entscheidung nicht (implizit) befristet ist und auch keinen Vorbehalt späterer Überprüfung enthält.
Eine Verpflichtungszusagenentscheidung kann gemäß § 32b Abs. 1 Satz 3 GWB befristet werden. Eine solche Befristung, die die nach § 32b Abs. 1 Satz 2 GWB eintretende Selbstbindung der Kartellbehörde zeitlich begrenzt, muss sich aber aus Gründen der Rechtssicherheit der Verpflichtungszusagenentscheidung eindeutig und unmissverständlich entnehmen lassen. Dies erfordert grundsätzlich eine ausdrückliche Befristungserklärung (vgl. Bornkamm/Tolkmitt in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 13. Auflage, § 32b GWB Rn. 17).
Das Bundeskartellamt hat die Verpflichtungszusagenentscheidung vom 9. Dezember 2008 nicht ausdrücklich befristet. Selbst wenn eine konkludente Befristung in Erwägung gezogen werden könnte, wäre sie dem Beschluss vom 9. Dezember 2008 nicht zu entnehmen. Sie ergibt sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, insbesondere nicht daraus, dass zwei von sechs Verpflichtungszusagen befristet waren. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung erhebt gegen diese Einschätzung des Beschwerdegerichts auch keine inhaltlichen Einwendungen.
Ob eine Verpflichtungszusagenentscheidung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden kann (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3, § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG), bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Das Beschwerdegericht hat das Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts rechtsfehlerfrei verneint. Die Rechtsbeschwerdeerwiderung erinnert hiergegen nichts.
2. Der Ansicht des Beschwerdegerichts, das Bundeskartellamt sei gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigt, sofern ihm nur nachträglich wesentliche Tatsachen bekannt würden, kann hingegen aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
a) Eine Verpflichtungszusagenentscheidung hindert die Kartellbehörde daran, wegen des beanstandeten Verhaltens eine Abstellungsverfügung gemäß § 32 GWB zu erlassen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 32b Abs. 2 GWB erfüllt sind (§ 32b Abs. 1 Satz 2 GWB). Nach § 32b Abs. 2 GWB kann die Kartellbehörde die Verpflichtungszusagenentscheidung aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verfügung wesentlichen Punkt nachträglich geändert haben (§ 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB), die beteiligten Unternehmen ihre Verpflichtungen nicht einhalten (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 GWB) oder die Verfügung auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben der Parteien beruht (§ 32b Abs. 2 Nr. 3 GWB).
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht dahin auszulegen, dass eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verfügung wesentlichen Punkt schon dann anzunehmen ist, wenn der Kartellbehörde nachträglich wesentliche Tatsachen bekannt geworden sind, die bereits bei Erlass der Verfügung vorgelegen haben. Die nachträgliche Behebung einer Unkenntnis oder Fehlvorstellung der Kartellbehörde bewirkt für sich genommen keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind somit nicht schon dann erfüllt, wenn die Kartellbehörde durch neue, weitergehende Ermittlungen wesentliche neue Kenntnisse gewinnt.
aa) Mit einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB sind grundsätzlich objektive Veränderungen gemeint, die von (subjektiven) Fehleinschätzungen auf Seiten der Kartellbehörde zu unterscheiden sind (Bornkamm in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Auflage, § 32b GWB Rn. 29; Bach in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, § 32b GWB Rn. 31; Keßler in MünchKomm.WettbR, 2. Auflage, § 32b GWB Rn. 38; Jaeger in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 32b GWB, Stand September 2010 Rn. 43; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Auflage, § 32b Rn. 11; der Beschwerdeentscheidung aber zustimmend Bornkamm/Tolkmitt in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 13. Auflage, § 32b GWB Rn. 32).
Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB. Die Vorschrift erfordert eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Die Gewinnung neuer Kenntnisse über objektiv im Wesentlichen unveränderte Verhältnisse wird hiervon bei unbefangenem Sprachverständnis nicht umfasst.
Zu berücksichtigen und zu § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB in Beziehung zu setzen ist ferner der in § 32b Abs. 2 Nr. 3 GWB geregelte Wiederaufnahmegrund. Nach dieser Bestimmung kann die Kartellbehörde eine Verpflichtungszusagenentscheidung aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen, wenn die Verfügung auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben der Parteien beruht. Da diese Regelung nur zur Anwendung kommen kann, wenn die Kartellbehörde die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Angaben erkannt hat, betrifft § 32b Abs. 2 Nr. 3 GWB ebenfalls die Konstellation einer schon bei Erlass der Verpflichtungszusagenentscheidung vorliegenden, der Kartellbehörde aber erst nachträglich bekannt gewordenen Sachlage. Die Wiederaufnahmeberechtigung gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 3 GWB ist aber auf den Fall beschränkt, dass die ursprüngliche, der Verfügung zugrunde gelegte Fehlvorstellung der Behörde auf unvollständigen, unrichtigen oder irreführenden Angaben der Parteien beruhte. Es widerspräche den Grundsätzen einer systematischen Auslegung, wenn schon die in § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB geregelte nachträgliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in dem Sinne verstanden würde, dass sie ohne weiteres auch das nachträgliche Bekanntwerden unverändert gebliebener Umstände umfasst.
bb) Demgegenüber lässt sich die vom Beschwerdegericht befürwortete weite Auslegung von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht mit einem Rückgriff auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG) rechtfertigen.
