Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.10.2011


BGH 20.10.2011 - IX ZR 68/09

Haftung des Steuerberaters: Prüfungspflichten nach einer Gesetzesänderung bei einem beschränkten Dauermandat


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
20.10.2011
Aktenzeichen:
IX ZR 68/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Hamm, 20. Februar 2009, Az: 25 U 69/08, Urteilvorgehend LG Dortmund, 10. Juni 2008, Az: 4 O 332/07, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Februar 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 182.399,24 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht.

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1. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine unbeschränkte Berufungseinlegung angenommen, obwohl nur die an erster Stelle des landgerichtlichen Rubrums stehende Beklagte in der Berufungsschrift als Gegner genannt war (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 1961 - V ZB 24/61, NJW 1961, 2347; Urteil vom 19. März 1969 - VIII ZR 63/67, WM 1969, 863). Hiervon unterscheidet sich der Fall, dass eine Berufungsschrift einige von mehreren Prozessgegnern der ersten Instanz nennt. Eine Beschränkung der Berufung auf die erstbeklagte gemischte Rechtsberatersozietät wäre im Streitfall auch offensichtlich interessenwidrig gewesen, weil nur die rechtsberatenden Sozietätsmitglieder wegen ihrer Berufshaftung pflichtversichert sind, nicht die Sozietät selbst. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts, für die Auslegung der Berufungsschrift auf die Berufungsbegründung abzustellen, hat sich im Ergebnis nicht ausgewirkt.

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2. Grundsatzfragen zum Umfang oder zur Art und Weise der Steuer- oder Rechtsberatung sind nicht entscheidungserheblich.

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a) Zwischen den Parteien bestand ein langjähriges Dauermandat in Angelegenheiten der Finanzbuchhaltung und Umsatzbesteuerung. Der geltend gemachte Schaden betrifft diesen Gegenstand, so dass dahingestellt bleiben kann, welche Pflichten ein gegenständlich beschränktes Dauermandat begründet, außerhalb des Mandatsgegenstandes liegende Schäden zu verhindern.

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b) Die Pflichtwidrigkeit der Beklagten liegt in der unzureichenden Wahrnehmung der klägerischen Umsatzsteuerangelegenheiten nach Inkrafttreten der Neuregelung von § 13b UStG. Vorherige Hinweise an die Klägerin gleich welchen Inhalts und gleich welcher Form genügten nach dem übernommenen Mandat nicht. Die Beklagten mussten im Rahmen des beschränkten Dauermandates ohne zusätzlichen Auftrag prüfen, ob die Klägerin nach dem Gesetz und dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 31. März 2004 als Empfänger von Bauleistungen steuerpflichtig war, und Voranmeldungen unter Berücksichtigung von § 18 Abs. 4a UStG erstellen. Etwa notwendige Rückfragen für diese Prüfung hatten sie von sich aus an die Klägerin zu richten und nötigenfalls zu erläutern. Soweit die Klägerin danach die Voraussetzungen von Nr. 14 des Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 31. März 2004 erfüllte, mussten die Beklagten den Leistungsgegenstand in Betracht kommender Rechnungen, sofern dies nicht ohnehin aus deren Inhalt hervorging, auf Anwendungsfälle von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 bis 4 UStG (Bauleistungen) hin klären. Auf die zutreffende Rechnungserteilung der leistenden Unternehmer nach § 14a Abs. 5 UStG durften sich die Beklagten nicht verlassen, solange die Rechnungsaussteller nicht wussten oder zuverlässig beurteilen konnten, ob die Klägerin als Bauleistender nach § 13b Abs. 2 UStG die Umsatzsteuer schuldete.

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3. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Verfahrensgrundrechten festgestellt, dass das Verhalten der Beklagten für den (drohenden) Schaden der Klägerin ursächlich war. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist der Schaden durch die Umsatzsteuerbescheide vom 9. Juli 2007 bereits eingetreten, selbst wenn die Vollziehung durch Verfügung vom 27. August 2007 gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt worden ist und diese Bescheide womöglich künftig wieder aufgehoben werden. Die Rüge der Beschwerde, es fehle an hinreichender Schadenswahrscheinlichkeit für die Begründetheit der Feststellungsanträge, geht daher ins Leere.

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4. Das Berufungsurteil leidet gleichwohl an einer wesentlichen Subsumtionslücke, weil nicht geprüft worden ist, ob die Feststellungen zur Steuerschuldnerschaft der Klägerin im Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts L. vom 4. April 2007 unter Nr. 2.2 richtig sind. Das Bestreiten der Einsprüche in diesem Punkt ist allerdings pauschal und substanzlos. Eine Beurteilung der nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 31. März 2004 maßgebenden Umstände für die Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 ist allein nach dem Vortrag der Parteien unmöglich.

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Sollten die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide rechtswidrig und aufzuheben sein, wie beide Parteien übereinstimmend meinen, so ist die haftungsrechtlich für die Ausgleichung eines Restschadens entscheidende Frage, ob der Fehler der Finanzverwaltung den Beklagten zugerechnet werden kann. Die Beklagten müssten dann, wenn ihre pflichtwidrige Versäumnis sich im Ergebnis richtigerweise sonst nicht hätte auswirken dürfen, wenigstens durch eine unklare Sachlage, die sie zu vertreten hätten, den Grund für die Fehlbeurteilung des Finanzamtes gelegt haben. Andernfalls müsste den Beklagten vorgeworfen werden können, dass sie die Einsprüche der Klägerin gegen die Umsatzsteuerbescheide unzulänglich begründet haben und deshalb dafür verantwortlich sind, dass diese Beschwer nicht schon demnächst wieder beseitigt worden ist. Mit dem von der Beschwerde und der Berufungserwiderung vorgebrachten Argument, der Steuerfiskus habe keinen Schaden erlitten, war dies im Hinblick auf § 14c UStG jedenfalls nicht sicher zu erreichen.

9

Ein Grund zur Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil kann aus der bezeichneten Subsumtionslücke nicht hergeleitet werden. Die Vorschrift des § 547 Nr. 6 ZPO ist durch den sachlichen Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht verletzt worden. Der von der Beschwerde aufgezeigte Vortrag von Seite 7 des Schriftsatzes vom 16. Januar 2009 liegt inhaltlich außerhalb des mit Beschluss vom 12. Dezember 2008 gewährten Schriftsatznachlasses, wendet sich aber auch nicht gegen die Voraussetzungen des § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG in der Person der Klägerin. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Berufungsgericht das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt hat, wenn dieser Vortrag nicht aufgegriffen worden ist.

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5. Von weiterer Begründung der Entscheidung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

II.

11

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der Berufungsbeschwer, die für Nr. 1 der Urteilsformel (Feststellung der Ersatzpflichten für den Umsatzsteuerschaden) nach der finanzamtlichen Verfügung vom 27. August 2007 mit 80 v.H. der Aussetzungssumme anzunehmen ist und für die Feststellung des Annahmeverzuges wie in den Vorinstanzen mit 1000 €.

Kayser                                    Raebel                                    Pape

                       Grupp                                    Möhring