Entscheidungsdatum: 13.12.2012
Der Drittschuldner ist nicht verpflichtet, den Vollstreckungsgläubiger auf eine aufrechenbare Gegenforderung hinzuweisen, wenn er erklärt, die gepfändete Forderung nicht als begründet anzuerkennen.
Die Revision gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 16. März 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Der Kläger betrieb wegen einer Forderung in Höhe von 1.023,99 € gegen Herrn M. T. (nachfolgend: Schuldner) die Zwangsvollstreckung. Hierzu erwirkte er einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem er einen angeblichen Freistellungsanspruch des Schuldners gegen den Beklagten in Höhe von 1.023,99 € aus Anwaltshaftung pfändete. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 27. Mai 2010 als Drittschuldner mit der Aufforderung zugestellt, sich nach § 840 ZPO zu erklären. Mit Schreiben vom 28. Mai 2010 erklärte der Beklagte gegenüber dem Kläger, er erkenne die Forderung nicht an.
Im Hinblick auf diese Erklärung hat der Kläger den gepfändeten Freistellungsanspruch klageweise geltend gemacht. Der Beklagte hat gegenüber dieser Forderung die Aufrechnung mit einem zu seinen Gunsten am 15. Juni 2010 gegen den Schuldner titulierten Honoraranspruch in Höhe von 4.644,30 € erklärt. Hierauf hat der Kläger die Klage geändert und die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm den durch die Nichterteilung der Drittschuldnerauskunft entstandenen Schaden zu ersetzen. Die erteilte Auskunft sei unvollständig, weil der Beklagte nicht auf die zu seinen Gunsten bestehende Aufrechnungslage hingewiesen habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat eine Haftung des Beklagten aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den aus der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung aus § 840 Abs. 1 ZPO entstandenen Schaden verneint. Es hat hierzu ausgeführt, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, im Rahmen der von ihm nach § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu erteilenden Drittschuldnerauskunft auf eine zu seinen Gunsten bestehende Aufrechnungsmöglichkeit hinzuweisen. Der Drittschuldner stehe zum pfändenden Gläubiger in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung. Er sei daher nicht verpflichtet, nähere Auskunft über seine Rechtspositionen zu geben, um das Prozessrisiko des pfändenden Gläubigers zu senken. Der Drittschuldner könne verschiedene Gründe haben, eine Forderung nicht anzuerkennen. Er könne den Einwand der Erfüllung oder die Einrede der Verjährung geltend machen, auch könne der Drittschuldner von einer Beweisnot des Gläubigers oder von Gegenrechten ausgehen. Diese Umstände müsse der Drittschuldner nicht offenbaren. Es sei systemfremd, die Aufrechnungslage davon auszunehmen. Auch habe das bloße Bestehen einer Aufrechnungslage keinen Einfluss auf den Bestand der Forderung, weil der Drittschuldner diese erst noch erklären müsse, um die Forderung zum Erlöschen zu bringen.
II.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Schäden zu ersetzen, welche diesem entstanden sind, weil er mit Schreiben vom 28. Mai 2010 die Forderung ohne nähere Darlegungen nicht anerkannt hatte. Gemäß § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat der Drittschuldner auf Verlangen des Gläubigers zu erklären, ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkenne und Zahlungen zu leisten bereit sei. Entsprechend § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO haftet er dem Gläubiger für den aus der schuldhaften (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1981 - VIII ZR 1/80, BGHZ 79, 275, 277; vom 25. September 1986 - IX ZR 46/86, BGHZ 98, 291, 293) Nichterfüllung dieser Verpflichtung entstehenden Schaden. Der Drittschuldner braucht nicht zu erläutern, aus welchen Gründen er die Forderung nicht anerkennt und zur Zahlung nicht bereit ist. Eine Haftung gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO wegen Nichtanerkennung der Forderung scheidet grundsätzlich aus (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - VII ZB 79/09, WM 2010, 379 Rn. 12). Gemessen hieran fehlt es an einer schuldhaften Nichterfüllung der dem Drittschuldner obliegenden Auskunftspflicht. Denn der Beklagte hat auf Verlangen des Klägers die Auskunft gegeben, er erkenne die Forderung nicht an.