(1) Es besteht schon keine gefestigte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, der der Rechtssatz entnommen werden kann, die Widerrufsvoraussetzungen nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG seien stets bereits dann erfüllt, wenn der Behörde entscheidungsrelevante Tatsachen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung erst nach dem Erlass des Verwaltungsaktes bekannt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Tatsachen dann „nachträglich eingetreten“, wenn sich der Sachverhalt, der dem Verwaltungsakt zugrunde liegt, nachträglich so ändert, dass die Behörde berechtigt wäre, den ursprünglichen Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Die entscheidungserheblichen Elemente des Sachverhalts, deren Änderung zu einem Widerruf berechtigt, können sowohl in einem Verhalten von Beteiligten oder Betroffenen als auch in äußeren Umständen liegen. Notwendig ist stets eine Veränderung der Sachlage; die schlichte andere Beurteilung der gleichgebliebenen Tatsachen reicht insoweit nicht aus (BVerwG, NVwZ 1991, 577, 578; Beschluss vom 7. Juli 2009 – 1 WB 51/08, juris Rn. 34). Allerdings kann, worauf das Beschwerdegericht zutreffend hinweist, die geänderte Bewertung von Sachverhalten eine Änderung von Tatsachen im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG sein, wenn sie auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht (BVerwG, NVwZ 1984, 102, 103; NVwZ 2016, 323 Rn. 11 f.; BVerwGE 155, 81 Rn. 36). Dass darüber hinaus das nachträgliche Bekanntwerden unverändert gebliebener Umstände für sich allein zum Widerruf berechtigen könne, ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen und wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der verwaltungsrechtlichen Literatur teilweise ausdrücklich verneint (VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 602, 604; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 49 Rn. 62 mwN; BeckOK-Abel, VwVfG, Stand 1.4.2018, § 49 Rn. 50).
Die demgegenüber vom Beschwerdegericht herangezogene, in einem Prozesskostenhilfeverfahren ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2006 (BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 2006 – 2 PKH 3/05, juris Rn. 12) führt im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar legt die Begründung dieser Entscheidung nahe, dass im konkreten Fall später bekannt gewordene Zeugnisse als „nachträglich eingetretene Tatsache" in Betracht gezogen wurden. Erwogen wurde aber auch, dass das der anfänglichen Unkenntnis zugrunde liegende Ermittlungsversäumnis der Behörde durch eine unzutreffende Versicherung des Antragstellers beeinflusst worden sein könnte. Zudem wurde zur Begründung der Entscheidung auf weitere Umstände abgestellt, die den Widerruf rechtfertigten.
Ein allgemein gültiger Rechtssatz des Inhalts, dass schon das nachträgliche Bekanntwerden unverändert gebliebener Umstände zum Widerruf berechtige, lässt sich dieser – auf einen Einzelfall bezogenen und einen weiteren, selbständig tragenden Grund gestützten – Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen. Dies gilt im Ergebnis auch für die vom Beschwerdegericht zitierte Entscheidung des OVG Münster (NVwZ-RR 2006, 527, 528), in der durch eine Begutachtung gewonnene und der Behörde in Form eines Ergänzungsgutachtens mitgeteilte Erkenntnisse ohne nähere Erläuterung als nachträglich eingetretene Tatsachen gewertet wurden.
(2) Außerdem lässt sich ein in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickeltes Verständnis des Tatbestandsmerkmals „nachträglich eingetretene Tatsachen“ (§ 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) nicht ohne weiteres auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der nachträglichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB) übertragen.
Die Regelung der Verpflichtungszusage ist mit der 7. GWB-Novelle eingeführt worden, die insbesondere der Angleichung des nationalen Kartellrechts an das europäische Recht diente und die Verabschiedung der am 1. Mai 2004 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (VO 1/2003) zum Anlass hatte (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 21). Durch die Reform wurden Verfahrensregelungen und Ermittlungsbefugnisse im GWB an die Neuregelungen der VO 1/2003 angepasst (a.a.O. S. 22). In diesem Zusammenhang wurde die Vorschrift zur Verbindlicherklärung von Verpflichtungserklärungen (§ 32b GWB) der Regelung in Art. 9 VO 1/2003 nachgebildet (vgl. nur Bornkamm in Festschrift für Bechtold, 2006, S. 45).