2. Die Rüge der Revision, die erteilte Auskunft des Beklagten vom 28. Mai 2010 reiche deshalb nicht aus, weil dieser auf eine zu seinen Gunsten bestehende Aufrechnungslage nicht hingewiesen habe, dringt nicht durch. Die aufgezeigten Grundsätze gelten auch für den Fall des Bestehens einer Aufrechnungslage (vgl. Hk-ZPO/Kemper, 4. Aufl., § 840 Rn. 7; Hk-ZV/Bendtsen, § 840 Rn. 9; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 840 Rn. 9; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 33. Aufl., § 840 Rn. 5; Jurgeleit, Die Haftung des Drittschuldners, 2. Aufl., Rn. 37 ff; Mümmler, JurBüro 1986, 334, 335; vgl. auch OLG München, NJW 1975, 174, 175; LG Braunschweig, NJW 1962, 2308; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 840 Rn. 7; MünchKomm-ZPO/Smid, 3. Aufl., § 840 Rn. 12; aA Foerste, NJW 1999, 904, 906 ff; Linke, ZZP 87 (1974), 285, 288; Reetz, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers als Drittschuldner in der Zwangsvollstreckung, S. 26 ff).
a) In der Literatur wird allerdings erwogen, dass der Drittschuldner, der aufgrund einer zulässigen Aufrechnung nicht zu einer Leistung bereit ist, dies gemäß § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erklären müsse (Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn. 642a; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 840 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, § 840 Rn. 12; vgl. auch LG Aachen, ZIP 1981, 784, 787). Da § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO den Drittschuldner verpflichte, sich zu seiner Zahlungsbereitschaft zu erklären, müsse er offen legen, wenn er die Forderung zwar als begründet anerkenne, die Zahlungsbereitschaft aufgrund einer möglichen Aufrechnung aber verneine (Stöber, Forderungspfändung, aaO). Hiernach hätte der Beklagte die Forderung anerkennen und das Vorliegen einer Aufrechnungslage anzeigen müssen. Doch vermag die Revision hieraus schon deshalb nichts für sich herzuleiten, weil der Kläger nicht davon ausgehen durfte, dass der Beklagte zur Zahlung bereit ist, nachdem er bereits die Forderung nicht anerkannt hatte.
b) Soweit die Revision unter Hinweis auf die vorgenannte Ansicht eine weitergehende Auskunftspflicht fordert, vermag sie mit ihrer Auffassung nicht durchzudringen. Der Drittschuldner ist jedenfalls nicht verpflichtet, auf eine zu seinen Gunsten bestehende Aufrechnungslage hinzuweisen, wenn er erklärt, die gepfändete Forderung nicht als begründet anzuerkennen. Der Wortlaut von § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist hinsichtlich des Umfangs der Auskunftspflicht eng auszulegen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010, aaO Rn. 11).
aa) Soweit § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO den Drittschuldner auch zu der Erklärung verpflichtet, inwieweit er die Forderung anerkenne und zur Zahlung bereit sei, lässt der Wortlaut offen, ob sich der Drittschuldner dazu zu erklären hat, in welcher Höhe er die Forderung anerkennt, oder ob er sich auch dazu zu erklären hat, aus welchem Grund er die Forderung nicht anerkennt. Für die letztgenannte weitgehende Auskunftspflicht scheinen die Gesetzesmaterialien zu sprechen (so etwa Foerste, aaO S. 905 f); denn demnach soll die Drittschuldnerauskunft unnütze Prozesse vermeiden (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zur Zivilprozessordnung, 2. Bd., S. 459). Dies legt vordergründig nahe, dass der Drittschuldner auch solche Umstände offenbaren muss, die der Forderung oder ihrer Durchsetzbarkeit dauerhaft oder auch vorübergehend entgegenstehen und deshalb für das weitere Vorgehen des Pfändungsgläubigers bedeutsam sind (vgl. Foerste, aaO S. 906 f; Linke, aaO S. 288; Reetz, aaO).
bb) Der Sinn und Zweck der Bestimmung ist jedoch vor dem Hintergrund der Pfändung zu beurteilen. Sie soll dem Pfändungsgläubiger die Entscheidung erleichtern, ob er aus der gepfändeten angeblichen Forderung seines Schuldners gegen den Drittschuldner vorgehen soll oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1984 - IX ZR 153/83, BGHZ 91, 126, 129; vom 25. September 1986 - IX ZR 46/86, BGHZ 98, 291, 294; vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/04, ZIP 2006, 1317 Rn. 14). Der Pfändungsgläubiger soll in groben Zügen Informationen dahin erhalten, ob die gepfändete Forderung als begründet anerkannt und erfüllt wird oder Dritten zusteht oder ob sie bestritten und deshalb nicht oder nur im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren durchzusetzen ist (BGH, Urteil vom 17. April 1984, aaO). Hierzu ist eine Erklärung ausreichend, dass die Forderung nicht anerkannt wird.