Ungeachtet dieser Anlehnung an das Unionsrecht trifft es zu, dass § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB im Ansatz dem gleichen Grundgedanken folgt wie § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Die Vorschriften entsprechen dem Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus bei angemessener Wahrung des Vertrauensschutzes des Betroffenen. Dabei stellt sich § 32b Abs. 2 GWB im Verhältnis zu den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 48 ff. VwVfG) als eine spezialgesetzliche Regelung dar und geht als solche den allgemeinen Bestimmungen vor (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 52). Die Regelungsnähe der Bestimmungen spricht zwar dafür, übereinstimmend formulierte Tatbestandsvoraussetzungen zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auch übereinstimmend auszulegen. Daraus folgt aber nicht, dass die Auslegung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB mit der Auslegung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG deckungsgleich sein müsste.
Die beiden Vorschriften weichen bereits in der Formulierung und inhaltlich voneinander ab. Während § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG auf „nachträglich eingetretene Tatsachen“ abstellt, verlangt § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB eine „nachträgliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse“. Des Weiteren setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG nicht nur eine andernfalls bestehende Gefährdung des öffentlichen Interesses voraus, die das Beschwerdegericht bei vom Bundeskartellamt aufgegriffenen Kartellverstößen allerdings schon grundsätzlich annehmen möchte, sondern führt auch abweichend von § 32b Abs. 2 GWB unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Entschädigungsanspruch des Betroffenen (§ 49 Abs. 6 Satz 1 VwVfG).
Vor allem aber unterscheiden sich die Vorschriften wesentlich in ihrem Regelungskonzept. Das Verwaltungsverfahrensgesetz differenziert in §§ 48, 49 VwVfG zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Verwaltungsakten. Ein rechtswidriger (begünstigender) Verwaltungsakt kann grundsätzlich auch aufgrund nachträglicher Erkenntnisse der Behörde zurückgenommen werden, wobei sich die Rechtswidrigkeit gerade aus denjenigen Umständen ergeben kann, die der Behörde zuvor unbekannt waren (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage, § 49 Rn. 62; Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG, § 49 Rn. 23).
Demgegenüber bezwecken Verpflichtungszusagen und die diesbezügliche Verfügung der Kartellbehörde nach § 32b Abs. 1 Satz 2 GWB eine konsensuale Lösung, mit der ein Konflikt zwischen der Behörde und den betroffenen Unternehmen beendet werden soll (Bornkamm in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Auflage, § 32b GWB Rn. 1, 17, 34). Die Kartellbehörde muss nicht abschließend prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Abstellungsverfügung vorliegen und kann sich mit einer vorläufigen Einschätzung begnügen. Sie ist für eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung nach § 32b Abs. 1 GWB aber darauf angewiesen, dass die betroffenen Unternehmen die Eingehung von Verpflichtungen anbieten, die geeignet sind, die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Behörde auszuräumen. Der dem gegenüberstehende Vorteil der Unternehmen besteht darin, dass die Kartellbehörde von weitergehenden Befugnissen, insbesondere zum Erlass einer Abstellungsverfügung (§ 32 Abs. 1 GWB) keinen Gebrauch machen kann und insoweit gebunden bleibt, solange – vorbehaltlich einer Befristung – kein Wiederaufnahmegrund gemäß § 32b Abs. 2 GWB vorliegt. Dieses Regelungskonzept erübrigt abweichend von den §§ 48, 49 VwVfG eine im Aufhebungsfall zu treffende Unterscheidung zwischen rechtmäßiger und rechtswidriger Verfügung. Maßgebend ist stattdessen das erzielte Einvernehmen als Grundlage der Entscheidung. Dementsprechend werden die beteiligten Unternehmen nicht in ihrem Vertrauen auf die Richtigkeit einer behördlichen Entscheidung geschützt, sondern in ihrem Vertrauen auf den Bestand der erzielten Einigung.
cc) Die Vorschrift des Art. 9 VO 1/2003, der § 32b GWB nachgebildet ist, sowie deren Anwendung auf Unionsebene legen keine andere, dem Bundeskartellamt günstigere Auslegung von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB nahe. Für den Streitfall aussagekräftige Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Anwendung von Art. 9 Abs. 2 VO 1/2003 ist nicht ersichtlich. Die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung genannte Entscheidung „Langnese-Iglo“ des Unionsgerichtshofs (EuGH, Urteil vom 1. Oktober 1998 – C-279/95, Slg. 1998, I-5609 Rn. 28 ff.) betraf schon keine förmliche Entscheidung, sondern ein Verwaltungsschreiben der Kommission („comfort letter“), in dem diese sich eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorbehalten hatte, falls sich die ihrer Beurteilung zugrunde liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Umstände wesentlich ändern sollten.
c) Durch diese Auslegung des § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB wird das Instrument der Verpflichtungszusage nicht entwertet. Sinn und Zweck des § 32b GWB erfordern es zwar, der Kartellbehörde die Möglichkeit zu eröffnen, sich von einer Verpflichtungszusagenentscheidung zu lösen, wenn ihr Umstände bekannt werden, die sie im Vorhinein nicht kennen konnte. Auf später bekannt gewordene Umstände, die die Behörde bereits vor der Verpflichtungszusagenentscheidung hätte in Betracht ziehen und in Erfahrung bringen können, kann die Wiederaufnahme des Verfahrens aber nicht gestützt werden. Das nachträgliche Bekanntwerden zuvor schon existenter wesentlicher Umstände genügt vielmehr nur dann, wenn diese Umstände zuvor allgemein unbekannt waren oder von der Kartellbehörde deshalb nicht in Erfahrung gebracht werden konnten, weil die Behörde mit der Aufdeckung solcher Umstände durch weitere Ermittlungen nicht rechnete und nicht rechnen musste. Entsprechendes gilt, soweit es um Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen von Verpflichtungszusagen auf die Marktverhältnisse geht. Unerwartete Entwicklungen können zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen, wenn sie – auch bei besserer Kenntnis der bestehenden Verhältnisse – nicht vorhersehbar waren. Auf Entwicklungen der Marktverhältnisse, die von vornherein in Betracht zu ziehen waren, kann und muss sich die Kartellbehörde hingegen im Rahmen der Entscheidung nach § 32b Abs. 1 Satz 1 GWB einrichten, etwa durch eine Befristung dieser Entscheidung.
aa) Die Regelung über Verpflichtungszusagen in § 32b GWB erlaubt zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln konsensuale Lösungen und dient damit auch dazu, den Kartellbehörden eine zügige und ressourcenschonende Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen (Bach in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, § 32b GWB Rn. 3). Die Behörde kann ihre Entscheidung aufgrund einer nur vorläufigen Beurteilung treffen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 GWB). Der Zielsetzung der Norm entsprechend ist die Kartellbehörde, wie vom Beschwerdegericht zutreffend dargelegt, auch nicht verpflichtet, den zugrunde liegenden Sachverhalt im Rahmen ihrer Möglichkeiten vollständig aufzuklären; sie kann sich mit einem geringeren Ermittlungsaufwand begnügen (Jaeger in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, § 32b GWB, Stand September 2010 Rn. 10 f.; a.A. Bach in Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Auflage, § 32b Rn. 11; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Auflage, § 32b Rn. 3).
Die Möglichkeit, den Ermittlungsaufwand zu beschränken, berechtigt die Kartellbehörde indessen nicht, unterbliebene Ermittlungen nach dem Erlass einer Verpflichtungszusagenentscheidung nachzuholen und auf dieser Grundlage eine Neubeurteilung vorzunehmen. Eine derart weitgehende Relativierung der Wiederaufnahmevoraussetzungen ist im Interesse der Funktionsfähigkeit des Instruments der Verpflichtungszusage nicht geboten.
Die Kartellbehörde hat, wenn auch nicht die Verpflichtung, so doch jedenfalls die Möglichkeit, den Sachverhalt vor einer Verpflichtungszusagenentscheidung weitergehend aufzuklären, insbesondere zur besseren Abschätzung der bei Einhaltung von Verpflichtungszusagen zu erwartenden wettbewerblichen Wirkungen. Unabhängig davon kann die Behörde auf den Inhalt der Verpflichtungszusagen im Zuge der hierüber im Regelfall zu führenden Verhandlungen Einfluss nehmen, da sie über die Eignung der Zusagen zur Ausräumung der wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu befinden hat und der Erlass der Verpflichtungszusagenentscheidung zudem in ihrem Ermessen steht. Dabei ist der mögliche Inhalt der Verpflichtungszusagen nicht durch die für den Erlass einer Abstellungsverfügung (§ 32 GWB) geltenden normativen Vorgaben beschränkt (vgl. Bornkamm in Festschrift für Bechtold, 2006, S. 45, 50 f.; Keßler in MünchKomm.WettbR, 2. Auflage, § 32b GWB Rn. 15; Rehbinder in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, GWB, 3. Auflage, § 32b Rn. 7 f.; zur nur eingeschränkten Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Anwendung von Art. 9 VO 1/2003 vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juni 2010 – C-441/07, Slg. 2010, I-5949 Rn. 41 ff. – Alrosa).
bb) Gleichwohl verbleibenden Unwägbarkeiten kann die Kartellbehörde durch eine Befristung der Verpflichtungszusagenentscheidung Rechnung tragen, die ihr die Möglichkeit gibt, nach Ablauf der Frist eine Neubewertung auf der Grundlage der ihr dann vorliegenden Informationen vorzunehmen. Anstelle einer Befristung kommt gegebenenfalls auch ein Widerrufsvorbehalt (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3, § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) in Betracht, wodurch eine mit Fristablauf automatisch eintretende Beendigung der Wirkungen der Verpflichtungszusagenentscheidung vermieden werden könnte. Ob eine Verpflichtungszusagenentscheidung mit einem Widerrufsvorbehalt, der im Unterschied zur Befristungsmöglichkeit in § 32b GWB keine Erwähnung findet, versehen werden kann (vgl. dazu Klose in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 3. Auflage, § 51 Rn. 46; ablehnend Bach in Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Auflage, § 32b Rn. 30), muss hier nicht entschieden werden. Jedenfalls würde durch die Zulassung eines Widerrufsvorbehalts, in dem die Widerrufsvoraussetzungen ausreichend bestimmt sein müssten, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der den Unternehmen zuzugestehende Vertrauensschutz weit weniger stark berührt als durch eine aus § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB abgeleitete Berechtigung der Kartellbehörde, durch eine Wiederaufnahme des Abstellungsverfahrens schon dann nachfassen zu dürfen, wenn sie die Folgewirkungen einer Verpflichtungszusagenentscheidung später als unzureichend bewertet.
cc) Die damit angesprochenen Möglichkeiten, unerwünschten Bindungsfolgen schon bei der Verpflichtungszusagenentscheidung entgegenzuwirken, bestehen für die Kartellbehörde nicht in gleicher Weise, wenn es um das spätere Bekanntwerden wesentlicher Umstände geht, die die Kartellbehörde vor ihrer Entscheidung nicht kennen und nicht in Erfahrung bringen konnte, weil sie mit dem Vorhandensein solcher Umstände und ihrer Aufdeckbarkeit durch weitere Ermittlungen nicht rechnen musste. Unter diesen Voraussetzungen ist der Kartellbehörde das Recht zuzugestehen, sich gemäß § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB von ihrer Bindung durch eine Verpflichtungszusagenentscheidung zu lösen, da andernfalls die Funktionstauglichkeit dieses kartellverwaltungsrechtlichen Instruments gefährdet wäre. Denn auf Kenntnisdefizite, die die Behörde als solche nicht erkennen konnte, konnte sie sich bei den Ermittlungen, den Verhandlungen und der Ausgestaltung der Verpflichtungszusagenentscheidung nicht einstellen.
Die in § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB genannten tatsächlichen Verhältnisse werden daher nicht abschließend durch die objektive Sachlage beschrieben, sondern beinhalten auch das Fehlen solcher Umstände, mit denen die Kartellbehörde nicht rechnen konnte und die deshalb von ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten nicht umfasst waren. Das spätere Bekanntwerden solcher Umstände ist dann als eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu werten. Insoweit verhält es sich ähnlich wie bei einer geänderten Bewertung objektiv unveränderter Sachverhalte, die auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und der Behörde erst durch diesen, von ihr nicht beeinflussbaren Erkenntnisfortschritt zugänglich gemacht wurde (vgl. hierzu BVerwG, NVwZ 1984, 102, 103; NVwZ 2016, 323 Rn. 11 f.; BVerwGE 155, 81 Rn. 36).
dd) Soweit es um Erwartungen der Kartellbehörde im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Marktverhältnisse geht, ist bei der Beurteilung der Wiederaufnahmevoraussetzungen nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB ebenfalls nach der Erkennbarkeit zu differenzieren. Im Ausgangspunkt wird grundsätzlich zu Recht angenommen, dass Fehleinschätzungen der Kartellbehörde hinsichtlich der Auswirkungen des zugesagten Verhaltens auf die Marktverhältnisse nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen (Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 12. Auflage, § 32b GWB Rn. 29, Bach in Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Auflage, § 32b Rn. 31; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Auflage, § 32b Rn. 11). Anders verhält es sich, den bisherigen Darlegungen entsprechend, jedoch dann, wenn die Erwartungen zur Marktentwicklung auf einer zutreffenden Erfassung der bestehenden Verhältnisse beruhten, sich aber infolge unvorhersehbarer Entwicklungen nicht erfüllt haben. Gleiches gilt, wenn die ursprünglichen Verhältnisse zwar nicht vollständig erfasst wurden, der Erfassungsmangel aber Umstände betrifft, die die Kartellbehörde nicht kennen und nicht in Erfahrung bringen konnte, weil sie mit dem Vorhandensein solcher Umstände und ihrer Aufdeckbarkeit durch weitere Ermittlungen nicht rechnen musste.
d) Eine noch weitergehende Ausdehnung der Wiederaufnahmemöglichkeiten nach § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB ist hingegen zur Sicherung der Funktionstauglichkeit des Instruments der Verpflichtungszusage nicht geboten und insgesamt nicht gerechtfertigt.
Dem Interesse daran, als solche erkannte kartellrechtswidrige Verhaltensweisen im Verfahren nach § 32 GWB zu unterbinden, steht das durch § 32b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GWB – typisierend – geschützte Vertrauen der beteiligten Unternehmen auf den Fortbestand der durch eine Verpflichtungszusagenentscheidung bestätigten einvernehmlichen Lösung gegenüber. Dieser Vertrauensschutz betrifft nicht allein die Beurteilung abgeschlossener Sachverhalte, sondern auch fortgesetzte Verhaltensweisen. In § 32b Abs. 1 Satz 2 GWB wird auf § 32 GWB insgesamt Bezug genommen, nicht nur auf § 32 Abs. 3 GWB.
Das Vertrauen des betroffenen Unternehmens auf den Fortbestand der Verpflichtungszusagenentscheidung ist typischerweise schutzwürdig, weil das Unternehmen sich berechtigterweise darauf einrichten darf, dass die erreichte konsensuale Lösung nach Maßgabe der Verpflichtungszusagenentscheidung Bestand haben wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das betroffene Unternehmen insofern „nachgegeben“ und zur einvernehmlichen Verfahrensbeendigung beigetragen hat, als es Verpflichtungen eingegangen ist, deren Übernahme kartellrechtlich nicht zwingend geboten sein musste. Denn Verpflichtungszusagen nach § 32b Abs. 1 Satz 1 GWB dienen der Ausräumung kartellrechtlicher Bedenken, die auf einer nur vorläufigen Beurteilung der Kartellbehörde beruhen, und sie müssen überdies nicht zwingend auf das für ein kartellrechtskonformes Verhalten (noch) erforderliche Maß beschränkt sein (vgl. EuGH, Slg. 2010, I-5949 Rn. 41 ff. – Alrosa).
Auf die Umstände des konkreten Einzelfalls kann es für die Auslegung der in § 32b Abs. 2 GWB genannten Wiederaufnahmevoraussetzungen nicht ankommen. Die Auslegung hängt nicht – fallabhängig variierend – davon ab, in welchem Maße die Verfahrensbeendigung Vergleichscharakter hat und in welchem Umfang jeweils Vertrauen begründet wurde. Unbeschadet dessen kann allerdings nach der Bejahung eines tatbestandsgemäßen Wiederaufnahmegrundes bei der Überprüfung der von der Behörde zu treffenden Ermessensentscheidung zu fragen sein, ob wegen besonderer Umstände ein weitergehender Vertrauensschutz in Betracht zu ziehen ist.
e) Eine Ausweitung der nach § 32b Abs. 2 GWB bestehenden Wiederaufnahmemöglichkeiten lässt sich auch nicht mit einem Rückgriff auf die bei einer Abstellungsverfügung nach § 32 GWB geltenden Regeln rechtfertigen.
Eine Abstellungsverfügung beinhaltet keine die Befugnisse der Kartellbehörde einschränkende Erklärung, wie sie nach dem Gesetz Inhalt einer Verpflichtungszusagenentscheidung ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 GWB). Des Weiteren richten sich Rücknahme und Widerruf einer Abstellungsverfügung nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2009 – KVR 67/07, BGHZ 180, 323 Rn. 50 – Gaslieferverträge), während die Aufhebung einer Verpflichtungszusagenentscheidung in § 32b Abs. 2 GWB spezialgesetzlich geregelt ist. Die dort genannten Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Einverständnis des betroffenen Unternehmens sind abschließend (Bornkamm/Tolkmitt in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 13. Auflage, § 32b GWB Rn. 30; Keßler in MünchKomm.WettbR, 2. Auflage, § 32b GWB Rn. 37; Bach in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, § 32b GWB Rn. 26; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Auflage, § 32b Rn. 10). Hierdurch werden die betroffenen Unternehmen, wie ausgeführt, in ihrem Vertrauen auf den Bestand der erzielten Einigung geschützt.
Während das vorliegende Verfahren einen Verstoß gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV betrifft, ging es in den Anwendungsfällen von § 32 GWB, auf die sich das Bundeskartellamt konkret bezogen hat, im Übrigen um die (gegebenenfalls stufenweise) Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB durch Verweigerung des Zugangs zu einer Infrastruktureinrichtung (BGH, Beschluss vom 24. September 2002 – KVR 15/01, BGHZ 152, 84 – Fährhafen Puttgarden I; Beschluss vom 11. Dezember 2012 – KVR 7/12, NJW 2013, 1095 – Fährhafen Puttgarden II). In derartigen Fällen stellt die dem Marktbeherrscher etwa auf einer ersten Stufe aufgegebene Aufnahme von Verhandlungen von vornherein keine abschließende Regelung für den Fall dar, dass die Verhandlungen nicht zu einer Einigung über nicht diskriminierende und nicht unbillig behindernde Zugangsbedingungen führen. Soweit auch zur Unterbindung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach § 1 GWB, Art. 101 AEUV ein abgestuftes Vorgehen für sachgerecht gehalten wird (vgl. dazu im Fall von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB: BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – KVR 7/12, NJW 2013, 1095 Rn. 26 ff. – Fährhafen Puttgarden II) und nach § 32b GWB verfahren werden soll, bleibt der Weg, die Verpflichtungszusagenentscheidung zu befristen oder gegebenenfalls mit einem Widerrufsvorbehalt zu versehen.
3. Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Streitfall nicht erfüllt.
Das Bundeskartellamt hat die angefochtene Verfügung allein darauf gestützt, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verfügung wesentlichen Punkt nachträglich geändert hätten (§ 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB). Aus den Feststellungen des Beschwerdegerichts ergeben sich jedoch keine Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Verpflichtungszusagenentscheidung wesentlichen Punkt – sei es durch eine Veränderung objektiver Umstände, durch das Bekanntwerden von Umständen, mit denen das Bundeskartellamt nicht rechnen konnte, oder durch eine unvorhersehbare Entwicklung der Marktverhältnisse.
a) Dies gilt zunächst für die Einschätzung der erforderlichen Schwellenwerte.
aa) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass bereits die auf weiteren Ermittlungen, insbesondere einer umfassenden Befragung von Sägewerkbetreibern und neu entstandenen kooperativen Rundholzanbietern, beruhende Korrektur der Schwellenwerte von 3.000 ha Waldfläche (bei einzelnen nichtstaatlichen Waldbesitzern) auf 100 ha einen wesentlichen Punkt der Verpflichtungszusagenentscheidung betreffe und ihr die Grundlage entziehe. Das Bundeskartellamt hat in seinen, vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Ausführungen die Korrektur der Schwellenwerte zum einen damit begründet, dass die ursprünglichen Schwellenwerte nicht ausreichten, um die angestrebte Öffnung des Wettbewerbs zu bewirken. Zum anderen könnten private und körperschaftliche Waldbesitzer bereits bei einer Waldfläche von über 100 ha den Nachfragern ein wirtschaftliches Angebot unterbreiten und seien daher zu einer wirtschaftlich selbständigen Rundholzvermarktung tatsächlich in der Lage.
bb) Ein Grund, der das Bundeskartellamt zur Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigt, erschließt sich hieraus nicht. Eine objektive Veränderung der insoweit zugrunde liegenden Umstände ist damit nicht festgestellt. Ebenso wenig ergibt sich etwas dafür, dass das Bundeskartellamt die neuen Erkenntnisse nicht schon vor seiner Verpflichtungszusagenentscheidung vom 9. Dezember 2008 gewinnen konnte.
(1) Die wettbewerbsrechtliche Bedeutung der festzulegenden Schwellenwerte war offensichtlich. Von ihrer Festlegung hing es ab, welcher Anteil der nichtstaatlichen Waldbesitzer dem Land noch als Partner für die gemeinschaftliche Rundholzvermarktung zur Verfügung stehen würde. Auf dieser Grundlage ließen sich – vorbehaltlich zusätzlicher Anreize für eine eigenständige, vom Land unabhängige Vermarktung – die aus der Einführung der Schwellenwerte unmittelbar folgenden Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse auf der Grundlage verfügbarer oder jedenfalls feststellbarer Daten abschätzen. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dass durch die ursprünglichen Schwellenwerte lediglich sechs Körperschaften und vier Forstbetriebsgemeinschaften von der gemeinsamen Holzvermarktung mit dem Land ausgeschlossen worden seien; schon angesichts dieser Zahlen und einer Angebotsbündelung von etwa 60% der in Baden-Württemberg vermarkteten Rohholzmengen sei der Zweck, einen funktionierenden Anbieterwettbewerb zu gewährleisten, ganz offensichtlich nahezu vollständig verfehlt worden. Damit ist folglich nur der unveränderte Sachverhalt abweichend bewertet worden.
(2) Wesentlich für die Festlegung der Schwellenwerte war allerdings auch, ab welcher Waldflächengröße ein körperschaftlicher oder privater Waldbesitzer am Rundholzmarkt selbständig auftreten kann. Das Bundeskartellamt hat sich mit dieser Frage im Ausgangsverfahren befasst und die damals festgelegten Schwellenwerte, wie es in der angefochtenen Abstellungsverfügung heißt, auf Grundlage der von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten Informationen als sachgerecht und geeignet angesehen. Auch insoweit hat sich die Einschätzung des Amtes nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts als unzutreffend erwiesen. Das Beschwerdegericht hat in seinen Ausführungen zur Anwendung des Arbeitsgemeinschaftsgedankens dargelegt, dass nach den vom Amt ermittelten Tatsachen bei einem Waldbesitz von über 100 ha ein selbständiges Auftreten am Markt – nicht etwa nur als Mitglied einer ohne staatliche Beteiligung bestehenden Vertriebsgemeinschaft – wirtschaftlich sinnvoll möglich sei.
Das Bundeskartellamt macht nicht geltend, dass die Beteiligten, insbesondere das betroffene Land, damals unvollständige, unrichtige oder irreführende Angaben gemacht hätten (vgl. § 32b Abs. 2 Nr. 3 GWB). Führten die seinerzeit vorliegenden Informationen gleichwohl zur Ansetzung zu hoher Schwellenwerte, so stellten sie ersichtlich keine hinreichend aussagekräftige Beurteilungsgrundlage dar. Eine zuverlässige Einschätzung hätte daher weitergehende Ermittlungen erfordert, die aussagekräftige Befragungen der Marktgegenseite (Sägewerkbetreiber) sowie körperschaftlicher und privater Waldbesitzer umfassen konnten. Es spricht nichts dafür, dass solche Befragungen nicht schon im Ausgangsverfahren zu den Erkenntnissen geführt hätten, die das Amt hinsichtlich einer eigenständigen, von der Zugehörigkeit in einer Kooperation unabhängigen Vermarktungsfähigkeit erst später ermittelt hat.
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt auch nicht deshalb anzunehmen, weil das Bundeskartellamt entscheidungsrelevante Erkenntnisse erst durch die Befragung von Vermarktungskooperationen erlangt habe, die erst aufgrund der Verpflichtungszusagenentscheidung entstanden sind.
aa) Aus der Beschwerdeentscheidung wird schon nicht deutlich, um welche Erkenntnisse es insoweit gehen soll. Das Beschwerdegericht führt lediglich aus, dass sich diese Erkenntnisse namentlich auf den vom Amt angenommenen wettbewerbsbeschränkenden Einfluss der vom Land nicht kostendeckend übernommenen (weiteren) forstwirtschaftlichen Dienstleistungen zugunsten dritter Waldbesitzer bezögen. Bei seiner eigenen Beurteilung eines wettbewerbsbeschränkenden Einflusses dieser Dienstleistungen hat das Beschwerdegericht indes nicht auf die angesprochenen Ermittlungsergebnisse zurückgegriffen, sondern im Wesentlichen Überlegungen angestellt, die sich auf der Grundlage einschlägiger rechtlicher Regelungen, insbesondere des Waldgesetzes für Baden-Württemberg, u.a. auf die allgemeine Lebenserfahrung oder nach Auffassung des Beschwerdegerichts auf der Hand liegende Umstände stützen.
bb) Es kann jedenfalls im Ergebnis nicht angenommen werden, dass die wettbewerbsbeschränkende Bedeutung forstlicher Dienstleistungen, die das Bundeskartellamt jetzt geltend macht, nicht schon vor der Verpflichtungszusagenentscheidung erkennbar gewesen wäre. Die wesentlichen Rahmenbedingungen hierfür ergeben sich aus dem Landeswaldgesetz und nachgeordneten Bestimmungen, denen auch entnommen werden kann, dass Dienstleistungen teilweise nicht kostendeckend oder auch unentgeltlich erbracht werden. Zudem vermittelt schon eine Überblicksbetrachtung der hier erst später in den Blick genommenen forstlichen Dienstleistungen einen zumindest möglichen Zusammenhang mit der Holzvermarktung, dem gerade in Anbetracht der für sich allein als unzureichend erkennbaren Schwellenwerte näher hätte nachgegangen werden können. Dass in diesem Fall die für eine wettbewerbsbezogene Einschätzung der Dienstleistungen wesentlichen Erkenntnisse nicht hätten ermittelt werden können, liegt fern, auch wenn die Erfahrungen der nichtstaatlichen Vermarktungskooperationen in Einzelheiten ein noch vollständigeres Bild vermittelt haben mögen. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, warum eine schon vor der Verpflichtungszusagenentscheidung mögliche Befragung anderer Waldbesitzer zur Bedeutung und näheren tatsächlichen Ausgestaltung forstlicher Dienstleistungen, beispielsweise auch zu den Einflussmöglichkeiten eines Revierleiters, nicht zu ausreichenden Ergebnissen hätte führen sollen.
c) Ohne Erfolg stellt das Bundeskartellamt schließlich darauf ab, dass die Pilotprojekte gescheitert seien und die angestrebte Marktöffnung insgesamt verfehlt worden sei.
Umstände, die einen Erfolg der Projekte und die erwünschte Marktöffnung hindern konnten, wie insbesondere ein zwischen der gemeinsamen Holzvermarktung und weiteren Dienstleistungen des Landes bestehender Zusammenhang, hätten – wie bereits dargelegt – in Erwägung gezogen und gegebenenfalls näher aufgeklärt werden können. Ihre spätere Erkenntnis kann daher nicht als Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 32b Abs. 2 Nr. 1 GWB gewertet werden. Erkennbar war auch, dass die festgelegten Schwellenwerte für sich genommen kaum geeignet waren, eine maßgebende Änderung der Marktverhältnisse zu bewirken.
Eine dem Wettbewerb förderliche Entwicklung hing im Wesentlichen davon ab, ob nichtstaatliche Marktteilnehmer mit einem Waldbesitz unterhalb des Schwellenwertes in ausreichender Zahl bereit sein würden, aus der gemeinschaftlichen Holzvermarktung mit dem Land auszuscheiden und sich einer der neu entstehenden nichtstaatlichen Kooperationen anzuschließen. Jedenfalls bei vollständiger Erfassung der erkennbaren Ausgangslage war, auch angesichts einer naheliegenden Verfestigung der bestehenden Verhältnisse, damit zu rechnen, dass sich eine entsprechende Erwartung möglicherweise nicht erfüllen werde.
IV. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da keine weitere Sachaufklärung geboten ist. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB.
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