Erkennt der Drittschuldner die Forderung an oder gibt er dem Pfändungsgläubiger keine Antwort, darf dieser ohne weiteres davon ausgehen, dass die gepfändete Forderung beigetrieben werden kann. Ergibt später die Einlassung des Drittschuldners im Einziehungsprozess, dass die geltend gemachte Forderung nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist, kann der Pfändungsgläubiger auf die Schadensersatzklage übergehen und erreichen, dass aufgrund des § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Drittschuldner verurteilt wird, die bisher entstandenen Kosten zu ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1981 - VIII ZR 1/80, BGHZ 79, 275, 280 f; vom 17. April 1984, aaO; vom 4. Mai 2006, aaO Rn. 11). Erkennt der Drittschuldner demgegenüber die Forderung nicht an, kann der Pfändungsgläubiger nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Forderung beigetrieben werden kann. Dies genügt als Warnung vor einem unnützen Einziehungsprozess.
cc) Eine Verpflichtung des Drittschuldners zu weitergehenden Auskünften würde dem Pfändungsgläubiger demgegenüber das allgemeine Prozessrisiko abnehmen oder erleichtern, wenn dieser klagt, obwohl der Drittschuldner die Forderung nicht anerkennt (vgl. Stöber, aaO Rn. 642). Dem Drittschuldner darf nicht abverlangt werden, vorprozessual sein etwaiges Verteidigungsvorbringen weitgehend offenzulegen, um eine mögliche Haftung aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO auszuschließen. Auch könnte er bereits dann zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er irrtümlich den Sachverhalt unvollständig erfasst oder die Rechtslage unzutreffend beurteilt und die gepfändete Forderung aus diesem Grund nicht anerkennt. Entsprechende umfassende Auskünfte könnte er vielfach auch erst nach Einholung von Rechtsrat erteilen. Es gibt jedoch keinen Grund, den Drittschuldner über den durch die Pfändung gezogenen Rahmen hinaus mit derart weitgehenden Auskunftspflichten zu belasten und den Pfändungsgläubiger so gegenüber dem Drittschuldner günstiger zu stellen als einen neuen Gläubiger nach der Abtretung (§§ 398 ff BGB) gegenüber dem Schuldner (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1984, aaO, S. 130; vgl. auch Hahn, Die gesamten Materialien zur Zivilprozessordnung, 2. Bd., S. 850). Denn auch nach einer Abtretung muss der Schuldner nach den §§ 398 ff BGB dem neuen Gläubiger keine Auskunft über den Bestand der Forderung erteilen oder die Substantiierung einer Einziehungsklage ermöglichen oder erleichtern. Die für die Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft muss der neue Gläubiger im Zweifel gemäß § 402 BGB vielmehr beim bisherigen Gläubiger einholen. Für die gepfändete Forderung entspricht dem inhaltlich die mit der BGB-Novelle in die Zivilprozessordnung aufgenommene Bestimmung des § 836 Abs. 3 ZPO (vgl. Hahn/Mugdan, Die gesammelten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 8. Bd., S. 155 f).
dd) Der Wortlaut von § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO unterscheidet hinsichtlich der Erklärungspflicht schließlich auch nicht zwischen dem Einwand der Aufrechnung und anderen Einwendungen. Der Drittschuldner muss daher auch nicht ausnahmsweise auf den Einwand der Aufrechnung hinweisen, wenn er die gepfändete Forderung wegen einer zu seinen Gunsten bestehenden Aufrechnungslage nicht freiwillig erfüllt und deshalb nicht anerkennt (vgl. Hk-ZV/Bendtsen, § 840 Rn. 9), zumal er zunächst auch aus anderen Gründen von einer Anerkennung der Forderung absehen kann. Auch kann die Aufrechnungslage erst nach Abgabe der Drittschuldnererklärung eintreten. Es würde die Anforderungen an den Drittschuldner überspannen, ihm für diesen Fall auch noch die Pflicht zur Aktualisierung seiner Auskunft gegenüber dem Pfändungsgläubiger aufzuerlegen. Dies wäre bei Bestehen der von der Revision vertretenen weitreichenden Auskunftspflicht jedoch folgerichtig.
III.
Der Beklagte ist dem Kläger auch nicht aus anderen Gründen zum Schadensersatz verpflichtet. Soweit das Berufungsgericht eine deliktische Haftung des Beklagten verneint hat, wird dies von der Revision nicht angegriffen und ist auch rechtlich nicht zu beanstanden.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape